Als Italiens beste Mannschaft vom Himmel fiel

Neun Jahre vor dem Unglück von Manchester Uniteds “Busby Babes” kam die beste Mannschaft Italiens bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nicht die einzige Tragödie der AC Turin.

Jährliches Gedenken mit Mazzola-Flagge: der Toro auf dem Turnier Hausberg Superga.

Jährliches Gedenken mit Mazzola-Flagge: der Toro auf dem Turnier Hausberg Superga.

picture alliance / Newscom

Ein Freundschaftsspiel in Portugal, noch während in Italien die Saison lief? Das zeigte, wie sehr die AC Turin, die im Mai 1949 zum fünften Mal in Folge bereits als Meister feststand, den Fußball im Land des noch immer amtierenden Weltmeisters dominierte.

Bevor es Mitte der 1960er Jahre das “Grande Inter” geben würde, das mit Trainer Helenio Herrera und seinem berühmt-berüchtigten Catenaccio zweimal hintereinander den Europapokal der Landesmeister gewinnen sollte, gab es rund 20 Jahre zuvor – noch vor der modernen Europapokal-Ära – das “Grande Torino”.

Einmal war Torino die italienische Nationalmannschaft

Das Grande Torino war eine Mannschaft, die Juventus in Turin zur Nummer zwei machte. Die einen vom legendären Arsenal-Coach Herbert Chapman inspirierten für italienische Verhältnisse untypisch direkten und offensiven Fußball spielte und damit irgendwann das ganze Land begeisterte. Nach 93 Heimspielen ohne Niederlage. Nach bald fünf Meisterschaften in Serie. Eine Serie, die sogar der Unterbrechung durch den Zweiten Weltkrieg trotzte.

Der “Toro” entwickelte sich so sehr zur besten Mannschaft des italienischen Fußballs, dass er in einem Länderspiel der Squadra Azzurra im Jahr 1947 einmal alle zehn Feldspieler stellte. Und keiner war so unumstritten wie der geniale Valentino Mazzola, Antreiber, Spielmacher und Torschütze in Personalunion. Mazzola, Vater des späteren Grande-Inter-Angreifers Sandro Mazzola, war die Galionsfigur dieser Ausnahmemannschaft, er war schon in den 1940er Jahren so etwas wie ein Werbestar.

Der große Mazzola war es Anfang 1949 auch, der mit Benfica-Kapitän Francisco Ferreira ein Freundschaftsspiel in Lissabon vereinbarte. Sobald die Turiner Saison gelaufen war. Ferreira wollte seinen Fans einmal den Anblick der damals vielleicht größten Attraktion des europäischen Fußballs ermöglichen. Ein fataler Beschluss.

AC Turin, 1940er Jahre

Das “Grande Torino” um Valentino Mazzola (stehend, 6. v. li.).
picture-alliance / dpa

Auf dem Rückflug aus Lissabon am späten Nachmittag des 4. Mai 1949 flog die Maschine, die die beste Mannschaft Italiens an Bord hatte, beim Anflug auf Turin durch dichten Nebel. Der Pilot steuerte irgendwann auf Verdacht, verschätzte sich jedoch – mit unumkehrbaren Folgen. Das Grande Torino zerschellte an einem Wall hinter der Kathedrale auf Turins Hausberg Superga.

Spieler, Verantwortliche, Journalisten und Besatzung: Alle Passagiere kamen ums Leben. Auch der 30-jährige Mazzola, der eigentlich krank gewesen war und gar nicht hatte spielen können. Doch weil er die Partie organisiert hatte, wollte er mitfliegen.

Gleiches galt für Laszlo Kubala, der wenige Jahre später den FC Barcelona groß machen sollte. Er hätte gegen Benfica ein Toro-Gastspieler sein sollen, doch sein Sohn erkrankte. Kubala flog doch nicht mit. Italiens zweimaliger Weltmeister-Trainer Vittorio Pozzo hatte das Glück, dass für ihn an Bord kein Platz mehr war.

Auch Mazzola-Erbe Meroni stirbt jung

Das tragische Flugzeugunglück von Manchester Uniteds “Busby Babes” knapp neun Jahre später ist heute noch präsenter, zumindest jenseits von Turin. Dort hingegen pilgern die Toro-Anhänger noch heute zum Jahrestag in Scharen auf den Hausberg, um ihrer legendären Mannschaft zu gedenken. Den Helden ihres Klubs, der nach 1949 nur noch einmal – 1976 – Meister wurde.

Ein Spieler wie Mazzola schlüpfte wohl nur noch einmal in das Trikot der AC Turin, aus der inzwischen der FC Turin geworden ist: Gigi Meroni, extravaganter Rechtsaußen, ein Dribbelkünstler wie George Best. Er wurde 1967, ausgerechnet von seinem großen Fan Attilio Romero, der später sogar Vereinspräsident werden sollte, im Alter von 24 Jahren versehentlich totgefahren. Eine unvermeidliche Tragik umgibt den granatroten Teil der Stadt.

Niklas Baumgart

Wegen Adamu und Kyereh: Freiburg sucht diese Verstärkung

Aus unterschiedlichen Gründen sind die Offensivkräfte Junior Adamu und Daniel-Kofi Kyereh keine Faktoren beim SC Freiburg. Jochen Saier und Klemens Hartenbach sind deshalb auf der Suche.

Bisher ein Flop: Junior Adamu.

Bisher ein Flop: Junior Adamu.

IMAGO/Steinsiek.ch

Mit allzu großen Erwartungen wird Junior Adamu an diesem Samstag vermutlich nicht im Kölner Stadtteil Müngersdorf eintreffen. Die Wahrscheinlichkeit ist zumindest sehr gering, dass der 22-Jährige der Partie gegen den 1. FC Köln (18.30 Uhr, LIVE! bei kicker) seinen Stempel aufdrücken wird.

Zuletzt habe sich der Stürmer laut Trainer Christian Streich übers Training seinen Kurzeinsatz beim 1:1 gegen Mainz verdient. Das waren aber erst die Pflichtspielminuten zwei bis sieben für Adamu 2024. Elf seiner insgesamt 14 Einwechselungen in dieser Bundesligasaison erfolgten nach der 80 Minute. Ein Tor oder eine Vorlage gelangen dem Österreicher dabei nicht.

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Adamu kam für sechs Millionen Euro von RB Salzburg. Sein Transfer ist der teuerste dieser Saison – und bisher ein Flop. Der Start mit zuvor verschwiegenen Patellasehnenproblemen war schon verkorkst. Bis zum Winter kam der österreichische Nationalspieler (6 Einsätze) wettbewerbsübergreifend auf 17 Einwechslungen sowie zwei fehlerhafte – in der Halbzeit beendete – Startelfauftritte. Nur beim 5:0 gegen Backa Topola in der Europa League traf Adamu als Joker und gab eine Vorlage.

RB-Pressing versus konstruktives SC-Spiel

Bisher setzte er die taktischen Vorgaben nicht zur Zufriedenheit von Streich um. Das Experiment, einen Profi aus der RB-Pressing-Schule in das mit Ball oft konstruktive SC-Spiel zu integrieren, ist bisher gescheitert. Was einen Sommerabschied Adamus wahrscheinlich macht, per Leihe oder Verkauf.

Daniel-Kofi Kyereh

Deutet im Oktober an, was er kann: Daniel-Kofi Kyereh.
IMAGO/Beautiful Sports

Während Adamu bei den Heimspielen seinen festen Platz auf der Bank hat, würde einer seiner Mitspieler liebend gerne mal wieder dort sitzen. Daniel-Kofi Kyereh muss aber schon die ganze Saison seine Dauerkarte für den Tribünenbereich nutzen. Der Sommer wird auch für den 28-Jährigen wegweisend, der in dieser Spielzeit keine einzige Minute auf dem Platz stand.

Schon seit Anfang Februar 2023 fehlt der Zehner mit Zockergen wegen eines Kreuzbandrisses. Es ist der zweite seiner Karriere, der Rehaprozess kompliziert. Zuletzt bescheinigte ihm Streich leichte Fortschritte, schrieb ihn aber als Option fürs Saisonfinale ab. Danach soll für Kyereh unter Julian Schuster der Re-Start gelingen, mit Blick auf dann eineinhalb Jahre Ausfallzeit steht dahinter naturgemäß ein dickes Fragezeichen.

Im Oktober 2022 drehte Kyereh auf

Im Gegensatz zu Adamu hat der im Sommer 2022 für 4,5 Millionen Euro aus St. Pauli gekommene Kyereh aber schon mal aufblitzen lassen, dass er für den Sport-Club von Bedeutung sein kann – obwohl er nie so richtig Fuß fassen konnte. Rückenprobleme erschwerten seinen Start im Breisgau.

Als der Körper dann mitspielte und die ersten Abstimmungsprobleme mit den neuen Kollegen beseitigt waren, drehte er mit drei Toren binnen drei Spielen in der ersten Oktoberwoche 2022 auf: Zuerst beim 2:1 über Mainz 05, danach in der Europa League beim 2:0 über Nantes und zum Abschluss beim 2:2 in Berlin gegen Hertha BSC. Muskuläre Probleme und ein folgender Infekt stoppten den Aufwärtstrend.

Nach der WM-Teilnahme mit Ghana fiel Kyereh wieder positiv auf, speziell im Wintertrainingslager im spanischen Sotogrande. “Ich war nie bei hundert Prozent in der Hinserie und freue mich auf die weitere Saison umso mehr, weil ich weiß, dass es noch besser und konstanter laufen kann. Ich fühle mich jetzt fit”, sagte er damals im kicker-Gespräch. Keine vier Wochen später riss das Kreuzband.

Schon zehn Millionen Euro ausgegeben

Vor dem Hintergrund beider Personalien fahnden die Sportchefs Jochen Saier und Klemens Hartenbach nach einem zentralen flexiblen Offensivakteur, nachdem sie schon für Mittelfeldmann Patrick Osterhage und Flügelstürmer Eren Dinkci fast zehn Millionen Euro ausgegeben haben. Für die neue Angriffskraft wird weiteres Geld benötigt. Zusätzliches brächte die dritte Europacup-Teilnahme in Serie, um die der SC kämpft. Ein Sieg in Köln wäre ein großer Schritt. Ob Adamu ein Faktor wird? Drei theoretische Chancen bleiben, um seine bittere Freiburg-Bilanz zumindest ein wenig aufzuhübschen.

Moritz Kreilinger, Carsten Schröter-Lorenz

Kramaric: “Wir dürfen das nicht nur an zwei von 34 Spieltagen zeigen”

Andrej Kramaric war mit seinem späten Ausgleichstreffer maßgeblich am Hoffenheimer Remis gegen RB Leipzig beteiligt. Vor dem verbleibenden zwei Wochen machte er auch klar, dass es möglichst nach Europa gehen soll.

Glich kurz vor dem Ende gegen RB Leipzig aus: Andrej Kramaric.

Glich kurz vor dem Ende gegen RB Leipzig aus: Andrej Kramaric.

IMAGO/Nordphoto

“Wir haben eigentlich ein Top-Spiel gemacht, vielleicht sogar das beste der Saison […], weil wir gegen eine der besten Mannschaften in der Bundesliga und in Europa gespielt haben”, lobte Andrej Kramaric seine Teamkollegen nach dem 1:1 im Anschluss an die Partie bei DAZN und richtete gleich den Blick in die kommende Woche. “Ich glaube, dieser eine Punkt ist ganz wichtig für uns und wir wissen genau, was nächste Woche kommt.” Dann müsse die TSG nämlich “Vollgas geben, drei Punkte aus Darmstadt mitnehmen und dann können wir Europa schaffen”, machte er unmissverständlich klar, wo die Reise in den verblebenden zwei Partien hingehen soll.

Bundesliga, 32. Spieltag

Kramarics Versöhnung mit den Fans

Damit das gelingt, müssen die Schwankungen in den Leistungen aber aufhören. “Oft haben wir gut gespielt und dann sieben Tage danach war es umgekehrt”, so Kramaric. “Das war super heute, aber wir dürfen das nicht nur an zwei von 34 Spieltagen zeigen.”

Ähnlich sah es auch sein Trainer Pellegrino Matarazzo, der nach dem 1:1 mit Stuttgart am 1. Spieltag 2022/23 erst zum zweiten Mal aus nun acht Partien mit Zählbaren aus einem Duell mit Leipzig hervorgeht. “Ich bin definitiv zufrieden damit, was die Jungs heute gezeigt haben. […] Die Jungs haben alles abgerufen, was ich auch sehen wollte. Jeder Mann war bereit zu verteidigen, wir haben gute spielerische Akzente gesetzt, besonders in der zweiten Hälfte sah das richtig gut aus.” Zudem habe die TSG “auch einfach wieder Mentalität gezeigt, das ist das, was ich sehen wollte und das ist auch die Richtung für die letzten zwei Wochen”.

Stellvertretend für die Mentalität lässt sich der späte Treffer von Kramaric heranführen. Der Kroate, der laut eigener Aussage “heute drei Tore” hätte machen könne, erzielte zum elften Mal in seiner Karriere ein Bundesligator in der 90. Minute (oder der Nachspielzeit). Damit schließt er in dieser Kategorie auf zu Claudio Pizarro, mit dem er sich Rang zwei teilt. Einzig Robert Lewandowski kommt in der Bundesligageschichte auf noch mehr Treffer ab der 90. Minute (16).

Matarazzos Lob für Bülter

Ein Grund für den späten Erfolg seien auch die Fans gewesen, mit denen er sich in der Vorwoche beim 2:3 in Bochum noch angelegt hatte. “Wir haben das gespürt. Das war heute eine Super-Leistung von den Fans, ein Super-Support. Ich muss ehrlich sagen: Ich hab es in manchen Momenten genossen. Das ist das, was wir Spieler wollen, keinen Streit wie in Bochum.”

Auch bei der Niederlage in Bochum konnte sich Marius Bülter nach seiner Einwechslung zeigen. Dafür wurde er gegen RB in die Startelf beordert. Und dieses Vertrauen zahlte er zurück. Auf der linken Seite sorgte er stets für Unruhe und war vor allem mit seiner Flanke auf den Torschützen Kramaric maßgeblich am Remis beteiligt. “Bülti hat es richtig gut gemacht. Wir haben auch versucht, ihn zu stärken unter der Woche. Er war gut drin, war bereit, hat auch Energie versprüht.” Bereits in der Vorwoche gegen Bochum habe er “das Spiel für uns verändert. Deshalb war er auch bereit, wieder zu starten. Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht aus meiner Sicht und er war einer von den Top-Männern auf dem Platz.”

Gut möglich, dass Bülter neben Kramaric auch in der kommenden Woche in Darmstadt wieder zum Startpersonal der TSG gehören wird, wenn die nächsten drei Punkte eingefahren werden sollen, um sich vor dem letzten Spieltag gegen den FC Bayern in eine gute Ausgangslage für die europäischen Plätze zu bringen.

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HSV-Matchwinner Glatzel: “Wir haben es uns selbst gezeigt”

Dem letzten verbleibenden Saisonziel Platz 3 ist der HSV durch das Düsseldorfer 3:1 gegen Nürnberg am Freitagabend nicht näher gekommen, dennoch wurde das 1:0 gegen St. Pauli frenetisch gefeiert. Und zuvor vor allem leidenschaftlich errungen.

Robert Glatzels Kopfballtreffer entschied das 111. Hamburger Stadtderby.

Robert Glatzels Kopfballtreffer entschied das 111. Hamburger Stadtderby.

IMAGO/Jan Huebner

Jonas Meffert verrät, dass es im Stadtderby weniger darum ging, dem Nachbarn die Aufstiegs-Party im Volkspark zu verbauen, sondern vielmehr darum, selbst Zeichen zu setzen. “Wenn ich ehrlich bin, wäre es mir fast lieber gewesen, wenn St. Pauli trotz unseres Sieges jetzt den Aufstieg feiern könnte, weil das bedeutet hätte, dass Düsseldorf verloren hat.” Und im Umkehrschluss eben, dass der HSV wieder ganz dicht dran am Relegationsplatz wäre.

So aber bleiben es vier Punkte und das schlechtere Torverhältnis, und der Mittelfeld-Stratege verdeutlicht, dass der Derby-Sieg somit vor allem für das Gefühl wichtig ist. “Die Tabelle ist fast nebensächlich in diesem Moment, es zählte nur der Derby-Sieg, wir wollten zeigen, wem die Stadt gehört.” Und dann mit süßsaurer Miene: “Kann ja sein, dass das Ergebnis jetzt länger so stehen bleibt.” Weil St. Pauli eben wohl trotzdem und der HSV voraussichtlich nicht aufsteigen wird. “Es ist scheiße, jetzt auf andere hoffen zu müssen”, sagt Meffert, “aber das haben wir uns selbst zuzuschreiben, weil wir zu viel liegen gelassen haben.”

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Gieriger HSV – auch schon vor dem Spiel

Am Freitagabend demonstrierte der einstige Top-Favorit auf den Aufstieg jene Gier und Entschlossenheit, die zu oft nicht da war – und er gewann erstmals im neuen Kalenderjahr zwei Spiele in Folge. “Dieser Derby-Sieg ist einfach gut für unser Gefühl nach schwierigen Wochen”, sagt Torschütze Robert Glatzel, “wir haben es unseren Fans gezeigt, wir haben es aber auch uns selbst gezeigt. Nämlich, dass wir nicht klein beigeben.”

Ich fand das geil.

Robert Glatzel zur Rudelbildung

Das erste Signal in diese Richtung hatten die HSV-Profis schon eine halbe Stunde vor dem Anpfiff beim Warmmachen ausgesendet, als die St. Paulianer bei ihrem Programm in die gegnerische Hälfte gelaufen waren und die Gastgeber eine Rudelbildung ausgelöst haben. Ein Randaspekt, der für Glatzel jedoch Aussagekraft hatte: “Es war wichtig für uns, zu zeigen, wer der Herr im Haus ist. Das hat uns ein gutes Gefühl gegeben, wir haben uns alle direkt hochgefahren. Ich fand das geil.”

Baumgart fordert Zeit: “Dann kriege ich auch ein bisschen was hin”

Der HSV landete durch das Kopfballtor des Mittelstürmers einen späten, aber hochverdienten Derby-Dreier, der in gewisser Weise auch einen Schatten auf diese Spielzeit wirft – weil er zeigt, was möglich gewesen wäre. Für Steffen Baumgart ist der Erfolg noch mehr, nämlich auch ein Zeichen für die Zukunft. “Ich habe jetzt ein bisschen Zeit zum Arbeiten gehabt”, sagt er und verweist auf Fortschritte im Gewöhnungsprozess zwischen ihm und der Mannschaft. “Lassen sie uns Zeit zu arbeiten, dann kriege ich auch ein bisschen was hin.”

Das ist mehr als ein dezenter Hinweis auf die Personaldiskussionen hinter den Kulissen. Diese betreffen zunächst einmal Jonas Boldt, naturgemäß aber könnte die Neubesetzung des Sportvorstandes auch Einfluss auf die Zukunft des Trainers haben. Die gezeigte Leidenschaft bei der “Stadtmeisterschaft” und die passende taktische Ausrichtung sind auch Argumente für Baumgart.

Sebastian Wolff

Inklusive Schienbein-Nagel: Klassiker und Kuriositäten im Schalke-Museum

120 Jahre Schalke 04! Im Schalke-Museum kann der Besucher auf Entdeckungsreise durch die sich am 4. Mai jährende Vereinshistorie gehen und bekommt allerhand zu sehen – von Klassikern wie getragenen Trikots bis hin zu Kuriositäten wie Klaus Fischers etwa 30 Zentimeter langem Nagel aus dem operierten Schienbein.

Schalke-Fachmann durch und durch: Museumsleiter Sebastian Pantförder.

Schalke-Fachmann durch und durch: Museumsleiter Sebastian Pantförder.

Trophäen und Medaillen? Gibt es natürlich zu bestaunen im Museum des FC Schalke 04, dem siebenmaligen deutschen Meister, dreimaligen Zweitligachampion, fünfmaligen DFB-Pokalsieger und UEFA-Cup-Gewinner von 1997.

Sehenswert sind sie natürlich, all die Pokale (inklusive der imposanten “Victoria” aus den Meisterjahren 1934 bis 1942) hinter dem blitzeblank geputzten Glas im Eingangsbereich des Museums, das voll ist mit Klassikern aus längst vergangenen Tagen. Getragene Trikots wie etwa das von Olaf Thon aus dem UEFA-Cup-Finale 1997 gegen Inter Mailand oder die ramponierten Aberglaube-Schuhe von Mike Büskens werden zur Schau gestellt. Aber diese Räume inmitten des Gästebereichs inklusive Blick direkt in die Arena haben auch allerhand Kurioses zu bieten.

Zum Beispiel ein etwa 30 Zentimeter langes Eisenteil, von dem man sich nur schwer vorstellen kann, dass es einmal in einem menschlichen Bein verbaut war. Genauer: Im Unterschenkel von Klaus Fischer. Wie bei fast allen rund 500 Exponaten der Dauerausstellung wird auf einem Schildchen kurz der Hintergrund erklärt. Der Betrachter erfährt hier: “Diesen Nagel trug Klaus Fischer 16 Monate in seinem Schienbein und erzielte damit in 17 Bundesligaspielen der Rückrunde 80/81 noch 6 Tore.”

Ein Meistershirt, das nie getragen wurde

Auch ein Meistershirt liegt in einer Vitrine. Das Kuriose daran: Es stammt von 2001, getragen wurde es also nie, zumindest nicht in aller Öffentlichkeit. Die meisten der damals vorsorglich produzierten Exemplare sind längst nicht mehr existent. Der Grund ist bekannt: Im Mai 2001 durften sich die Schalker nur vier Minuten lang als Deutscher Meister fühlen, dann entriss ihnen der FC Bayern durch ein spätes 1:1 beim HSV den Titel.

Viele Exponate im Museum der Königsblauen stammen aus den vergangenen 50 Jahren, aber es gibt natürlich auch Schätze aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit des am 4. Mai 1904 im Gelsenkirchener Stadtteil Schalke gegründeten FC Schalke 04. Die von Hans Klodt getragenen Originalschuhe aus dem Meisterschaftsfinale 1939 zum Beispiel “berühren mich persönlich sehr”, sagt Sebastian Pantförder aus der “Abteilung Tradition”.

Zigarrenreste von Assauer

Der 49-jährige Museumsleiter verbindet die braunen Ledertreter mit den weißen Schnürsenkeln “mit der berühmten Schalker Kreisel-Zeit, die den Mythos Schalke 04 bis heute ausmacht”. Etliche Vereinslegenden wie die Kreisel-Koryphäen Ernst Kuzorra und Fritz Szepan finden in den Museumsräumen ihre Würdigung, natürlich auch Rudi Assauer, von dem es ein Sakko zu sehen gibt, garniert mit Zigarren-Überbleibseln.

Das 2000 gegründete “älteste Fußballvereinsmuseum Deutschlands”, wie Pantförder nicht ohne Stolz betont, zählt nach seiner Aussage rund 50.000 Besucher pro Jahr – was beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass es keine Laufkundschaft gibt. Das Museum befindet sich seit 2005 auf dem abgeriegelten Stadiongelände.

Man muss das Schalker Museum, das auch mit Sonderausstellungen und vielen interessanten Programmreihen mit Prominenten lockt, also gezielt aufsuchen. Was kein Problem ist: Eine Klingel am Eingang West 1 öffnet Tür und Tor für einen Besuch der Schalker Schatzkiste, die an Spieltagen hochfrequentiert ist. Geöffnet ist das Museum bis auf Montag an allen Wochentagen von 10 bis 17 Uhr.

Toni Lieto

Kramaric: “Top-Spiel”, aber “dürfen das nicht nur zweimal von 34 Spieltagen zeigen”

Andrej Kramaric war mit seinem späten Ausgleichstreffer maßgeblich am Hoffenheimer Remis gegen RB Leipzig beteiligt. Vor dem verbleibenden zwei Wochen machte er auch klar, dass es möglichst nach Europa gehen soll.

Glich kurz vor dem Ende gegen RB Leipzig aus: Andrej Kramaric.

Glich kurz vor dem Ende gegen RB Leipzig aus: Andrej Kramaric.

IMAGO/Nordphoto

“Wir haben eigentlich ein Top-Spiel gemacht, vielleicht sogar das beste der Saison […], weil wir gegen eine der besten Mannschaften in der Bundesliga und in Europa gespielt haben”, lobte Andrej Kramaric seine Teamkollegen nach dem 1:1 im Anschluss an die Partie bei DAZN und richtete gleich den Blick in die kommende Woche. “Ich glaube, dieser eine Punkt ist ganz wichtig für uns und wir wissen genau, was nächste Woche kommt.” Dann müsse die TSG nämlich “Vollgas geben, drei Punkte aus Darmstadt mitnehmen und dann können wir Europa schaffen”, machte er unmissverständlich klar, wo die Reise in den verblebenden zwei Partien hingehen soll.

Bundesliga, 32. Spieltag

Kramarics Versöhnung mit den Fans

Damit das gelingt, müssen die Schwankungen in den Leistungen aber aufhören. “Oft haben wir gut gespielt und dann sieben Tage danach war es umgekehrt”, so Kramaric. “Das war super heute, aber wir dürfen das nicht nur an zwei von 34 Spieltagen zeigen.”

Ähnlich sah es auch sein Trainer Pellegrino Matarazzo, der nach dem 1:1 mit Stuttgart am 1. Spieltag 2022/23 erst zum zweiten Mal aus nun acht Partien mit Zählbaren aus einem Duell mit Leipzig hervorgeht. “Ich bin definitiv zufrieden damit, was die Jungs heute gezeigt haben. […] Die Jungs haben alles abgerufen, was ich auch sehen wollte. Jeder Mann war bereit zu verteidigen, wir haben gute spielerische Akzente gesetzt, besonders in der zweiten Hälfte sah das richtig gut aus.” Zudem habe die TSG “auch einfach wieder Mentalität gezeigt, das ist das, was ich sehen wollte und das ist auch die Richtung für die letzten zwei Wochen”.

Stellvertretend für die Mentalität lässt sich der späte Treffer von Kramaric heranführen. Der Kroate, der laut eigener Aussage “heute drei Tore” hätte machen könne, erzielte zum elften Mal in seiner Karriere ein Bundesligator in der 90. Minute (oder der Nachspielzeit). Damit schließt er in dieser Kategorie auf zu Claudio Pizarro, mit dem er sich Rang zwei teilt. Einzig Robert Lewandowski kommt in der Bundesligageschichte auf noch mehr Treffer ab der 90. Minute (16).

Matarazzos Lob für Bülter

Ein Grund für den späten Erfolg seien auch die Fans gewesen, mit denen er sich in der Vorwoche beim 2:3 in Bochum noch angelegt hatte. “Wir haben das gespürt. Das war heute eine Super-Leistung von den Fans, ein Super-Support. Ich muss ehrlich sagen: Ich hab es in manchen Momenten genossen. Das ist das, was wir Spieler wollen, keinen Streit wie in Bochum.”

Auch bei der Niederlage in Bochum konnte sich Marius Bülter nach seiner Einwechslung zeigen. Dafür wurde er gegen RB in die Startelf beordert. Und dieses Vertrauen zahlte er zurück. Auf der linken Seite sorgte er stets für Unruhe und war vor allem mit seiner Flanke auf den Torschützen Kramaric maßgeblich am Remis beteiligt. “Bülti hat es richtig gut gemacht. Wir haben auch versucht, ihn zu stärken unter der Woche. Er war gut drin, war bereit, hat auch Energie versprüht.” Bereits in der Vorwoche gegen Bochum habe er “das Spiel für uns verändert. Deshalb war er auch bereit, wieder zu starten. Er hat ein sehr gutes Spiel gemacht aus meiner Sicht und er war einer von den Top-Männern auf dem Platz.”

Gut möglich, dass Bülter neben Kramaric auch in der kommenden Woche in Darmstadt wieder zum Startpersonal der TSG gehören wird, wenn die nächsten drei Punkte eingefahren werden sollen, um sich vor dem letzten Spieltag gegen den FC Bayern in eine gute Ausgangslage für die europäischen Plätze zu bringen.

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“Sehr gefährliche Situation”: Alarmstufe Rot in Nürnberg

Der 1. FC Nürnberg befindet sich weiterhin im freien Fall. Zahlreiche Umstellungen haben auch in Düsseldorf nicht gefruchtet. Spätestens in der nächsten Woche müssen dringend Punkte her. Das weiß auch Trainer Cristian Fiel.

Alarmstufe Rot in Nürnberg: Auch in Düsseldorf gab es nichts zu holen.

Alarmstufe Rot in Nürnberg: Auch in Düsseldorf gab es nichts zu holen.

IMAGO/Sven Simon

Sechs Veränderungen hatte Nürnbergs Coach nach der besonders in Durchgang eins miserablen Vorstellung gegen den KSC für das Auswärtsspiel in Düsseldorf vorgenommen. Und besonders eine Personalie erwies sich als Stabilisator: Exakt drei Monate nach seinem letzten Einsatz für den FCN stand Florian Hübner nach langer Verletzungspause überraschend in der Startelf. Der 33-Jährige prallte während des Spiels dann aber mit seinem Kopf an den Pfosten und musste ausgewechselt werden (31.). Und das hatte Folgen: Die Nürnberger Hintermannschaft brach danach in sich zusammen – wieder einmal.

Uns fehlen die letzten Prozente und die Abgezocktheit – in allen Belangen.

Jens Castrop

Zum siebten Mal in Folge blieb der Club sieglos, zum fünften Mal am Stück verlor er gar. “Wenn du solche Tore kassierst, dann kannst du kein Spiel gewinnen, dann kannst du nicht einmal einen Punkt holen”, bemängelte Fiel die Defensivleistung bei Sky. Während beim ersten Gegentor Marcel Sobottka unbedrängt an den Nürnberger Strafraum dribbeln durfte, lud der für Hübner eingewechselte Ivan Marquez kurz vor der Pause zum 0:2 ein. “Das sind zu viele individuelle Fehler, die dich dann die Punkte kosten. Dann kommt der nächste einfache Fehler, wo wir uns drüber beschweren, aber ich glaube es gibt dazu keinen Grund.”

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Die Abstiegsangst geht um: Darum will Union nicht mit Bjelica weitermachen

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Die Lage am Valznerweiher wird Woche für Woche beängstigender, Besserung scheint nicht in Sicht. “Uns fehlen die letzten Prozente und die Abgezocktheit – und zwar in allen Belangen”, monierte Mittelfeldantreiber Jens Castrop. Noch beträgt der Abstand auf den 16. Platz fünf Punkte, die Konkurrenz hat aber noch ein Spiel in der Hinterhand. “Wir sind in einer sehr gefährlichen Situation. Das habe ich schon vor Wochen gesagt”, ordnete Fiel die Lage ein. “Wir müssen uns da rausziehen, wir müssen punkten.”

Der Club muss nun das Schlimmste verhindern. Von der guten Stimmung aus der Hinrunde ist seit Wochen nichts mehr zu spüren, Platz 17 in der Rückrunden-Tabelle spricht Bände (13 Punkte). Schon vor der Halbzeit skandierten die Nürnberger Fans: “Wir wollen euch kämpfen sehen!” Beim Heimspiel gegen die SV Elversberg am nächsten Samstag (13 Uhr, LIVE! bei kicker) wird jedenfalls enorm Druck auf dem Kessel sein. Immerhin konnte der Club nach dem Seitenwechsel eine Negativserie durchbrechen: Nach vier Partien ohne eigenen Treffer köpfte Marquez das Anschlusstor und beendete damit eine lange Torflaute. Das letzte Tor schoss der FCN Ende März in Berlin.

Zu wenig für den Aufstieg: St. Pauli vergibt ersten Matchball

Der erste Aufstiegs-Matchball ist weg, und zur Wahrheit der zwar späten, aber verdienten 0:1-Niederlage beim HSV gehört: Für ein Verwandeln kam der FC St. Pauli am Freitagabend im Volkspark eigentlich zu keiner Zeit in Frage.

Enttäuscht nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion: St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine.

Enttäuscht nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion: St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine.

IMAGO/Philipp Szyza

Eine Kopfballmöglichkeit für Johannes Eggestein aus dem ersten Durchgang steht am Ende auf dem Chancenzettel des Spitzenreiters. “An viel mehr”, merkt der Mittelstürmer kritisch an, “kann ich mich nicht erinnern.” Die Gründe dafür sind vielschichtig: St. Pauli setzte sich im Zentrum nicht durch, schaffte nicht die gefürchteten Verlagerungen, dazu fand Marcel Hartel in der weniger geliebten Rolle auf dem linken Flügel gar nicht und Oladapo Afolayan auf dem rechten Flügel nur wenig statt.

Hamburger Stadtderby

Fabian Hürzeler ist in seiner Analyse schonungslos. “Wir hatten mit dem Ball eigentlich eine gute Struktur, waren gut im Positionsspiel, aber wir sind in den jeweiligen Positionen nicht ans Maximum gekommen, haben die 50-zu-50-Bälle nicht geholt, hatten zu viele einfache Fehler. Wir waren phasenweise so mutlos, das bin ich von meiner Mannschaft nicht gewohnt.” Sein Urteil: “So kannst du beim HSV kein Derby gewinnen.”

Hat am Ende der Kopf nicht mitgespielt bei der Aussicht auf die große Aufstiegs-Party, ausgerechnet im Wohnzimmer des großen Nachbarn? Hauke Wahl sagt nein. “Wir haben uns keinen Druck gemacht oder vorher darüber geredet, was nachher passieren könnte”, erklärt der Abwehrchef, “ich finde nicht, dass man uns angemerkt hat, dass wir uns besonderen Druck gemacht hätten.” Wie sein Trainer sieht auch er die Gründe rein sportlich: “Wir haben die direkten Duelle nicht so gewonnen.” Hartel stimmt mit ein: “Der HSV hat fast jeden zweiten Ball gewonnen, wir sind nicht in unsere Abläufe gekommen.”

Saliakas fehlt gesperrt – Wahl und Afolayan bleiben optimistisch

Die Folge: Durch den Düsseldorfer Sieg (3:1 im Parallelspiel gegen Nürnberg) braucht St. Pauli nun den zweiten Matchball, am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) gegen den VfL Osnabrück. Und zwar ohne Manolis Saliakas, der nach seiner Gelb-Roten Karte gesperrt fehlt. “Das”, bekennt Hartel, “tut uns weh, er ist ein sehr wichtiger Spieler.”

Dennoch regiert trotz des Dämpfers im Volkspark weiterhin Zuversicht. “Uns wird das Spiel nicht umwerfen”, verspricht Wahl. Und Afolayan war auch nach Abpfiff im Derby-Modus. “Jetzt feiert der HSV, diesen Moment können sie haben. Wir haben in dieser Saison noch Größeres vor.” Genau das aber war im hitzigen Stadt-Duell zu selten zu sehen.

Sebastian Wolff

Trotz Derby-Sieg: Schiedsrichter-Frust beim HSV

Dreimal hatte der HSV gegen St. Pauli gejubelt. Weil aber nur ein Treffer zählte, gab es trotz des Derby-Siegs reichlich Gesprächsbedarf bei den Hamburger Verantwortlichen.

Die halbe Hamburger Mannschaft beschwerte sich bei Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck.

Die halbe Hamburger Mannschaft beschwerte sich bei Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck.

IMAGO/Jan Huebner

Die Aufstiegsparty des Stadtrivalen verhindert, Derby-Sieg gefeiert und die Rest-Chance auf den Relegationsplatz bewahrt – die Stimmung beim Hamburger SV hätte eigentlich gut sein können am Freitagabend. War sie im Prinzip auch, eine Szene erregte aber auch nach Abpfiff noch die Gemüter der Hamburger.

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Was war passiert: In der 24. Minute war Robert Glatzel nach einem Steckpass von Immanuel Pherai durch und schob zum vermeintlichen 1:0 ein. Allerdings hatte Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck auf Foulspiel entschieden. Der kreuzende Manolis Saliakas hatte den Kontakt gesucht, diesen auch ganz leicht bekommen und war zu Boden gegangen.

Boldt fordert einheitliche Linie

Ein Foul des Hamburgers war es dennoch nicht, ergo eine Fehlentscheidung. Jöllenbeck schaute sich die Szene zudem noch nicht einmal selbst in der Review-Area an. “Weil er vielleicht anerkennen muss, dass er einen Fehler gemacht hat”, mutmaßte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt bei Sky über die Entscheidung des Referees, keinen zweiten Blick auf die Szene zu werfen.

Einen Vorwurf wollte der 42-Jährige Jöllenbeck aber nicht machen, wohl aber dem Führungskreis der Referees: “Ich habe das Gefühl, ihnen wird diese Woche das erzählt und in der nächsten Woche was anderes. Für mich fehlt da eine ganz klare Führung und Linie.” Zwar gebe es bei einer klaren Linie auch “immer Meinungsverschiedenheiten”, aktuell sind für Boldt die Entscheidungen der Unparteiischen aber “mittlerweile gewürfelt”.

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Die Abstiegsangst geht um: Darum will Union nicht mit Bjelica weitermachen

12:09 Minuten

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Auch Glatzel, dem später doch noch der Treffer zum 1:0 glücken sollte, konnte in der Szene kein Foul erkennen: “Ich habe einfach das Gefühl, dass er selber hinfällt. Wenn, dann ist nur eine leichte Berührung da, das ist für mich ein normaler Zweikampf.” Auch der Angreifer bemängelte, dass sich Jöllenbeck das vermeintliche Foulspiel nicht noch einmal angesehen hatte.

Baumgart wird deutlich

Trainer Steffen Baumgart wollte zu der Entscheidung erst wenig bis nichts sagen: “Dazu habe ich schon zu viele andere Aktionen gesehen dieses Jahr. Ist egal jetzt, was soll ich jetzt sagen. Das ist schwierig.”

Lukasz Poreba springt in Nikola Vasilj hinein

Lukasz Poreba springt in Nikola Vasilj hinein.
IMAGO/Lobeca

Zu einer anderen Szene hatte er dann schon etwas mehr Meinung, denn in Minute 67 lag der Ball erneut im Tor der Gäste und dieses Mal zählte der Treffer auch – zumindest zunächst. In der Review-Area sah dann aber auch Jöllenbeck, dass Lukasz Poreba im Luftzweikampf in Nikola Vasilj hineingesprungen und sich obendrein auch noch in den Arm des Keepers eingehakt hatte, ehe der Ball von der Schulter des Hamburgers über die Linie sprang. Der 37-Jährige nahm den Treffer zu Recht zurück.

Baumgart hatte dennoch wenig Verständnis: “Lukas ist 1,60 Meter groß, zum Glück 1,70 Meter” sagte der 52-Jährige zur Szene, spielte damit die tatsächliche Größe des Polen, der 1,79 Meter misst, ein wenig herunter und stellte fest: “Und der Torwart ist mit 1,96 Meter nicht in der Lage, mit zwei Händen den Ball festzuhalten. Ganz ehrlich, das geht mir sowas von auf die Eier.”

Auch der HSV-Coach vermisste eine einheitliche Linie: “Ganz ehrlich, die gehen mir auf den Sack und das meine ich auch genau so – ist mir auch egal, ob wir heute gewonnen haben. Das ist ein normales Hochspringen und dann ist es ein Foul? Ist egal … ne ist nicht egal!”

Mefferts Vergleich zum 2:2 am Millerntor

Jonas Meffert zog zum Vergleich eine Szene aus dem Hinrunden-Duell (2:2) heran. Vor St. Paulis 1:0 durch Jackson Irvine wurde Meffert von Karol Mets klar gestoßen. “Das ist American Football”, blickte der Sechser zurück. “Deswegen war es heute auch ein Tor.”

So falsch es allerdings damals war, das Tor zu geben, so richtig war es, dass Porebas Treffer diesmal nicht zählte. Dass die VAR-Überprüfung allerdings sehr lange dauerte und dadurch viel Hektik in den folgenden Minuten auf dem Platz herrschte, stellt Jöllenbeck, der mit kicker-Note 2,54 in zwölf Bundesliga-Spielen eigentlich einen guten Schnitt hat, insgesamt ein schlechtes Zeugnis aus.

Auch bei Zweikampf-Entscheidungen leistete sich der Referee Fehlentscheidungen. Eine davon bügelte er selbst in der Nachspielzeit noch aus. Den fälligen Strafstoß von Ludovit Reis parierte aber Vasilj. Am Derby-Sieg für den HSV änderte dies – wie auch die zuvor getroffenen Entscheidungen – nichts.

“Wir steigen ab und ihr kommt mit” – MSV-Fans wollen in Lübeck in den Innenraum

Die Mannschaft des MSV Duisburg musste in Lübeck viel Häme über sich ergehen lassen – aus beiden Fanlagern. Der Spielverlauf passte zur Stimmungslage beim Traditionsverein.

Frustrierte Fans des MSV Duisburg im Stadion in Lübeck.

Frustrierte Fans des MSV Duisburg im Stadion in Lübeck.

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3:5 nach 3:1. Die Niederlage des MSV bei Absteiger VfB Lübeck war vermeidbar und schmerzt daher umso mehr. Ein Sieg hätte die Meidericher zumindest noch eine Weile hoffen lassen. So steht der Absturz in die Viertklassigkeit jedoch so gut wie fest.

Dass es trotz des Heimsiegs über Sandhausen keine Wohlfühlatmosphäre im hohen Norden geben würde, war schon vor dem Anpfiff klar. Ein Banner mit der Aufschrift “Ihr seid eine Schande für Duisburg” hing im MSV-Block und war an die eigenen Spieler gerichtet.

Die hatten nach Startschwierigkeiten dennoch gute Phasen, gingen durch Benjamin Girth zweimal in Führung, Santiago Castaneda stockte in der 56. Minute sogar auf 3:1 auf. Der Auswärtssieg schien auf dem Weg.

Furiose Aufholjagd des VfB

Was folgte, war eine furiose Aufholjagd der Marzipanstädter, die den Spieß eingeläutet durch Felix Drinkuths sehenswerten Dropkick binnen neun Minuten umdrehten. Debütant Mika Lehnfeld verzückte die heimischen Fans bei seinem frechen Einstand mit dem 4:3 (77.).

Nun ergoss sich Häme gleich aus beiden Fanlagern über das MSV-Team. “Wir steigen ab und ihr kommt mit”, skandierten die Hausherren, während die frustrierten Gäste auf der Gegenseite ihre Banner einrollten und erneut von “Schande” die Rede war.

Tarik Gözüsirin machte mit seinem verwandelten Foulelfmeter zum Endstand in der Nachspielzeit alles klar. Während die Lübecker trotz Abstieg feierten, war auf der Gegenseite Wunden lecken angesagt.

“Das schaut sehr schlecht für uns aus”

“Das ist schwierig in Worte zu fassen”, sagte der zur Pause ausgewechselte und reichlich bediente Thomas Pledl im MagentaSport-Interview nach Spielende. Die Erklärung für den Einbruch im zweiten Durchgang? “Wir haben einen Tick zu wenig gemacht, haben uns einen Tick zu sicher gefühlt”, vermutete der 29-Jährige und sah das zweite Gegentor als Knackpunkt an: “Nach dem 2:3 waren wir null im Spiel und völlig ungeordnet.”

Dem sportlichen Niedergang entgegenblickend, gestand Pledl, der “komplette Leere” verspürte: “Das schaut sehr schlecht für uns aus.” Nach 35 Jahren neigt sich das Kapitel Profifußball bei den Zebras dem Ende entgegen. Der Abstieg kann bereits am Wochenende Realität werden, sollte Halle am Sonntag gegen Unterhaching gewinnen oder Mannheim in Ingolstadt punkten.

Passend zum Bild, das der MSV am Ende abgab: Einige der mitgereisten Fans wollten ihren Frust nach Schlusspfiff auf dem Rasen loswerden, brachen ein Fluchttor auf und stürmten den Innenraum. Ordner hielten sie mit Hilfe der Polizei zurück und drängten sie wieder in den Block. Nach wenigen Minuten hatte sich die Lage beruhigt.