Boldt kämpft um seine HSV-Zukunft

Die Woche nach dem 0:1 gegen Kiel war herausfordernd in Hamburg – für die Mannschaft und für den Boss. In Braunschweig demonstrierten zunächst die Spieler und im Anschluss an den 4:0-Sieg auch Jonas Boldt Kampfeslust.

Hat den HSV auch über die Saison hinaus fest im Blick: Jonas Boldt.

Hat den HSV auch über die Saison hinaus fest im Blick: Jonas Boldt.

IMAGO/Lobeca

Der Erfolg bei den Niederachsen war jederzeit ungefährdet und hätte bei konsequenter Chancenverwertung noch weitaus deutlicher ausfallen können. Es war ein Zeichen der Mannschaft, was in dieser Spielzeit möglich gewesen wäre – oder gar noch ist? Der eigene Sieg und das Remis der Düsseldorfer auf Schalke lässt bei nun vier Punkten Rückstand weiterhin die theoretische Chance auf Platz 3.

31. Spieltag

Sportvorstand Boldt gibt sich betont kämpferisch: “Viele haben darauf gewartet, dass das Thema nach Braunschweig endgültig erledigt ist. Mit der Art und Weise, wie wir gespielt haben, haben wenige gerechnet. Aber weil wir jetzt einmal gewonnen haben, ruhen wir uns nicht aus. Wir arbeiten daran, dass wir ganz am Ende der Saison noch einmal gucken, wie es ausgegangen ist.”

Gucken, wie es ausgeht – das betrifft auch seine eigene Person. Und auch in Bezug auf seine ganz persönliche Zukunft ist der 42-Jährige im Kampfmodus. Seit der vergangenen Woche führt der Aufsichtsrat erste Sondierungsgespräche über mögliche Nachfolgekandidaten. Der Daumen ist zwar noch nicht endgültig gesenkt, die Gedanken der Kontrolleure aber gehen in alle Richtungen.

Auf die Frage am NDR-Mikrofon, ob er denke, dass er für die Zukunft des HSV noch der Richtige sei, sagte Boldt am Samstag in den Katakomben des Eintracht-Stadions: “Ich weiß, dass ich in der Zukunft noch der Richtige bin.” Seine Begründung: “Ich bin seit fünf Jahren hier. Was wir hier gemeistert haben, ist nicht für jeden ersichtlich.” Es ist eine offene Kritik an seinen Kritikern, und tatsächlich hat es der frühere Leverkusener mit seinem Führungsstil und seiner Personalauswahl geschafft, dass es lange ruhig geblieben ist in Hamburg. Er sagt: “Es ist beim HSV sehr speziell. Auch wenn Vorstand Sport davor steht, geht es in meiner Rolle nicht um Sport alleine, sondern um viel, viel mehr.”

Gedankenspiele eine logische Folge

Es geht aber eben auch um Sport. Und weil der HSV auch im fünften Anlauf unter Boldt nicht ins Ziel zu kommen droht, sind Gedankenspiele in alle Richtungen unter den Aufsichtsräten eine logische Folge. Ein Jahr vor Vertragsende aufzugeben, ist für Boldt indes keine Option. “Es gibt noch einiges zu tun, und ich werde weiter vorangehen. Das ist meine persönliche Überzeugung. Und daran gibt es für mich auch nichts zu zweifeln.”

Sebastian Wolff

Thorup tief getroffen: “Die Art und Weise ist sehr enttäuschend”

Das Wort “Europa” steht beim FC Augsburg nach Jahren des Abstiegskampfes auf dem Index. Marinko Jurendic als Sportdirektor und Trainer Jess Thorup versuchen dennoch, eine neue Denkweise zu implementieren. Umso größer war ihre Enttäuschung über die Leistung beim 0:3 gegen Werder Bremen.

Kann den Auftritt seiner Mannschaft gegen Bremen nicht fassen: Jess Thorup.

Kann den Auftritt seiner Mannschaft gegen Bremen nicht fassen: Jess Thorup.

IMAGO/kolbert-press

Als Jess Thorup nach einem ernüchternden Nachmittag in der WWK-Arena gefragt wird, ob dies seine bislang größte Enttäuschung beim FC Augsburg sei, überlegt der Trainer ein paar Sekunden und antwortet mit einem klaren “Ja!” und erklärt: “Verlieren kannst du immer, aber die Art und Weise ist für mich sehr enttäuschend, so eine Leistung …”

Der 54-jährige Trainer predigt seit Monaten, dass er nie zufrieden ist, im Erfolg wie im Misserfolg. Er möchte das Team weiterentwickeln, in der Tabelle, bei der Leistung. Am Samstag ließ ihn das Team komplett im Stich, es verpasste mit einer “Nicht-Leistung”, wie Marinko Jurendic den Auftritt einstufte, die große Chance, sich im Kampf um den Startplatz in der Conference League von der Konkurrenz abzusetzen. Aber auch Thorups Maßnahmen griffen nicht, auch wenn die Umstellung auf Dreierkette zur Halbzeit nicht ursächlich für die Niederlage war, weil die ersten beiden Treffer nach ruhenden Bällen fielen. Auch seine Joker tauchten ab.

31. Spieltag

Eine Erklärung hatte Thorup für den Auftritt kurz nach dem Spiel nicht, fasste das Gesehene trotzdem zusammen: “Viel Energie, Lust auf Fußball, offensive Denkweise: Das habe ich heute alles nicht gesehen. Und ohne das wird es ganz schwierig.” Er habe seine Mannschaft nach dem Spiel gefragt, was los war. Traditionsspieltag, Feierstimmung im Stadion, die Möglichkeit Europa vor Augen, dann das. “Ich werde nie zufrieden sein nur mit dem Klassenerhalt. Wir hatten und haben Möglichkeiten, Schritte nach vorne zu machen, Punkte zu holen. Und dann liefern wir so ein Spiel, wenn man weiß, was möglich war”, rang er um Fassung.

Man ahnt, dass die Aufarbeitung dieses Auftritts etwas länger dauern wird als üblich. Das gilt auch für Jurendic, ein besonnener Analytiker, den wie Thorup der Ehrgeiz nach Mehr antreibt. “Es darf keine Genügsamkeit wie in der vorherigen Jahren reinkommen, wir dürfen mit 39 Punkten nicht zufrieden sein, müssen die Saison mit Würde und Anstand beenden”, forderte der Schweizer und legte nach: “Das ärgert mich ungemein. Wir müssen überlegen, was das bedeutet.”

Wer Jurendic kennt, der weiß: Dabei geht es auch schon um die Zukunft, Stichwort Kaderplanung: Mit wem ist der nächste Schritt möglich, wer erfüllt die Ansprüche auf mehr als den Klassenerhalt? Jurendic vermisste die Leistungsbereitschaft, kritisierte den Filmriss in der zweiten Halbzeit, wie schon beim 1:3 in Frankfurt vor einer Woche schenkte die Mannschaft die Partie kurz nach der Pause ab. Ziel sei es nun, ganz schnell wieder in die Spur zu kommen. Die letzten drei Gegner heißen Dortmund und Leverkusen auswärts, dazwischen Stuttgart daheim: “Das sind drei Spiele, in denen man Punkte holen kann, obwohl es Bretter sind”, sagt Jurendic. Er und Thorup treiben an, sie wollen mehr. Die große Frage nach Bremen: Kann und will es auch die Mannschaft?

Frank Linkesch

Ewige Tabelle: Heidenheim kann Lokalrivalen überholen – und was sich noch anbahnt

Fünf Klubs hat Neuling Heidenheim in der ewigen Bundesliga-Tabelle bereits hinter sich gelassen, der sechste könnte am Samstag folgen. Weiter oben sind fünf Klubs auf dem Vormarsch.

Leverkusen hat Köln, Leipzig Augsburg im Visier - und Jan-Niklas Beste (Mi.) winkt mit Heidenheim Platz 51 in der ewigen Bundesliga-Tabelle.

Leverkusen hat Köln, Leipzig Augsburg im Visier – und Jan-Niklas Beste (Mi.) winkt mit Heidenheim Platz 51 in der ewigen Bundesliga-Tabelle.

imago images (3)

Dass der 1. FC Heidenheim den Klassenerhalt dicht vor Augen hat, ist schon bemerkenswert genug. Doch wer hat im Sommer vorausgesagt, dass der Bundesliga-Neuling in seiner ersten Saison nie ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten und sogar Chancen haben würde, bei der bevorstehenden Heim-EM einen deutschen Nationalspieler zu stellen?

Kurzum: Die Entwicklung des FCH ist schier sensationell – und spiegelt sich auch in der ewige Bundesliga-Tabelle wider. Mit 34 Punkten nach 30 Spieltagen hat die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt schon jetzt fünf Klubs hinter sich gelassen: Schlusslicht Tasmania Berlin (10 Punkte), den VfB Leipzig (20), die SpVgg Blau-Weiß 90 Berlin (21), Preußen Münster (30) und Fortuna Köln (33). Der sechste könnte an diesem Sonntag (19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) folgen.

Wer steht wo?

Holen die Heidenheimer beim derzeitigen Tabellenletzten SV Darmstadt 98 mindestens einen Punkt, überholen sie im historischen Bundesliga-Ranking auch den SSV Ulm 1846, der seine einzige Bundesliga-Saison 1999/2000 mit 35 Zählern und einer Tordifferenz von -26 beendete. Dann wäre der FCH bereits auf dem 51. Platz und könnte zur neuen Saison die ersten Klubs ins Visier nehmen, die bislang zwei Bundesliga-Jahre erlebten: die SpVgg Greuther Fürth (39 Punkte), Tennis Borussia Berlin (49) und den SC Paderborn (51).

Leverkusen hat Köln im Visier

Weitere Verschiebungen in der ewigen Tabelle bahnen sich weiter oben an: RB Leipzig (28.) liegt nur noch einen Punkt hinter dem FC Augsburg (27.) und 40 hinter dem KFC Uerdingen (26.). Dem SC Freiburg (19.) fehlen noch 22 auf Fortuna Düsseldorf (18.).

Der VfL Wolfsburg (15.) könnte bei 43 Punkten Rückstand zur neuen Saison den 1. FC Nürnberg (14.) überholen, Meister Bayer 04 Leverkusen (10.) den Lokalrivalen 1. FC Köln (9.), der zwar noch 47 Zähler mehr auf dem Konto hat, 2024/25 aber womöglich nur noch Zweitligist ist. Ebenso droht der FC Schalke 04 seinen siebten Platz an Verfolger Eintracht Frankfurt zu verlieren – bei nur noch 30 Punkten Abstand.

Eberl: “Ich bin gespannt, wann Markus Lanz endlich einsteigt”

Nach Frankfurt ist vor Madrid, und vor Madrid ist während der Trainer-Suche. Max Eberl über das schwierige Unterfangen beim FC Bayern.

Erlebt eine intensive Anfangsphase beim FC Bayern: Max Eberl.

Erlebt eine intensive Anfangsphase beim FC Bayern: Max Eberl.

IMAGO/Contrast

Das Spiel hatten alle Beteiligten gestern schnell abgehakt. “Gewinnen ist die schönste Vorbereitung”, sagte zum Beispiel Max Eberl und richtete den Fokus damit selbst gleich auf Real Madrid. Denn so nett das 2:1 gegen Frankfurt auch war, es verkam dann doch recht schnell zur Randnotiz. Immerhin die Champions-League-Qualifikation für die nächste Saison steht nun auch offiziell fest.

Eine “ausgelassene Stimmung” spürte Thomas Tuchel bei seiner Mannschaft in der Kabine. Es lief Musik, gelacht wurde viel. “Das darf so sein”, fand der Trainer. “Das muss auch so sein.”

Podcast

“Fortuna für Alle”: Zur Nachahmung empfohlen?

Außerdem: BVB-Reporter Patrick Kleinmann rechnet vor, warum Rang fünf höchstwahrscheinlich zur Champions-League-Qualifikation reicht, Kevin de Bruyne sorgt für eine Premiere und beim NFL-Draft gibt’s eine dicke Überraschung.

15:53 Minuten

alle Folgen

Ausgelassen war schließlich auch Uli Hoeneß aufgetreten, am Vortag bei einem Podiumsgespräch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – und hatte dafür bereits vor dem Spiel gegen Frankfurt einen entsprechend deutlichen Konter des Trainers erfahren. “Es sind zwei Männer, die in ihrem Leben Großartiges geleistet haben”, meinte Eberl nach dem vierten Pflichtspielsieg in Folge. “Da braucht man nichts machen. Das sind zwei Männer, die werden sich zusammenraufen und dann alles fokussieren.” Die Mannschaft, fand Eberl zumindest, habe gezeigt, “dass es sie nicht beeinflusst”.

Ebenso wenig wie die nach wie vor ausstehende Trainer-Entscheidung für die kommende Saison. Ralf Rangnick, aktuell noch bei der österreichischen Nationalmannschaft tätig, soll es werden, noch warten die Bayern jedoch auf das Ja-Wort des langjährigen RB-Verantwortlichen. “Es wird sehr, sehr viel geschrieben, sehr viel spekuliert”, weiß Eberl und bestätigte indirekt Verhandlungen mit Rangnick. “Für mich ist es momentan die Frage der Nation. Wer und wann wird es endlich sein? Christoph (Freund, d. Red.) und ich machen das bei allem, was um uns herum ist, ganz in Ruhe. Und wenn es etwas zu vermelden gibt, vermelden wir es.”

Eberl: “Es ist intensiv”

Angekommen im etwas anders tickenden Kosmos FC Bayern ist Eberl inzwischen jedenfalls. “Es ist intensiv”, sagte er am Samstag. “Es ist ein Verein, der lebt, der scheinbar die ganze Nation interessiert. Deswegen fühlt es sich so an, dass alle zwei Stunden über diese Trainersuche geredet, gesprochen wird, kommentiert wird, diskutiert wird. Ich bin gespannt, wann Markus Lanz endlich einsteigt in diese ganze Thematik. Also das ist das, was Bayern München ist, aber das zeigt eben, was für ein großer Verein das ist. Deswegen bin ich da jetzt nicht so überrascht.”

Mario Krischel

Kind wird 80: “Ich weiß, dass ich aufhören muss und will”

Die einen sehen in Martin Kind einen Heilsbringer, die anderen einen Totengräber. Was treibt den 96-Boss, der an diesem Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert, weiter an?

Großburgwedel, Firmenzentrale von Kind-Hörgeräte. Auf den ersten Blick scheint es, als seien die Uhren stehen geblieben. Wie immer quer auf dem Besucherparkplatz, mit kürzestmöglichem Abstand von der Fahrertür zum Eingang, steht das noble Auto einer gehobenen Marke als untrügliches Zeichen: Er ist da.

Drinnen, im Eckzimmer mit Ausguck auf die übrigen Gebäude, sitzt Martin Kind. Wie seit jeher schon seit dem frühen Morgen. Hinter demselben schlichten Schreibtisch, vor demselben Besprechungsplatz, an denen er sich mit Gästen unterhält. Sekretärin im Büro nebenan.

Kind ist geblieben. Gefühlt immer noch Chef. Aber im Haus ist es ruhiger geworden, es wirkt mehr repräsentativ. Die Geschicke des erfolgreichen Unternehmens lenkt schon lange im Wesentlichen Sohn Alexander. Ein Großteil der einstigen Produktion auf dem Areal wurde inzwischen ins thüringische Apolda verlagert.

Selbst im Hotel vis-à-vis, dem bekannten “Kokenhof”, herrscht kein geschäftiges Treiben mehr. Der Betrieb ruht, seit das Finanzamt ihm als Eigentümer vor gut vier Jahren “Liebhaberei” vorhielt. Aktuell, erzählt Kind fast beiläufig, klage er dagegen.

Kinds Weg säumen juristische Auseinandersetzungen

Juristische Auseinandersetzungen begleiten Kinds Weg seit jeher, er trägt es bemerkenswert gelassen, zumindest äußerlich. Auch im Sport. “Ich laufe nie vor Verantwortung weg, ich nehme sie an”, sagt er. “Insbesondere in Krisen. Da bin ich sehr stabil.”

Demnächst nun steht für den Fußball-Funktionär Kind der Showdown an. Im Juni entscheidet der Bundesgerichtshof in der Revision zur vom Mutterverein angestrebten Abberufung als 96-Geschäftsführer. Ob er dem Landes- und Oberlandesgericht folgt und seinen Verbleib bestätigt? Selbst Kind scheint nicht sicher. “Solange eine Klage zugelassen ist, bleibt es eine 50:50-Aussicht, wie das Urteil ausfällt. Warten wir einfach entspannt ab.”

Ich laufe nie vor Verantwortung weg, ich nehme sie an. Insbesondere in Krisen.

Martin Kind

Entspannt? Beobachter wittern eine gewisse Nervosität. Die ersten Instanzen hatten nach Unternehmensrecht, auf Basis der Vereinsstatuten und Regelungen im ominösen “Hannover-96-Vertrag” entschieden – pro Kind. Sieht der BGH es anders und bewertet das Verbandsrecht höher, müsste die DFL hellhörig werden.

Im besagten, 2019 gemeinsam von Mutterverein und Kapitalseite besiegelten Pakt wird die 50+1-Regel des Ligaverbands de facto ausgehebelt. Kein Wechsel in der Geschäftsführung funktioniert in Hannover ohne Zustimmung der Fußball-KG. Droht dieser dann eine Strafe, womöglich sogar der Lizenzentzug? Kind kann (und mag) sich das nicht vorstellen. “Wir sind auf Basis dieses Vertrages seither in jeder Saison von der DFL lizenziert worden. Da gibt es einen Bestandsschutz.”

“Vielleicht ein Fehler …”: Keine Klage gegen 50+1

Auf eine eigene Klage mit dem Ziel, die 50+1-Regel zu streichen, hatte Kind trotz seines langen Einsatzes dafür stets verzichtet. “Vielleicht war es ein Fehler, es nicht bis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit durchzuziehen”, sagt er heute. “Es wäre der nächste Schritt gewesen, wir haben uns für einen anderen Weg entschieden.”

Statt Konfrontation steuert Hannovers Macher den Blick inzwischen auf Kooperationskurs mit der DFL. Dieser müsse geholfen werden. “Ich persönlich glaube, dass sie zu sehr verwaltet und zu wenig gestaltet.” Entwicklungen und Regelungen hätten im deutschen Profi-Fußball zu einem konfusen, uneinheitlichen Bild, ungleichen Bedingungen und Wettbewerbsverzerrung geführt, so seine Kritik.

Thema
Die Liga und der “strategische Partner”

Die Diskussion um einen DFL-Investor

zum Thema

  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen. 

“In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Ausnahmeregelungen und Umgehungstatbestände entwickelt, die toleriert wurden. Parallel dazu ist 50+1 zum Thema des Kulturkampfes im Fußball geworden.” Jetzt gelte es, einen Weg zu finden.

Stein des Anstoßes sind und bleiben für Kind die Befugnisse in den Profivereinen. Logisch und unabdingbar ist für ihn, dass dort die Geldgeber bestimmen, was mit ihren Zuwendungen passiert, und hierbei nicht dem Diktat der Muttervereine unterliegen. “Man kann 50+1 beibehalten, aber dann kann ich nur empfehlen: Sie müssen den Mut haben, das Weisungsrecht zu regeln. Sie müssten klar definieren: In welchen Fragen darf der e. V. mitreden und in welchen nicht? In welchen Fragen darf das Kapital mitreden und in welchen nicht?”

Martin Kind im Jahr 1998

Der Anfang: Martin Kind 1998, ein Jahr nach seinem Start bei Hannover 96.
IMAGO/Rust

2005 verlässt Kind Hannover – ein Jahr später kehrt er zurück

Wer Kind erlebt, erlebt einen vitalen, ungebrochen für seine Ideale eintretenden, engagierten Menschen. An diesem Sonntag, am 28. April wird er 80. Längst schon hätte er einen Schlussstrich bei 96 ziehen sollen, sagen nicht nur Kritiker bis in die eigenen Reihen, sondern auch Vertraute im Umfeld, die es gut mit ihm meinen.

Im August 2005 war es ja auch schon mal so weit. 1997 als Sanierer des auf die Insolvenz zusteuernden Vereins zum Vorsitzenden gewählt, hatte er den in die Drittklassigkeit abgestürzten Traditionsklub in acht Jahren wirtschaftlich und sportlich wieder nach oben geführt, 1999 die “Hannover 96 GmbH & Co. KGaA” gegründet, mit ihm als einem von mehreren Gesellschaftern aus der Region. Nun verließ der gebürtige Walsroder, der auch Wurzeln in der Schweiz hat, das bestellte Feld. Mitte 2006 folgte die Rückkehr.

Wieder einzusteigen war eine Entscheidung, die ich im Nachhinein vielleicht länger hätte überdenken sollen.

Martin Kind über seine Rückkehr zu Hannover nach seinem Abschied 2005

“Wieder einzusteigen war eine Entscheidung, die ich im Nachhinein vielleicht länger hätte überdenken sollen. Ich hatte ja den Absprung vollzogen”, hadert der “Aussteiger für zehn Monate” heute. “Die anderen Gesellschafter sagten damals, ich hätte sie überzeugt, ihr Geld zur Verfügung zu stellen. Jetzt solle ich auch dafür sorgen, dass es treuhänderisch vernünftig verwaltet wird.”

Es ging damals schon um einen gewaltigen Batzen, und so ist es bis heute. Wobei die wohl bis zu 50 Millionen Euro, die Kind einmal in Hannover 96 gesteckt haben wird, nicht einmal ein Zehntel des Privatvermögens jenes Mannes ausmachen, der zu den 500 reichsten Deutschen gehört.

96 als “Marke”, Fans als “Kundschaft”

Also ist Kind geblieben, jedenfalls als Geschäftsführer. Den Posten als Vorstandsvorsitzender hat er im März 2019 abgegeben. Den Spagat zwischen nahbarem Präsidenten aller Mitglieder und kühlem Boss des Wirtschaftsunternehmens, als das er die Profisparte stets sah, hatte er nie wirklich hinbekommen. 96, den Herzensverein vieler Tausend Menschen, lange Zeit als “Marke” zu bezeichnen, kam nicht gut an – spät erst sah der große Patron das ein.

Fans von Hannover 96 protestieren gegen Martin Kind

Immer wieder Proteste: Selbst für die Fans von Hannover 96 ist Martin Kind eine Reizfigur.
imago images

Aus dem eigenen Herzen machte er nie eine Mördergrube. “Ein Scheißverein, der über 100 Jahre nichts geschaffen hat”, entglitt es ihm einst im Ärger – über den Deutschen Meister von 1938 und 1954 sowie Pokalsieger von 1992. Und auch die permanent gegen ihn pöbelnden, teilweise dabei rote Linien überschreitenden Zuschauer in der Kurve als “Kundschaft” zu bezeichnen, die man eigentlich nicht brauche, wirkte wenig galant, wenngleich fast entwaffnend ehrlich. Ihn auch dafür buchstäblich ins Fadenkreuz zu nehmen, ließ er sich nicht gefallen. Und erstattete Strafanzeige.

Wer Kind bei den Spielen der Mannschaft erlebt, kommt kaum auf den Gedanken, dieser Mann sei nach fast 30 Jahren als enger Begleiter des Profifußballs reifer, zurückhaltender, gelassener geworden. Er zeigt Emotionen, die ihn kaum vom je nach Sachlage feiernden oder trauernden Fan unterscheiden. “Wenn wir gewinnen, will er am liebsten mit allen Spielern verlängern”, heißt es. “Wenn wir verlieren, will er spontan allen die Bezüge kürzen, weil es eh keinen Sinn macht.”

Kind ist ein Mann der klaren Meinung

Ein Prominenter, der einst Kinds Bitte folgte, den Aufsichtsratsvorsitz der Fußball-KG zu übernehmen, legte im Dauerzwist mit der vereinsinternen Opposition sein Amt nieder: Gerhard Schröder, der SPD-Politiker und frühere niedersächsische Ministerpräsident selben “Baujahrs”.

Martin Kind (li.) mit Altkanzler Gerhard Schröder (re.).

Gutes Verhältnis: Martin Kind (li.) und Altkanzler Gerhard Schröder (re.).
imago/localpic

Kind auch hier stabil und unbeeindruckt: “Wir haben immer noch ein gutes Verhältnis.” Trotz Russland, trotz der Nähe des Altkanzlers zu Putin. “Da habe ich eine deutlich andere Einstellung als er. Wenn man diese Standpunkte akzeptiert, ohne darüber zu streiten, dann kann eine gute Bekanntschaft das auch aushalten. Man muss es deshalb nicht zum Bruch kommen lassen.”

Politisch interessiert und mit klarer Meinung gibt sich Kind unabhängig davon dennoch. “Natürlich treibt mich um, was gerade in der Welt passiert. Mich beunruhigt die Entwicklung, immer mehr sogar. Insgesamt weltpolitisch mit dem Versuch der Neuordnung von Dingen, aber eben auch die Wirtschaftsentwicklung, speziell hier in Deutschland.”

Es geht nicht, Dinge zu fordern, die man selbst nicht bereit wäre zu tun.

Martin Kind über seine Überzeugung

Sorge bereitet dem mehrfachen Großvater die Mentalität “der Staat regelt alles, was nicht funktioniert”, verbunden mit der Utopie, es gehe mit weniger Aufwand hier und mit höheren Ansprüchen dort, “und alles wird immer funktionieren. Natürlich ist das wirklich naiv”. Der Mann, für den Urlaub zeit seines Schaffens eher eine Strafe war, der außer dem Tod keinen Gegner wirklich fürchtet, vertraut einer festen Überzeugung: “Es geht nicht, Dinge zu fordern, die man selbst nicht bereit wäre zu tun.”

Bundesliga-Rückkehr würde Lebenswerk vollenden

Statt sich aufs Altenteil zurückzuziehen und ungeachtet der in Hannover fast schon traditionellen “Kind muss weg”-Rufe aus dem eigenen Anhang ist Kind geblieben. Bekniet, als Retter einzugreifen, beschimpft für die Tricks, mit denen er seine Macht ausbaute und sicherte, beneidet sicher auch für sein Stehvermögen in all den Jahren. So ist dieses 96 zwangsläufig zu einem sportlichen Lebenswerk geworden, das er vollenden will, möglichst mit der Rückkehr in die Bundesliga.

Der Fußball hat dem Selfmade-Millionär eine Bühne geboten, auf der er sich gerne zeigt. Er genießt Auftritte in Talks und TV-Sendungen. Einladungen zu Vorträgen allerorts schlägt er nach wie vor ungern aus.

Nach der Abkehr von seinen Übernahmeplänen in Hannover und dem Erstliga-Abstieg sank die öffentliche Relevanz, stieg aber mit dem Wirbel um seine Rolle im gescheiterten Investorendeal der DFL zuletzt wieder und liegt weitaus höher, als er sie als Kopf seines Firmenimperiums jemals erreicht hätte.

Kind: “Ich weiß, dass ich aufhören muss und will”

Die Uhr aber läuft weiter in Großburgwedel. In der nächsten Dekade seines Lebens wird Martin Kind den Fort- und vielleicht Ausgang seiner letzten großen Mission regeln müssen. “Ich weiß, dass ich aufhören muss und will.” Die Zuversicht, dies wie bisher selbstbestimmt tun zu können, strahlt er aus.

Es glaubt mir vielleicht nicht jeder, aber ich habe letztlich immer alles für 96 gemacht.

Martin Kind

Seine Anteile hat er schon vor geraumer Zeit an seinen zweiten Sohn Matthias übertragen. “Die Aktien bleiben in der Familie, das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bei allen drei Gesellschaftern so.” Drogeriemarkt-Multi Dirk Roßmann und auch Immobilien-Unternehmer Gregor Baum, ebenfalls “Hannoversche Bürger” (Kind), mit ihren Söhnen Raoul und David planen ähnlich.

Martin Kind

Suche nach einem Nachfolger: Martin Kind “weiß, dass ich aufhören muss und will”.
imago images/Joachim Sielski

Loslassen muss er unabhängig von allem über kurz oder lang als Fußball-Boss. “Ich hänge der Position des Geschäftsführers nicht nach, aber ich nehme meine Verantwortung wahr”, sagt er und verweist auf die Notwendigkeit, einen Nachfolger zu finden, den beide Lager im Klub, Verein und Profisparte, gleichermaßen akzeptieren. “Das ist bisher nicht gelungen. Wir haben es versucht, der Ansatz war vielleicht auch nicht immer der richtige, das gebe ich zu.” Der neue Mann muss mit dem Geld der Gesellschafter um Kind in deren Sinne umgehen, so lautet die Prämisse.

Gelingt dies irgendwann, bliebe dies das Vermächtnis des Martin Kind, der in Hannover wohl in der Geschichte auf ewig für die einen Heilsbringer, für die anderen Totengräber bleiben wird. Und der sagt: “Es glaubt mir vielleicht nicht jeder, aber ich habe letztlich immer alles für 96 gemacht.”

Dieser Text erschien erstmals in der kicker-Ausgabe vom 15. April.

Michael Richter

Griezmanns Katastrophen-Pass ohne Folgen: Atletico schießt sich auf Champions-League-Kurs

La Liga – Highlights by DAZN 28.04.2024

Griezmanns Katastrophen-Pass ohne Folgen: Atletico schießt sich auf Champions-League-Kurs

3:51Im Kampf um das letzte Champions-League-Ticket in La Liga fuhr Atletico Madrid gegen Bilbao einen wichtigen Dreier ein. Das sportliche geriet allerdings zeitweise in den Hintergrund, als es den nächsten Rassismus-Vorfall gegen Nico Williams gab, dieser fand mit dem zwischenzeitlichen Ausgleich die sportliche Antwort.

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Geraerts zeigt sich zufrieden: “Hätten die drei Punkte heute verdient gehabt”

Zum fünften Mal in Serie nicht verloren. Schalke 04 sammelt Woche für Woche Punkte im Kampf gegen den Abstieg. Gegen Fortuna Düsseldorf wären es beinahe sogar drei geworden, die laut S04-Trainer Karel Geraerts auch verdient gewesen wären.

Zeigte sich mit der Leistung seiner Elf einverstanden: Karel Geraerts.

Zeigte sich mit der Leistung seiner Elf einverstanden: Karel Geraerts.

IMAGO/RHR-Foto

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen ist wohl ein Sprichwort, dass auf Schalke 04 derzeit besser denn je zutrifft. Das 1:1 gegen Fortuna Düsseldorf markierte inzwischen das vierte Remis aus den letzten fünf Spielen. Punkt für Punkt sammelt die Elf von Karel Geraerts momentan Zähler gegen den Abstieg. “Jeder Punkt ist wichtig. Wir haben jetzt 37. Jeder sagt, man braucht 40, um die Liga zu halten, also brauchen wir noch einige”, wusste der S04-Trainer bei Sky im Anschluss an die Partie gegen Düsseldorf einzuschätzen.

2. Bundesliga, 31. Spieltag

Geraerts “stolz” auf seine Spieler

Das 1:1 gegen die Fortuna, die sich noch mitten im Kampf um den Aufstieg befindet, ginge laut dem Belgier angesichts des Spiels auch absolut in Ordnung. Er zeigt sich äußerst zufrieden mit dem, “was ich heute gesehen habe. Es war eine gute Leistung über 90 Minuten. […] Ich bin stolz auf meine Spieler und sie hätten die drei Punkte heute verdient gehabt.” Ähnliche Worte fanden auch seine Schützlinge. “Am Ende vielleicht ein gerechtes Ergebnis. War ein gutes Niveau heute von beiden Mannschaften. Mit einem Quäntchen Glück gewinnen wir das Spiel vielleicht”, fand auch Torschütze Kenan Karaman.

“Nach dem Tor hätten wir noch mehr Druck machen können, auf das zweite gehen können”, fand er derweil aber auch Punkte, die sich Königsblau vorwerfen lassen muss. “Ich glaube, Fortuna war da schon unsicher, wir hatten die Fans hinter uns.” Stattdessen habe man sich “dann zu sehr nach hinten fallen” lassen. In der Arbeit gegen den Ball wiederum habe Schalke “einen Schritt nach vorne gemacht.”

Insbesondere in puncto “Kompaktheit zwischen den Ketten – das ist uns sehr, sehr wichtig. Der Trainer fordert das immer wieder ein und da sind wir echt diszipliniert geworden.” S04-Torhüter Marius Müller pflichtete ihm bei. “In den letzten Wochen hat man gesehen, dass wir gerade gegen gute Mannschaften absolut mithalten können.” Das läge vor allem daran, dass die “Gegentorflut gut aufgefangen” worden sei.

Elfmeter-Szene sorgt für Diskussionen

Harmonische Worte nach einem Punkt gegen eine der Top-Mannschaften der Liga. Wäre da nicht noch die Szene kurz vor dem Ende gewesen, bei der Assan Ouedraogo im Duell mit Joshua Quarshie im Strafraum zu Fall gekommen war. Der Unparteiische Harm Osmers zeigte zunächst auf den Punkt, entschied sich mithilfe des VAR und nach Ansicht der Bilder aber gegen den Strafstoß. Eine Entscheidung, über die es verschiedene Meinungen gab. “Meine Meinung ist sehr einfach”, machte Garaerts gleich klar. “Es gab einen Kontakt mit Assan Ouedraogo, also kann der VAR in diesem Moment nicht eingreifen. Es gab einen kleinen Kontakt, also ist es keine klare Fehlentscheidung.”  Entsprechend sei es für ihn “ein Fehler” gewesen, die auf dem Feld getroffene Entscheidung zu revidieren.

“Er hätte es sich auch einfach machen können hier vor 60.000 Leuten und auf dem Punkt bleiben” können, hielt sein Gegenüber Daniel Thioune dagegen. “Kontakt bedeutet nicht immer gleich Foulspiel und entsprechend war es glaube ich eine gute Entscheidung.”

Müller hielt sich aus der Debatte derweil zurück. “Ich will ehrlich gesagt nicht drüber urteilen. Am Ende ist es so, dass der Schiri gepfiffen hat aus dem Spiel heraus und das ist für mich am Ende das, was ausschlaggebend sein muss. Ob es am Ende einer ist oder nicht, überlasse ich dann gerne dem Stammtisch morgen früh.” Vielmehr kritisierte er, dass es “keine klaren Linien mehr” gebe. “Das ist ja mal so, mal so. Vielleicht wäre der Elfmeter vor zwei Wochen gegeben worden.”

Gegeben wurde er bekanntermaßen nicht und so blieb es bei nur einem Punkt. Ein Punkt, der am Ende aber auch jede Menge wert sein kann, der aber nicht der letzte auf dem Konto des S04 sein soll. “Wenn wir uns auf uns fokussieren, bin ich mir sicher, dass wir da schnellstmöglich die Punkte holen”, befindet auch Müller. Am besten soll damit bereits am kommenden Wochenende beim VfL Osnabrück begonnen werden.