Baumgart erklärt: Deshalb ist Jatta dennoch wichtig

Die Verpflichtung von Steffen Baumgart schien beim Hamburger SV auf den ersten Blick vor allem für einen Profi perfekt zu passen: Bakery Jatta zeichnen sämtliche Attribute aus, die dem neuen Trainer wichtig sind. Doch der Rechtsaußen ist noch nicht in der Spur.

Trainer Steffen Baumgart baut auch weiter auf Bakery Jatta.

Trainer Steffen Baumgart baut auch weiter auf Bakery Jatta.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Baumgart fordert von seinen Offensivspielern ein intensives Anlaufverhalten und maximale Intensität – Kernmerkmale von Bakery Jatta, der damit wie geschaffen scheint für den Fußball des neuen Chefs. Doch die Bilanz des 25-jährigen Gambiers liest sich ernüchternd, seit der Ex-Kölner den HSV anleitet. In den sieben Partien unter Baumgart ist Jatta noch ohne jede Torbeteiligung, kommt in diesem Zeitraum auf einen kicker-Notenschnitt von 4,28.

Beim zurückliegenden Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (2:1) hatte er sogar seinen Platz in der Startelf an Anssi Suhonen verloren, kam auch deshalb nach nur einer Hälfte auf der Bank wieder ins Team, weil der Finne muskuläre Probleme hatte und darauf dann erkältet war.

Er ist in der Entscheidungsfindung nicht so klar, wie er es schon war.

Baumgart über Jatta

Wenn am Samstagabend im Topspiel gegen Spitzenreiter Holstein Kiel die Jagd auf Platz 3 in die nächste Runde geht, wird Jatta ziemlich sicher dennoch starten – und erhält ausdrücklich Rückendeckung durch Baumgart. “Für mich ist entscheidend”, sagt der 52-Jährige, “dass Baka an der Situation arbeitet, dass er sehr offen ist. Höhen und Tiefen sind normal.” Schon zu Beginn des neuen Kalenderjahres begann das Tief, herausgekommen ist der sprint- und kampfstarke Publikumsliebling noch nicht.

Offensichtlich ist, dass augenblicklich die Klarheit in Jattas Spiel fehlt, erarbeitete Situationen dadurch regelmäßig verpuffen. “Er kämpft und arbeitet für die Mannschaft, schafft es im Moment aber nicht konstant, Situationen zu Ende zu bringen”, benennt der Coach das Problem. “Er ist in der Entscheidungsfindung nicht so klar, wie er es schon war.”

Der gebürtige Rostocker und frühere Angreifer aber ist zuversichtlich, dass der Flügelstürmer die Talsohle erfolgreich durchschreiten wird: “Über mehr Selbstvertrauen wird er da wieder hinkommen.” Für ihn steht ohnehin fest: “Wichtig ist er dennoch für uns.” Weil Jatta unverändert wichtige Wege nach hinten macht. Um wieder zum entscheidenden Faktor zu werden, muss er auch wieder die richtigen Wege in der Vorwärtsbewegung finden.

Sebastian Wolff

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Nagelsmann bleibt: Was bedeutet das für Bayern und den DFB?


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Benes pausiert, ist für Baumgart aber kein Wackelkandidat

Die Personallage beim Hamburger SV hat sich entspannt, die Ausgangslage ist klar: Einzig ein Sieg gegen Spitzenreiter Holstein Kiel hält den einstigen Topfavoriten auf den Aufstieg aussichtsreich im Kampf um Platz 3.

Hamburgs Mittelfeldspieler Laszlo Benes pausierte beim Training.

Hamburgs Mittelfeldspieler Laszlo Benes pausierte beim Training.

IMAGO/Eibner

Steffen Baumgart hat sich in seinen ersten Wochen in der Hansestadt wie auch in seiner vorherigen Trainerkarriere nicht den Ruf erworben, verzierende Schleifchen um seine Aussagen zu machen.

Dementsprechend deutlich skizziert der 52-Jährige die Ausgangslage vor dem Topspiel am Samstagabend. “Wir haben vorher unsere Hausaufgaben nicht gut genug gemacht, und deshalb sind wir hintendran als Vierter mit drei Punkten Rückstand.” Vor Wochen noch wurde der Partie gegen den Nord-Nachbarn entgegenfiebert, weil in dieser die Chance erschien, zum Überholmanöver anzusetzen oder zumindest entscheidend verkürzen zu können, seit dem vergangenen Spieltag aber beträgt der Rückstand auf die Störche neun Zähler. “Wenn wir uns die letzten Ergebnisse von Kiel und Düsseldorf angucken”, sagt Baumgart, “dann müssen wir sagen, dass sie es überragend gemacht haben. Deshalb geht es für uns jetzt erstmal nur darum, unsere Hausaufgaben zu machen.”

Immerhin, diesen Versuch kann Baumgart erstmals mit seiner vermeintlich besten Elf angehen. Dazu wird auch Laszlo Benes zählen, obwohl der Slowake am Donnerstag mit dem Training ausgesetzt hatte. Der Coach spricht von einer “reinen Vorsichtsmaßnahme, es besteht keine Sorge. Etwas zwickt bei den Jungs ja immer.” Zum Abschlusstraining am Freitag erwartet er seinen Topscorer (13 Tore, 12 Vorlagen) zurück im Mannschaftstraining.

Hadzikadunic in der Startelf

Nachdem Baumgart am Mittwoch bereits das Startelf-Comeback von Torjäger Robert Glatzel nach auskurierten muskulären Problemen verkündet hatte, legt er sich nun auch auf Dennis Hadzikadunic nach auskurierter Erkältung in der Innenverteidigung fest. “Dennis hat unter mir zuvor jedes Spiel bestritten und auch gute Spiele gemacht, deshalb ist es die logische Konsequenz, dass er anfängt.” Diese Entscheidung ist ausdrücklich unabhängig von der Roten Karte für Guilherme Ramos:  “Er hätte auch ohne die Rotsperre gespielt.”

Baumgarts Wunschelf für den Samstag zeichnet sich deutlich ab, lediglich zwei Plätze lässt er noch offen: Die Besetzung der Rechtsverteidiger-Position und die auf Linksaußen. Rechts hinten drängt Ignace van der Brempt nach Muskelblessur zurück, und Baumgart lobt: “Er hat Qualitäten, die wir in jedem Spiel brauchen können.” Das Modell mit Ludovit Reis, der sich mit dem Ball als zweiter Sechser und gegen den Ball als Rechtsverteidiger positioniert hatte, bezeichnet der gebürtige Rostocker jedoch ausdrücklich nicht als Notlösung, sondern zieht es offenbar weiterhin in Betracht: “Ich finde, es hat gut funktioniert.”

Ebenso offen ist, ob Jean-Luc Dompé nach seinem starken Jokereinsatz beim 2:2 in Magdeburg startet oder wieder von der Bank kommt. “Ich bin froh, dass er wieder die ganze Zeit im Training ist”, erklärt Baumgart, “er ist immer besser drauf, auch in körperlicher Hinsicht. Er hat es in Magdeburg sehr gut gemacht. Wir überlegen sehr genau, ob es bei ihm jetzt schon für länger reicht, oder ob wir ihn hintenheraus bringen. Klar ist, er kann uns in beiden Rollen helfen.” Und ebenso klar ist: Hamburgs Offensivspiel ist auf Dompés Hilfe und Impulse angewiesen, um im Kampf um Platz 3 dabei zu bleiben.

Sebastian Wolff

Baumgart legt sich fest: “Es ist klar, dass Glatzel spielt”

Der Trainingsplatz war gut gefüllt zum Start in die Arbeitswoche beim HSV. Steffen Baumgart kann erstmals seit seinem Dienstantritt im Februar die vermeintliche Top-Elf aufbieten. Und legt sich gegen Kiel auch auf Robert Glatzel fest.

Hat das Vertrauen von Trainer Steffen Baumgart: Robert Glatzel.

Hat das Vertrauen von Trainer Steffen Baumgart: Robert Glatzel.

IMAGO/Zink

Irgendwas war immer seit Baumgart das Traineramt in Hamburg übernommen hat. Mit Personalproblemen hatte schon sein Vorgänger Tim Walter über die nahezu gesamte Spielzeit zu kämpfen, und das setzte sich unter dem Ex-Kölner fort: Erst war Laszlo Benes rotgesperrt, mal fehlte Linksverteidiger Miro Muheim, dann Rechtsverteidiger Ignace van der Brempt, zuletzt zudem der seit dem Trainerwechsel wiedererstarkte Dennis Hadzikadunic und eben auch der Torjäger. Nach kontinuierlichem Aufbau sieht Baumgart nun alle Rückkehrer reif für die Startelf. “Wir bauen die Jungs behutsam auf, jeder hat erkannt, wo ich hinwill.”

Das bedeutet im Topspiel gegen den neuen Spitzenreiter Holstein Kiel: Hadzikadunic wird nach Erkältung wieder an der Seite von Sebastian Schonlau im Abwehrzentrum verteidigen, rechts wird van der Brempt zurückkehren – damit steigt auch der Konkurrenzdruck im Mittelfeldzentrum, denn Ludovit Reis ist wieder für seine Idealposition frei, dürfte den Platz von Immanuel Pherai einnehmen. Und ganz vorn kehrt Robert Glatzel zurück. “Es ist klar, dass Bobby spielt”, sagt Baumgart dem kicker.

Sofort präsent

Glatzel hatte nach Oberschenkelproblemen die Partien in Fürth (1:1) und gegen Kaiserslautern (2:1) verpasst, war nach einer halben Trainingswoche in Magdeburg zumindest in den Kader zurückgekehrt und hatte nach Ansicht des Trainers einen wesentlichen Anteil an der Aufholjagd, die trotz Unterzahl noch mit einem 2:2 endete. “Es war dort ganz klar zu sehen, dass er sofort eine gute Präsenz hatte”, lobt der 52-Jährige und sieht ihn am Samstag bereit für mehr: “Er ist in dieser Woche komplett dabei, hat auch in der vergangenen Woche schon vor seinem Einstieg ins Mannschaftstraining sehr gut gearbeitet.”

Baumgart lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass Glatzel deshalb auch direkt wieder anstelle von Andras Nemeth in der Sturmmitte startet: “Bobby ist extrem wichtig für uns.” Und zumindest der 30-jährige Angreifer persönlich hat auch gute Erinnerungen an den kommenden Gegner. Beim 2:4 im Hinspiel hatte er nach dem 0:2-Rückstand per Doppelpack zwischenzeitlich ausgeglichen. Im Saisonendspurt kommt es für den HSV erneut auf Glatzels Tore an.

Sebastian Wolff

HSV gegen Kiel: Unheilvolle Begegnungen

Die Bedingungslosigkeit der zweiten Halbzeit von Magdeburg, in der Hamburg aus einem 0:2-Rückstand trotz Unterzahl noch ein 2:2 machte, soll der Maßstab für die letzten fünf Spiele sein. Doch mit Holstein Kiel kommt Samstagabend der Angstgegner.

HSV-Kapitän Sebastian Schonlau gibt sich optimistisch.

HSV-Kapitän Sebastian Schonlau gibt sich optimistisch.

IMAGO/Eibner

Am vergangenen Sonntag erschien die Situation für den Hamburger SV nach dem frühen Platzverweis gegen Guilherme Ramos und zwei Gegentreffern im Spiel so ausweglos wie die im Aufstiegskampf. “Die Art und Weise, wie wir mit den Rückschlägen umgegangen sind”, sagt Kapitän Sebastian Schonlau, “zeigt, was in uns steckt. Das wollen wir in die nächsten fünf Partien mitnehmen.” Und es wird vor allem gleich in der ersten vonnöten sein. Denn: Seit dem Abstieg in die 2. Liga vor sechs Jahren hat der HSV nur eines von elf Duellen mit dem Nord-Nachbarn gewonnen, verlor vier Partien und spielte sechs Mal unentschieden. Vor allem im heimischen Volkspark ist die Bilanz ernüchternd – noch kein Spiel gegen die Störche wurde gewonnen.

Zwei Begegnungen in den ersten fünf Zweitliga-Spielzeiten waren besonders unheilvoll und einprägsam. Am 3. August 2018 startete der HSV nach dem Abstieg mit großer Rückendeckung durch die gesamte Stadt und einer Aufbruchstimmung, die geradezu an Euphorie grenzte, in seine erste Zweitliga-Saison der Vereinsgeschichte, und wurde von den Störchen, damals trainiert von Tim Walter, nach der Pause gerupft. Am Ende stand vor ausverkauftem Haus ein 0:3 und die totale Ernüchterung. Ein Vorbote für den bis heute mühsamen Aufenthalt im Unterhaus.

Folgenschwer war auch das Heimspiel gegen Kiel in der darauffolgenden Spielzeit 2019/20. Im Geisterspiel wegen der Corona-Pandemie hätte den Hamburgern am 30. Spieltag ein Sieg im Montagabendspiel zu Platz 2 gereicht, da Aufstiegskonkurrent VfB Stuttgart tags zuvor nur 0:0 gegen Osnabrück gespielt hatte. Der HSV führte lange mit 3:2 gegen Kieler im Niemandsland der Tabelle, ehe Jae-Sung Lee in der 94. Minute ausglich. Die KSV wurde damit zu einem ganz wesentlichen Stolperstein beim zweiten verpassten Anlauf zurück in die Bundesliga.

Seitdem gab es im Volkspark in diesem Duell drei weitere Punkteteilungen (1:1, 1:1, 0:0) – und klar ist: Bleibt die Sieglosserie des HSV daheim gegen den neuen Spitzenreiter bestehen, wäre dies im Aufstiegskampf abermals folgenschwer.

Sebastian Wolff

Nach Roter Karte in Magdeburg: Ramos für ein Spiel gesperrt

Das Sportgericht des DFB hat entschieden: Der Hamburger SV muss nach der Roten Karte für Guilherme Ramos nur ein Spiel auf seinen Innenverteidiger verzichten.

Guilherme Ramos (#13) stapft nach seiner Roten Karte im Spiel gegen Magdeburg davon.

Guilherme Ramos (#13) stapft nach seiner Roten Karte im Spiel gegen Magdeburg davon.

IMAGO/Christian Schroedter

Damit fehlt Guilherme Ramos den Rothosen ausschließlich beim Topspiel am Samstagabend gegen den neuen Tabellenführer Holstein Kiel (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker). Der Portugiese hatte am Sonntag beim Auswärtsspiel in Magdeburg (2:2) nach knapp über 20 Minuten Gegenspieler Luca Schuler zu Fall gebracht und dafür die Rote Karte gesehen – den obendrein fälligen und diskutierten Strafstoß verwandelte Mohammed El Hankouri zum 1:0.

In Unterzahl mussten die Hanseaten einem zwischenzeitlichen 0:2-Rückstand nach einem weiteren Strafstoß hinterherlaufen, ehe Jonas Meffert in der Nachspielzeit noch den Ausgleich erzielte – ein Ergebnis, das bei Trainer Steffen Baumgart gemischte Gefühle hinterließ.

HSV weit oben in der Kartenstatistik

Für Ramos ist es in der laufenden Saison nicht der erste Platzverweis. Bereits am 4. Spieltag war er beim 1:0-Erfolg bei Hannover 96 mit Rot vom Platz gestellt worden – damals wurde er für zwei Spiele gesperrt. Obendrein hat er wegen seiner fünf Gelben Karten bereits bei einem Spiel zusehen müssen. Kein anderer Spieler der laufenden Zweitliga-Saison hat mehr als einmal die Rote Karte gesehen.

Aber nicht nur der in dieser Saison von Arminia Bielefeld geholte Innenverteidiger ist beim HSV bislang mit Platzverweisen in Erscheinung getreten. Kein Team in Liga zwei hat mehr Platzverweise zu verzeichnen als der HSV (sechs, geteilter Platz eins mit dem 1. FC Nürnberg, dem VfL Osnabrück und dem SV Wehen Wiesbaden). Bereits Laszlo Benes und Miro Muheim wurden mit glatt Rot vom Platz gestellt, Moritz Heyer und Dennis Hadzikadunic je mit Gelb-Rot. Auch in puncto Gelben Karten rangiert das Team aus dem Norden weit oben. Nur Hansa Rostock (66), der 1. FC Magdeburg (67) und der 1. FC Nürnberg (72) haben öfters Gelb gesehen als der HSV (64).

HSV: Noch nicht ganz am Ende, und Baumgart sieht einen Anfang

Dass der eine Punkt in Magdeburg zu wenig für die Hamburger Aufstiegsambitionen ist, weiß Steffen Baumgart. Die Relegation ist weiter entfernt, das Ziel Direktaufstieg nahezu verpasst. Noch ist der HSV nicht ganz am Ende, der Trainer aber hofft gar auf einen neuen Anfang.

HSV-Coach Steffen Baumgart sah seine Vorgaben erfüllt.

HSV-Coach Steffen Baumgart sah seine Vorgaben erfüllt.

IMAGO/Eibner

Baumgarts Kaltstart in Hamburg im Februar ohne gemeinsame Vorbereitung ist holprig verlaufen. Seine Beziehung zum HSV ist seit dem Kindesalter Liebe auf den ersten Blick, die Verbindung mit der Mannschaft musste und muss wachsen. Ausgerechnet aus dem 2:2 vom Sonntag, dem nächsten schweren Rückschlag im Kampf um die Bundesliga-Rückkehr, könnte aus Sicht des Trainers etwas entstanden sein, das womöglich noch mehr wert sein kann als der eine Punkt, durch den der Rückstand auf den Dritten Düsseldorf nun drei Zähler und das deutlich schlechtere Torverhältnis beträgt.

Eine erfolgreiche Aufholjagd mit einem Mann weniger

Weil er in auswegloser Lage seine Vorgaben erfüllt sah. “Die Jungs haben in Unterzahl das gemacht, wie ich es mir immer vorgestellt habe, sie sind über Grenzen gegangen, haben gezeigt, dass wirklich alle füreinander fighten.” Baumgart bilanziert zufrieden: “Wir haben uns in dieser Phase dann Dinge erarbeitet, die wir uns in anderen Spielen selbst in Gleichzahl so noch nicht erarbeitet haben.” Der Lohn: Eine erfolgreiche Aufholjagd mit einem Mann weniger.

Baumgart verhehlt nicht, dass ein Pünktchen beim Abstiegskandidaten und angesichts der munter siegenden Konkurrenz aus Kiel und Düsseldorf “nicht das ist, was wir wollten”. Er registriert aber, dass der komplizierte Gewöhnungsprozess an eine andere Spielidee voranschreitet. “Ich freue mich, dass die Jungs dahin kommen, wie ich es mir vorstelle. Sie fangen an, es genauso umzusetzen, wie ich es haben möchte. Unsere Situation ist nicht besser geworden, aber wenn sie so marschieren, dann sage ich gern: Das sind meine Jungs.”

Nur, was ist noch drin für eine Mannschaft, die lange auf Ballbesitz ausgerichtet war und mühsam und mitten im Aufstiegskampf lernen muss, was es bedeutet, zu “Baumgarts Jungs” zu werden? Der Coach hat vom ersten Tag an in der Hansestadt gesagt, dass der HSV in den zurückliegenden fünf Jahren nie an der individuellen Klasse der Einzelspieler gescheitert sei. “Wenn sie so arbeiten wie in Magdeburg”, prophezeit er, “dann kommt auch die höhere Qualität, die die Jungs aus meiner Sicht haben, zum Tragen.”

Ob Magdeburg das Ende aller Aufstiegshoffnungen bedeutet oder einen echten Anfang zwischen Baumgart und dem HSV, hängt auch davon ab, ob die leidenschaftliche zweite Hälfte am Sonntag der Maßstab für die verbleibenden fünf Spieltage wird. Und davon, was die Konkurrenz macht. Denn um davon unabhängig zu sein, diese Frage ist beantwortet, kam der Neustart zu spät.

Sebastian Wolff

“Einerseits enttäuscht, andererseits stolz”: Baumgarts gemischte Gefühle

In Magdeburg bewies der Hamburger SV Moral, kämpfte sich nach einem 0:2-Rückstand zur Pause in Unterzahl noch zurück und holte spät einen Punkt. Das sorgte bei Trainer Steffen Baumgart für gemischte Gefühle.

Dirigent: Steffen Baumgart gibt an der Seitenlinie Anweisungen.

Dirigent: Steffen Baumgart gibt an der Seitenlinie Anweisungen.

IMAGO/Christian Schroedter

Nach 45 Minuten sah es für die Hanseaten düster aus: Ein 0:2 auf der Anzeigetafel, ein Mann weniger und vier Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz, auf dem sich Fortuna Düsseldorf festgesetzt hat.

Elfmeter sorgen für Gesprächsstoff

Maßgeblichen Anteil am Pausenstand hatten zwei Magdeburger Strafstöße, die Mohammed El Hankouri beide verwandelte (26., 45.+7). Vorausgegangen waren zwei Foulspiele, die bei den Hamburgern für Unverständnis sorgten. Gesprächsbedarf hatte Trainer Baumgart vor allem wegen der Szene aus der 26. Minute: “Ich bin mir relativ sicher, dass der Kontakt außerhalb ist, und wenn er außerhalb beginnt, dann ist es außerhalb”, befand der 52-Jährige. “Außerdem verstehe ich diese Doppelbestrafung nicht, weil er nicht zum Abschluss kommt.”

Im zweiten Durchgang zeigte seine Mannschaft dann allerdings eine eindrucksvolle Leistung, überzeugte mit einem Mann weniger mit Offensivfußball und kämpfte sich zurück: Sebastian Schonlau erzielte den Anschluss (67.), Jonas Meffert tief in der Nachspielzeit den hochverdienten Ausgleich zum 2:2-Endstand (90.+4).

Baumgart lobt den Einsatz seiner Mannschaft

Ein Punktgewinn, der im Aufstiegsrennen noch enorm wichtig werden könnte. Das weiß auch Baumgart, der sich über die Comeback-Qualitäten freute: “In der Halbzeit haben wir Ruhe bewahrt, sind danach über Grenzen gegangen und haben füreinander gefightet. Wir hatten mehrere hundertprozentige Chancen, hätten sogar noch gewinnen können. Deswegen bin ich einerseits enttäuscht, andererseits aber auch stolz auf die Moral der Jungs.”

Die Art und Weise wie wir mit den Rückschlägen und den Elfmetern umgegangen sind, zeigt, was in uns steckt.

HSV-Kapitän Sebastian Schonlau

Diese hob auch Kapitän Schonlau lobend hervor: “Wir haben immer weiter gemacht, egal wie aussichtslos die Situation war”, wird der Verteidiger auf der HSV-Website zitiert. Die gesamte Mannschaft habe “diese unbedingte Gier gezeigt, dass sich alle aufreißen für den Verein. Die Art und Weise wie wir mit den Rückschlägen und den Elfmetern umgegangen sind, zeigt, was in uns steckt. Das wollen wir in den letzten fünf Spielen mitnehmen”.

Der Saisonendspurt hat es für den Hamburger SV noch einmal in sich. Am kommenden Samstag empfangen die Hanseaten den neuen Tabellenführer Holsten Kiel (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker). Außerdem steht noch das Derby gegen St. Pauli sowie Duelle gegen Braunschweig, Paderborn und den 1. FC Nürnberg bevor. Der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt nun drei Punkte.

Glatzel kehrt zurück – aber nur ein bisschen

Erstmals seit dem Ostersamstag hat Robert Glatzel am Freitag wieder das komplette Mannschaftstraining des HSV bestritten und wird in Magdeburg in den Kader zurückkehren. Personell aus dem Vollen schöpfen kann Steffen Baumgart dennoch nicht.

Steht vor seinem Comeback in den HSV-Kader: Torjäger Robert Glatzel.

Steht vor seinem Comeback in den HSV-Kader: Torjäger Robert Glatzel.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Lukasz Poreba, Siegtorschütze am vergangenen Samstag beim 2:1 gegen Kaiserslautern, und Dennis Hadzikadunic, ein klarer Gewinner des Trainerwechsels, waren während der Trainingswoche ebenso erkältet wie Anssi Suhonen, der gegen die Pfälzer sein Startelf-Comeback gegeben hatte.

Das bedeutet: Der Trainer wird bei seinem Ex-Klub Magdeburg wieder umbauen müssen. Auf Guilherme Ramos in der Innenverteidigung als Hadzikadunic-Ersatz hat er sich während der Pressekonferenz am Freitag bereits öffentlich festgelegt: “Gui wird starten, er hat auch in Fürth ein sehr gutes Spiel gemacht als er dort reingekommen ist.”

Die anderen Umstellungen ergeben sich von selbst: Immanuel Pherai wird den Platz von Poreba im Mittelfeldzentrum zurückbekommen, da Ignace van der Brempt nach einer Trainingswoche noch kein Startelf-Kandidat ist und Ludovit Reis damit in der Doppelrolle als verkappter Rechtsverteidiger verbleibt. Und auf Rechtsaußen wird Bakery Jatta wieder statt Suhonen beginnen. Dazu ist klar: Miro Muheim verteidigt nach verbüßter Gelbsperre links hinten anstelle von Noah Katterbach.

Vertrauen für Nemeth trotz Torlos-Serie

Unverändert klar ist Baumgart auch im Umgang mit Torjäger Robert Glatzel – trotz dessen Trainings-Comeback. Schon zum Wochenstart hatte der 52-Jährige einigermaßen unmissverständlich erklärt, dass er Rückkehrer aus Verletzungen nicht vorschnell wieder in die Anfangsformation beruft. Dass er für den Mittelstürmer keine Ausnahme macht, unterstreicht er nun nachhaltig. “Er könnte starten, aber er wird nicht starten. Ich habe da klare Prinzipien.” Glatzel soll der Joker im Ärmel von Baumgart sein beim nächsten Angriff auf Platz 3: “Er ist ein Kandidat, um reinzukommen. Ich habe mit ihm gesprochen, Bobby fühlt sich gut. Und ich bin froh, dass er wieder dabei ist.”

Das Vertrauen in der Sturmmitte erhält zum dritten Mal in Folge Andras Nemeth. Dass der 21-jährige Ungar seine Serie ohne Torerfolg in Abwesenheit von Glatzel auf 35 Pflichtspiele ausgebaut hat, ändert nichts an Baumgarts Überzeugung in den Youngster. Zum einen hat Nemeth nur sechs dieser Partien von Anfang an bestritten, zum anderen lobt der Coach und frühere Stürmer seinen Schützling für dessen grundsätzliches Auftreten: “Andras soll auf die letzten Spiele aufbauen.” Gelingt dies nicht, steht Glatzel zumindest wieder als Alternative bereit.

Sebastian Wolff

Wird Dompé wieder zum Sorgenfall?

Während der Hinrunde war Jean-Luc Dompé auch wegen immer wiederkehrender Blessuren ein Sorgenkind und wurde von Ex-Trainer Tim Walter regelrecht herbeigesehnt. Nach seinem perfekten Start ins neue Jahr ist der Linksaußen des HSV erneut ein Wackelkandidat.

Ist wieder fit, aber nicht gesetzt: Jean-Luc Dompé.

Ist wieder fit, aber nicht gesetzt: Jean-Luc Dompé.

IMAGO/Eibner

Mit einem Tor und drei Vorlagen in den ersten fünf Spielen sowie einem kicker-Notenschnitt von 2,5 in diesem Zeitraum ist der 28-jährige Franzose nahezu optimal ins laufende Kalenderjahr gestartet, dann kamen ausgerechnet in den ersten Wochen unter Neu-Coach Steffen Baumgart wieder gesundheitliche Schwierigkeiten in Form von Adduktorenproblemen zur Unzeit. Jetzt ist Dompé wieder fit, aber nicht gesetzt. Wird er nun erneut zum Sorgenfall?

Zweifel, ob es passen kann zwischen dem trickreichen Flügelstürmer mit Mängeln im Rückwärtsgang und Baumgart, der bei Offensivspielern vor allem auch auf Qualitäten beim Anlaufverhalten achtet, gab es bei Außenstehenden von Beginn an. Baumgart hatte diese öffentlich ausgeräumt und Dompé bescheinigt, auch engagiert nach hinten arbeiten zu können, einen Stammplatz hat er für ihn dennoch nicht reserviert. “Jean Luc”, sagte der 52-Jährige zum Start in die laufende Trainingswoche am Dienstag, “ist jetzt wieder voll im Training. Das bedeutet aber nicht, dass er auch mehr Spielzeit kriegt.” Unstrittig ist, dass er die wenige am vergangenen Samstag nach seiner Einwechslung gegen Kaiserslautern nach 76 Minuten nicht nutzen konnte: Der Techniker leistete sich viele Ballverluste, hatte keine klaren Offensivaktionen.

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Baumgart sieht auf dem linken Flügel aktuell Ransford Königsdörffer in der Hierarchie vorn und sagt dies auch: “Er macht es aus meiner Sicht gerade sehr gut auf der Außenbahn, ich sehe bei ihm eine positive Entwicklung.” Diese wird unterfüttert durch Zahlen: Mit zwei Treffern ist Königsdörffer gemeinsam mit Laszlo Benes und Miro Muheim bislang bester HSV-Torschütze unter Baumgart, bereitete zudem auch beim 2:1-Erfolg am vergangenen Samstag den ersten Hamburger Treffer vor.

Aber funktioniert Dompé auch als Joker? Der vor eineinhalb Jahren von Zulte Waregem verpflichtete Angreifer gilt als wankelmütig, Walter hatte eine Art des Umgangs, mit der er ihn über weite Strecken zu Höchstleistungen getrieben hat. Und unstrittig ist: Wenn Körper und Gemüt im Einklang sind, hat Dompé die Fähigkeit, im Unterhaus den Unterschied zu machen. Vorerst aber braucht er Geduld.

Sebastian Wolff

Glatzel: Kein Startelf-Comeback in Magdeburg

Robert Glatzel war auch zum Start in die neue Arbeitswoche am Dienstag nicht Teil des Mannschaftstrainings. Damit zeichnet sich ab: Zumindest von Anfang an wird der Torjäger wohl auch am kommenden Sonntag in Magdeburg nicht für den HSV auflaufen.

Für die Startelf wird es noch nicht reichen: HSV-Mittelstürmer Robert Glatzel.

Für die Startelf wird es noch nicht reichen: HSV-Mittelstürmer Robert Glatzel.

IMAGO/Lobeca

Das intensivierte Einzeltraining am Sonntag hatte Hoffnungen genährt, der 30-jährige Mittelstürmer könnte nach dem freien Montag womöglich schon wieder vollumfänglich mit der Mannschaft trainieren, zumal eingehende Untersuchungen am maladen Oberschenkel bereits in der Vorwoche keine strukturelle Verletzung ergeben hatten – zum Start in die Trainingswoche aber erhielten diese Hoffnungen einen Dämpfer: Während Ignace van der Brempt nach einwöchigem Aufbauprogramm erstmals wieder die komplette Einheit absolvierte, trainierte Glatzel am Dienstag abseits der Kollegen erneut individuell mit Reha-Trainer Sebastian Capel. Steffen Baumgart deutet zwar an, dass er seinen Torjäger im Laufe dieser Woche im Mannschaftstraining zurückerwartet, für die Startelf aber plant er ihn ausdrücklich nicht ein.

Baumgart lässt Vorsicht walten

Die Begründung des Trainers ist einleuchtend. “Ich brauche die Jungs ja länger als nur für ein Spiel. Ich habe auf jeden Fall noch sechs Spiele, ich hoffe es, werden acht, auch wenn ich es gern in sechs lösen würde.” Die angestrebte Relegation ist in dieser Rechnung mit inbegriffen, und bei Glatzel soll deshalb kein Risiko eingegangen werden. “Wenn alles normal läuft”, erklärt Baumgart, “dann wird er im Kader stehen, aber nicht beginnen. Stand heute.”

Der 52-Jährige verfährt grundsätzlich nach dem Prinzip, dass er einen zuvor verletzten Profi eine Woche aufbauen und dann im Idealfall eine weitere Woche im Mannschaftstraining oder mindestens an einem der beiden Hauptbelastungstage innerhalb einer Trainingswoche auf dem Platz haben will. Bei Miro Muheim hatte er vor der Länderspielpause gegen Wehen Wiesbaden (3:0) eine Ausnahme gemacht, weil auf der Außenverteidigerposition der absolute Notstand ausgebrochen war. Die Frage, ob es einen Wiederholungsfall mit Glatzel geben könnte, beantwortet der Coach klar mit “Nein.” Einen Kaderplatz hat er für den gebürtigen Münchner vorgesehen, mehr im Sinne der Risikominimierung nicht. Genauso hat er es dem Profi gegenüber bereits kommuniziert: “Bobby weiß das auch.”

Erneut wohl mit Nemeth von Beginn an

Das bedeutet: Auch in Magdeburg beginnt zunächst wohl Andras Nemeth. Auf der Position des Rechtsverteidigers plant Baumgart trotz van der Brempts Rückkehr ebenfalls noch nicht mit seiner 1a-Besetzung: Der Belgier soll im Idealfall erst eine Woche mit der Mannschaft trainieren, um in den Kader zurückzukehren. Starten lassen will er den 22-Jährigen mit seiner Verletzungshistorie am liebsten erst nach einer zweiten kompletten Trainingswoche. Das würde eine Rückkehr im Spitzenspiel gegen Holstein Kiel bedeuten. Bis dahin soll auch Glatzel nach Möglichkeit wieder startklar sein.

Sebastian Wolff