Toppmöller: “Es ist kein Zuckerschlecken, Marmoush oder Ekitiké zu verteidigen”

Wie besiegt man eine Mannschaft, die kurz vor dem Saisonende in allen Wettbewerben noch immer unbesiegt ist? Vor dem Heimspiel gegen Leverkusen fordert Eintracht-Coach Dino Toppmöller maximale Disziplin – und das Einsetzen der eigenen Waffen.

Schwer zu stoppen: Hugo Ekitiké und Omar Marmoush (re.).

Schwer zu stoppen: Hugo Ekitiké und Omar Marmoush (re.).

IMAGO/Jan Huebner

Ein ausverkauftes Haus, fast alle Mann an Bord und eine beachtliche Heimbilanz gegen Leverkusen – die Vorzeichen vor dem Heimspiel gegen den Deutschen Meister sind durchaus vielversprechend. “Es ist ein schöner und großer Anreiz für uns alle, die erste Mannschaft zu sein, die Bayer Leverkusen besiegt”, betont Dino Toppmöller.

Verzichten muss der Trainer lediglich auf die schon länger verletzten Sasa Kalajdzic (Kreuzbandriss) und Sebastian Rode (Knie-OP) sowie Youngster Nnamdi Collins (Kapselreizung im Knie). Erfreulicherweise hat Toppmöller somit auf gleich mehreren Positionen die Qual der Wahl. Wer verteidigt hinten links? Kehrt Offensivkraft Fares Chaibi in die Elf zurück? Findet der Coach im Mittelfeld einen Platz für Hugo Larsson, indem er beispielsweise auf ein 4-3-3 umstellt?

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Nachlässigkeiten wie in Stuttgart sind tabu

Das Fundament für einen möglichen Überraschungserfolg ist allerdings losgelöst von derlei Personalfragen. “Der Schlüssel wird sein, dass wir eine maximale Disziplin an den Tag legen, was das Defensivverhalten betrifft”, bekräftigt Toppmöller. Das beinhaltet auch Selbstverständlichkeiten. Zum Beispiel das Zurücklaufen im Sprint, wenn man durch einen hohen Ball überspielt wird.

Wie wichtig das ist, zeigte sich beispielsweise am 29. Spieltag beim 0:3 in Stuttgart, als Hugo Larsson vor dem dritten Gegentreffer nur zurücktrabte und sich so selbst die Chance nahm, im Mittelfeld den entscheidenden Schnittstellenpass zu unterbinden. Zuvor war Ansgar Knauff weiter vorne auf dem rechten Flügel nur halbherzig angelaufen. Stuttgart hatte leichtes Spiel. Nachlässigkeiten dieser Art darf sich das Team gegen Leverkusen unter keinen Umständen erlauben.

Toppmöller spricht außerdem von der “klaren Verantwortung” im Strafraum, “wer welche Zone zu verteidigen hat”, und erklärt: “Beim Mittelfeldpressing geht es darum, die Räume zu schließen und den Gegner dahin zu lenken, wo wir ihn haben wollen.” Kurzum: Die Mannschaft müsse “in allen Defensivphasen maximal diszipliniert sein, weil der Gegner eine unfassbar hohe Qualität hat”.

Mittelfeld-Kommandos beim Gegenpressing

Will einen Sieg gegen den Meister: Dino Toppmöller.

Will einen Sieg gegen den Meister: Dino Toppmöller.
IMAGO/Passion2Press

Eine Herausforderung wird auch darin bestehen, nach Ballverlusten in Sekundenbruchteilen die Entscheidung zu treffen, ob es klüger ist, sich in die Ordnung zurückzuziehen oder direkt ins Gegenpressing zu gehen. Ein Beispiel: Wenn vorne mehrere Offensivspieler anlaufen, dahinter aber keiner nachrückt und Lücken entstehen, wird es der Werkself leichtfallen, sich spielerisch zu befreien und die angebotenen Räume ihrerseits auszunutzen. Synchronität heißt das Stichwort.

Losgelöst vom Gegner muss es immer das Ziel sein, schon in Ballbesitz so clever positioniert zu sein, dass nach Ballverlusten genug Spieler in Ballnähe sind, um ins Gegenpressing zu kommen. Gegen ein spielstarkes Team wie Leverkusen ist das bloß noch wichtiger als gegen andere, weniger effiziente Mannschaften. “Wenn wir sehen, dass es keine Möglichkeit gibt oder der Anlaufweg zu weit ist, muss es aus dem zentralen Mittelfeld ein Kommando an die offensiven Spieler geben, dass wir das abbrechen und in die Ordnung zurückfallen”, erklärt Toppmöller. Es gehe darum, situativ die richtige Entscheidung zu fällen.

Die eigenen Waffen richtig einsetzen

Im Angriff liegt die Chance darin, das Tempo der eigenen Offensivspieler nach Ballgewinnen einzusetzen. “Es ist auch kein Zuckerschlecken, Omar Marmoush oder Hugo Ekitiké zu verteidigen”, weiß Toppmöller. Er betont: “Wir sind selbstbewusst genug und wissen, dass wir Waffen haben, um dem Gegner wehzutun.” Er glaube schon, dass sich aus Umschaltsituationen heraus “die eine oder andere Möglichkeit” ergeben werde. Der 43-Jährige rechnet zwar nicht mit “Chancen en masse”, ist aber überzeugt: “Wir werden Möglichkeiten bekommen – die müssen wir effizient nutzen.”

Vielleicht ist für die Eintracht dann tatsächlich eine Überraschung möglich. Ein Sieg gegen den frischgebackenen Deutschen Meister würde die Stimmung rund um die Eintracht schlagartig deutlich anheben und den Spielern viel Selbstvertrauen für die verbleibenden beiden Aufgaben in Gladbach und gegen Leipzig verschaffen.

Julian Franzke

Kult-Trainer, Torjäger, Negativrekord: Bremens 1999 Bundesliga-Spiele in Grafiken

Der SV Werder Bremen feiert am 32. Spieltag ein besonderes Jubiläum: Das Spiel gegen die Borussia aus Mönchengladbach wird das 2000. Bundesliga-Spiel in der Vereinsgeschichte sein. Deswegen hat sich der kicker die besonderen Zahlen und Statistiken aus Werders Bundesliga-Historie genauer angesehen.

Otto Rehhagel, Claudio Pizarro und Clemens Fritz sind eng mit der Bremer Bundesliga-Geschichte verknüpft.

Otto Rehhagel, Claudio Pizarro und Clemens Fritz sind eng mit der Bremer Bundesliga-Geschichte verknüpft.

imago images (3)

Amtszeiten der Trainer der gesamten Bundesliga

Es gibt insgesamt nur neun Trainer, die mehr als 250 Bundesliga-Spiele für einen Verein auf der Bank saßen. Die beiden mit den mit Abstand meisten Spielen sind Werders Trainer-Ikonen Otto Rehhagel und Thomas Schaaf. Rehhagel kommt auf 493 Spiele als Bremer Trainer, Schaaf auf 480.

Rehhagel trainierte die Bremer über 14 Jahre lang – vom 2. April 1981 bis zum 30. Juni 1995. Er führte Bremen zum Wiederaufstieg aus der 2. Liga, unter ihm feierte die Elf von der Weser dabei zwei Meistertitel.

Thomas Schaaf hingegen übernahm abstiegsbedrohte Werderaner im Mai 1999 und bewahrte sie vor dem Gang in die 2. Liga. In den Folgejahren verhalf er Bremen zu alter Größe, führte Werder zum vierten Meistertitel in der Saison 2003/04 und blieb über fast neun weitere Jahre bei den Grün-Weißen. Schluss war erst in der Saison 2012/13: Nach zwölf sieglosen Spielen in Folge zog die Klubführung die Reißleine und entließ Schaaf nach dem 33. Spieltag. Bis dahin hatte er 479 Spiele als Bremer Coach verbucht. Seine wirklich letzte Partie als Werder-Trainer gab Schaaf am 34. Spieltag 2020/21, als er helfen sollte, den drohenden Bremer Abstieg noch zu verhindern. Das misslang, nach einem 2:4 gegen Mönchengladbach stieg Werder zum zweiten Mal ins Unterhaus ab.

Es war allerdings nicht immer so, dass Bremen der Inbegriff von Trainer-Konstanz war. Im Gegenteil: “Kein Verein hat in den letzten Jahren eine solche Trainer-Fluktuation zu verzeichnen wie Werder”, schrieb der kicker noch im April 1980, als vor dem ersten Abstieg Wolfgang Weber durch Fritz Langner ersetzt wurde. Er war der 13. Coach der Bremer in ihrer BL-Historie, damals hatte nur der MSV Duisburg einen Trainer mehr verschlissen.

Die langen Amtszeiten von Werders-Trainer-Ikonen Otto Rehhagel und Thomas Schaaf sorgen dafür, dass Bremen inzwischen auf Rang zwei liegt, was Spiele pro Trainer anbelangt. Nur der SC Freiburg liegt vor den Norddeutschen – dank der Ägiden von Volker Finke und Christian Streich sowie der kürzeren Bundesliga-Zugehörigkeit der Breisgauer. Zum Vergleich: Werder hatte in nun 1999 Erstliga-Spielen 24 Trainer auf der Bank sitzen, Freiburg in 813 Spielen nur fünf.

Eingesetzte Spieler

Wie bei seinen Trainern setzt Werder auch bei seinen Spielern eher auf Bewährtes: Bis dato hat Werder 398 Spieler in den Ligaspielen eingesetzt. Obwohl Bremen – nach dem FC Bayern – am längsten in der Bundesliga vertreten ist, belegt es damit im Ranking der Teams mit den meisten im Liga-Oberhaus eingesetzten Spielern nur Rang 8. Man setzte an der Weser also eher auf verdientes Stammpersonal: Am häufigsten liefen für Bremen Dieter Burdenski (444 Einsätze), Horst-Dieter Höttges (420) und Dieter Eilts (390) auf.

Tabellenplätze nach der Saison

In seiner gesamten Bundesliga-Historie hat Werder noch nie den letzten Platz belegt: In den beiden Abstieg-Saisons lag man auf dem vorletzten Platz. Viermal holte Bremen die Meisterschaft, siebenmal hieß es am Saisonende dagegen Rang 2. Nur Borussia Dortmund und Bayern München waren häufiger Vize-Meister. Eine goldene Phase erlebten die Norddeutschen nach dem ersten Wiederaufstieg ab der Saison 1981/82 bis zur Saison 1997/98: 17 Saisons in Folge war Bremen am Ende des letzten Spieltags in der oberen Tabellenhälfte angesiedelt.

Negativrekord

In den vergangenen 15 Bundesliga-Jahren landete Werder allerdings immer häufiger in der unteren Tabellenhälfte. Im vergangenen Jahrzehnt, in der Saison 2015/16, stellte Werder sogar einen traurigen Bundesliga-Rekord auf: Vom 1. bis zum 32. Spieltag musste Bremen in jedem Spiel mindestens ein Gegentor hinnehmen. Das passierte bis dahin noch keiner Mannschaft so häufig innerhalb einer Saison. Davor hatte der KFC Uerdingen diesen Rekord in der Saison 1992/93 mit 27 Spielen mit Gegentor in Folge aufgestellt.

Immerhin: Während dieser Serie, wobei 65 Gegentore fielen, gelangen den Bremern dabei neun Siege und sieben Unentschieden. Das Ende des Gegentor-Fluches markierte schließlich ein 0:0 gegen den 1. FC Köln am 33. Spieltag.

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Die zehn besten Werder-Torjäger

Dabei kann Werder auch mehr als passable Torjäger vorweisen: An der Spitze der Vereins-Torschützenliste thront Claudio Pizzaro, der vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2020 immer wieder Teil der Bremer Mannschaft war. In insgesamt 250 Bundesliga-Spielen schoss er 109 Tore für die Elf von der Weser, das sind im Schnitt 0,59 Tore pro 90 Minuten Einsatzzeit.

Eine bessere Quote der Werder-Top-Torschützen haben nur drei weitere große Namen: Rudi Völler, Miroslav Klose und Ailton. Ersterer erzielte im Schnitt 0,75 Tore pro Spiel, Klose 0,66 und Ailton über 0,63 Tore pro Begegnung.

Die besten Werder-Torschützen einer Saison

Der Brasilianer ist auch der erfolgreichste Bremer Torschütze innerhalb einer Saison. Mit 28 Treffern schoss Ailton Werder in der Spielzeit 2003/04 nicht nur zu seiner jüngsten Meisterschaft, sondern auch sich selbst an die Spitze der Werder-Torjäger. Zuvor waren Völler 25 Treffer für die Bremer gelungen. Er teilt sich den zweiten Platz mit Klose, der in der Saison 2005/06 die Grün-Weißen ebenfalls 25-mal jubeln ließ.

Timo Schmidt

Reus‘ große Karriere – und das latente Gefühl, dass noch mehr drin gewesen wäre

Die Überraschung hält sich in Grenzen – und doch ist die Nachricht eine bedeutende: Marco Reus und Borussia Dortmund gehen nach zwölf gemeinsamen Profijahren getrennte Wege. Der große Triumph blieb ihm bislang verwehrt. Doch eine letzte Chance gibt es noch. Eine Einordnung von Matthias Dersch.

Marco Reus verabschiedet sich im Sommer aus Dortmund.

Marco Reus verabschiedet sich im Sommer aus Dortmund.

IMAGO/Sven Simon

Als Marco Reus im Sommer 2012 von Borussia Mönchengladbach zu Borussia Dortmund zurückkehrte – zu jenem Klub also, für den der gebürtige Dortmunder bereits in seiner Jugend zehn Jahre lang gekickt hatte, ehe er aufgrund seiner damals zu schmächtigen Statur aussortiert wurde -, da hätte wohl niemand geahnt, dass er zwölf Jahre lang bleiben würde. Dortmund war gerade zum zweiten Mal in Serie Deutscher Meister geworden, hatte durch einen Sieg im DFB-Pokalfinale über den FC Bayern auch noch das Double klargemacht und galt als “Europes hottest club”, der aus Talenten Stars formte und sie dann für viele Millionen in die weite Welt entließ.

Wie Shinji Kagawa, der als No-Name aus Japan gekommen war und den Reus nun ersetzen sollte, weil der Japaner fortan bei Manchester United für Furore sorgen wollte. Reus hingehen galt als Topstar von morgen, dem schon bald die Welt zu Füßen liegen dürfte, nachdem er Mönchengladbach mit 18 Toren und zwölf Assists in der Saison 2011/12 in den Europapokal geführt hatte.

Dortmund als Zwischenstation? Nicht für Reus

Dortmund als Zwischenstation? So lautete für zahlreiche Profis in den Zehner-Jahren des 21. Jahrhunderts das Karrieremotto. Nicht aber für Reus. Er blieb. Zwölf Jahre lang. Und das nicht mangels Alternativen. Der heute 34-Jährige hatte mehrfach die Gelegenheit, den berühmten nächsten Schritt zu gehen. Der FC Barcelona wollte ihn, dazu allerhand Topteams aus der Premier League. Doch egal, wer lockte: Reus wollte nicht weg von seiner Borussia, seiner Stadt, seiner Heimat.

Der Offensivspieler, der in all den zwölf Jahren, die er für das Profiteam des BVB kickte, stets der Spieler mit den meisten Trikotverkäufen war, war immer einer der größten internationalen Stars des BVB. Einer, der überall erkannt wurde. Ob in den USA oder in Asien. Doch er selbst blieb stets still, fast schüchtern. Er wollte nicht in die große weite Welt. Er wollte seine Ruhe in seinem gewohnten Umfeld. Dass ihm, der fünf Jahre lang Kapitän des BVB war, das zuweilen auch negativ ausgelegt wurde, zählt zu den üblichen Gemeinheiten der Fußballbranche, in der Vereinstreue oft gefordert wird – aber wehe, sie wird dann auch umgesetzt… Dann gilt man schnell als ambitionslos.

Reus setzt beim BVB Bestmarken

424 Pflichtspiele absolvierte Reus seit seinem Wechsel zur Saison 2012/13 für den BVB, erzielte dabei 168 Tore und bereitete 129 Treffer vor. Nur Manfred Burgsmüller (135 Tore) und Michael Zorc (131 Tore) trafen in der Liga häufiger für den BVB als Reus (118 Tore), der dabei 47 Mal die 1:0-Führung für die Borussia erzielte – Vereinsrekord. Zudem hat er die meisten Europapokaltreffer für Schwarz-Gelb geschossen (33) und – gemeinsam mit Mats Hummels – die meisten Europapokalspiele für den Klub absolviert (89 Spiele). Es sind Werte, die bleiben und die Reus zu einem der ganz großen Spieler dieses an großen Spielern nicht gerade armen Klubs machen.

Doch zur Wahrheit gehört eben auch, dass die Leistungen von Reus zuletzt nicht mehr so stark waren, dass sein Vertrag hätte verlängert werden müssen. Die Trennung in beidseitigem Einvernehmen ist daher eine gesichtswahrende Lösung für beide Seiten und bietet die Chance, dem scheidenden Reus einen gebührenden Abschied zu bereiten.

Das latente Gefühl, es sei mehr drin gewesen

Neben den Bestmarken, die er in Dortmund aufstellte, gehört zu Reus‘ Karriere auch das latente Gefühl, dass sie unerfüllt blieb, weil so viel mehr möglich schien. In seiner Vita fehlen die internationalen Erfolge – auch weil ihn unmittelbar vor der WM 2014 wie so oft in seiner Karriere das Verletzungspech ereilte und er den Triumph von Rio deshalb vor dem TV erleben musste. Und es fehlt der nationale Meistertitel.

Marco Reus mit dem DFB-Pokal

Zweimal gewann Marco Reus den DFB-Pokal mit dem BVB.
imago images/Laci Perenyi

Zweimal war Reus mit dem BVB ganz nah dran. Doch weder 2019 noch 2023 schafften er und seine Mitspieler es, als Erste über die Ziellinie zu kommen. So werden am Ende lediglich zwei DFB-Pokalsiege auf seiner Habenseite stehen. Viel zu wenig Titel für einen Spieler seiner Qualität, der – wenn der Körper nicht so oft gestreikt hätte – auch deutlich mehr als jene 48 Länderspiele (15 Tore) absolviert hätte, die aktuell in seinem Arbeitszeugnis stehen.

Mit einem Sieg in Wembley würde sich ein Kreis für Reus schließen

Reus wurde in seiner Karriere oft vorgeworfen, er sei in großen Spielen nicht zu sehen. Viele Gelegenheiten, das zu widerlegen, dürften sich ihm nicht mehr bieten, auch wenn er seine Karriere andernorts noch etwas fortsetzen wird.

Doch, Moment, eine Chance gibt es ja noch für den großen Wurf. In der Champions League. Nach dem 1:0-Hinspielsieg im Halbfinale über Paris Saint-Germain hat sich der BVB jenen “kleinen Vorteil” erspielt, den sich Trainer Edin Terzic zuvor erhofft hatte. Reus kann noch aktiv mithelfen, dass der Vorsprung reicht für den Einzug ins Finale. Auf dem Rasen, aber auch abseits davon. Indem er seine Erfahrung einbringt, sich in den Dienst der Mannschaft stellt, sie positiv pusht, auch wenn er nicht eingesetzt wird. Das Finale 2024 findet in Wembley statt. Dem Ort, wo Reus 2013 in seinem ersten Profijahr beim BVB im Finale dem FC Bayern mit 1:2 unterlag. Mit einem Triumph dort würde sich für Reus ein großer Kreis schließen. Unabhängig von seiner weiteren sportlichen Zukunft: Es kann eigentlich kein größeres Ziel für ihn als Profi mehr geben.

Rangnick und Bayern – es passte zweimal nicht

Das gegenseitige Interesse war da – diesmal, genau wie vor fünf Jahren. Doch auch im Jahr 2024 sollte es letztlich nicht zur Zusammenarbeit zwischen Ralf Rangnick und dem FC Bayern kommen.

Ralf Rangnick im Mai 2019 beim Fanfest in Leipzig.

Ralf Rangnick im Mai 2019 beim Fanfest in Leipzig.

IMAGO/motivio

Noch bevor Xabi Alonso auf der Pressekonferenz seinen Verbleib in Leverkusen über den Sommer hinaus verkündete, galt Ralf Rangnick beim FC Bayern als der Back-up-Plan, auf den sich alle im Münchner Führungskreis einigen konnten. Daran änderte sich aus Sicht der Entscheider auch dann nichts, als Sportvorstand Max Eberl zwischenzeitlich versucht hatte, Julian Nagelsmann zurück an die Säbener Straße zu holen. Zwar sammelten die Bayern bei Rangnick damit gewiss keine Pluspunkte, aber es sollte nicht ausschlaggebend sein.

Die Gespräche verliefen positiv. Das grundsätzliche Interesse und die Bereitschaft, das Amt des Cheftrainers beim FC Bayern zur kommenden Saison zu übernehmen, hatte Rangnick den Münchner Verantwortlichen schnell signalisiert. Er selbst hatte sich auch mit dem Kader, dem anstehenden Umbruch und der potenziellen Zusammenarbeit mit den Sportchefs Eberl und Christoph Freund ausgiebig befasst. Ebenso hatte er die Unruhe rund um den Verein und die Gemengelage im Verein genau beobachtet. Und kam letztlich an diesem Mittwoch zu dem Entschluss, sich gegen ein Engagement beim deutschen Rekordmeister und für seinen aktuellen Job als Nationaltrainer Österreichs zu entscheiden.

Bayern und Rangnick – es sollte auch im zweiten Anlauf nicht passen. Denn schon im Mai 2019 gab es ein ernsthaftes Interesse der Münchner. Damals war die Situation eine andere und Niko Kovac der Trainer. Im Übrigen 2018 als C-Lösung geholt. Uli Hoeneß wollte Jupp Heynckes, nachdem dieser für Carlo Ancelotti übergangsweise übernommen hatte, vom Weitermachen überzeugen. Der Triple-Coach von 2013 aber wollte nicht, von Beginn an. Im Hintergrund waren sich die Bayern mit Thomas Tuchel damals schon einig, doch Hoeneß beharrte auf seinem Plan mit Heynckes – zu lange. Tuchel sagte zwischenzeitlich Paris St. Germain zu. Am Ende gab es weder Tuchel noch Heynckes. Es kam eben Kovac, der schon im Herbst 2018 seine erste Krise erlebte und die Kabine verlor.

Weil Kovac doch das Double holte, erledigte sich das Thema Rangnick wieder

Im Frühjahr 2019 dann wurden Führungsspieler in der Chefetage vorstellig. Hoeneß hielt lange zu Kovac – ohne Erfolg. Weshalb sich die Bayern-Bosse um eine Alternative bemüht hatten. Diese hieß Rangnick, der gerade RB Leipzig trainierte und im DFB-Pokal-Finale auf die Bayern traf. Kurz vor dem Endspiel in Berlin und bevor die Münchner am letzten Spieltag die Meisterschaft klarmachten, gab es einen intensiven Austausch für den Fall, dass einer dieser Titel nicht gewonnen werden sollte.

Letztlich gewannen die Kovac-Bayern das Double. Ob mit oder trotz ihm ist zweitrangig. Jedenfalls konnten die Münchner Entscheider, auch aufgrund eines möglichen Unverständnisses der Fans, den Double-Trainer nicht vorzeitig entlassen – womit das Thema Rangnick erledigt war. Genauso, wie es im zweiten Anlauf offiziell seit diesem Donnerstag erledigt ist.

Georg Holzner

Union muss “harte Nuss” Bochum knacken – Spielmacher Stöger im Fokus

Union Berlin muss im Abstiegsduell gegen Bochum das Tor wieder treffen. Laut Trainer Nenad Bjelica geht das nur mit harter Arbeit.

Trainer Nenad Bjelica fordert gegen Bochum absolute Konzentration und Disziplin.

Trainer Nenad Bjelica fordert gegen Bochum absolute Konzentration und Disziplin.

IMAGO/Matthias Koch

Die zweite Hälfte von Union Berlin in Mönchengladbach (0:0) gibt zumindest ein wenig Grund zur Hoffnung, dass die Eisernen ihre Sieglosserie von fünf Spielen am Sonntag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) beim so wichtigen Abstiegsduell gegen den VfL Bochum beenden. “Wir haben dominiert und waren defensiv trotzdem stabil”, fasste Trainer Nenad Bjelica die zweiten 45 Minuten zusammen. Daran müsse seine Mannschaft nun anknüpfen.

Nur der Treffer hat einmal mehr gefehlt. “Wir müssen versuchen, das Tor mit harter Arbeit zu provozieren”, sagte der Coach, der einen klaren Vorteil darin sieht, dass Union noch zwei der verbleibenden drei Partien vor dem eigenen Publikum austrägt: “Wir alle wissen, dass es nicht leicht ist, in der Alten Försterei zu spielen. Mit 20.000 Leuten auf deiner Seite ist es einfacher, die Dinge auf dem Platz umzusetzen.”

Stöger “müssen wir unter Kontrolle bekommen”

Hinzu kommt, dass der VfL Bochum mit nur sieben ergatterten Zählern das schwächste Auswärtsteam der Bundesliga stellt. Und dennoch möchte Bjelica den Kontrahenten nicht unterschätzen. Der Kroate beschrieb die Ruhrpottler als “harte Nuss”, die es zu knacken gelte: “In den letzten zwei Spielen waren sie sehr gut drauf. Auch mit ihrem neuen Trainer haben sie ihren Spielstil nicht verändert.”

Bei den Bochumer steht vor allem Kevin Stöger, an dem Union dem Vernehmen nach weiterhin großes Interesse zeigt, im Rampenlicht. Der kreative Mittelfeldakteur kommt in der laufenden Spielzeit auf 16 Scorerpunkte (sieben Tore, neun Vorlagen). Das ist auch an Bjelica nicht vorbeigegangen. “Er ist ein sehr guter Spieler mit einem feinen linken Fuß. Er schießt alle Standards, ist dabei sehr gefährlich. Ihn müssen wir unter Kontrolle bekommen”, betonte der 52-Jährige.

Union muss sich das Tor “erarbeiten”

Und sein Team selbst benötige auf der anderen Seite weiter Geduld, um die Tore zu erzielen: “Wir haben mit der Mannschaft darüber gesprochen. Wir müssen es uns erarbeiten. Vielleicht härter als die anderen Teams.” In den zurückliegenden acht Begegnungen sind den Eisernen nur drei Treffer gelungen. Das Kardinalproblem im Abstiegskampf.

“Wir brauchen absolute Konzentration und Disziplin. Aber das habe ich bei der Mannschaft im Training gesehen, sie hat sehr fokussiert gearbeitet”, so Bjelica, der bis auf Jakob Busk alle Spieler zur Verfügung hat. Bleibt aus Sicht des 1. FC Union nur zu hoffen, dass die Akteure am Sonntag vor dem Tor genauso fokussiert zu Werke gehen.

Jannis Klimburg

Bochum stark verjüngt – aber mit mieser Serie ohne den Capitano

Mit dem Schwung vom Heimsieg gegen Hoffenheim will der VfL Bochum am Sonntag an der Alten Försterei antreten. Ein wichtiger Offensivspieler aber fehlt – und Kapitän Anthony Losilla ebenfalls.

picture alliance / pepphoto

Gerade noch rechtzeitig zum Endspurt im Kampf um den Klassenerhalt hat der VfL Bochum die Kurve gekriegt. Das 3:2 am vergangenen Freitag gegen Hoffenheim wird neue Kräfte freisetzen und bringt dem Revierklub natürlich frisches Selbstvertrauen nach langen erfolglosen Wochen.

Allerdings: “Der Druck ist hoch, es steht viel auf dem Spiel”, gesteht Trainer Heiko Butscher, der gegen Hoffenheim im dritten Anlauf seinen ersten Sieg als Nachfolger von Thomas Letsch erlebte. Seine Forderung vor dem Treffen mit dem punktgleichen Team aus Köpenick: “Wir müssen unseren Fußball wieder auf dem Platz bekommen, so wie es gegen Hoffenheim der Fall war.”

Gut möglich, dass Butscher am Sonntag die gleiche Startelf ins Rennen schicken wird wie gegen Hoffenheim, mit Ausnahme von Anthony Losilla natürlich. Der Capitano holte sich durch ein ziemlich überflüssiges Foul an der Seitenlinie die zehnte Gelbe Karte ab und wird seinem Team damit im Kellerduell fehlen.

Die Bilanz ohne den Routinier ist für den VfL bisher wenig erbaulich: Seit der Bundesliga-Rückkehr 2021 verpasste Losilla nur sechs Spiele, kein einziges davon gewann der VfL, bei drei Unentschieden und drei Niederlagen.

In Köpenick stehen sich am Sonntag die beiden ältesten Teams der Liga gehenüber. Die eingesetzten Spieler von Union haben einen Schnitt von 28,1 Jahren, Bochum einen von 29,0 Jahren. Allerdings kommen die Gäste diesmal deutlich verjüngt daher, denn für den 38-jährigen Losilla wird ein für Bochumer Verhältnisse relativ junger Kollege einspringen, nämlich Patrick Osterhage, 24 Jahre alt.

Dessen Wechsel zum SC Freiburg steht bereits fest, nachdem er sich in der laufenden Saison beim VfL wie erwünscht weiterentwickelt hat, vor allem unter der Anleitung von Thomas Letsch. Denn längst ist Osterhage, der vor seiner Zeit an der Castroper Straße bei Borussia Dortmund in der zweiten Mannschaft spielte, nicht nur ein starker Ball-Eroberer, sondern setzt auch nach vorne Akzente.

Osterhage also wird das Zentrum stärken, die Position vor ihm nimmt wie immer Kevin Stöger ein, für den es ein nicht ganz einfaches Spiel werden dürfte. Schon im Winter hatte Union Berlin beim VfL angefragt, um den Spielmacher umgehend loszueisen, und auch jetzt sind die Eisernen stark an einer Verpflichtung des Österreichers interessiert.

Dessen Vertrag in Bochum läuft aus; am vergangenen Freitag hat er die Antwort auf Kritiker gegeben, die mutmaßen, er sei mit seinen Gedanken nicht mehr zu 100 Prozent bei seinem aktuellen Arbeitgeber.

Stöger zauberte ganz groß gegen Hoffenheim, praktisch alle gefährlichen Angriffe liefen über ihn, er erzielte zwei Tore und ist mit Abstand bester Bochumer Scorer der aktuellen Saison. Übrigens gefolgt von Takuma Asano, der am Sonntag aufgrund muskulärer Probleme nicht zur Verfügung stehen wird.

Stöger ist dabei ein echter Heimwerker: Gegen Hoffenheim erzielte er bereits seine Saison-Tore sechs und sieben, auswärts ist er allerdings längst nicht so erfolgreich wie daheim. Alle seine Treffer der aktuellen Runde erzielte Stöger an der Castroper Straße, sein letztes Tor auswärts schaffte er am 28. Spieltag der vorigen Saison – pikanter Weise beim 1:1 an der Alten Försterei.

Oliver Bitter

Mainz: Startelf-Garantie für Widmer, Schlüsselfigur Burkardt

Trotz des Ausfalls von vier Stammkräften predigt 05-Coach Henriksen vor der Partie in Heidenheim Zuversicht. Auch der lange nicht mehr in der Anfangself berücksichtigte Kapitän zählt nun zu den großen Hoffnungsträgern.

Bo Henriksen legte sich fest: Silvan Widmer wird Phillipp Mwene ersetzen.

Bo Henriksen legte sich fest: Silvan Widmer wird Phillipp Mwene ersetzen.

IMAGO/Eibner

Nadiem Amiri und Brajan Gruda fehlen gelb-gesperrt, Karim Onisiwo verletzt und Phillipp Mwene nach der Roten Karte im jüngsten Heimspiel gegen Köln (1:1). Die Zwei-Spiele-Sperre für den Österreicher mussten die 05er inzwischen akzeptieren. Zwar belegen die TV-Bilder, dass der Feldverweis nach Mwenes Einsteigen gegen Mark Uth deutlich überzogen war.

Dennoch folgte das DFB-Sportgericht dem Kontrollausschuss sowie dem Live-Eindruck von Schiri Benjamin Brand und entschied auf “rohes Spiel”. Nach Prüfung der Rechtslage gingen die Chancen auf einen erfolgreichen Einspruch aus Mainzer Sicht nahe Null. Bedeutet für Sonntag: Kapitän Silvan Widmer rückt erstmals seit dem 1:8 beim FC Bayern am 25. Spieltag, der bislang letzten Niederlage der Rheinhessen, wieder in die Startelf.

Auch Nelson Weiper ist laut Henriksen schon eine Option für die Anfangself

“Unser Kapitän wird vorangehen und absolut heiß sein”, kündigt Trainer Bo Henriksen an, “und ich hoffe, die anderen sind es auch.” Weitere Einsatzgarantien für Profis, die zuletzt außen vor waren, spricht der Fußballlehrer zwar nicht aus. Unabhängig von konkreten Namen fordert er aber eine Trotzreaktion von den betreffenden Akteuren im Sinne des Teams: “Ich bin zuversichtlich, dass die Spieler, die reinkommen, mir zeigen, dass ich falsch gelegen habe, sie vorher nicht zu bringen.” Und damit beweisen, wovon Henriksen nach eigener Aussage vollauf überzeugt ist: “Wir haben eine wirklich gute Gruppe.”

Auf der Doppel-Sechs werden Tom Krauß die besten Chancen als Amiri-Vertreter eingeräumt, im Dreier-Angriff scheint Jae-sung Lee gesetzt. Beide mussten jüngst gegen Köln jeweils wegen Gelb-Sperre pausieren. In Bezug auf den zusätzlich vakanten Platz in der Offensive lässt sich Henriksen nicht in die Karten schauen. “Wir haben verschiedene Optionen”, so der Coach. Positiv äußert er sich dabei über alle, also sowohl Ludovic Ajorque („er trainiert jede Woche gut“) als auch Marco Richter („er hat in den letzten Wochen gut trainiert“) und Nelson Weiper („auch er ist eine Option von Anfang an“). Die Schlüsselfigur im Angriff bleibt für Henriksen jedoch ohnehin Jonny Burkardt: “Mit ihm haben wir einen Torjäger, der sowieso in jedem Spiel on fire ist. Er glaubt immer daran, zu treffen. Diese Überzeugung ist das Entscheidende.”

“Hauptsache, Jonny kommt regelmäßig in die Box. Da ist er einfach sehr, sehr clever.”

Dass Burkardt seit geraumer Zeit als einzige zentrale Spitze glänzt, ist selbstredend auch Henriksen nicht entgangen: “Er hat das sehr, sehr gut gemacht.” Festgelegt sei der 23-Jährige darauf indes nicht. “Er kann verschiedene Rollen spielen – Hauptsache, er kommt regelmäßig in die Box. Denn da ist Jonny einfach sehr, sehr clever und sehr gefährlich.” Darauf wird sich Heidenheim also in jedem Fall schon mal einstellen können. Doch auf die genaue Formation der Mainzer Offensive bis auf weiteres nicht.

Thiemo Müller

Reus verlässt den BVB im Sommer

Im Sommer endet eine Ära bei Borussia Dortmund: Marco Reus verlässt den Klub nach zwölf Jahren – will seine Karriere aber offenbar noch nicht beenden.

Zieht das BVB-Trikot im Sommer aus: Marco Reus.

Zieht das BVB-Trikot im Sommer aus: Marco Reus.

IMAGO/Jan Huebner

Marco Reus und Borussia Dortmund haben schon einige Wochen vor dem Ende der Saison Klarheit geschaffen: Der langjährige Kapitän verlängert seinen auslaufenden Vertrag beim BVB diesmal nicht um ein weiteres Jahr, sondern verlässt den BVB im Sommer. Darauf hätten sich beide Seiten “gemeinsam verständigt”, heißt es am Freitag in einer Klubmitteilung.

“Ich bin unheimlich dankbar und stolz für diese besondere Zeit bei meinem Klub Borussia Dortmund. Mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich in diesem Verein verbracht und jeden Tag genossen, obwohl es natürlich auch schwierige Momente gab. Ich weiß heute schon, dass mir der Abschied am Saisonende schwerfallen wird”, sagt Reus, der 2012 aus Gladbach zum BVB zurückgekehrt war und bis heute blieb.

Aufhören will der 34-Jährige offenbar noch nicht. “Zum Ende seiner beeindruckenden Karriere” suche er “jetzt nochmal ein neues Abenteuer”, schreibt der BVB.

Weitere Informationen folgen …

Schmidt scheut sich nicht mehr, das Wort Europa in den Mund zu nehmen

Mit dem 1:0 beim SV Darmstadt sind gleich zwei Schicksale besiegelt worden: Darmstadt kickt in der kommenden Saison wieder in der 2. Liga, der FCH bleibt. Es kommt aber noch besser für den FCH: zwei Punkte ist man nur noch hinter dem achten Platz, der am Ende für Europa reichen könnte. Europapokal in Heidenheim, längst keine Utopie mehr.

Frank Schmidt führte den 1. FC Heidenheim bis in die Bundesliga.

Frank Schmidt führte den 1. FC Heidenheim bis in die Bundesliga.

IMAGO/Sportfoto Rudel

Wenn man Heidenheims Trainer Frank Schmidt zu Beginn dieses Jahres auf die Möglichkeit angesprochen hätte, in der kommenden Saison mit dem FCH womöglich in Europa kicken zu können, dann hätte er womöglich den Presseraum wortlos verlassen oder aber, was wahrscheinlicher wäre, den Fragesteller höflich nach dessen Geisteszustand gefragt. Vor dem 32. Spieltag allerdings sind diese Fragen tatsächlich Realität geworden, denn mit nur noch zwei Punkten Rückstand auf den FC Augsburg und die TSG Hoffenheim ist die Möglichkeit durchaus gegeben, im kommenden Jahr international vertreten zu sein – gedankt sei es den europäischen Auftritten der Bayern, Dortmund und nicht zuletzt Leverkusen.

“Wir beschränken uns nicht im Kopf.” Das ist einer der Lieblingssätze Schmidts, den er bereits zu Zweitligazeiten regelmäßig von sich gab. Und er wird es bleiben. “Wenn es so kommt, dann nehmen wir es gerne an, da brauchen wir doch nicht drumherum reden. Wir werden alles dafür tun, die bestmögliche Platzierung am Ende innezuhaben”, sagt Schmidt deutlich. “Wenn das dann einen dieser Plätze beinhaltet, dann melden wir den Verein nicht ab und sagen: Das wollen wir nicht. Dann nehmen wir das so an und würden uns mega freuen.”

Erneut bilden die Heidenheimer den Abschluss des Spieltags, empfangen am Sonntagabend (19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) den FSV Mainz, der den Relegationsplatz 16 innehat. Gut möglich ist es auch, dass der FCH bereits vor dem Anpfiff endgültige Gewissheit hat, in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga antreten zu dürfen – wenngleich es diese eigentlich nicht mehr braucht. “Wir haben es ja gesagt: mit 37 Punkten hast du den Klassenerhalt sicher, das wird so kommen. Wir haben den Moment genossen, ein besonderer Moment mit unseren Fans”, blickte Schmidt noch einmal auf den Sieg in Darmstadt zurück, der die Punkte 35, 36 und 37 zur Folge hatte. Zwei Tage habe man das genossen, dann sei man aber wieder in die Vorbereitung auf das anstehende Heimspiel eingestiegen. Gegen Mainz abermals nicht mit dabei sein wird Marnon Busch, bei Adrian Beck und Lennard Maloney wollte Schmidt einen Einsatz noch nicht hundertprozentig ausschließen.

Pflicht erfüllt, nun darf die Kür folgen

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Dass man nun nach dem Klassenerhalt nachlassen werde, darüber brauche sich niemand Sorgen machen, sagt Schmidt, schon gar nicht angesichts der angesprochenen Tabellensituation, die doch so viel Fantasie bietet. “Es gibt noch drei Spiele und wir möchten die bestmögliche Punktzahl und die bestmögliche Platzierung am Ende”, gibt Schmidt die Marschroute vor. Ohnehin werde Schmidt aktuell viel zu viel übers Feiern gesprochen, schließlich gebe es noch neun Punkte zu vergeben, nach denen man strebe. “Hinterher gibt es noch genug Zeit zu feiern”, sagt er. “Natürlich fällt Vieles leichter, wenn du dein Ziel erreicht hast mit dem Klassenerhalt – und das haben wir erreicht. Der wird demnächst schnell feststehen”, wiederholt Heidenheims Trainer deutlich und spielt auch auf die Partien der Konkurrenz im Tabellenkeller an, die sich noch gegenseitig Punkte abnehmen und so den Heidenheimer Weg ebnen werden.

Wenngleich Schmidt die um sein Team aufkommende Euphorie in gewisser Weise verstehen kann. Es sei durchaus etwas Besonderes, dass man als Aufsteiger nach 31 Spieltagen bereits den Klassenerhalt geschafft habe. “Aber wir wollen jetzt einfach weitermachen und das möchte ich von meiner Mannschaft sehen.” Man müsse nur auf die vergangenen Jahre blicken, in denen der FCH in den letzten Saisonspielen, wenn es für ihn selbst um nicht mehr viel gegangen war, weiter Vollgas gegeben hatte. Da seien Mannschaften in Heidenheim noch abgestiegen, erinnert sich der FCH-Trainer. “Jeder weiß, wofür wir stehen und wofür ich stehe. Ich kann es nicht ertragen, wenn irgendwas ein Selbstzweck ist”, so Schmidt. Wenn man die eigenen Ziele erreiche, habe das immer auch eine Konsequenz für die Gegner, “aber wir sollten schon so ehrlich sein, dass nach 34 Spieltagen jeder für sich selbst verantwortlich war”, so Schmidt.

Schmidt und Sanwald glauben gemeinsam an das Unmögliche – immer wieder

Schmidt und sein Vorstandsvorsitzender und Freund, Holger Sanwald, können gemeinsam auf eine märchenhafte Geschichte zurückblicken. Wenn man sich mit dieser nur kurz befasst, dann verwundert es fast nicht, dass man nun im beschaulichen Heidenheim das Wort “Europapokal” in den Mund nehmen darf. So schließt dann auch Schmidt: “Was uns im letzten Jahrzehnt alles gesagt worden ist, was nicht möglich ist, wenn wir dieses oder jenes nicht machen – wenn diese Leute Recht behalten hätten, dann wären wir immer noch in der Oberliga.”

Er und sein Team, aber natürlich auch die Verantwortlichen im Verein, versuchten immer, das Maximum herauszuholen. “Wir sind nah dran an diesen Plätzen und wenn wir gut punkten, dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch den einen oder anderen Platz gut machen. Wenn das dann berechtigt, europäisch mitspielen, dann ist das so und dann nehmen wir das gerne an”, sagt Schmidt. Europapokal in Heidenheim ist keine Utopie mehr. Es hört sich dem geschafften Klassenerhalt fast schon wie ein neues Ziel auf den letzten Metern der Saison an. Es wäre dann das zweite Mal in der Saison, dass das Unmögliche möglich gemacht würde.

Timo Lämmerhirt