“Das ist das, was zählt”: Schlotterbecks Lob nach “fürchterlichem” Eigentor

Neue Besen kehren bekanntlich gut, in Bochum war das nun nicht ganz der Fall, denn auch gegen Heidenheim reichte es trotz Trainerwechsel nicht zum Sieg – und dennoch freute man sich über einen Punkt der Moral.

Krummes Ding: Keven Schlotterbeck (li.) unterläuft das Eigentor zum zwischenzeitlichen 0:1.

Krummes Ding: Keven Schlotterbeck (li.) unterläuft das Eigentor zum zwischenzeitlichen 0:1.

IMAGO/Treese

“Am Ende ist es ein Punkt, den nehmen wir gerne mit. Ob der glücklich ist oder nicht, interessiert mich ehrlich gesagt nicht”, sagte Heidenheims Trainer Frank Schmidt nach dem 1:1 in Bochum bei Sky und bestätigte damit indirekt, dass es ein schmeichelhaftes Remis für den Aufsteiger gewesen war. Allein schon der Blick auf die Torschuss-Statistik belegt das, da hatte der VfL mehr als doppelt so viele abgegeben als die Schwaben (23:11).

“Wir waren vorne nicht konsequent”, monierte Kapitän Anthony Losilla: “Wir hatte gute Chancen, leider aber nur ein Tor gemacht. Das war schon unglücklich.” Und dann hätten die Heidenheimer auch noch “aus dem Nichts” ein Tor gemacht – und das war sogar noch ein Eigentor von Keven Schlotterbeck, dem kurioserweise das besondere Kunststück, ein Eigentor und ein Tor im selben Spiel zu erzielen, in dieser Saison bereits zum zweiten Mal glückte – beim 2:2 gegen Mainz am 9. Spieltag war das schon der Fall.

“Der Ball tickt kurz vor ihm auf, das war schwierig”, nahm Losilla seinen Mitspieler in Schutz, doch Schlotterbeck selbst wusste um seinen Bock. “Er prallt vor mir auf, ich muss ihn mit dem Bein treffen und das Ding wegjagen – am besten noch übers Stadion” sagte er rückblickend und stellte fest: “Ich treffe den Ball nicht, der prallt ab – Tor. Was soll ich großartig dazu sagen, es ist fürchterlich.”

Bochums Sieglosserie hat Bestand

Dass das Debüt von Interimstrainer Heiko Butscher schlussendlich nicht gänzlich in die Hose ging, war aber auch Schlotterbeck geschuldet, hatte der 26-Jährige doch in der 90. Minuten mit seinem Kopfballtreffer noch das 1:1 gerettet. “Das ist das, was zählt. Wir haben Moral bewiesen”, sagte er dann auch freudestrahlend. Und verwies dabei auf die “schweren letzten Monate”, in denen “wir immer das Gegentor” noch kassiert haben. “Es waren schon harte Dämpfer in den letzten Wochen. Wir haben gute Spiele gemacht, diese aber nie über die Zeit gebracht.”

Schlotterbeck spielte damit auf die Tatsache an, dass man in der laufenden Runde schon neunmal eine eigene Führung verspielt hat. Diesmal aber “bekommen wir es für uns gedreht”, freute sich der Abwehrmann. Und dennoch: Der Punkt war weniger als erhofft, zumal Verfolger Mainz im Parallelspiel Hoffenheim 4:1 besiegte und den Abstand auf Bochum auf nurmehr einen Punkt verkürzte. Für Losilla ist das nicht allzu wichtig, denn ihm war eh klar, “dass wir bis zum Schluss kämpfen müssen, um unser Ziel zu erreichen.”

Üble Negativserie: Letsch erstmals angezählt

Nach fünf Niederlagen in den sechs jüngsten Bundesligaspielen ist Bochums Vorsprung auf die Abstiegsränge arg geschmolzen. Erstmals wird auch Cheftrainer Thomas Letsch ernsthaft hinterfragt.

Thomas Letsch ist beim VfL Bochum erstmals angezählt.

Thomas Letsch ist beim VfL Bochum erstmals angezählt.

DeFodi Images via Getty Images

Die nackten Zahlen klingen gar nicht mal so erschütternd. Platz 15 und drei Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz, das ist aus Bochumer Sicht im Grunde genommen eine zufriedenstellende Ausgangsposition. Der Trend aber und vor allem die beiden jüngsten Vorstellungen gegen Darmstadt und in Köln sprechen eine ganz andere Sprache.

Aus der Blamage in Darmstadt nicht gelernt

Die Blamage vor einer Woche gegen Schlusslicht Darmstadt war schon ziemlich groß, als nach einer 2:0-Führung letztlich nur ein 2:2 heraussprang. Noch schlimmer war dann die komplette Bauchlandung in Köln nach einer 1:0-Führung bis in die Nachspielzeit. Damit ist Bochum im Abstiegskampf der große Verlierer des Wochenendes.

Vergangene Vfl-Spiele

Das Nervenkostüm der Spieler scheint arg angekratzt, Ratlosigkeit macht sich breit. Allerdings: Genau die gleiche Mannschaft hat ja Mitte Februar noch die Bayern mit 3:2 bezwungen und war sogar bis auf Platz 11 der Tabelle geklettert. Quasi nur noch Formsache schien es, den erneuten Klassenerhalt einzutüten.

Schlimmste Serie unter Letsch

“Vielleicht haben wir da schon gedacht, das Ding ist durch”, überlegte Kapitän Anthony Losilla am späten Samstagabend als Gast im ZDF-Sportstudio. Denn im Anschluss an den Erfolg über den Rekordmeister folgte die schlimmste Serie in der Amtszeit von Trainer Thomas Letsch, der im September 2022 als Nachfolger von Thomas Reis an der Castroper Straße übernommen hatte.

Aus bedrängter Situation führte Letsch das Team sodann zum Klassenerhalt, heftige Rückschläge waren auch damals eingepreist. Doch der Trainer überzeugte mit seiner besonnenen Art, behielt in jeder Situation die Ruhe und fand Lösungen.

Auch das werden die Bochumer Verantwortlichen in der aktuellen Krisensituation natürlich berücksichtigen. Bleibt Letsch also im Amt? In Köln machte er sich mit seiner Aufstellung und seinen Wechseln angreifbar. Allerdings: Ohne die üble Nachspielzeit hätte Bochum den Sieg eingefahren, und dann wäre Letsch für seine Maßnahmen sicherlich gefeiert worden.

Nun wird in Bochum mit und über den Trainer gesprochen. Die volle Rückendeckung blieb nach der Bauchlandung in Köln zunächst aus, Sport-Chef Patrick Fabian kündigte eine umgehende Aufarbeitung und natürlich viele Gespräche an.

Letsch nicht unumstritten – Fehlen die Möglichkeiten?

Die Führung wird beraten, ob sie Letsch die Wende weiterhin zutraut, oder mit einem Trainerwechsel noch mal einen neuen Impuls setzt. Viele Möglichkeiten bieten sich nicht, um den Schalter umzulegen. Und zumindest Teile der Fans haben den Glauben auf Besserung verloren, in den Sozialen Medien wird heftig über eine Ablösung des Trainers diskutiert.

Fabian selbst hat als Profi und Funktionär in Bochum schon viele Tiefen und einige Höhen mitgemacht, und in der Regel steht die Führung des VfL für besonnenes Handeln. Auch jetzt werden sich die Verantwortlichen nicht treiben lassen, davon ist auszugehen.

Darf Letsch also im Heimspiel gegen Aufsteiger Heidenheim am Samstag (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) noch mitwirken, um die Trendwende zu bewerkstelligen? Eine Stellungnahme des Klubs erfolgte am Sonntag nicht, aber die Zweifel bleiben natürlich.

Vergangenes Jahr ähnlich – und doch so anders

Kurios übrigens, dass die Ausgangsposition vor einem Jahr ganz ähnlich aussah. Nach 28 Spielen lag der VfL ebenfalls auf Rang 15, damals wie heute mit drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz, den der VfB Stuttgart innehatte.

Und doch war der Eindruck ein ganz anderer, auch wenn der VfL in der vorigen Saison einige bedenkliche Phasen durchmachte. Eine ähnlich schlimme Serie aber blieb dem Team bisher erspart.

Aktuell aber ist der letzte Erfolg, der letzte überzeugende Auftritt schon arg in Vergessenheit geraten. Auch deshalb ist Letsch momentan natürlich angezählt.

Oliver Bitter