St. Pauli: Hürzeler setzt weiter auf seine neue Mischung

In Hannover war es für Fabian Hürzeler nach zuvor zwei Niederlagen darum gegangen, jene Formation zu finden, die bedingungslos St. Paulis Grundelemente beherzigt. Seit dem 2:1-Erfolg ist der Aufstieg zum Greifen nah und der Coach setzt vor allem auf die nötige Balance. Und wohl auf eine unveränderte Startelf.

Setzt gegen Hansa Rostock wohl auf eine unveränderte Startelf: St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler (Mitte).

Setzt gegen Hansa Rostock wohl auf eine unveränderte Startelf: St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler (Mitte).

IMAGO/Oliver Ruhnke

Eric Smith und Lars Ritzka hatten wegen ihrer muskulären Probleme zum Wochenstart noch nicht trainiert, Hürzeler sagt in Bezug auf den Abwehrchef und seinen linken Schienenspieler: “Wir müssen abwarten und können noch keine definitive Aussage treffen.” Definitiv sichtbar geworden ist am vergangenen Sonntag, dass die nötig gewordenen Umstellungen gegriffen haben. David Nemeth, vor knapp zwei Jahren für 1,2 Millionen Euro aus Mainz verpflichtet und seitdem immer wieder angeschlagen, verteidigte als rechtes Glied der Dreierkette resolut, der in die Mitte gerückte Hauke Wahl vertrat Smith mit weniger Glanz, aber absoluter defensiver Verlässlichkeit.

Hürzeler lobt Metcalfe – Saad wohl erneut auf der Bank

Gleiches gilt für Connor Metcalfe, der aufgrund der Ausfälle von Ritzka und Philipp Treu als dritte Wahl und Umschüler auf die linke Bahn musste. “Connor”, schwärmt Hürzeler, “stellt sich in den Dienst der Mannschaft. Obwohl dies nicht seine ideale Position ist, versucht er sich dort zu einzuleben, ist sehr lernwillig, sieht sie als Chance.”

Die Bereitschaft hat Hürzeler nach zwei Bauchlandungen in Karlsruhe (1:2) und gegen Elversberg (3:4) größer geschrieben als die Begabung – und er wird nach dem befreienden 2:1-Erfolg in Hannover am Freitagabend gegen Hansa Rostock weiterhin so verfahren. Das dürfte bedeuten: Auch Elias Saad könnte vorerst der Platz auf der Bank bleiben, weil der Einbau von Aljoscha Kemlein ins Zentrum und das Vorziehen von Marcel Hartel auf Saads linke Bahn Stabilität erzeugte.

“Elias”, erklärt Hürzeler, “ist ein Paradebeispiel dafür, dass es immer darum gehen muss, was uns stark gemacht hat.” Bei dem Tempodribbler, der binnen eines Jahres aus der Regionalliga bis in die tunesische Nationalmannschaft gestürmt ist, ist es aus des Trainers Sicht “die Straßenkicker-Mentalität. Aber es ging eineinhalb Jahre nur bergauf, dass da was im Kopf passiert, ist normal. Klar ist: Er hat unsere Unterstützung.” Im Aufstiegs-Finale aber womöglich keinen festen Platz in der Anfangsformation.

“Alle wissen, um was es jetzt geht”

Hürzeler hat in Hannover bei seiner Personalauswahl die richtige Mischung gefunden zwischen fußballerischer Finesse und Solidität. Und er hat wenige Gründe, vor Rostock etwas zu ändern. “Ich habe gespürt, dass innerhalb der Mannschaft schnell der Fokus auf das nächste Spiel gerichtet wurde. Man merkt, dass alle wissen, um was es jetzt geht.” Ihm selbst geht es vor allem darum: “Es gilt, jetzt in der Drucksituation das abzurufen, was die Mannschaft in der gesamten Saison abgeliefert hat.”

Sebastian Wolff

“Wir haben Charakter bewiesen”: St. Paulis Vasilj als Wegweiser

Der Weg zurück in die Erfolgsspur war mühsam für den FC St. Pauli, und zum Wegweiser in Hannover wurde Nikola Vasilj. Der bosnische Keeper hielt die Hamburger gerade zu Beginn mehrfach im Spiel und legte den Grundstein für den wichtigen 2:1-Erfolg.

St. Paulis Keeper Nikola Vasilj war ein starker Rückhalt.

St. Paulis Keeper Nikola Vasilj war ein starker Rückhalt.

IMAGO/MIS

Für den 28-Jährigen ist die Spielzeit durchaus wechselhaft. Trainer Fabian Hürzeler und Sportchef Andreas Bornemann betonen zwar regelmäßig den Wert des Schlussmannes und dessen wichtigen Anteil am mutigen Spielaufbau von hintenheraus, immer wieder aber unterliegt sein Spiel auch Schwankungen. Allein in der Rückserie unterliefen ihm in Kiel (4:3), Magdeburg (0:1) und Karlsruhe (1:2) klare Fehler. Offensichtlich indes wird: Im Saisonendspurt ist Nikola Vasilj da. Schon beim vorangegangenen 3:4 gegen Elversberg hatte er im ersten Durchgang fast ein halbes Dutzend Hochkaräter entschärft, am Sonntag in Hannover rettete er St. Pauli in einer Anfangsphase, in der deutlich sichtbar geworden ist, dass die jüngsten beiden Niederlagen Spuren hinterlassen haben. “Niko”, schwärmt Kapitän Jackson Irvine, “hat uns mit tollen Paraden im Spiel gehalten.”

“Ich hoffe, dieser Sieg gibt uns wieder Auftrieb”

Vasilj selbst weiß um seinen Anteil an dem Dreier in Niedersachsen. “Ich hatte etwas mehr zu tun als sonst, aber es war sehr wichtig, dass wir diese Momente überstehen.” Weil St. Pauli in der Folge wieder zu seinem Stil gefunden und mit der 2:1-Führung im Rücken auch zur gewohnten Dominanz zurückgefunden hat. “Wir haben in der zweiten Hälfte wieder besser zu unserem Rhythmus und unserem Aufbauspiel gefunden”, sagt der Keeper und setzt auf die befreiende Wirkung für das Nervenkostüm: “Ich hoffe, dieser Sieg gibt uns wieder Auftrieb. Er war unfassbar wichtig. Wir haben als Mannschaft Charakter bewiesen, darauf bin ich unfassbar stolz.”

Vier Partien vor dem Ende hält St. Pauli mit fünf Zählern Vorsprung vor dem Dritten Fortuna Düsseldorf nun alle Karten in den eigenen Händen und hat mit zunächst Rostock sowie außerdem Osnabrück und Wehen Wiesbaden noch drei Gegner aus dem Souterrain der Tabelle. Vasilj strahlt folglich Zuversicht aus, ohne in Übermut zu verfallen. Zur Erinnerung: Der hatte dem Kiez-Klub nach elf Zählern Vorsprung an Ostern nicht gut getan. “Hannover war ein großer Schritt. Aber wir sind noch nicht am Ziel.”

Sebastian Wolff

Auf St. Pauli ist der Aufstieg Kopf-Sache

Aufstiegskampf ist Kopfsache, erst Recht nach zwei Niederlage in Folge. Der FC St. Pauli löste die Auswärtsaufgabe Hannover aber vor allem mit Köpfchen – und ist durch zwei Kopfballtore und das 2:1 weiterhin fünf Punkte vor dem Relegationsrang.

Alles Kopf-Sache am Sonntag in Hannover: Johannes Eggestein (#11) köpft das siegbringende 2:1 für St. Pauli.

Alles Kopf-Sache am Sonntag in Hannover: Johannes Eggestein (#11) köpft das siegbringende 2:1 für St. Pauli.

IMAGO/osnapix

Die Ausgangslage war kompliziert. Und wurde sichtbar. Verfolger Düsseldorf hatte tags zuvor vorgelegt und war bis auf zwei Zähler an die Kiez-Kicker herangekommen. Hauke Wahl verhehlt nicht, dass das in Verbindung mit den jüngsten Erlebnissen und Ergebnissen auf den Kopf eingewirkt hat. “Zwei Niederlagen”, sagt der Abwehrspieler, “machen natürlich was mit der Rübe, das war anfangs auch zu sehen.” St. Pauli wurde ordentlich durchgeschüttelt von den Niedersachsen, das einst souveräne Aufbauspiel war nicht einmal mehr in Spurenelementen sichtbar. Trainer Fabian Hürzeler räumt ein: “In den ersten 25 Minuten waren wir verunsichert.” Einzig Keeper Nikola Vasilj hielt den wankenden Aufstiegsanwärter während dieser Phase im Spiel.

Es war nicht unser bestes Spiel, aber wir haben uns reingebissen.

Hauke Wahl

Umso bemerkenswerter ist, dass St. Pauli trotz der Vorgeschichte und der Geschichte dieses Spiels nicht wegbrach. Wahl lobt: “Es war nicht unser bestes Spiel, aber wir haben uns reingebissen.” Und zwei Mal den Kopf eingesetzt: Erst war Oladapo Afolayan zur Führung zur Stelle, nach dem schnellen Ausgleich erholten sich die Hamburger, hatten dann durch Johannes Eggestein nach einer Ecke von Marcel Hartel wieder die Lufthoheit. “Der Kopf”, sagt der Mittelstürmer doppeldeutig, “ist immer wichtig.”

Seit Sonntagnachmittag sind die Köpfe auf St. Pauli nach dem 2:1-Erfolg wieder oben. “Der Abstand hat sich nicht verändert, aber es ist ein Spiel weniger”, rechnet Wahl vor und sagt, was noch wichtiger ist vor den nun bedeutungsvollen und brisanten Duellen mit Hansa Rostock und dem HSV: “Wir haben uns wieder Selbstvertrauen geholt.” Weil die vom Trainer forcierte Arbeit an den Basics erfolgreich war. “Uns hat in den letzten Spielen gefehlt, mit letzter Konsequenz zu verteidigen”, sagt Hürzeler, “und uns ist auch in Hannover nichts zugeflogen. Wir haben die Anfangsphase mit etwas Spielglück überstanden, haben uns das aber auch erarbeitet und waren dann in der zweiten Hälfte wieder sehr reif.”

Wo St. Pauli draufstand, steckte zumindest in Ansätzen wieder das St. Pauli drin, das über weite Strecken der Saison die Liga dominiert hat. Das ist ein wichtiges Signal vor den vier letzten Aufträgen dieser Spielzeit.

Sebastian Wolff

Hürzeler muss auch Ritzka ersetzen – “Gewisse Ängste und Zweifel sind menschlich”

Fabian Hürzeler hatte schon einfachere Arbeitswochen. Hinter St. Pauli und dem Trainer liegen zwei Niederlagen und zwei Verletzungen. Am Sonntag in Hannover zeichnet sich zudem noch ein dritter Ausfall ab.

St. Paulis Coach Coach Fabian Hürzeler weiß, dass der Kopf eine zentrale Rolle spielt.

St. Paulis Coach Coach Fabian Hürzeler weiß, dass der Kopf eine zentrale Rolle spielt.

IMAGO/Fussball-News Saarland

Die Ausfälle von Eric Smith zumindest am anstehenden Wochenende wegen muskulärer Probleme sowie das vorzeitige Saison-Aus von Philipp Treu (Wadenbeinbruch) hatten die Schlagzeilen in den zurückliegenden Tagen dominiert, immer deutlicher aber zeichnet sich ab, dass auch der Treu-Ersatz aller Voraussicht nach ausfällt: Lars Ritzka (muskuläre Probleme) konnte bis zum Donnerstag lediglich Lauftraining absolvieren. “Wir müssen bei ihm von Tag zu Tag schauen”, sagt der Coach zwar, erklärt aber: “Wir werden auch für Lars eine gute Alternative finden.” Eine mögliche Variante ist der Seitenwechsel und Rollentausch von Connor Metcalfe: Der Australier könnte vom rechten offensiven Flügel auf die linke Schiene rotieren.

Entscheidender als das Personal ist für Hürzeler in den Tagen vor Hannover ohnehin das Mindset seiner Profis. Dass der Vorsprung auf fünf Punkte zusammengeschmolzen ist, weil seiner Mannschaft zuletzt ein paar Prozentpunkte vor allem in der Arbeit gegen den Ball gefehlt haben, hat Unruhe überzeugt. “Von außen”, sagt der 31-Jährige, “wird es sehr dramatisch beurteilt. Wir sehen es intern nicht so dramatisch. Wir müssen das Schwere auf dem Weg akzeptieren, um den Erfolg wertschätzen zu können. Wir wissen, dass eine Saison von Tälern begleitet wird.”

Hürzeler betont jedoch ausdrücklich, dass allein das Wissen darum nicht reicht. “Wir dürfen uns nicht nur darauf verlassen, dass wir schon oft gute Reaktionen gezeigt haben. Wir müssen es auf dem Platz zeigen und uns bewusst machen, was jeden Einzelnen und uns als Mannschaft stark gemacht hat. Wenn wir die Basis auf den Platz bringen, sind wir eine gute Mannschaft.”

“Wir sind keine Mannschaft, die einfach so durchmarschiert”

Hürzelers Ausführungen sind in allererster Linie keine Ermahnung an die Öffentlichkeit, Maß zu halten bei der Bewertung, sondern die Worte gelten seinen Spielern. “Nur wenn wir den Zusammenhalt auf den Platz bringen, dann werden wir erfolgreich sein. Wir sind keine Mannschaft, die einfach so durchmarschiert.” Weil angesichts großer taktischer Disziplin und defensiver Bereitschaft genau dieser Eindruck entstanden war, scheinen die Basics bei Einzelnen ein wenig verloren gegangen zu sein. Hürzelers Aufgabe besteht darin, alle Elemente wieder zum Vorschein zu bringen. Und er geht diese mit hoher Intensität.

Dass der Kopf eine zentrale Rolle spielt, hat der Trainer schon während der gesamten Saison betont. Er sagt nun: “Gewisse Ängste und Zweifel sind völlig normal und menschlich. Das müssen wir auch zulassen.” Entscheidend ist für ihn der Umgang damit. “Der Unterschied zwischen einer Top- und einer Durchschnittsmannschaft ist, wie lange sie sich aufhält mit Zweifeln und negativen Gedanken.” Hürzeler gibt sich sehr zuversichtlich, dass seine Mannschaft ihm die Antwort schon in Hannover geben wird. “Es ist definitiv eine Herausforderung, auch für mich als Trainer. Aber ich bin total überzeugt von der Mannschaft und habe großes Vertrauen. Ich freue mich auf die jetzt beginnende Zeit. Weil wir als Mannschaft und Verein daran wachsen werden.”

Sebastian Wolff

FC St. Pauli gibt Entwarnung bei Smith

Der Start in die laufende Trainingswoche am Mittwoch begann beim FC St. Pauli mit einem Schreckmoment: Abwehr-Chef Eric Smith musste die Einheit mit Problemen am Oberschenkel abbrechen. Tags darauf jedoch gab es Entwarnung.

St. Paulis Eric Smith hat keine strukturelle Verletzung.

St. Paulis Eric Smith hat keine strukturelle Verletzung.

IMAGO/Susanne Hübner

Die Bilder hatten Schlimmstes befürchten lassen. Von zwei Medizinern gestützt, hatte Eric Smith den Trainingsplatz an der Kollaustraße verlassen, sich dabei an den rechten, hinteren Oberschenkel gegriffen. Die Muskulatur und insbesondere die Adduktoren hatten dem Schweden in der Vergangenheit immer wieder Probleme bereitet, dementsprechend alarmiert war die medizinische Abteilung des Tabellenzweiten.

Am Donnerstag aber verkündete der Klub nach eingehender Untersuchung: Die Befürchtungen, nach Philipp Treu (Wadenbeinbruch) sei für einen zweiten Profi die Saison vorzeitig beendet, haben sich nicht bestätigt. “Er hat muskuläre Probleme, aber es liegt keine gravierende strukturelle Verletzung vor.” Offen ist, wann der 27-Jährige wieder ins Mannschaftstraining einsteigt: “Eric wird kontinuierlich vom medizinischen Team um James Morgan behandelt, um wieder eine vollständige Wettkampffähigkeit zu erreichen”, heißt es in der Mitteilung weiter. Zumindest das kommende Spiel am Sonntag in Hannover dürfte zu früh kommen.

“Ein echter Test, um zu zeigen, aus welchem Material wir gemacht sind”

Für Smith’ Abwehr-Kollege Karol Mets kommt die Partie beim Verfolger dennoch genau richtig. Der Este verkörpert mit seiner Resolutheit im Zweikampf exakt jene Attribute, auf die es nach Ansicht von Trainer Fabian Hürzeler in den noch ausstehenden fünf Partien ankommen wird, und Mets sagt: “Hannover ist eine schwere Aufgabe, aber es ist ein echter Test, um zu zeigen, aus welchem Material wir gemacht sind.” Die Antwort glaubt der 30-jährige Innenverteidiger zu kennen: “Wir haben es in dieser Saison bisher solide gemacht, gehören zu den besten Mannschaften. Das sollte uns Selbstvertrauen geben.” Und zwar auch dann, wenn Smith nicht dabei sein sollte. “Wenn Eric ausfällt”, sagt Mets, “dann muss ein anderer bereit sein, diese Lücke zu schließen.”

Mutmaßlich wird besagter “anderer” Adam Dzwigala sein. Der Defensiv-Allrounder war in seinen bisherigen zweieinhalb Jahren ein verlässlicher Backup, wenn es galt, Löcher in der Abwehr zu stopfen. An den jüngsten beiden Niederlagen in Karlsruhe (1:2) und gegen Elversberg (3:4) war Dzwigala maßgeblich beteiligt – am Vertrauen in seine Person hat sich indes nichts geändert.

Sebastian Wolff

St. Pauli: Wieder Sorgen um Smith

Zwei Tage hatte Fabian Hürzeler seinen Profis nach dem 3:4 gegen die SV Elversberg freigegeben, um sich auch mental von dem sportlichen Rückschlag zu erholen. Zum Start in die Trainingswoche gab es eine personelle Hiobsbotschaft: Eric Smith hat sich verletzt.

Droht dem FC St. Pauli auszufallen: Eric Smith.

Droht dem FC St. Pauli auszufallen: Eric Smith.

IMAGO/MIS

Die Woche hatte schon denkbar ungünstig für den am vergangenen Wochenende entthronten Spitzenreiter begonnen. Die Diagnose Wadenbeinbruch und die direkt erfolgte Operation bei Philipp Treu bedeutet nicht nur das vorzeitige Saison-Aus des Aufsteigers von der Außenbahn, es reißt auch eine Lücke in des Trainers Personaldecke. Und in dieser droht ein weiteres Loch: Mittwoch musste Smith die Trainingseinheit abbrechen und auf dem Weg vom Platz in die Kabine gestützt werden. Der Schwede hat sich offenbar eine Muskelblessur am rechten Oberschenkel zugezogen, eine genaue Diagnose steht noch aus. Klar ist: Ein möglicher Faserriss fünf Wochen vor dem Ende dieser Spielzeit wäre angesichts seiner Verletzungshistorie beinahe gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Ende der Spielzeit.

Smiths Passqualitäten gehen verloren

Der Abwehr-Chef und Chefstratege im Aufbauspiel hatte sich erst Anfang März beim 1:3 auf Schalke eine Muskelverletzung zugezogen. Seinerzeit hatte Hürzeler gesagt: “Wenn Eric bei uns ausfällt, dann ist das so, wie wenn Harry Kane bei den Bayern fehlt.” Smith kam schneller als zunächst erwartet zurück, nun wird am Millerntor schon wieder um ihn gezittert.

Aber wie schmerzhaft wäre sein Fehlen im Aufstiegsendspurt tatsächlich? Fakt ist: Smith kann mit seinen öffnenden Pässen den Unterschied im Spiel nach vorn machen. Der Rückwärtsgang hingegen hat bei dem 27-Jährigen in der laufenden Rückserie häufiger geklemmt. Insbesondere bei den jüngsten beiden Heimspielen gegen Paderborn (2:1) und nun Elversberg ist dies mehrfach sichtbar geworden. Gegen den Aufsteiger aus dem Saarland hatte zuletzt Hauke Wahl gesperrt gefehlt – und dessen Abwesenheit schien gerade hinsichtlich dessen Resolutheit im Kerngeschäft schwerwiegender als Smiths Fehlen wegen einer Gelbsperre in der Woche zuvor in Karlsruhe (1:2).

Fällt Smith nun tatsächlich aus, würde Wahl wieder in die Mitte rücken. Den 30-jährigen Ex-Kieler hat Hürzeler bislang zwar noch nicht als “Kane vom Kiez” geadelt, sagt aber unmissverständlich: “Hauke ist unheimlich wichtig für unser Spiel.”

Sebastian Wolff

Wadenbeinbruch: Schock für Treu und St. Pauli

Fabian Hürzeler hatte schon eine böse Vorahnung in Bezug auf Philipp Treu. “Es sieht nicht gut aus”, sagte der Trainer. Am Montag veröffentlichte der FC St. Pauli die Schock-Diagnose: Der Aufsteiger von der Außenbahn hat gegen Elversberg (3:4) einen Bruch des rechten Wadenbeins erlitten.

Philipp Treu musste gegen Elversberg bereits in der neunten Minute verletzt ausgewechselt werden.

Philipp Treu musste gegen Elversberg bereits in der neunten Minute verletzt ausgewechselt werden.

IMAGO/Susanne Hübner

Treu hatte gegen die Saarländer erst sein Comeback nach muskulären Problemen gegeben und nach vier Minuten einen geklärten Eckball aus der Gefahrenzone geschlagen, war danach zu Boden gegangen. Nach längerer Behandlung versuchte er nochmal kurzzeitig, auf die Beine zu kommen – vergeblich. Der 23-Jährige humpelte dick bandagiert in die Katakomben, wurde noch am Sonntagabend im Universitätsklinikum Eppendorf operiert und wird dem Kiez-Klub nicht nur im Aufstiegs-Endspurt, sondern ziemlich sicher auch in den ersten Wochen der kommenden Saison fehlen.

Es ist ein bitteres vorzeitiges Saisonende für den im vergangenen Sommer ablösefrei aus Freiburg verpflichteten Musterprofi, der sich so rasant entwickelt, 23 Zweitligaspiele bestritten und überraschend schnell einen Stammplatz erobert hat. “Die Entwicklung”, hatte er erst kürzlich gesagt, “fühlt sich für mich fast ein bisschen surreal an.”

Jetzt kommt es auf Ritzka an

Jetzt ist Treu hart in der Realität aufgeschlagen. Und hinterlässt zudem eine Lücke in der potenziellen Wunschelf von Hürzeler. Dort hatte er ab dem Herbst die Position als linker Schienenspieler, jahrelang von Leart Paqarada (jetzt 1. FC Köln) überdurchschnittlich besetzt, eingenommen, nachdem zu Saisonbeginn Lars Ritzka den Platz bekommen hatte. Auf ihn wird es nun erneut ankommen: Ritzka war schon gegen Elversberg in die Partie gekommen, ist defensiv verlässlich und durchaus dynamisch im Vorwärtsgang. Der Ex-Verler gibt St. Paulis Spiel aber nicht die fußballerischen Impulse wie Treu. Der kommt in seiner Premieren-Saison im Unterhaus auf einen kicker-Notenschnitt von 3,28, erzielte zudem einen Treffer und bereitete drei Tore vor.

Erschwerend hinzu kommt im Aufstiegskampf: Alternativen auf den defensiven Außenbahnen gibt es im Endspurt zu Ritzka und dessen Pendant auf rechts, Manolis Saliakas, nun nicht mehr. Immerhin, von Gelbsperren ist das Duo nicht mehr akut bedroht: Saliakas hat erst kürzlich für seine fünfte Verwarnung zuschauen müssen, Ritzka liegt bei zwei Gelben Karten.

Sebastian Wolff

Kopf-Frage: St. Paulis Angreifer Eggestein sieht Redebedarf

Johannes Eggestein besitzt die Fähigkeit, Spiele schon unmittelbar nach deren Ende beinahe wie ein Trainer analysieren zu können. Dementsprechend tief legte St. Paulis Angreifer nach dem 3:4 gegen Elversberg den Finger in die Wunde. Und sagt, auf was es nun ankommt.

St. Paulis Angreifer Johannes Eggestein beklagt das Zweikampfverhalten.

St. Paulis Angreifer Johannes Eggestein beklagt das Zweikampfverhalten.

IMAGO/Philipp Szyza

Eggesteins Führungstreffer vor der Pause, das achte Saisontor des 25-Jährigen, war eine der wenigen Aktionen, die nach Plan verlaufen waren, obwohl die Ringereinlage von Karol Mets gegen Robin Fellhauer bei der Eckballvariante entscheidend und regelwidrig war. Aber: Das Einlaufen des Mittelstürmers auf den kurzen Pfosten war, wie der Ex-Bremer verrät, “genau so einstudiert”.

Sämtliche anderen Automatismen scheinen Verschütt gegangen zwischen dem Ostersonntag, nach dem St. Paulis Vorsprung auf Rang drei elf Zähler betragen hatte und einem Sonntagnachmittag, der einem harten Aufprall in der Realität gleichkam. Diese besagt: Nur noch fünf Pünktchen liegt der entthronte Spitzenreiter vor Verfolger Fortuna Düsseldorf, und der hinterlassene Eindruck gegen Elversberg ist noch deutlich besorgniserregender als die enger gewordene Tabellenkonstellation.

“Wir hatten ein schlechtes Zweikampfverhalten und viele einfache Ballverluste”, beklagt Eggestein und analysiert: “Drei der vier Gegentore lassen sich durch Zweikampfführung unterbinden. Aber wir haben auch als Mannschaft nicht unsere Kompaktheit erzeugt, dazu haben wir die langen Bälle nicht gut verteidigt. Das geht so nicht.”

Faktor Kopf und Nerven

Aber, wie geht es weiter? “Wir müssen untereinander sprechen”, empfiehlt der Angreifer. Und zwar aus seiner Sicht über verschiedene Themen. Zum einen darüber, wie St. Pauli wieder “ganz dicht” wird, und auch über die Frage, welche Rolle in der Endphase der Spielzeit der Kopf und der Faktor Nerven spielen. Kiel und Düsseldorf hatten am Samstag vorgelegt und die Kiez-Kicker unter Zugzwang gesetzt. Eine Situation, die am kommenden Wochenende erneut droht: Fortuna spielt am Samstagmittag gegen Greuther Fürth, Holstein am Abend beim HSV und St. Pauli selbst erst tags darauf in Hannover. “Bei mir persönlich”, sagt Eggestein, “hat das keine Rolle gespielt, aber wir müssen uns darüber austauschen, wie jeder Einzelne das wahrnimmt. Natürlich merkt man jetzt, dass es in die Endphase geht.”

Eggesteins Credo im Umgang mit der sich zuspitzenden Situation ist es, das eigene Tun in den Mittelpunkt zu rücken. “Es ist irrelevant, was die anderen machen, weil wir es in der Hand haben. Wir müssen uns auf unsere Leistung konzentrieren.” Und er sagt auch konkret, wo er den Hebel anzusetzen sieht: “Es muss vor allem darum gehen, dass wir wieder stabil sind, da müssen wir wieder hinkommen. Denn in der Offensive werden wir immer unsere Momente bekommen, um Tore zu machen.”

Sebastian Wolff

Smith klagt an: “Wir waren nicht bereit”

Die Klarheit, mit der St. Paulis Profis die hochverdiente 3:4-Heimpleite gegen die SV Elversberg im Nachgang analysiert haben, hätte sich Fabian Hürzeler während der Partie erhofft. Der entthronte Spitzenreiter präsentierte sich außer Rand und Band. Und Eric Smith brachte das am deutlichsten auf den Punkt.

Ging mit seiner Mannschaft nach der 3:4-Niederlage gegen Elversberg hart ins Gericht: Eric Smith.

Ging mit seiner Mannschaft nach der 3:4-Niederlage gegen Elversberg hart ins Gericht: Eric Smith.

IMAGO/Susanne Hübner

Smith war als Chef einer Abwehr, die zwölf Großchancen des Aufsteigers zuließ, mitverantwortlich für einen Auftritt, den St. Pauli nicht einmal Pessimisten zugetraut hatten. Nach dem Waterloo war der Schwede im Klartext-Modus. “Wir waren nicht bereit, und das über die gesamte Spielzeit. Wir waren mental nicht da. Wenn wir rausgehen und so eine Leistung abliefern, dann ist es zu wenig.”

Zu wenig auch für das an Ostern schon fast erreichte Ziel Bundesliga-Aufstieg? Elf Punkte hatte der Vorsprung auf den Drittplatzierten Düsseldorf nach dem 2:1 gegen Paderborn betragen, schon da aber hatte die zweite Hälfte erste Tendenzen von Sorglosigkeit erkennen lassen. Sechs Gegentore und zwei Niederlagen später ist die Fortuna nur noch fünf Pünktchen entfernt, und Smith weiß: “Wir haben es uns unnötig schwierig gemacht.”

Ich verlange definitiv eine Reaktion.

Fabian Hürzeler nach der 3:4-Niederlage gegen Elversberg

Auf die Frage, ob St. Pauli ausgerechnet auf der Zielgerade in der schwierigsten Phase der Saison stecke, antwortet der 27-Jährige knapp, aber klar: “Ja.” Er setzt auf die Hoffnung, “dass das unser Weckruf war und dass wir nächste Woche wach sind.”

Hürzeler: “Müssen bei uns anfangen”

In Hannover droht St. Pauli am Sonntag (13.30 Uhr, LIVE! bei kicker) eine besonders brenzlige Situation: Verfolger Düsseldorf kann tags zuvor (13 Uhr) bereits im Heimspiel gegen Greuther Fürth vorlegen, den Druck auf die Kiez-Kicker vor deren hoher Auswärtshürde 96 zusätzlich erhöhen.

Für den Trainer ist entscheidend, dass seine Formation sich dann auf ihre Basis besinnt: defensive Stabilität. “Wir müssen bei uns anfangen”, fordert Hürzeler, “wir brauchen Schärfe gegen den Ball, müssen mit allem was wir haben wieder zu null spielen wollen. Das ist unsere Identität, die haben wir vermissen lassen, und das ist definitiv enttäuschend.”

Dass seine Spieler keine nach dem 3:4 gegen Elversberg Ausflüchte suchen, macht ihm Hoffnung. “Wichtig ist, dass wir ehrlich zu uns selbst sind. Wenn die Jungs auch öffentlich klar die Dinge ansprechen, ist es der erste Schritt in die richtige Richtung.” Der zweite, wichtigere, muss in Hannover auf dem Platz erfolgen und ist für Hürzeler unverhandelbar: “Ich verlange definitiv eine Reaktion.”

Sebastian Wolff

Hürzeler rechnet selbst mit einer weiteren Sperre

Pressekonferenzen mit Fabian Hürzeler sind grundsätzlich von viel Tiefgang geprägt. Am Freitag überraschte St. Paulis Trainer damit, dass er sich eine Frage selbst stellte (und beantwortete). Außerdem verriet er offenherzig, dass er mit einer weiteren Sperre in dieser Spielzeit durchaus rechnet.

Es fehlt nicht viel bis zu Fabian Hürzelers nächster Sperre.

Es fehlt nicht viel bis zu Fabian Hürzelers nächster Sperre.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Sieben Gelbe Karten hat der 31-Jährige bereits kassiert, bei einer weiteren müsste er wie schon Ende Januar beim 2:1-Erfolg in Düsseldorf zusehen und sich durch Assistent Peter Nemeth vertreten lassen. Bei der Frage, was ihm Mut mache, angesichts von noch sechs ausstehenden Partien ohne zweite Sperre durch das Saison-Finale zu kommen, antwortete er: “Wenig, um ehrlich zu sein.” Er garnierte diesen Satz mit einem süßsauren Lächeln, fügte an: “Wenn ich jetzt schon Gelb bekomme, wenn der gegnerische Trainer in meiner Coachingzone auftaucht, dann liegt es nicht allein in meiner Hand.”

Tatsächlich ist auffällig, dass Hürzeler die letzten beiden Gelben Karten gegen Paderborn (2:1) und in Karlsruhe (1:2) nach jeweils eklatanten Fehlentscheidungen gegen St. Pauli erhalten hatte. Dass die Schiedsrichter-Gilde den impulsiven Coach, der schon in seiner Spielerkarriere in drei Jahren beim FC Pipinsried 45 Gelbe und fünf Gelb-Rote Karten und eine Rote kassiert hatte, intensiver beäugt, ist offensichtlich, auch für ihn. “Wahrscheinlich ist das so.”

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KMD #205 (mit Fabian Hürzeler)


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Klar ist indes auch: Hürzeler gehört keinesfalls in eine Opferrolle, und er begibt sich auch nicht in diese. Dass die Unparteiischen bei ihm inzwischen womöglich schneller eine Karte zücken, ist in aller erster Linie selbstverschuldet. “Ich habe meinem Staff im Winter das Buch ‘Jeden Tag ein Prozent besser’ geschenkt. Ich habe mir das auch vorgenommen und mich in der Prozentzahl verschlechtert, und das ist etwas, das ich mir ankreiden muss.” Zur Selbstdisziplinierung, verrät er, habe er zudem nun noch ein Rezept gewählt: “Ich habe eine Wette mit meinem Staff laufen und hoffe, die hält mich im Zaum.” Den Einsatz will er nicht verraten: “Vielleicht tue ich das, wenn ich sie gewonnen habe.”

Image des Wüterichs an der Linie

Die Offenheit, mit der Hürzeler über seine Schwäche spricht, ist bemerkenswert. Die Hoffnung, die er in Bezug auf die Schiedsrichter und deren Umgang mit seinem nach nicht einmal eineinhalb Jahren als Profitrainer angekratzten Ruf hat, ist eindringlich. “Ich hatte nach dem Spiel in Karlsruhe noch eine Diskussion mit dem Vierten Offiziellen. Am Ende sollten die Schiedsrichter neutral sein und sich nicht von externen Dingen beeinflussen lassen.” In seinem Fall von dem Image des Wüterichs an der Linie. Dass er selbst den Anfang machen muss, ist ihm bewusst: “Ich werde weiter versuchen, mich zu verbessern.”

Das Ende der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen die SV Elversberg gestaltete Hürzeler dann in bester Klaus-Augenthaler-Manier, der 2007 als Coach des VfL Wolfsburg aus Verärgerung über die Berichterstattung eine Medienrunde mit sich selbst abgehalten hatte. Weil die obligatorische Frage zum Ablauf der letzten eineinhalb Tage vor der Partie ausgeblieben war, holte er mit einem Lächeln aus: “Wie ist der Ablauf?” Und gab einen Überblick über die letzten Stunden bis Elversberg. Danach soll nach Möglichkeit der nächste Schritt Richtung Bundesliga stehen. Und keine weitere Gelbe Karte.

Sebastian Wolff