Butscher: Erst Verzweiflung, nun die Hoffnung auf ein Wunder

Nach der üblen Bauchlandung im ersten Relegationsspiel will sich der VfL Bochum wenigstens anständig verabschieden. Nach der Partie am Montagabend in Düsseldorf bricht der Kader komplett auseinander.

Am Abgrund: Nur ein Wunder kann Heiko Butscher und den VfL Bochum noch vor dem Abstieg bewahren.

Am Abgrund: Nur ein Wunder kann Heiko Butscher und den VfL Bochum noch vor dem Abstieg bewahren.

IMAGO/kolbert-press

Gar nicht so einfach für Heiko Butscher, die passenden Worte vor dem letzten Auftritt dieser Bochumer Mannschaft zu finden, die zuletzt keine Mannschaft mehr war. Und entsprechend auch auseinanderbrechen wird; kaum einer aus der Stammelf wird in der nächsten Saison noch für den VfL spielen. Und natürlich wird auch Butscher dann nicht mehr dabei sein, der die neu gegründete U-21 übernehmen soll.

Trotz “Wut und Verzweiflung”: Union macht Hoffnung

Mit dem Blick auf das Spiel in Düsseldorf am Montag sprach Butscher zunächst mal von “Wut und Verzweiflung” und der “brutalen Enttäuschung”, die alle Beteiligten beim 0:3 in der ersten Auseinandersetzung mit dem Noch-Zweitligisten erlebt hatten. Und so, logisch, mühte sich der Ex-Profi, zumindest Spurenelemente von Hoffnung zu verbreiten.

Da geht ein Gedanke zum Beispiel an die Partie neulich in Köpenick, als der VfL eine für seine Verhältnisse nahezu perfekte erste Halbzeit auf den Rasen zauberte und 3:0 gegen Union führte. “Wir müssen alles probieren, das ist auch eine Frage der Haltung”, so Butscher. “Solche Comebacks gab es schließlich schon. Glaube und Hoffnung sind jedenfalls da, dass wir es mit einem Wunder noch drehen können.”

Realistisch betrachtet aber wird sich der VfL am Montag zum siebten Mal aus der Bundesliga verabschieden und komplett neu aufbauen müssen. Das betrifft die Mannschaft, aber natürlich auch die sportliche Führung. Ein neuer Trainer muss schleunigst gefunden werden, die Zeit drängt – aber wer übernimmt diese Aufgabe?

Umbruch auf allen Ebenen?

Angeschlagen ist natürlich auch Sportdirektor Marc Lettau, nachdem die Bochumer Transfers in dieser Saison so überhaupt nicht zündeten, mit Ausnahme von Bernardo. Viele Flops waren diesmal dabei, und die darf sich gerade ein Klub mit stark begrenztem Budget wie der VfL Bochum nicht leisten.

Steht also Lettau vor dem Aus? Und was wird aus Patrick Fabian, der als langjähriger Spieler mit dem VfL natürlich eine besondere Geschichte verbindet, und dessen Vertrag als Sportvorstand noch bis 2025 befristet ist?

Am Wochenende gab es nicht zum ersten Mal Beratungen, wie der XXL-Umbau anzugehen ist. Die Zeit ist knapp, die Zahl der Baustellen dagegen riesengroß.

Oliver Bitter

DFB-Trainingslager zunächst ohne Neuer

Am Sonntag hat die deutsche Nationalmannschaft die unmittelbare Vorbereitung auf die Heim-EM aufgenommen. Beim Bezug des Trainingslagers im Weimarer Land fehlte allerdings Manuel Neuer.

Manuel Neuer reiste nicht ins Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft an.

Manuel Neuer reiste nicht ins Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft an.

IMAGO/Eibner

Am Sonntag war es soweit: Bundestrainer Julian Nagelsmann und sein Stab erwarteten die Nationalspieler in einem noblen Spa&Golf-Resort unweit von Blankenhain in Thüringen. Dort wird Nagelsmann die DFB-Auswahl bis zum 31. Mai auf die EURO 2024 vom 14. Juni bis 14. Juli im eigenen Land vorbereiten.

Zunächst verzichten muss Nagelsmann aber auf Manuel Neuer. Der Bayern-Keeper, der vom Bundestrainer zur Nummer eins für die Heim-EM auserkoren worden war, konnte am Sonntag wegen eines Magen-Darm-Infekts nicht anreisen. Dies teilte der DFB am Sonntag mit. Ein weiterer Rückschlag für Neuer auf dem Weg zu seinem erhofften Comeback im deutschen Tor nach eineinhalb Jahren. Letztmals stand Neuer beim letzten Gruppenspiel der WM 2022 am 1. Dezember 2022 im Tor der DFB-Elf.

Anschließend wurde der mittlerweile 38-Jährige von einer komplizierten Fußverletzung, die er sich im Anschluss an die WM zugezogen hatte, ausgebremst. Ursprünglich sollte er in den Länderspielen im März in Frankreich (2:0) und gegen die Niederlande (2:1) wieder zurückkehren. Wegen eines Muskelfaserrisses musste sein Comeback aber verschoben werden, dieses ist nun für den 3. Juni (20.45 Uhr) in Nürnberg gegen die Ukraine anvisiert. Wann Neuer zur Nationalmannschaft stoßen wird, teilte der DFB nicht mit.

Fehlen anderer Spieler stand bereits fest

Während Neuer kurzfristig absagen musste, stand das Fehlen anderer EM-Starter bereits fest. Für die Nationalspieler von Doublesieger Bayer Leverkusen stehen am Sonntag noch die Festivitäten nach dem Pokalsieg an. Mit Jonathan Tah, Florian Wirtz und Robert Andrich wird wohl erst ab Mittwoch gerechnet.

Auch der Kapitän ist noch nicht mit an Bord. Ilkay Gündogan ist ebenso wie Keeper Marc-André ter Stegen am Sonntagabend noch für den FC Barcelona im Einsatz, die Katalanen bestreiten ab 21 Uhr ihr abschließendes Ligaspiel beim FC Sevilla. Auch das Duo wird wohl erst Mitte der Woche in Thüringen eintreffen.

Noch länger fehlen werden die Akteure der beiden Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund und Real Madrid, die sich am kommenden Samstag (21 Uhr) in Wembley um die Krone im europäischen Klub-Fußball duellieren. Toni Kroos und Antonio Rüdiger (beide Real) sowie die BVB-Akteure Niclas Füllkrug und Nico Schlotterbeck werden wohl auch noch im Test gegen die Ukraine fehlen.

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Nach dem Trainingslager im Weimarer Land wird die deutsche Nationalmannschaft ihr EM-Quartier im mittelfränkischen Herzogenaurach beziehen. Drei Tage vor dem Auftakt findet am 7. Juni (20.45 Uhr) die EM-Generalprobe in Mönchengladbach gegen Griechenland statt. Als Gastgeber wird Deutschland dann am 14. Juni (21 Uhr) das EM-Eröffnungsspiel in München gegen Schottland bestreiten. Weitere Gegner in der Gruppe A sind am 19. Juni (18 Uhr) in Stuttgart Ungarn sowie zum Abschluss am 23. Juni (21 Uhr) in Frankfurt die Schweiz.

“Euphorie ist deplatziert”: Thioune mahnt zu Klarheit

Nach dem 3:0-Hinspielsieg in Bochum steht Fortuna Düsseldorf mit einem Bein in der Bundesliga. Daniel Thioune will sich die Ausgangsposition nicht zu Kopf steigen lassen.

Voller Fokus: Daniel Thioune will den Bundesligaaufstieg seriös eintüten.

Voller Fokus: Daniel Thioune will den Bundesligaaufstieg seriös eintüten.

IMAGO/kolbert-press

Vier Jahre nach dem letzten Bundesligaabstieg steht Fortuna Düsseldorf wieder an der Schwelle zum Oberhaus. Nicht weniger als einen Drei-Tore-Vorsprung nimmt die Mannschaft von Daniel Thioune mit ins Relegations-Rückspiel am Montagabend (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker), vor dem auch der stets um sachliche Klarheit bemühte Coach zugeben muss: “Euphorie ist nach so einem Ergebnis normal.”

Thiounes Kreis bleibt klar

Thioune wäre aber nicht Thioune, wenn er seine Erkenntnis nicht postwendend mit einem entscheidenden Nachtrag versehen würde. Weshalb er auf der Pressekonferenz vor dem entscheidenden zweiten Duell mit dem VfL Bochum direkt anhängt: “Die Euphorie kommt im äußeren Kreis auf. Der innere Kreis ist klar.” Dies habe man auch nach dem 3:0 am Donnerstagabend gesehen. “Beeindruckend war, dass die Mannschaft nach dem Spiel fokussiert war”, lobt Thoiune, “so habe ich sie auch in den letzten beiden Tagen wahrgenommen.”

Der 49-Jährige selbst scheint ob des nahenden Aufstiegs ohnehin nichts von seiner aufgeräumten Art eingebüßt zu haben. “Euphorie ist deplatziert und gar kein Begleiter von uns”, beschwört Thioune – und will diese Haltung vorleben. Am Freitag habe er sich nach kurzer Nacht und etwas Sport direkt an die Aufarbeitung des Hinspiels gemacht und betont: “Es gab auch Situationen, die schlechter für uns hätten ausfallen können.” Daher sei er umgehend wieder  “in Lösungen unterwegs” gewesen – auch, weil “wir nicht unbedingt das bekommen haben, was wir erwartet haben”.

Gemeint ist damit die taktische Herangehensweise von Bochums Trainer Heiko Butscher. Dieser habe sein Gegenüber mit einer “pendelnden Dreierkette” und dem daraus resultierenden Überladen des Zentrums durchaus überrascht. Eine im Ergebnis letztlich nicht sichtbare Maßnahme, die bei Thioune dennoch nachwirkt: “Das wird die größte Herausforderung sein: Dass wir nicht das bekommen, was wir erwarten, sondern was der Kollege Butscher sich ausdenkt.” Daher gelte es, “Spieler auf dem Platz zu haben, die auf taktische Anweisungen reagieren können”.

Fortuna setzt auf Konstanz – Gavory fällt aus

Konkret könnte sich hinter Thiounes Ziel die identische Formation des furiosen Auswärtssiegs anne Castroper verstecken. “Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es dieselbe Elf ist, weil sie viel richtig gemacht hat”, deutet Thioune an, behält sich spontane Änderungen jedoch vor: “Es gilt ein paar Stunden abzuwarten, wie die Einzelnen sich regeneriert haben. Vielleicht macht es auch Sinn, dass jemand von der Bank startet.”

Definitiv nicht mit dabei sein wird Außenverteidiger Nicolas Gavory. Der Franzose verletzte sich beim Aufwärmen im Ruhrgebiet und zog sich einen “Muskelfaserriss in der Wade” zu, wie sein Trainer verrät. Die Spielzeit ist für den Linksfuß somit beendet, er wird “nach der Sommerpause” zurückerwartet – und darf sich dann womöglich Bundesligist nennen.

Haaland und die “großen Spiele”

Am Samstagnachmittag hat Erling Haaland im Trikot von Manchester City sein neuntes Halbfinal- oder Finalspiel gespielt. Die Ausbeute des Norwegers ist bedenklich.

Es war - mal wieder - nicht sein Finale: Erling Haaland.

Es war – mal wieder – nicht sein Finale: Erling Haaland.

IMAGO/Offside Sports Photography

Die Premier League gilt, und das wirkt ziemlich unumstritten, als beste Liga Europas. Seit Erling Haaland im Sommer 2022 den Schritt von Borussia Dortmund zu Manchester City gegangen ist, wurde er in beiden Saisons Torschützenkönig, wurden die Skyblues ein drittes und ein viertes Mal in Folge englischer Meister.

Schon allein 90 Tore in bisher insgesamt 98 Pflichtspielen für den Klub lassen Kritik am Norweger, die immer mal wieder aufkommt, auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Es lohnt sich allerdings ein zweiter. Denn wer dem stichhaltigen Part dieser Kritik lauscht, die nach dem verlorenen Pokalfinale gegen Manchester United laut und deutlich zu vernehmen war, der wird Ansätze erkennen, die von Zahlen eindrucksvoll untermauert werden.

Die Tore zur Meisterschaft schoss Foden

Haaland würde in “großen Spielen” abtauchen, heißt es von denen, die den 23-Jährigen ohnehin nicht unbedingt als Lösung sehen für das jahrelange vermeintliche Problem, dass ManCity unter Pep Guardiola keinen klassischen Mittelstürmer aufbot. Weil dem Gefüge durch Haalands Schwächen gleichzeitig Dinge abgehen, die vorher quasi gegeben waren. Außerdem ging Haaland nicht nur im Endspiel des FA Cup nach einem unauffälligen Auftritt ohne Tor nach Hause.

Schon im Meisterschafts-Showdown mit Arsenal, als City es mit West Ham zu tun bekam, “musste” sich der Serienmeister auf Doppelpacker Phil Foden verlassen. Zum 3:1-Sieg über die Hammers steuerte Haaland ebenso keinen Treffer bei wie in den beiden Viertelfinal-Spielen in der Champions League gegen Real Madrid. Selbst als City den Königlichen vor einem Jahr insgesamt fünf Tore eingeschenkt hatte, war keines davon auf das Konto des Norwegers gegangen.

In seinen nun zwei Jahren auf der Insel hat Haaland für City insgesamt neun Halbfinal- und Finalspiele absolviert – und dabei keinen einzigen Treffer erzielt. Für einen Stürmer, der zu Manchesters eindrucksvollem Angriffsspiel jenseits von Toren regelmäßig nur überschaubar viel beiträgt, gerade im Vergleich mit zentralen City-Angreifern zurückliegender Jahre, ist das eine bedenkliche Statistik. So viele Tore er in den “kleineren” Spielen auch schießen mag.

“Wir wollen angreifen”: Bayers Xhaka über Bergamo, den FCK und seine Ambitionen

Im Anschluss an das Pokalfinale gegen den FC Kaiserslautern spricht Granit Xhaka über einen Tipp von Geschäftsführer Simon Rolfes, den Schmerz von Dublin und seine Ambitionen mit der Werkself.

Aus Berlin berichten Stephan von Nocks und Leon Elspaß

Sein wuchtiger Distanzschuss sicherte Bayer den Pokalsieg in Berlin. Granit Xhaka, wenige Tage zuvor im Europa-League-Finale gegen Bergamo (0:3) noch mit einer arg fehlerhaften Leistung, ging gegen Kaiserslautern voran, war der Werkself wieder die gewohnte Stützte – und avancierte zum Matchwinner. Xhaka wirkte gelöst, als er in der Nacht zum Sonntag am Club Theater Berlin ankam. Er strahlte Zufriedenheit und Angriffslust aus – und sprach über…

seinen Treffer des Tages zum 1:0-Sieg im Pokalfinale:

Der Ball kam mit einem perfekten Timing zu mir – und ich habe ein Gespräch mit Simon Rolfes nicht vergessen. Vor acht, neun oder zehn Wochen sagte er mir: Drück einfach mal ab, direkt, ohne dass der Torwart es erwartet. Ich glaube, der Ball war nicht so präzise, aber eine große Überraschung für den Torhüter. Und man nimmt natürlich mit, was ein Sportdirektor oder ein Trainer sagt. Dass er reingegangen ist, macht mich umso glücklicher.

… die Halbzeitpause, in der die Bayer-Profis Verantwortung übernahmen:

Wichtig ist, dass die Spieler und der Trainer eine gute Balance haben. Wir helfen einander. Klar, wir wissen, dass Xabi Alonso der Chef ist, aber er ist ein Trainer, der auch auf die Spieler hört, weil er genau weiß, wie man auf dem Platz fühlt. Er hat ehrlicherweise gar nicht so viel gesagt in der Halbzeit, die Spieler haben, glaube ich, mehr gesprochen als er. Er hört zu, er gibt die Freiheit an die Spieler, um Entscheidungen zu treffen – das ist sicher eine Stärke von ihm.

Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich ein Sechser bin. Das war ein guter Start für uns beide.

Granit Xhaka über die Kommunikation mit Xabi Alonso

sein erstes Jahr bei der Werkself:

Es ist eine Ehre für mich, überhaupt hier zu sein. Die ersten Gespräche mit Xabi, aber auch mit Simon Rolfes damals im März haben mich sofort überzeugt. Xabis erste Frage war, wo ich mich selbst sehen würde. Bei Arsenal habe ich auf der Achter-Position gespielt, etwas weiter vorne als heute. Und wir haben uns darauf geeinigt, dass ich ein Sechser bin. Das war ein guter Start für uns beide.

Ich bin froh, dass alles geklappt hat, was ich mir gewünscht habe. Vom ersten Tag wusste, ich dass ich hier richtig bin. Xabi hat mir so viel beigebracht, auch mit mittlerweile fast 32. Man kann immer dazulernen, egal wie alt man ist, ob man 18 ist oder 32. Ich bin froh, dass ich den Schritt hierhin gemacht habe, die sieben Jahre in London waren überragend, klar. Und die vergesse ich nicht. Aber heute hier zu stehen, das ist schon speziell.

den Schmerz nach der Niederlage im Europa-League-Finale:
Nach dem Spiel haben wir nicht so viel gesprochen, der Schmerz war zu groß, bei ihm (Xabi Alonso, d. Red.) wie bei uns. Das war auch am nächsten Tag so. Wir wussten aber natürlich, dass wir es abhaken müssen, um uns auf den DFB-Pokal zu konzentrieren. Das Ziel war es, auf diesen Schmerz den Pokalerfolg folgen zu lassen. Ein Finale ist immer speziell, es gibt keinen Favoriten, klar, Kaiserslautern kommt aus der 2. Liga, aber im Pokal kann so viel verlieren. Dass wir jetzt die Glücklichen sind, macht uns natürlich sehr froh.

seine fehlerhafte Leistung gegen Bergamo:

Meine Stärken sind es, genau zu wissen, wann ich gut und wann ich weniger gut gespielt habe. Und ich habe auch zu den Jungs gesagt nach drei, vier Monaten: Man muss zu sich ehrlich sein. Wenn man gut spielt, soll man sich loben. Wenn man weniger gut spielt, soll man sich kritisieren. Ich bin mittlerweile fast 32, und ich schaue mir jedes Spiel von mir noch mal an. Ich weiß, dass es am Mittwoch nicht die beste Leistung von mir war, dass es Fehlpässe gab, die ich in dieser Saison von mir selbst so nicht gesehen habe. Aber es gehören alle dazu, alle Spieler. Man muss miteinander weinen, man muss miteinander feiern wie heute. Es gibt so Tage, an denen Sachen weniger gut laufen.

Ich bin nicht hierhergekommen, um nur in einem Jahr Titel zu holen.

Granit Xhaka

seine Ambitionen mit Bayer:

Ich bin nicht hierhergekommen, um nur in einem Jahr Titel zu holen, sondern hoffentlich auch in den nächsten Jahren. Wir wissen, was wir für ein Potenzial haben, die Entscheidung von Xabi, bei uns zu bleiben, war super. Wir werden in der nächsten Saison alles dafür tun, dass wir eine Top-Mannschaft haben. Und dass wir noch mal hier stehen werden, wo wir gerade sind.

Dass diese Saison wirklich speziell war, das wissen wir. Und dass man mal verliert, gehört dazu. Die Kunst ist es, wieder aufzustehen – heute haben wir den nächsten Schritt gemacht, Charakter gezeigt und gesagt: Hey, wir verlieren zwar ein Spiel, aber wir stehen wieder auf. Wir werden im nächsten Jahr genauso weitermachen. Es wird ein Spiel geben, dass wir verlieren. Wir werden wohl keine 51 Spiele hintereinander gewinnen oder nicht verlieren, das ist zumindest wahrscheinlich. Aber wir wollen angreifen. Wir sind hier, um den Titel zu verteidigen. Und werden alles dafür tun, um das im nächsten Jahr noch mal zu erreichen.

Hölle und Himmel: Wie der FCK das Pokalfinale zur Party machte

Das DFB-Pokal-Finale hat der 1. FC Kaiserslautern überraschend knapp verloren. Bei den Roten Teufeln überwiegt aber trotzdem der Stolz auf das komplette Pokalwochenende.

Der Teufel im Olympiastadion: die Choreographie der FCK-Fans beim Pokalfinale.

Der Teufel im Olympiastadion: die Choreographie der FCK-Fans beim Pokalfinale.

IMAGO/Contrast

Aus Berlin berichten Moritz Kreilinger und Frederik Paulus

Die Tore zur Hölle schienen sich aufzutun, als das Pokalfinale zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Bayer Leverkusen gerade in die Halbzeit gegangen war. Der Himmel und die sich auftürmenden Wolken waren von der untergehenden Sonne plötzlich orange-rot gefärbt, fast bedrohlich zog sich die Kulisse über dem tiefen Westen Berlins zusammen. Es schien, als braue sich da etwas zusammen – im Guten für die Roten Teufel, bedrohlich für das hochfavorisierte Leverkusen, das den knappen Vorsprung aus der ersten Hälfte in 45-minütiger Unterzahl verteidigen musste.

Spielbericht

Angefeuert von den rund 40.000 FCK-Fans – weit mehr als das offizielle Kontingent -, die sich im Olympiastadion überall verteilt hatten, war die Szenerie für den Underdog aus Kaiserslautern also wie gemacht. Als der Ball nach kurzer Verzögerung aufgrund abgefeuerter Pyrotechnik im rot-weißen Lager dann endlich rollte, wurde aus dem fulminanten Comeback jedoch nichts.

Zu oft und zu schnell gerieten die Roten Teufel an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, auch ein Mann mehr konnte den Klassenunterschied nicht kaschieren. “Ich will nicht sagen, das hat uns gehemmt. Aber es war plötzlich ein komisches Gefühl, als wir gemerkt haben, dass hier was geht”, beschrieb Ben Zolinski den Verlauf in der zweiten Hälfte. “Wenn wir das 1:1 gemacht hätten, dann wäre das Stadion mal kurz hochgeflogen und hätte uns getragen. Aber dieser glückliche Moment ist leider ausgeblieben.”

Eine Choreographie für rund 100.000 Euro

Schon vor Anpfiff hatte der Anhang des 1. FC Kaiserslautern für Highlights gesorgt. Die Ostkurve im Olympiastadion war fest in roter Hand. Doch Rätsel gab zunächst auf, welche Choreographie sich die traditionell kreativen Pfälzer hatten einfallen lassen. Anders als auf der Gegenseite ließ sich zumindest anhand der verteilten Utensilien in den Blöcken wenig erahnen oder ablesen. Dann aber ergab sich in den unteren Bereich plötzlich die Szenerie eines ausbrechenden Vulkans in Form einer Blockfahne, ehe ein riesengroßer gemalter Teufel unter das Dach des Stadions gezogen wurde.

Rund 100.000 Euro verschlangen Vorbereitungen, Transport, Aufbau und Materialen, wie es aus Fankreisen heißt. “Wenn du weißt, wer hinter dieser Choreo steckt, wie viel Zeit, Geld und Arbeit da reingesteckt wurde – es war einfach phänomenal, was unsere Fans heute abgezogen haben. Es war atemberaubend”, sagte Kapitän Jean Zimmer, den schon die Stimmung beim Warmmachen eine Gänsehaut bereitet hatte.

Schon am Freitag schien der FCK die Bundeshauptstadt friedlich eingenommen zu haben. Gefeiert wurde auf dem zentralen Fanfest am Breitscheidplatz, aber eigentlich überall in Berlin und das bis spät in die Nacht. Bilder und Videos davon hatten auch die Mannschaft erreicht. “Wir haben einen Feiertag für die Pfalz angekündigt. Und jeder hat das gelebt”, sagte Zimmer. “Es macht mich einfach Stolz, mit meinem Verein so etwas erlebt zu haben. Das hätte ich mir nicht ausmalen können, als ich vor dreieinhalb Jahren zurückgekommen bin, weil wir da im Abstiegskampf in der 3. Liga waren.”

Der Himmel über dem Olympiastadion

Der Himmel über dem Olympiastadion vor Beginn der 2. Hälfte.
IMAGO/Moritz Müller

Und dennoch regierte unmittelbar nach dem Schlusspfiff erstmal Enttäuschung im Lager die Pfälzer. Auf den Rängen, die allerdings noch lange nach Abpfiff dicht besetzt blieben, um der eigenen Mannschaft Anerkennung zu zollen, und auf dem Rasen. Zu nah die Sensation, zu knapp das Ergebnis. “Es tut schon sehr weh. Wir haben uns einiges vorgenommen, keiner hat uns etwas zugetraut. Daraus wollten wir unsere Stärken ziehen und haben es geschafft, dem deutschen Meister über 90 Minuten Paroli zu bieten”, so Zimmer.

Mit etwas Abstand werde man aber voller positiver Gefühle auf dieses Wochenende zurückblicken können. “Ich bin glücklich über das Erreichte. Das war ich vor dem Spiel schon”, so Zimmer. “In drei, vier Tagen kommt der Stolz zurück über das, was wir alle heute erleben durften. ”

Bocholt auf Trainersuche: Kein künstlicher Druck und “das gewisse Bauchkribbeln”

Mit dem Wechsel von Chef-Trainer Dietmar Hirsch zum künftigen Ligakonkurrenten MSV Duisburg hat Vizemeister 1. FC Bocholt einen schwerwiegenden Abgang zu verkraften. Am Hünting zeigt man Verständnis für die Entscheidung des scheidenden Trainers und will sich bei der Trainersuche auf das Bauchgefühl verlassen.

Hat in den kommenden Wochen alle Hände voll zu tun: Geschäftsführer Sport und Organisation Christopher Schorch

Hat in den kommenden Wochen alle Hände voll zu tun: Geschäftsführer Sport und Organisation Christopher Schorch

IMAGO/Klumpen Sportfoto

Mehr zur Regionalliga West

Beim Regionalliga West-Vizemeister 1. FC Bocholt vergeht derzeit kaum ein Tag, ohne dass eine Personalie für die kommende Spielzeit verkündet wird. Nach den Vertragsverlängerungen von Isaak Akritids und Marko Stojanovic, der Nominierung von Torhüter Lucas Fox für die A-Nationalmannschaft von Luxemburg für die Länderspiele gegen Frankreich und Belgien sowie den nächsten Neuverpflichtungen Philipp Hanke (vom Wuppertaler SV) und Kaspar Harbering (MSV Duisburg U 19) gab der Verein auch einen schwerwiegenden Abgang bekannt: Trainer Dietmar Hirsch übernimmt zur kommenden Saison den künftigen Ligakonkurrenten MSV Duisburg.

“Der MSV ist Dietmars Herzensverein, er war dort auch einige Jahre Profi. Ich verstehe, dass er diesen Schritt machen wollte”, betont Christopher Schorch, Geschäftsführer Sport und Organisation beim 1. FC Bocholt. “Der Austausch mit dem MSV Duisburg war sehr gut und respektvoll. Wir wurden von der Situation nicht überrascht.”

Der neue Trainer soll nicht nur unsere Spielweise einen weiteren Schritt nach vorne bringen. Auch außerhalb des Platzes muss er zu unserem Verein passen, nahbar und ein Menschenfänger sein.

Christopher Schorch, Geschäftsführer Sport und Organisation beim 1. FC Bocholt, über die Trainersuche

Entsprechend haben die Bocholter Verantwortlichen bereits eine Namensliste mit möglichen Nachfolgern parat. “In den nächsten Tagen stehen dann intensive Gespräche an. Der neue Trainer soll nicht nur unsere Spielweise einen weiteren Schritt nach vorne bringen. Auch außerhalb des Platzes muss er zu unserem Verein passen, nahbar und ein Menschenfänger sein”, umreißt Ex-Profi Schorch das gesuchte Profil.

Das Bauchgefühl muss stimmen

Einen Zeitplan zurechtgelegt hat sich Schorch dabei bewusst nicht. “Damit setzt man sich nur künstlich unter Druck. Wenn man einem Kandidaten gegenübersitzt, muss einfach das gewisse Bauchkribbeln und die Vorstellung da sein, gemeinsam erfolgreich sein zu können”, erklärt der Sport-Chef.

Über den sich im Hintergrund anbahnenden Trainerwechsel hatte Schorch gegenüber den (potenziellen) Neuzugängen “mit offenen Karten gespielt. Letztlich haben sich die Jungs nicht für einen Trainer, sondern für das große Ganze und den 1. FC Bocholt entschieden”, meint der Ex-Profi. “Aus dem aktuellen Kader konnten wir bislang jeden Spieler halten, den wir auch halten wollen.”

Lücke in der Defensive – Fakhro-Verbleib hat oberste Priorität

Aus der mit nur 31 Gegentreffern stabilsten Defensivreihe der Liga werden nur Kapitän Marc Beckert (Karriere-Ende) und der vom künftigen Zweitligisten SC Preußen Münster bislang ausgeliehene Lukas Frenkert den Klub verlassen. “Wir wollen noch einen Innenverteidiger dazunehmen”, kündigt der Geschäftsführer an. Auch im Offensivbereich soll noch etwas passieren. Weit oben auf der Prioritätenliste steht dabei der Verbleib von Malek Fakhro. Der Vertrag des mit 15 Treffern erfolgreichsten Angreifers läuft aus. Auch er wurde schon mit dem MSV Duisburg in Verbindung gebracht. “Malek weiß, was für einen Stellenwert er bei uns genießt”, so Schorch. “Wir sehen ihn noch nicht am Ende seiner Entwicklung und tun alles dafür, dass er bei uns bleibt.”

Dominik Dittmar

Interimspräsident Drescher verkündet Kandidatur im Herbst

Herthas kommissarischer Präsident Fabian Drescher will den Hauptstadtklub in die Zukunft führen und bei den Wahlen im Herbst als Kandidat antreten.

Fabian Drescher kündigte auf der Mitgliederversammlung Herthas seine Kandidatur als Präsident an.

Fabian Drescher kündigte auf der Mitgliederversammlung Herthas seine Kandidatur als Präsident an.

IMAGO/Nordphoto

“Im Sinne der Fortsetzung des Berliner Weges werde ich bei den Wahlen im Herbst als Präsident kandidieren”, verkündete Drescher bei der Mitgliederversammlung des Zweitligisten am Sonntag im CityCube auf dem Berliner Messegelände. Drescher hatte nach dem Tod von Präsident Kay Bernstein Mitte Januar die Amtsgeschäfte übernommen. “Ich bin ehrlich: Ich habe ein paar Wochen gebraucht, um mich neben der Verarbeitung dieses unfassbaren Schicksalsschlags in die neue Rolle des kommissarischen Präsidenten einzufinden. Heute kann ich sagen: Ich bin angekommen und werde die Aufgaben mit meinem Stil im Sinne des Berliner Weges weiterführen”, erklärte Drescher vor den mehr als 1600 anwesenden Mitgliedern.

“Ich habe mich zunächst aus Pietätsgründen mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten. Diese Zeit des Schweigens war notwendig, um die Trauer zu verarbeiten und Kays Andenken zu ehren. Aber jetzt werde ich auch öffentlich mehr in Erscheinung treten und unsere gemeinsamen Visionen und Ziele kommunizieren. Hinter den Kulissen haben wir nach Kays Tod intensiv daran gearbeitet, seine Vision weiterzuführen und den Verein auf Kurs zu halten. Ich kann, will und werde Kay als Person nicht ersetzen. Aber ich werde den Weg, den er eingeschlagen hat, auf meine eigene Art und Weise fortsetzen.”

Das will Drescher auch künftig an der Spitze des Klubs tun. Mit ihm tritt bis auf die aus persönlichen Gründen ausscheidende Anne Jüngermann das komplette aktuelle Präsidium im Herbst erneut an. Dass die Wahl erst im Herbst und nicht nach der abgelaufenen Saison stattfindet, begründete der Jurist wie folgt: “Durch die Festlegung des Wahltermins im November können wir sicherstellen, dass die Wahl in einer ruhigen und stabilen Umgebung stattfindet, in der alle Mitglieder die Möglichkeit haben, informierte Entscheidungen zu treffen. Eine vorzeitige Wahl in der Sommerpause hätte vielleicht in die Vorbereitung in der Sommerpause eingegriffen.”

Drescher wirbt mit emotionalen Worten um die Fortsetzung des Berliner Wegs

Zugleich warb Drescher, der seit 2016 im Präsidium sitzt und 2022 Vizepräsident unter Bernstein geworden war, mit emotionalen Worten um die Fortsetzung des Berliner Wegs und nannte sechs Bausteine dafür: Demut, Nahbarkeit, Nachhaltigkeit, Kernkompetenz Sport, Wirtschaftlichkeit, Professionalität. “Wir werden keine Luftschlösser mehr bauen, es wird keinen Größenwahn geben”, betonte Drescher. “Aber wir wollen als Verein in allen Bereichen nah ans Maximum kommen. Nah ans Maximum kommt man aber nur, wenn man den Finger in die Wunde legt.” Zugleich unterstrich er: “Der Berliner Weg ist unabhängig von einzelnen Personen. Niemand ist größer als der Verein.”

Zu Beginn der Mitgliederversammlung hatte sich der scheidende Cheftrainer Pal Dardai aus seinem Ungarn-Urlaub mit einer Videobotschaft an die Mitglieder gewandt. “Ich mache jetzt Urlaub. Und nach dem Urlaub werde ich mit Tom Herrich (Geschäftsführer, d. Red.) reden. Dann werden wir sehen, in welche Richtung ich dem Verein helfen kann”, sagte Dardai. Dafür gab es ebenso Standing Ovations wie für die von Drescher verkündete Entscheidung, Bernstein post mortem zum “Herthaner des Jahres 2024” zu ernennen. Bernsteins Witwe und seine Mutter nahmen die Ehrung entgegen.

Ohne das Geld von 777, die sich als verlässlicher Vertragspartner gezeigt haben, würden wir heute unter Umständen gar nicht hier stehen.

Frabian Drescher

An Klub-Investor 777 Partners, der an anderen Standorten zuletzt Negativ-Schlagzeilen produziert hatte, adressierte Drescher derweil eine deutliche Botschaft. “Nach Kays Tod haben Tom Herrich und ich im Austausch mit 777 gestanden und ihnen unsere Ansichten erklärt. Wir wollten sicherstellen, dass alle Entscheidungen im besten Interesse von Hertha BSC getroffen werden”, erklärte der Interimspräsident. “Mir war wichtig, dass 777 versteht, dass wir an unseren Standpunkten und unseren Ansichten festhalten. Wir als Präsidium lassen uns bei unseren Entscheidungen nicht treiben, insbesondere nicht von externen Einflüssen und auch nicht von 777. Wir lassen uns auch weiterhin nicht reinreden. Die Entscheidungen trifft Hertha und nicht jemand von außen.” Zugleich räumte Drescher ein: “Ohne das Geld von 777, die sich als verlässlicher Vertragspartner gezeigt haben, würden wir heute unter Umständen gar nicht hier stehen.”

Steffen Rohr

Klos im Abschieds-Interview: “Ich wurde nicht immer nur gefeiert”

Fabian Klos begibt sich noch einmal auf seine 13-jährige “Achterbahnfahrt” mit seinem Herzensklub, dem DSC Arminia, sagt, was er von einem Denkmal der Fans für ihn hält, spricht über Privates und was künftig mit seiner Trikotnummer “9” bei den Ostwestfalen passieren sollte.

Für alle, die das auch noch vorhaben: Wie wird man zur lebenden Legende eines Vereins, Herr Klos?

In erster Linie durch die Leute, die einem diesen Status verleihen. Ich bin nicht irgendwann morgens aufgestanden und habe gesagt: So, das bin ich jetzt. So etwas entwickelt sich und, klar, auch meine Leistungen haben dazu beigetragen. Aber letztendlich kommt es von den Fans.

Sie haben sich mit Arminia fast jedes Jahr wieder in einer neuen Liga wiedergefunden. Wie verrückt kommt Ihnen das vor?

Es war auf jeden Fall immer etwas los. Spontan kann ich mich an genau eine Saison in 13 Jahren erinnern, die irgendwie normal verlaufen ist. Das war 2015/16, als wir in der 2. Liga sicherer Zwölfter wurden. Souveräner Klassenerhalt, mit demselben Trainer in die Saison hinein und wieder raus. Trotzdem gab es auch da Außergewöhnliches…

Was?

Mit 18 Unentschieden in 34 Spielen sorgten wir für den Liga-Höchstwert.

Klar, das Tor habe ich immer vor Augen!

Fabian Klos über seinen Debüttreffer

Besteigen wir mal die Achterbahn Ihrer 13 Jahre mit Arminia: 2011/12, Ihr allererstes Tor im Bielefelder Trikot, am 21. Oktober 2011 in der 3. Liga beim 2:1-Sieg gegen Unterhaching. Erinnern Sie sich?

Klar, das Tor habe ich immer vor Augen! Drei meiner engsten Freunde, die jetzt auch beim Abschied im Heimspiel gegen den Halleschen FC da waren, waren damals im Stadion. Da schließt sich ein Kreis. Ich habe nicht viele Tore von außerhalb des Sechzehners geschossen – dieses erste Tor war so eines.

2012/13 folgte der Bielefelder Zweitligaaufstieg mit 20 Treffern von Ihnen…

…in einem Jahr, in dem man kaum damit rechnen konnte, dass wir so einen Erfolg haben. Wir hatten sicher nicht die besten Spieler, aber mit Trainer Stefan Krämer einen krassen Zusammenhalt. Ähnlich wie Münster das jetzt geschafft hat.

Das nachfolgende Zweitligajahr endete im Mai 2014 mit dem Trauma der dramatisch verlorenen Abstiegs-Relegation gegen Darmstadt.

Ehrlich gesagt: Da hatte ich echte Schuldgefühle gegenüber dem Verein und den Fans, dass wir das am Ende so verkackt haben. Ich habe als Spieler so reagiert, wie ich es als Mensch tue: Wenn ich etwas verbockt habe, versuche ich es wieder gutzumachen. Deshalb bin ich damals geblieben…

…und waren im Jahr darauf mit 23 Saisontoren, ihrem Allzeit-Höchstwert, wichtiger Faktor für den Turnaround.

Insgesamt hat der Verein in dem Jahr ganze Arbeit geleistet, indem er gute, erfahrene Spieler verpflichtet hat, teilweise mit Bundesliga-Vergangenheit. Norbert Meier wusste als Trainer, wie er mit der Truppe umgehen musste, er hatte alles im Griff. Getragen haben uns auch die Erfolge im DFB-Pokal, gegen Hertha, Bremen, Gladbach. Wir standen plötzlich als Drittligist im Halbfinale und verloren erst dort gegen den späteren Pokalsieger Wolfsburg.

In der 2. Liga keimte anschließend die Hoffnung auf, dass Arminia sich stabilisieren kann. Meier ging – und sein späterer Nachfolger Jeff Saibene appellierte an Sie, Sie müssten mehr für Ihre Kondition tun…

Es war ein bisschen anders. Jeff war zu dem Zeitpunkt als Retter perfekt. Für mich dagegen gab es zu schlucken, dass ich im Abstiegskampf als Kapitän teilweise auf der Bank saß. Letztendlich bin ich ihm dankbar. Bis dahin hatte es immer irgendwie gereicht. Ich habe meine Tore gemacht, aber ich habe nicht das Letzte aus mir herausgeholt. Ich habe selbst den Rückschluss gezogen, in der Sommerpause ein paar Kilo abzutrainieren und fitter werden zu müssen, um Saibenes Art, laufintensiv Fußball spielen zu lassen, hinzubekommen. Und habe mich damit mit 30 Jahren noch verbessert.

Aber neue Sorgen taten sich abseits des Spielfeldes auf: Arminia steuerte Ende 2018 auf die Insolvenz zu, die Zweitliga-Lizenz war in höchster Gefahr. Wie war die Stimmung in der Kabine?

Natürlich bekommst du so etwas mit. Aber wir wussten, dass unsere Aufgabe als Spieler einzig und allein war, unter der Woche und am Spieltag auf dem Platz da zu sein. Es hat uns nicht beeinflusst, wir haben unseren Job vernünftig gemacht.

Das war das Jahr, das mir am meisten Spaß gemacht hat.

Fabian Klos über die Aufstiegs-Spielzeit 2019/20

Und sie wurden 2019/20 mit Uwe Neuhaus zum Top-Team der 2. Liga, mit dem Aufstieg und dem Gewinn der Meisterschaft!

Das war das Jahr, das mir am meisten Spaß gemacht hat. Wir haben tollen Fußball gespielt, nur zwei Spiele verloren. Vollkommen zu Recht sind wir aufgestiegen, hatten mit Uwe und Co-Trainer Peter Nemeth ein tolles Trainerteam. Von der Spielidee bis zum Umgang mit der Mannschaft war das überragend – rückblickend war es die schönste Zeit für mich in Bielefeld.

Arminia blieb als Aufsteiger zwei Jahre erstklassig, ehe die Phase der unnötigen Abstiege begann. Freud und Leid lagen wie meistens in Bielefeld eng beieinander.

Ja, es ist auch hier unheimlich viel passiert in der Erstligazeit. Schade, dass wir einen Großteil dieser Zeit wegen Corona ohne Fans im Stadion erleben mussten, daheim wie in den großen Stadien in der Bundesliga. Die Entlassung von Uwe Neuhaus in der Rückrunde des ersten Bundesligajahres war für mich und den Großteil der Mannschaft wie ein Schlag in die Magengrube.

Mit Nachfolger Frank Kramer schafften sie aber den Klassenerhalt. Worüber haben Sie als emotionaler Mensch in Ihrer Karriere die meisten Tränen vergossen – war es vielleicht in dem Moment, als sie nach dem abschließenden 2:0-Sieg in Stuttgart, mit einem Elfmetertor von Ihnen, völlig fertig auf der Bank saßen?

Die Tränen in Stuttgart hatten einen Hintergrund, den nicht viele kennen…

Erzählen Sie!

Natürlich fiel durch den Klassenerhalt der große Druck plötzlich ab. Zur Wahrheit gehört aber, dass ich drei oder vier Wochen vorher von der damaligen Geschäftsführung gesagt bekommen hatte, dass sich ein Vertragsangebot in Bielefeld nur bei einer weiteren Erstligazugehörigkeit bekomme. Ich wusste, dass meine Zeit bei Arminia nur weitergehen würde, wenn wir gewinnen und sie abgelaufen wäre, wenn wir absteigen. Ich habe also an dem Tag auch für meine eigene Zukunft gespielt. Es war auch deshalb nicht ganz so einfach, den Elfer zum Sieg reinzuschießen. Aber ich habe das Schicksal des Vereins und mein eigenes lieber in die eigene Hand genommen.

Ich war jeden Tag hin- und hergerissen, ob ich bei meiner Spielweise noch weiter Fußball spielen sollte.

Fabian Klos über seine Kopfverletzung 2022

Im Jahr darauf flossen Tränen der Enttäuschung, nachdem Sie an den letzten sechs Spieltagen wegen Ihrer schweren Kopfverletzung nicht mehr helfen konnten, den Abstieg abzuwenden.

Ich kannte die Verletzung, da ich sie schon einmal erlitten hatte. Ich war jeden Tag hin- und hergerissen, ob ich bei meiner Spielweise noch weiter Fußball spielen sollte. Schließlich überwog, dass ich so, auf einer Trage vom Platz gebracht, nicht aufhören wollte. Das wäre mir persönlich nicht gerecht geworden. Zusammen mit der Gefühlslage, die bei meinem vermeintlichen Abschied von den Fans herrschte, kam ich zu dem Entschluss, in der 2. Liga weiterzumachen. Keiner konnte damit rechnen, was dann geschah. Mit der verlorenen Relegation gegen Wiesbaden im Juni 2023 lagen wir nahe am Déjà Vu der Darmstadt-Geschehnisse.

Der nächste Abstieg drohte zuletzt gleich wieder in Liga 3, mit der späten Absicherung des Klassenerhalts. Sehen Sie in diesem positiven Abschluss Ihr Vermächtnis als letzter Übriggebliebener eines verrückten Jahrzehnts?

Es fühlt sich gut an, dass ich dazu beigetragen habe, den freien Fall, den wir ja wirklich hatten, zu stoppen. Es war zwar nur das Minimalziel, aber in diesem Moment, in dem ich den Verein nun verlasse, fühlt es sich deutlich besser an, so aufzuhören. Ich hätte große Probleme mit mir selbst bekommen, wenn wir jetzt noch einmal abgestiegen wären. Es hätte mir sehr, sehr weh getan.

Es war die Erfüllung eines Traums und ich hätte nie daran gedacht.

Fabian Klos über seinen späten Sprung in die Bundesliga

“Einmal Himmel und zurück” – sie haben sich Ihren Traum, Bundesliga zu spielen und dort Tore zu schießen, kurz erfüllt. Wiegt die Rolle, die Sie bei Arminia insgesamt spielen durften, die Erkenntnis auf, dass es für Ihre ganz große, lange Erstligakarriere in Ihrem Fußballleben nicht reichte?

Ja, das beschreibt es ganz gut. Es war die Erfüllung eines Traums und ich hätte nie daran gedacht. Ich war schon über 30, da schaffen es die wenigsten, noch in diese Liga zu stoßen. Gerade, wenn sie zuvor so lange 2. oder 3. Liga gespielt haben. Ich habe versucht, das als Geschenk anzunehmen. Durch Corona wurde alles etwas abgemildert. Mit unseren Fans wären der Aufstieg und viele Bundesligaspiele noch einmal etwas ganz anderes gewesen, das wurde mir jetzt gerade bei den Szenen aus Kiel und St. Pauli wieder bewusst. Wir spielten zum Großteil vor leeren Rängen – für einen wie mich, der immer positiv wie negativ von der Stimmung im Stadion gelebt hat, war das sehr bitter.

Sie spielten und trafen auch in der 1. Liga, die letztlich eine eher kurze Episode auf Ihrem Weg blieb. Hatten Sie das Gefühl, im ganz großen nationalen Fußball auf Augenhöhe mithalten zu können oder überwiegt heute die Erkenntnis, dass Sie dort an Ihre Grenzen gestoßen sind?

Ich habe ja mit 19 noch Kreisliga gespielt! Die Bundesliga war eine Riesenerfahrung und ich habe kein Problem damit zu sagen: Ich bin da einfach auf Spieler gestoßen, die besser waren als ich und deutlich mehr Qualität hatten. Und trotzdem habe ich es mit meinen Mitteln geschafft, irgendwie mitzuhalten. Das macht mich rückblickend auch etwas stolz.

Ich bin gerade noch dabei, meine Verabschiedung gedanklich zu verarbeiten.

Fabian Klos

“Lebendes Denkmal” eines Vereins, einer Stadt – gleicht das Ihre mit vielen Widrigkeiten gespickte Karriere am Ende aus?

Ich habe nicht das Gefühl, groß etwas liegenlassen zu haben. Die frischesten Eindrücke sind ja meistens die prägendsten. Ich bin gerade noch dabei, meine Verabschiedung gedanklich zu verarbeiten. Ich weiß, dass ich mir hier sehr viel hart erarbeitet habe. Ich vergesse dabei die schwierigen Momente nicht. Ich wurde, auch intern, nicht immer nur gefeiert für meine Art und Weise. Ich bin zugegeben auch nicht immer der einfachste Typ, darüber bin ich mir im Klaren. Ich habe versucht, meine Meinung stets fair zu vertreten. Ich konnte jeden Morgen in den Spiegel schauen, und das tut ganz gut.

Die Fans dachten schnell an ein echtes Denkmal für Sie. Wie steht es um solche Pläne, wie viel Huldigung wollen Sie zulassen?

Ich finde, man hat mir zuletzt genug gehuldigt. Die Choreo vor dem letzten Liga-Heimspiel gegen Halle war überwältigend. Arminia hat zudem eine überragende Lösung gefunden, indem man mich als ersten Spieler überhaupt zum Ehrenspielführer ernannt hat. Das ist etwas sehr Besonderes, in so einer langen Vereinsgeschichte. Das mit dem Denkmal ist sehr nett gemeint. Für mich ist es aber genug, wenn sich die Leute einfach so weiter daran erinnern, dass ich 13 Jahre für den Klub da war.

Denkmal genug? Die Choreo zum Klos-Abschied.

Denkmal genug? Die Choreo zum Klos-Abschied.
IMAGO/osnapix

Sie hatten selbst in schwierigsten Zeiten immer den Draht zu diesen Leuten. Wann wurde eigentlich in Bielefeld aus Ihrem Beruf die Berufung, für mehr als nur für Tore auf dem Platz zu stehen?

Mein Vorteil war immer, dass ich nie vor Verantwortung zurückgeschreckt bin. Ich übernehme das gerne und habe mich auch immer in der Pflicht gesehen, weil ich natürlich im Laufe der Jahre auch gemerkt habe, dass ich eine gewisse Wirkung auf die Fans und den Verein haben kann. Das war nicht geplant. Ich bin da so reingerutscht, übrigens auch in die Kapitänsrolle…

Wie kam es zu diesem Amt?

Man hat mir einfach auf dem Platz die Binde gegeben, als mein Mitspieler Manuel Hornig sich einmal 2014 beim Spiel in Sandhausen das Kreuzband riss und in dem Moment keiner so richtig wusste, wer sie nehmen soll. In die Rolle und die eines Führungsspielers wächst man dann ja erst hinein, wenn man länger in einem Verein spielt.

“Mein Körper ist mein Kapital”, sagen einige Profis. Welches Mitspracherecht haben Sie Ihrer Gesundheit während Ihrer Karriere eingeräumt?

Vor allem so eine Kopfverletzung bringt psychisch viel mit, und wenig überraschend ist es in den letzten Jahren auch schwerer geworden, in der Frühe in die Gänge zu kommen. Man spürt immer mehr Stellen, die morgens wehtun. Der Verschleiß ist hoch, gerade bei meiner Spielweise. Ich habe meinen Körper sehr geschunden und möchte es nicht zu weit treiben, deshalb habe ich es jetzt mit dem Zeitpunkt, aufzuhören, ganz gut hinbekommen. Ich möchte ja mit meinen demnächst zwei Jungs auch noch im Garten Fußball spielen.

Worauf werden Sie denn bei den Kindern am meisten achten: Auf Kopfballstärke oder auf Beidfüßigkeit?

Sie sollen das machen, was sie machen wollen. Für meinen Erstgeborenen, der schon oft mit im Stadion war, gibt es im Moment nichts anderes als Fußball und Arminia. Er schießt mit rechts und mit links, ist auf jeden Fall gebrandmarkt… Was er daraus macht, wird sich zeigen. Wenn die Kinder Bock auf Fußball haben, freue ich mich als Vater. Wenn es anders kommt, ist es auch vollkommen in Ordnung.

Wie sehr hat es Sie eigentlich gewurmt, wenn Sie hier und da immer mal versehentlich mit “Stefan Klos”, Ihrem Fast-Namensvetter und berühmten Ex-Torhüter, angesprochen wurden?

In den ersten Jahren nicht so viel, ich hatte mir selbst noch keinen großen Namen gemacht. Irgendwann, so nach fünf, sechs Jahren, habe ich dann mal gedacht: So langsam könnten sie es mal gelernt haben. Aber ich habe es mit einem Lächeln hingenommen. Ich glaube, niemand hat das bewusst gemacht.

Wenn ich Neuzugang bei Arminia Bielefeld wäre, würde ich gerade als Stürmer versuchen, mir das Leben erst einmal einfach zu machen.

Fabian Klos über das Erbe “seiner” Nummer 9

Wird Ihr Trikot mit der “9” künftig in Bielefeld wieder vergeben und haben Sie da ein Mitspracherecht?

Das liegt nicht in meiner Hand. Ich habe kein Mitspracherecht, aber vielleicht eine Empfehlung: Wenn ich Neuzugang bei Arminia Bielefeld wäre, in naher Zukunft, würde ich gerade als Stürmer versuchen, mir das Leben erst einmal einfach zu machen und eine andere Nummer wählen, um nicht auf diese zusätzliche Weise mit dem Vorgänger verglichen zu werden. Das ist ein gut gemeinter Rat. Ich bin gespannt und werde es mir ganz in Ruhe angucken.

Vielerorts verließen auch andere Fußball-Legenden in diesem Sommer die Bühne und wurden ähnlich wie Sie mit großer Wertschätzung verabschiedet. Gehören Sie alle zu einer aussterbenden Spezies in diesen schnelllebigen Zeiten?

Vom Gefühl her sind es in diesem Jahr ganz schön viele, die aufhören. Es ist halt die Zeit, die vor keinem vor uns Halt macht. Ich glaube schon, dass derart lange Karrieren in einem Verein immer weniger werden und es sie irgendwann vielleicht gar nicht mehr geben wird. Das zeichnet sich ab und hat damit zu tun, dass immer mehr Geld im Fußball fließt, machen wir uns da nichts vor. Das ist auch keine Wertung, sondern einfach eine Feststellung. Jeder muss es so machen, wie er sich am wohlsten damit fühlt.

Sie haben von Arminia ein Abschiedsspiel mit Ihren Freunden geschenkt bekommen. Muss da in Turnierform gespielt werden, angesichts von allein 160 Teamkollegen in 13 Jahren Bielefeld?

Es gibt schon Leute, die da weiter oben auf der Liste stehen. Ich habe genug Zeit, mich mal zu Hause hinzusetzen und zu selektieren. Es gibt logischerweise einige, mit denen ich lange zusammengespielt und viel erlebt habe, mit denen ich zum Teil eng befreundet bin. Patrick Schönfeld etwa war erst vor ein paar Tagen hier bei mir zu Besuch.

Patrick Schönfeld, so ist zu lesen, empfiehlt Ihnen, den Weg als TV-Kommentator einzuschlagen. Ist das realistisch und wie viel wird Ihre Zukunft weiterhin mit Arminia Bielefeld zu tun haben?

Sicher, ich fühle mich vor der Kamera wohl, habe gelernt, mich auszudrücken und habe zu allem eine klare Meinung, die ich auch bereit bin zu vertreten. Wenn man mir die Möglichkeit gibt, sie zu äußern, werde ich das definitiv tun. Während der EM starte ich eine kleine Sache, einen Podcast mit Tommi Schmitt und Christoph Kramer. Da werde ich meinen Senf dazugeben. Was konkret und offiziell bei Arminia anstehen könnte, wird sich zeigen. Da wird man sich sicher in Ruhe austauschen. Schauen wir mal. Im Moment bin ich für alles offen und will erst einmal nichts ausschließen. Und ja, inoffiziell werde ich wohl immer alles mit diesem Verein zu tun haben…

Interview: Michael Richter

Wie die Personalie Kuntz HSV-Talenten die Tür ins Profi-Geschäft öffnen könnte

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten beendete der Hamburger SV die frisch abgelaufene Saison zum sechsten Mal in Folge als bester Hamburger Regionalligist. In der neuen Saison könnte auch die neue Führungsriege um Sportvorstand Stefan Kuntz die Profi-Hoffnungen einiger HSV-Talente anheizen.

Als großer Nachwuchsförderer bekannt: Neuer HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz

Als großer Nachwuchsförderer bekannt: Neuer HSV-Sportvorstand Stefan Kuntz

IMAGO/Oliver Ruhnke

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Zwar verpassten die Profis des HSV zum sechsten Mal hintereinander den Aufstieg, dafür verteidigte der Nachwuchs den Titel als bester Hamburger Regionalligist – ebenfalls zum sechsten Mal in Folge. “Das ist der letzte Eindruck einer Saison, der bleibt”, kommentierte Trainer Pit Reimers nach dem 6:2-Erfolg bei Absteiger Spelle-Venhaus.

Zu Saisonbeginn gehörte das komplett umformierte Team zum erweiterten Kreis der Abstiegskandidaten, startete mit einem 0:5 gegen Norderstedt und einem Punkt aus vier Partien in die Saison. Am Ende steht Platz sieben mit 51 Punkten, einem positivem Torverhältnis und einem weiteren Titel zu Buche: Torschützenkönig. Tom Sanne traf nicht nur fünfmal beim Saisonausklang, sondern insgesamt 24-mal und übertraf letztlich sogar noch den Hannoveraner Lars Gindorf. Letzterer schaffte allerdings Ende Februar den Sprung zu den Profis. Dieser wurde Sanne in Hamburg trotz seines Lizenzspielervertrags bis 2026 verwehrt – selbst als Zweitliga-Stürmer Robert Glatzel fehlte und Vertreter Andras Nemeth keinen Lieferwagen traf, war im Kader kein Platz für den 1,70 Meter großen Angreifer.

Reimers emotionaler Abschied

Womöglich war dessen Auftritt in Spelle der letzte für den HSV in der Regionalliga – für Trainer Reimers war er dies auf jeden Fall. Nach 17 Jahren in diversen Funktionen ist der 40-Jährige für neue Herausforderungen Richtung Profifußball offen, steht seinem Lieblingsverein zunächst aber weiterhin mindestens beratend zur Verfügung. Reimers wurde von seinen Jungs noch auf dem Platz in Spelle emotional verabschiedet, als er durch ein Spalier laufen durfte, ehe es bei der längsten Auswärtsfahrt der Saison auf die Party-Rückreise ging. Zumindest konnte er erneut einem Akteur beim Sprung in den Profibereich helfen: Kapitän Dennis Duah, den Reimers schon in der U 17 betreute, wechselt zu Dynamo Dresden.

Kuntz als großer Nachwuchsförderer – Sanne vor dem Durchbruch?

Auch für Tom Sanne könnte sich wieder eine Tür Richtung Profifußball öffnen. Eigentlich war eine Leihe des 20-Jährigen geplant, doch nach dem Abschied von Jonas Boldt dürfte es der Nachwuchs beim HSV insgesamt leichter haben. Schließlich kennt sich Stefan Kuntz als neuer Vorstand Sport als ehemaliger U-21-Nationaltrainer bestens mit jungen Leuten aus. Und das Thema Nachwuchsförderung nahm in dessen vierstündigen Gespräch mit dem Profi-Trainer Steffen Baumgart offenbar eine große Rolle ein.

So dürfte die Verzahnung zwischen dem Zweitligateam und der U 21 enger werden, zumal Loic Favé das Amt als Trainer und sportlicher Leiter im Jugendbereich übernimmt. Der 31-Jährige gehörte zuletzt noch zum Trainerstab bei den Profis. In dem üblichen Zwei-Jahres-Rhythmus muss er keinen großen Umbruch befürchten. Bislang stehen bei vier Abgängen bislang lediglich fünf Neulinge aus der A-Jugend fest.

Harry Borchardt