Zu wenig für den Aufstieg: St. Pauli vergibt ersten Matchball

Der erste Aufstiegs-Matchball ist weg, und zur Wahrheit der zwar späten, aber verdienten 0:1-Niederlage beim HSV gehört: Für ein Verwandeln kam der FC St. Pauli am Freitagabend im Volkspark eigentlich zu keiner Zeit in Frage.

Enttäuscht nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion: St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine.

Enttäuscht nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion: St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine.

IMAGO/Philipp Szyza

Eine Kopfballmöglichkeit für Johannes Eggestein aus dem ersten Durchgang steht am Ende auf dem Chancenzettel des Spitzenreiters. “An viel mehr”, merkt der Mittelstürmer kritisch an, “kann ich mich nicht erinnern.” Die Gründe dafür sind vielschichtig: St. Pauli setzte sich im Zentrum nicht durch, schaffte nicht die gefürchteten Verlagerungen, dazu fand Marcel Hartel in der weniger geliebten Rolle auf dem linken Flügel gar nicht und Oladapo Afolayan auf dem rechten Flügel nur wenig statt.

Hamburger Stadtderby

Fabian Hürzeler ist in seiner Analyse schonungslos. “Wir hatten mit dem Ball eigentlich eine gute Struktur, waren gut im Positionsspiel, aber wir sind in den jeweiligen Positionen nicht ans Maximum gekommen, haben die 50-zu-50-Bälle nicht geholt, hatten zu viele einfache Fehler. Wir waren phasenweise so mutlos, das bin ich von meiner Mannschaft nicht gewohnt.” Sein Urteil: “So kannst du beim HSV kein Derby gewinnen.”

Hat am Ende der Kopf nicht mitgespielt bei der Aussicht auf die große Aufstiegs-Party, ausgerechnet im Wohnzimmer des großen Nachbarn? Hauke Wahl sagt nein. “Wir haben uns keinen Druck gemacht oder vorher darüber geredet, was nachher passieren könnte”, erklärt der Abwehrchef, “ich finde nicht, dass man uns angemerkt hat, dass wir uns besonderen Druck gemacht hätten.” Wie sein Trainer sieht auch er die Gründe rein sportlich: “Wir haben die direkten Duelle nicht so gewonnen.” Hartel stimmt mit ein: “Der HSV hat fast jeden zweiten Ball gewonnen, wir sind nicht in unsere Abläufe gekommen.”

Saliakas fehlt gesperrt – Wahl und Afolayan bleiben optimistisch

Die Folge: Durch den Düsseldorfer Sieg (3:1 im Parallelspiel gegen Nürnberg) braucht St. Pauli nun den zweiten Matchball, am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) gegen den VfL Osnabrück. Und zwar ohne Manolis Saliakas, der nach seiner Gelb-Roten Karte gesperrt fehlt. “Das”, bekennt Hartel, “tut uns weh, er ist ein sehr wichtiger Spieler.”

Dennoch regiert trotz des Dämpfers im Volkspark weiterhin Zuversicht. “Uns wird das Spiel nicht umwerfen”, verspricht Wahl. Und Afolayan war auch nach Abpfiff im Derby-Modus. “Jetzt feiert der HSV, diesen Moment können sie haben. Wir haben in dieser Saison noch Größeres vor.” Genau das aber war im hitzigen Stadt-Duell zu selten zu sehen.

Sebastian Wolff

In nur zwei Minuten: Elversberg dreht Partie und stürzt St. Pauli von Rang 1

St. Pauli hat nach dem 1:2 in Karlsruhe erneut verloren und gibt somit die Tabellenführung an Kiel ab. Die Kiez-Kicker gaben gegen Elversberg zwei Führungen aus der Hand und verlieren erstmals in dieser Saison zu Hause.

Die Elversberger Spieler hatten beim FC St. Pauli immer wieder Grund zum jubeln.

Die Elversberger Spieler hatten beim FC St. Pauli immer wieder Grund zum jubeln.

IMAGO/Fussball-News Saarland

St. Paulis Coach Fabian Hürzeler wechselte im Vergleich zum 1:2 in Karlsruhe dreimal: Für Wahl, der in Karlsruhe Gelb-Rot gesehen hatte, Ritzka und Kemlein (beide Bank) begannen Smith, Treu und Metcalfe.

Elversbergs Trainer Horst Steffen nahm nach dem 0:0 gegen Magdeburg eine personelle Änderung vor: Für Stock (nicht im Kader) startete Dürholtz.

St. Pauli begann wie erwartet dominant, blieb jedoch immer wieder an der sicheren Elversberger Abwehr hängen. Zudem musste Treu früh verletzt ausgewechselt werden, Ritzka spielte stattdessen (9.). Auf der Gegenseite setzte die SVE Nadelstiche: Bei der ersten guten Chance scheiterte Schnellbacher an Vasiljs Parade und Rochelt im Nachschuss (11.)

Vasilj verhindert SVE-Führung – Eggestein sticht zu

Ab diesem Zeitpunkt dominierten die Kiez-Kicker statistisch, klar gefährlicher agierten die mutigen Gäste. Wanner scheiterte bei einer Doppel-Chance an Vasilj (20.) und der Torhüter parierte auch stark gegen Feil, der zuvor im Strafraum die Kugel von Dzwigala erobert hatte (25.).

2. Bundesliga – 29. Spieltag

Wie so oft im Fußball rächte sich die schwache Chancenverwertung schließlich – Eggestein brachte die lange harmlosen Hausherren nach einer Eckballvariante in Führung (39.). Der Stürmer hatte die beste Gelegenheit St. Paulis zuvor noch leichtfertig liegengelassen (35.).

Tolle Kombination führt zum 1:1

Nach der Pause schien St. Pauli alles im Griff zu haben, kassierte aber dann den Ausgleich. Infolge eines Ballverlustes von Irvine kombinierte sich die SVE schnell nach vorne und Neubauer schloss gekonnt ab – 1:1 (52.). Die Kiez-Kicker vergaben derweil leichtfertig Gelegenheiten, Metcalfe schlug ein Luftloch (50.), Saad scheiterte im Nachschuss an einen parierten Dzwigala-Kopfball an sich selbst (59.).

Das Hürzeler-Team entfachte weitgehend zu wenig Gefahr. Und obwohl St. Pauli nach einer Willensleistung durch Hartel erneut in Führung gegangen war (69.), gewannen die Hamburger nicht an Sicherheit. Stattdessen kassierten sie im direkten Gegenzug bei einem Konter durch den kurz zuvor eingewechselten Boyamba das 2:2 (70.).

Wanner und Vandermersch nach Kontern erfolgreich

Die Kiez-Kicker lernten nicht aus ihren Fehlern, stattdessen gaben sie das Spiel in der Schlussphase aus der Hand: Binnen zwei Minuten konterte die SVE über Joker Martinovic jeweils erfolgreich, Wanner (81.) und Vandermersch (83.) schlugen nach sehenswerten Kombinationen doppelt zu. St. Pauli blieb am Drücker, doch einfallslos und Irvines 3:4 kam zu spät (90.+3).

Erstmals in dieser Saison verlor das Hürzeler-Team somit am Millerntor, der Vorsprung auf Rang 3 und Düsseldorf beträgt nur noch fünf Punkte. Elversberg macht derweil einen wichtigen Schritt in Richtung Klassenerhalt, acht Zähler beträgt der Vorsprung auf den 16. Rostock.

St. Pauli gastiert am Sonntag (13.30 Uhr) in Hannover. Elversberg empfängt am Freitagabend um 18.30 Uhr Schalke 04.

Hartel: Neue Rolle – neuer Vertrag?

Die angespannte Personallage am Sonntag hat Marcel Hartel eine veränderte Positionierung beschert. Der 28-Jährige traf gegen den SC Paderborn auch auf Linksaußen, und mit dem 2:1-Erfolg machte der FC St. Pauli den nächsten großen Schritt Richtung Bundesliga.

Jubelt Marcel Hartel auch in der kommenden Saison am Millerntor? Die Entscheidung von St. Paulis Top-Scorer rückt immer näher.

Jubelt Marcel Hartel auch in der kommenden Saison am Millerntor? Die Entscheidung von St. Paulis Top-Scorer rückt immer näher.

picture alliance / Eibner-Pressefoto

Elf Punkte beträgt der Vorsprung auf Platz 3 seit Ostern, SCP-Coach Lukas Kwasniok eröffnete sein Statement auf der Pressekonferenz im Medienraum des Millerntores deshalb mit einem Glückwunsch, erstmal nur zum Sieg, und einer Ankündigung. “Zum Aufstieg möchte ich noch nicht gratulieren, das mache ich erst, wenn es so weit ist. Aber jeder weiß, dass es nur noch darum geht, wann der Tag kommt und nicht ob der Tag kommt.” Und dann mit einem Augenzwinkern in Richtung des designierten Aufstiegstrainers Fabian Hürzeler: “Ich melde mich…”

Der von Woche zu Woche klarer werdende Aufstieg bedeutet auch, dass Zukunftsfragen vor der Beantwortung stehen – vor allem die von Hartel. Zum Jahresbeginn hatte der 28-Jährige die Gespräche um seinen im Sommer auslaufenden Vertrag auf den April verschoben, weil er sehen wollte, wo die Reise sportlich hingeht. Dass nun weitgehend Planungssicherheit besteht, räumt Hartel mit einem vielsagenden Lächeln ein. “Ja, es geht da in die richtige Richtung. Dass auch noch der HSV nicht gewonnen hat, spielt uns natürlich in die Karten.” Da am Ostermontag zudem der von ihm ausgerufene Monat der Wahrheit anbricht, stellt er sich dem Thema “Zukunft” auch offen: “Wir werden uns zusammensetzen, es gibt keine Deadline.”

Es ist Tag für Tag und Woche für Woche eine Freude, mit diesen Jungs hier zu arbeiten.

Marcel Hartel

Ziemlich klar ist, was es hingegen sehr wohl gibt: Lukrative Offerten aus dem Oberhaus, und aber eben auch Faktoren, die für St. Pauli sprechen. Vor zwei Wochen hatte Andreas Bornemann im kicker-Interview erklärt, dass er sicher sei, dass Hartel der besondere Stellenwert, den er auf St. Pauli habe, wichtig bei der Entscheidungsfindung sei. Der gebürtige Kölner bestätigt diese Einschätzung seines Sportchefs nun: “Natürlich spielen die Situation und meine Rolle in diesem Verein in meine Entscheidung mit rein. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich mich hier sehr wohl fühle und dass ich weiß, welchen Stellenwert ich in diesem Verein habe. Es ist Tag für Tag und Woche für Woche eine Freude, mit diesen Jungs hier zu arbeiten.”

Der Verlauf des Sonntagnachmittags verfestigte diesen Eindruck bei Hartel, obwohl die Partie gegen Paderborn nach imposanter erster Hälfte kein Osterspaziergang wurde. “Wir waren nach dem Anschlusstreffer des Gegners etwas verunsichert, hatten nicht mehr die nötige Klarheit. Diese schlechte Phase müssen wir analysieren.” Es ist nicht die einzige Aufgabe außerhalb des Platzes, die in den kommenden Tagen vor Hartel liegt.

Sebastian Wolff