Heidenheim will nicht nur Partycrasher bei der Streich-Party werden

Wenn man den Klassenerhalt als Pflicht bezeichnen möchte, Heidenheims Trainer Frank Schmidt würde sicherlich widersprechen, dann käme nun die Kür. Mit dem Duell beim SC Freiburg beginnt die Zwei-Wochen-Tour, in der es für die Brenzkicker tatsächlich noch um die Teilnahme am internationalen Geschäft geht.

Kann im Endspurt aus dem Vollen schöpfen: Heidenheim-Coach Frank Schmidt

Kann im Endspurt aus dem Vollen schöpfen: Heidenheim-Coach Frank Schmidt

IMAGO/imagebroker

Und fast schon standesgemäß bei Schmidt-Mannschaften sind gegen Ende der Saison nahezu alle Akteure einsatzbereit. Einzig Marnon Busch wird fehlen, dessen Saison, bedingt durch zahlreiche Verletzungen, es ohnehin nicht gewesen ist. “Es hat sich nichts geändert, man spielt, um zu gewinnen”, sagt Frank Schmidt. Und das möchte man natürlich auch in Freiburg.

Es ist aber nicht nur für die Heidenheimer ein besonderes Spiel, Schmidt blickt auch auf sein Pendant Christian Streich, der seinen Abschied in Freiburg bereits verkündet hatte und dessen letztes Heimspiel die Partie gegen Heidenheim sein wird. “Ich schätze ihn natürlich sehr, das dürfte bekannt sein. Trotzdem wird es in den 90 Minuten um etwas gehen. Die Freiburger stehen derzeit auf dem siebten Platz und möchten diesen verteidigen, um im nächsten Jahr international dabei zu sein. Wir werden, wie im Hinspiel auch, versuchen, die Freiburger zu ärgern”, sagt Schmidt.

Dabei weiß er natürlich, dass man nur drei Zähler hinter den Breisgauern platziert ist. Es geht somit nicht nur darum, Partycrasher bei der Streich-Party zu werden, es geht selbst noch um eine ganze Menge. Wenngleich Schmidt den größten Respekt vor Streich hat, wie er bereitwillig kundtut. “Er steht für etwas, er ist anders und das gefällt mir. Es wird schwierig, Christian Streich zu ersetzen. Es ist möglich, aber es wird anders”, sagt Schmidt. Der FCH-Trainer hat dann noch eine Anekdote preisgegeben: So war er schon mal der Chauffeur von Streich, hat ihn nach einer Trainertagung zum Bahnhof gefahren. “Das war mir eine Ehre”, verrät Schmidt.

Streich-Faktor spielt eine Rolle

Schmidt geht davon aus, dass die Komponente, dass Christian Streich sein letztes Heimspiel als Trainer des SCF bestreiten wird, zusätzliche Kräfte bei den Gastgebern auslösen dürfte. “Uns ist durchaus bewusst, dass die Freiburger ihrem Trainer ein gebührendes Abschiedsgeschenk zu Hause bereiten wollen und da müssen wir bereit sein, voll dagegenzuhalten”, sagt Heidenheims Trainer. Vor allem an die Leistung aus dem Hinspiel, was man am Ende noch gedreht hatte, möchte man anknüpfen. Sollte der FCH gewinnen, würde er an Freiburg vorbeiziehen, als “Endspiel um Europa” möchte Heidenheims Trainer diese Partie aber nicht betrachten, da es schließlich auch danach noch ein Spiel zu spielen gilt. “Danach haben wir noch keine Endplatzierung.”

Dass man am vergangenen Wochenende nun endgültig den Klassenerhalt dingfest gemacht hat, spielte für die Trainingswoche keine Rolle mehr, da man, wie Schmidt wiederholt, sich bereits nach dem Sieg in Darmstadt sicher war, auch im kommenden Jahr in der Bundesliga antreten zu dürfen. “Das war dann nur noch die Bestätigung, da hat sich nicht mehr viel geändert. Meine Aufgabe als Trainer war es, die Mannschaft darauf vorzubereiten, dass die Saison noch nicht zu Ende ist – und das habe ich gemacht”, so Schmidt. Intensität und Stimmung seien hochgehalten worden. “Wir haben konsequent und konzentriert gearbeitet, wie wir es sonst auch gemacht haben”, sagt Schmidt

Schmidt lobt: Kleindienst hat neue Benchmark gesetzt

Das Fehlen von Tim Kleindienst verändert das Spiel der Heidenheimer. Dass der Topstürmer des FCH eine Lücke aufreißt, daraus macht Schmidt keinen Hehl. “Tim hat in der Bundesliga ein paar Benchmarks gesetzt als Stürmer, was Kopfballduelle betrifft, was Sprints betrifft, was die Defensivarbeit betrifft. Man darf nicht vergessen, dass er im Vergleich zu anderen Vereinen viel mehr in der Defensive arbeiten muss – und trotzdem hat er seine Tore gemacht”, zählt Schmidt einige Faktoren auf, die Kleindienst so wichtig für den FCH machen.

Kleindienst zu ersetzen sei “nahezu unmöglich”, da man keinen vergleichbaren Spielertypen habe. Man verfüge aber über andere Spieler, die diese Rolle anders interpretieren können. “Wir müssen es etwas anders spielen”, sagt Schmidt, und darauf habe er die Mannschaft unter der Woche vorbereitet. Fakt ist: Tore schießen müssen definitiv andere.

Timo Lämmerhirt

“Harry, hol schon mal den Wagen”: FCH-Coach Schmidt war Chauffeur von Streich

Gemeinsame Erlebnisse auf Trainer-Tagungen 10.05.2024

“Harry, hol schon mal den Wagen”: FCH-Coach Schmidt war Chauffeur von Streich

2:30Am Wochenende treffen Frank Schmidt und Christian Streich ein letztes Mal an der Seitenlinie aufeinander. Vor dem Duell zwischen Freiburg und Heidenheim sprach der FCH-Coach über die gemeinsamen Erlebnisse und darüber, dass jeder Trainer einer Tages ersetzbar sei.

Kleindienst hakt seine EM-Teilnahme ab – also fast …

Tim Kleindienst ist der Torjäger der Bundesliga-Endphase: Nach seinen Doppelpacks in Stuttgart und gegen die Bayern an den Spieltagen 27 und 28 traf er nun auch zum 1:1 gegen Mainz und steht bei zwölf Saisontoren. Das sorgt beim Aufsteiger für die Frage: Reicht das vielleicht sogar noch für die Heim-EM?

Tim Kleindienst kommt spät in der Saison richtig in Fahrt.

Tim Kleindienst kommt spät in der Saison richtig in Fahrt.

IMAGO/Michael Weber

So viel Einigkeit, das muss am Nachnamen liegen. “Das Kleindienst-Tor, das habt ihr hier wahrscheinlich schon zehnmal in dieser Saison gesehen”, rief Martin Schmidt, der Mainzer Sportdirektor, in der Mixed Zone nach dem Spiel den einheimischen Reportern zu, “es ist irgendwo durch nichts zu verteidigen, weil der Kerl einfach gut ist!” Keine fünf Minuten später sagte Frank Schmidt, der Heidenheimer Trainer, genau das gleiche: “Wenn der Ball so reinkommt, dann ist das gegen Tim nicht mehr zu verteidigen.”

Burkardts Ärger über vergebene Top-Chance

Der gelobte Mann musste schmunzeln, als er wiederum zehn Minuten später vom kicker gefragt wurde, wann genau er denn wisse, dass er ihn einnetzen wird, wenn der Ball in den Sechzehner geflankt wird wie am Sonntag in der 65. Minute von Omar Haktab Traoré. “Wissen tue ich es erst, wenn der Ball im Tor ist, denn am Ende muss ich ihn ja irgendwie noch reinmachen”, gab Kleindienst zu, “mich freut es einfach, dass wir nach Flanken jetzt treffen, denn das war am Anfang der Saison noch nicht so häufig.” Genau das kommt ihm, dem 1,94 Meter großen Kopfballkönner, natürlich entgegen: “Es ist schön, wenn man den Stürmertypen wie mich so einsetzt.”

Nur Undav und Beier trafen öfter als Kleindienst

Einen Stürmertypen wie ihn gibt es im Deutschland der Zwanziger Jahre nicht mehr allzu häufig. Kleindienst ist am Boden wie in der Luft gut anspielbar, beweglich und vor dem Tor einfach das, was du sein musst: ein Knipser. Seine jetzt zwölf Saisontore bringen ihn auf Platz 7 der Bundesliga-Torjägerliste. Im Ranking der Deutschen sind nur Deniz Undav (Stuttgart, 18 Tore) und Maximilian Beier (Hoffenheim, 13) vor ihm, Niclas Füllkrug (BVB) und Marvin Ducksch (Bremen) stehen ebenfalls bei einem Dutzend. Bei den Vorlagen sind die anderen vier alle stärker, hier liegt der Heidenheimer bei vier.

Das wirft natürlich die Frage auf, ob sich Kleindienst, mit 28 im besten Fußballer-Alter, vielleicht sogar noch die Hoffnung machen darf, bei der Heim-EM im Juni dabei zu sein. Eben weil er sich von der aktuellen Form her hinter keinem Konkurrenten verstecken muss? Es war ihm anzusehen, dass ihn diese Frage nicht stört und nicht unangenehm ist, als er da in seinem Heidenheimer Klassenerhalts-T-Shirt so entspannt und gelöst dastand. Er begann sein Statement erst mal realistisch: “Ich glaube eher, dass ich in den Urlaub fliegen werde”, erklärte er, “du hast Deniz Undav, Niclas Füllkrug und Kai Havertz, die im Kader sein werden, und vier wird er jetzt nicht mitnehmen. Dann hätte er mich doch mal früher einladen müssen.” Er – das ist, klar, Bundestrainer Julian Nagelsmann.

Kleindienst hakt seine EM-Teilnahme also ab, also eigentlich, also fast, denn wo sollte träumen in dieser Saison erlaubt sein, wenn nicht auf der Ostalb? Deshalb fügte er sicherheitshalber noch hinzu: “Natürlich wäre es eine Wahnsinns-Geschichte für mich!” Dabei zu sein bei der EM. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Mit zwölf Toren hat Kleindienst gar nicht gerechnet

Selbst wenn es mit der DFB-Beförderung nichts werden sollte – das mit der Wahnsinns-Geschichte ist Kleindienst sowieso schon gelungen. Der Mann, der den FCH in der 10. Minute der Nachspielzeit des 34. Spieltags 22/23 in Regensburg erst ins Oberhaus schoss, war sich gar nicht sicher, dass es für ihn und sein Team in diesem Oberhaus auch gut laufen würde. Und das, obwohl er mit 25 Treffern als Zweitliga-Top-Torjäger aufgestiegen war. “Es hätte ja auch sein können, ich schieße hier nur zwei Tore. Wir sind ja nur Aufsteiger”, betonte er, “da bin ich umso glücklicher, dass ich jetzt bei zwölf stehe, denn das hatte ich vor der Saison nicht geglaubt.”

Der Traum vom Dreierpack gegen Köln

Und wie viele werden es am Saisonende sein? Die Zahl 15 wirft Kleindienst mal als schönes nächstes Ziel in den Raum, bevor ihm aber einfällt, dass er am nächsten Samstag gelbgesperrt in Freiburg fehlen wird, wofür er sich beim Team entschuldigte: “Das war unnötig.” Also müsste schon ein Dreierpack her im Saisonfinale gegen die dann vielleicht schon abgestiegenen Kölner. Wieder schmunzelt Kleindienst, nicht wegen den Kölnern, sondern weil er sich auch hier den Traum erlaubt. Mit einem breiten Grinsen sagt er: “Das wäre natürlich geil!”

Bernd Salamon

Schmidt scheut sich nicht mehr, das Wort Europa in den Mund zu nehmen

Mit dem 1:0 beim SV Darmstadt sind gleich zwei Schicksale besiegelt worden: Darmstadt kickt in der kommenden Saison wieder in der 2. Liga, der FCH bleibt. Es kommt aber noch besser für den FCH: zwei Punkte ist man nur noch hinter dem achten Platz, der am Ende für Europa reichen könnte. Europapokal in Heidenheim, längst keine Utopie mehr.

Frank Schmidt führte den 1. FC Heidenheim bis in die Bundesliga.

Frank Schmidt führte den 1. FC Heidenheim bis in die Bundesliga.

IMAGO/Sportfoto Rudel

Wenn man Heidenheims Trainer Frank Schmidt zu Beginn dieses Jahres auf die Möglichkeit angesprochen hätte, in der kommenden Saison mit dem FCH womöglich in Europa kicken zu können, dann hätte er womöglich den Presseraum wortlos verlassen oder aber, was wahrscheinlicher wäre, den Fragesteller höflich nach dessen Geisteszustand gefragt. Vor dem 32. Spieltag allerdings sind diese Fragen tatsächlich Realität geworden, denn mit nur noch zwei Punkten Rückstand auf den FC Augsburg und die TSG Hoffenheim ist die Möglichkeit durchaus gegeben, im kommenden Jahr international vertreten zu sein – gedankt sei es den europäischen Auftritten der Bayern, Dortmund und nicht zuletzt Leverkusen.

“Wir beschränken uns nicht im Kopf.” Das ist einer der Lieblingssätze Schmidts, den er bereits zu Zweitligazeiten regelmäßig von sich gab. Und er wird es bleiben. “Wenn es so kommt, dann nehmen wir es gerne an, da brauchen wir doch nicht drumherum reden. Wir werden alles dafür tun, die bestmögliche Platzierung am Ende innezuhaben”, sagt Schmidt deutlich. “Wenn das dann einen dieser Plätze beinhaltet, dann melden wir den Verein nicht ab und sagen: Das wollen wir nicht. Dann nehmen wir das so an und würden uns mega freuen.”

Erneut bilden die Heidenheimer den Abschluss des Spieltags, empfangen am Sonntagabend (19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) den FSV Mainz, der den Relegationsplatz 16 innehat. Gut möglich ist es auch, dass der FCH bereits vor dem Anpfiff endgültige Gewissheit hat, in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga antreten zu dürfen – wenngleich es diese eigentlich nicht mehr braucht. “Wir haben es ja gesagt: mit 37 Punkten hast du den Klassenerhalt sicher, das wird so kommen. Wir haben den Moment genossen, ein besonderer Moment mit unseren Fans”, blickte Schmidt noch einmal auf den Sieg in Darmstadt zurück, der die Punkte 35, 36 und 37 zur Folge hatte. Zwei Tage habe man das genossen, dann sei man aber wieder in die Vorbereitung auf das anstehende Heimspiel eingestiegen. Gegen Mainz abermals nicht mit dabei sein wird Marnon Busch, bei Adrian Beck und Lennard Maloney wollte Schmidt einen Einsatz noch nicht hundertprozentig ausschließen.

Pflicht erfüllt, nun darf die Kür folgen

mehr zum thema

Dass man nun nach dem Klassenerhalt nachlassen werde, darüber brauche sich niemand Sorgen machen, sagt Schmidt, schon gar nicht angesichts der angesprochenen Tabellensituation, die doch so viel Fantasie bietet. “Es gibt noch drei Spiele und wir möchten die bestmögliche Punktzahl und die bestmögliche Platzierung am Ende”, gibt Schmidt die Marschroute vor. Ohnehin werde Schmidt aktuell viel zu viel übers Feiern gesprochen, schließlich gebe es noch neun Punkte zu vergeben, nach denen man strebe. “Hinterher gibt es noch genug Zeit zu feiern”, sagt er. “Natürlich fällt Vieles leichter, wenn du dein Ziel erreicht hast mit dem Klassenerhalt – und das haben wir erreicht. Der wird demnächst schnell feststehen”, wiederholt Heidenheims Trainer deutlich und spielt auch auf die Partien der Konkurrenz im Tabellenkeller an, die sich noch gegenseitig Punkte abnehmen und so den Heidenheimer Weg ebnen werden.

Wenngleich Schmidt die um sein Team aufkommende Euphorie in gewisser Weise verstehen kann. Es sei durchaus etwas Besonderes, dass man als Aufsteiger nach 31 Spieltagen bereits den Klassenerhalt geschafft habe. “Aber wir wollen jetzt einfach weitermachen und das möchte ich von meiner Mannschaft sehen.” Man müsse nur auf die vergangenen Jahre blicken, in denen der FCH in den letzten Saisonspielen, wenn es für ihn selbst um nicht mehr viel gegangen war, weiter Vollgas gegeben hatte. Da seien Mannschaften in Heidenheim noch abgestiegen, erinnert sich der FCH-Trainer. “Jeder weiß, wofür wir stehen und wofür ich stehe. Ich kann es nicht ertragen, wenn irgendwas ein Selbstzweck ist”, so Schmidt. Wenn man die eigenen Ziele erreiche, habe das immer auch eine Konsequenz für die Gegner, “aber wir sollten schon so ehrlich sein, dass nach 34 Spieltagen jeder für sich selbst verantwortlich war”, so Schmidt.

Schmidt und Sanwald glauben gemeinsam an das Unmögliche – immer wieder

Schmidt und sein Vorstandsvorsitzender und Freund, Holger Sanwald, können gemeinsam auf eine märchenhafte Geschichte zurückblicken. Wenn man sich mit dieser nur kurz befasst, dann verwundert es fast nicht, dass man nun im beschaulichen Heidenheim das Wort “Europapokal” in den Mund nehmen darf. So schließt dann auch Schmidt: “Was uns im letzten Jahrzehnt alles gesagt worden ist, was nicht möglich ist, wenn wir dieses oder jenes nicht machen – wenn diese Leute Recht behalten hätten, dann wären wir immer noch in der Oberliga.”

Er und sein Team, aber natürlich auch die Verantwortlichen im Verein, versuchten immer, das Maximum herauszuholen. “Wir sind nah dran an diesen Plätzen und wenn wir gut punkten, dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch den einen oder anderen Platz gut machen. Wenn das dann berechtigt, europäisch mitspielen, dann ist das so und dann nehmen wir das gerne an”, sagt Schmidt. Europapokal in Heidenheim ist keine Utopie mehr. Es hört sich dem geschafften Klassenerhalt fast schon wie ein neues Ziel auf den letzten Metern der Saison an. Es wäre dann das zweite Mal in der Saison, dass das Unmögliche möglich gemacht würde.

Timo Lämmerhirt

Schmidt scheut sich nicht mehr, das Wort Europa in den Mund zu nehmen

Mit dem 1:0 beim SV Darmstadt sind gleich zwei Schicksale besiegelt worden: Darmstadt kickt in der kommenden Saison wieder in der 2. Liga, der FCH bleibt. Es kommt aber noch besser für den FCH: zwei Punkte ist man nur noch hinter dem achten Platz, der am Ende für Europa reichen könnte. Europapokal in Heidenheim, längst keine Utopie mehr.

Frank Schmidt führte den 1. FC Heidenheim bis in die Bundesliga.

Frank Schmidt führte den 1. FC Heidenheim bis in die Bundesliga.

IMAGO/Sportfoto Rudel

Wenn man Heidenheims Trainer Frank Schmidt zu Beginn dieses Jahres auf die Möglichkeit angesprochen hätte, in der kommenden Saison mit dem FCH womöglich in Europa kicken zu können, dann hätte er womöglich den Presseraum wortlos verlassen oder aber, was wahrscheinlicher wäre, den Fragesteller höflich nach dessen Geisteszustand gefragt. Vor dem 32. Spieltag allerdings sind diese Fragen tatsächlich Realität geworden, denn mit nur noch zwei Punkten Rückstand auf den FC Augsburg und die TSG Hoffenheim ist die Möglichkeit durchaus gegeben, im kommenden Jahr international vertreten zu sein – gedankt sei es den europäischen Auftritten der Bayern, Dortmund und nicht zuletzt Leverkusen.

“Wir beschränken uns nicht im Kopf.” Das ist einer der Lieblingssätze Schmidts, den er bereits zu Zweitligazeiten regelmäßig von sich gab. Und er wird es bleiben. “Wenn es so kommt, dann nehmen wir es gerne an, da brauchen wir doch nicht drumherum reden. Wir werden alles dafür tun, die bestmögliche Platzierung am Ende innezuhaben”, sagt Schmidt deutlich. “Wenn das dann einen dieser Plätze beinhaltet, dann melden wir den Verein nicht ab und sagen: Das wollen wir nicht. Dann nehmen wir das so an und würden uns mega freuen.”

Erneut bilden die Heidenheimer den Abschluss des Spieltags, empfangen am Sonntagabend (19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) den FSV Mainz, der den Relegationsplatz 16 innehat. Gut möglich ist es auch, dass der FCH bereits vor dem Anpfiff endgültige Gewissheit hat, in der kommenden Saison wieder in der Bundesliga antreten zu dürfen – wenngleich es diese eigentlich nicht mehr braucht. “Wir haben es ja gesagt: mit 37 Punkten hast du den Klassenerhalt sicher, das wird so kommen. Wir haben den Moment genossen, ein besonderer Moment mit unseren Fans”, blickte Schmidt noch einmal auf den Sieg in Darmstadt zurück, der die Punkte 35, 36 und 37 zur Folge hatte. Zwei Tage habe man das genossen, dann sei man aber wieder in die Vorbereitung auf das anstehende Heimspiel eingestiegen. Gegen Mainz abermals nicht mit dabei sein wird Marnon Busch, bei Adrian Beck und Lennard Maloney wollte Schmidt einen Einsatz noch nicht hundertprozentig ausschließen.

Pflicht erfüllt, nun darf die Kür folgen

mehr zum thema

Dass man nun nach dem Klassenerhalt nachlassen werde, darüber brauche sich niemand Sorgen machen, sagt Schmidt, schon gar nicht angesichts der angesprochenen Tabellensituation, die doch so viel Fantasie bietet. “Es gibt noch drei Spiele und wir möchten die bestmögliche Punktzahl und die bestmögliche Platzierung am Ende”, gibt Schmidt die Marschroute vor. Ohnehin werde Schmidt aktuell viel zu viel übers Feiern gesprochen, schließlich gebe es noch neun Punkte zu vergeben, nach denen man strebe. “Hinterher gibt es noch genug Zeit zu feiern”, sagt er. “Natürlich fällt Vieles leichter, wenn du dein Ziel erreicht hast mit dem Klassenerhalt – und das haben wir erreicht. Der wird demnächst schnell feststehen”, wiederholt Heidenheims Trainer deutlich und spielt auch auf die Partien der Konkurrenz im Tabellenkeller an, die sich noch gegenseitig Punkte abnehmen und so den Heidenheimer Weg ebnen werden.

Wenngleich Schmidt die um sein Team aufkommende Euphorie in gewisser Weise verstehen kann. Es sei durchaus etwas Besonderes, dass man als Aufsteiger nach 31 Spieltagen bereits den Klassenerhalt geschafft habe. “Aber wir wollen jetzt einfach weitermachen und das möchte ich von meiner Mannschaft sehen.” Man müsse nur auf die vergangenen Jahre blicken, in denen der FCH in den letzten Saisonspielen, wenn es für ihn selbst um nicht mehr viel gegangen war, weiter Vollgas gegeben hatte. Da seien Mannschaften in Heidenheim noch abgestiegen, erinnert sich der FCH-Trainer. “Jeder weiß, wofür wir stehen und wofür ich stehe. Ich kann es nicht ertragen, wenn irgendwas ein Selbstzweck ist”, so Schmidt. Wenn man die eigenen Ziele erreiche, habe das immer auch eine Konsequenz für die Gegner, “aber wir sollten schon so ehrlich sein, dass nach 34 Spieltagen jeder für sich selbst verantwortlich war”, so Schmidt.

Schmidt und Sanwald glauben gemeinsam an das Unmögliche – immer wieder

Schmidt und sein Vorstandsvorsitzender und Freund, Holger Sanwald, können gemeinsam auf eine märchenhafte Geschichte zurückblicken. Wenn man sich mit dieser nur kurz befasst, dann verwundert es fast nicht, dass man nun im beschaulichen Heidenheim das Wort “Europapokal” in den Mund nehmen darf. So schließt dann auch Schmidt: “Was uns im letzten Jahrzehnt alles gesagt worden ist, was nicht möglich ist, wenn wir dieses oder jenes nicht machen – wenn diese Leute Recht behalten hätten, dann wären wir immer noch in der Oberliga.”

Er und sein Team, aber natürlich auch die Verantwortlichen im Verein, versuchten immer, das Maximum herauszuholen. “Wir sind nah dran an diesen Plätzen und wenn wir gut punkten, dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch den einen oder anderen Platz gut machen. Wenn das dann berechtigt, europäisch mitspielen, dann ist das so und dann nehmen wir das gerne an”, sagt Schmidt. Europapokal in Heidenheim ist keine Utopie mehr. Es hört sich dem geschafften Klassenerhalt fast schon wie ein neues Ziel auf den letzten Metern der Saison an. Es wäre dann das zweite Mal in der Saison, dass das Unmögliche möglich gemacht würde.

Timo Lämmerhirt

“Gemeinsame Reise” geht zu Ende: Heidenheim zwischen Freude und Mitgefühl

Der 1. FC Heidenheim hat den Klassenerhalt in der Bundesliga quasi sicher. Doch zwischen all der Freude fanden Patrick Mainka und Trainer Frank Schmidt auch warme Worte für den Gegner aus Darmstadt, dessen Abstieg in die 2. Bundesliga besiegelt war.

Heidenheims Kapitän Patrick Mainka (li.) tröstet in diesem Moment seinen Freund Christoph Zimmermann, Innenverteidiger bei Darmstadt 98, nach der Partie.

Heidenheims Kapitän Patrick Mainka (li.) tröstet in diesem Moment seinen Freund Christoph Zimmermann, Innenverteidiger bei Darmstadt 98, nach der Partie.

Getty Images

Am Ende war es ausgerechnet der Mitaufsteiger aus Heidenheim, der den SV Darmstadt 98 endgültig in die 2. Bundesliga schickte. Die Mannschaft von Frank Schmidt besiegte die Elf seines guten Freundes Torsten Lieberknecht mit 1:0 und beseitigte letzte Zweifel am Abstieg der Lilien.

“Ich glaube, er braucht von mit heute keine Ratschläge und will auch kein Mitleid”, erklärte Schmidt bei DAZN angesprochen auf seinen Kumpel an der Seitenlinie, drückte dem Coach der Darmstädter aber sein Mitgefühl aus. Noch vor der Saison habe man sich vorgenommen, gemeinsam den Klassenerhalt zu feiern, “weil wir im Aufstiegsjahr ein paar namhafte Mannschaften, die gedacht haben, sie sind am Ende vorne, hinter uns gelassen haben”.

Schmidt sicher: “Sie bekommen das hin”

Doch auch Schmidt weiß: “Es ist halt nicht ‘Wünsch dir was’.” Trotz des Abstiegs sieht der 50-Jährige bei der Konkurrenz aus Darmstadt “eine tolle Mannschaft und einen Verein, der lebt” und zeigte sich überzeugt: “Mit dem Stadion und vor allem auch mit Torsten … sie bekommen das hin, dass sie nächstes Jahr wieder um den Aufstieg mitspielen.”

Kapitän Patrick Mainka pflichtete seinem Trainer bei: “Ich weiß, wie hart es ist, in der Bundesliga die Punkte zu gewinnen. Sie haben es jetzt leider nicht geschafft.” Unmittelbar nach dem Abpfiff versuchte der Innenverteidiger, die Darmstädter aber direkt aufzubauen. “Ich fand es einfach wichtig, ihnen alles Gute zu wünschen und ihnen zu sagen, dass sie nicht den Kopf hängen lassen sollen, dass sie wieder aufstehen sollen – und vielleicht sieht man sich ja in der Bundesliga wieder.”

Als gelernter Bankkaufmann kann man sich das schon ein bisschen durchrechnen. Es wird schwer, dass wir die Klasse jetzt nicht mehr halten.

Frank Schmidt

Für den 29-Jährigen war es wichtig, auch im Moment, der höchstwahrscheinlich den Heidenheimer Klassenerhalt besiegelte, den Respekt zu bewahren. “Im Fußball ist Freud und Leid immer so nah beieinander. Wir haben für uns heute einen großen Erfolg errungen, aber trotzdem war es irgendwo auch eine gemeinsame Reise”, erklärte Mainka. “Man sollte da vorsichtig sein, vielleicht nicht zu sehr einen raushängen zu lassen. Das tut den Darmstädtern einfach weh.”

Zu feiern gab es dennoch einiges, denn mit nun neun Punkten und neun Toren Vorsprung auf Rang 16 – und das drei Spieltage vor Schluss – ist eine weitere Spielzeit in der Bundesliga für den Erstliga-Neuling so gut wie sicher. “Als gelernter Bankkaufmann kann man sich das schon ein bisschen durchrechnen. Es wird schwer, dass wir die Klasse jetzt nicht mehr halten”, blickte FCH-Coach Schmidt auf die Tabelle. Feiern wolle man aber dennoch erst, wenn es auch ganz offiziell geschafft ist.

Blick nach Europa? “Wissen schon, wo unser Platz ist”

Und vielleicht geht ja sogar noch mehr? Zwei Punkte fehlen noch zu Rang 8, der möglicherweise zu den Conference-League-Play-offs berechtigt. Beim Blick nach oben trat Torwart Kevin Müller allerdings auf die Bremse und betonte: “Da müssen wir wirklich die Kirche im Dorf lassen.” Vielmehr wolle man das Maximum aus den verbleibenden drei Spielen holen und schauen, wofür es reicht. “Klar, wenn wir am Ende draufspringen, warum nicht. Aber da sind noch andere Mannschaften dabei, die wahrscheinlich ein bisschen mehr Qualität mitbringen als wir. Wir wissen schon, wo unser Platz ist.”

Die Lilien und Heidenheim: Zwei Aufsteiger, ein Klassenunterschied

Vergangene Saison schafften Heidenheim und Darmstadt mit je 67 Zählern den Bundesliga-Aufstieg. Im Oberhaus kann von Augenhöhe freilich keine Rede mehr sein. Vorm direkten Duell am Sonntagabend sprechen diverse Statistiken eine überaus deutliche Sprache.

Eren Dinkci ist mit Heidenheim gegen Tim Skarke und Darmstadt obenauf.

Eren Dinkci ist mit Heidenheim gegen Tim Skarke und Darmstadt obenauf.

IMAGO/Sportfoto Rudel

Zwei Aufsteiger, zwei Welten. Während der 1. FC Heidenheim an diesem Sonntag auch rechnerisch den Klassenerhalt perfekt machen kann, droht Darmstadt die unwiderrufliche Rückkehr in die 2. Liga. Sollte sich das ausgerechnet im direkten Aufeinandertreffen am Sonntagabend entscheiden, könnte die Symbolik treffender kaum sein. Schließlich markiert das Abschneiden der beiden nominellen Underdogs in der Beletage über die gesamte Saison betrachtet tatsächlich einen Klassenunterschied.

Saison 2023/24

Direkt augenfällig wird das beim Blick auf die letztlich alles entscheidende Statistik: Mit 34 Zählern nach 30 Spieltagen hat der FCH exakt doppelt so viele geholt wie die Lilien. Bei der Ursachenforschung landen in Darmstadt Beobachter wie Beteiligte schnell bei mangelnder Bundesliga-Erfahrung. Nicht zu Unrecht angesichts von lediglich 840 Erstliga-Partien, die der 98-Kader auf sich vereint. Allerdings: Heidenheims Aufgebot kommt als einziger Konkurrent auf noch weniger Bundesliga-Einsätze, nämlich 569 – alle weiteren Konkurrenten auf mindestens 1583.

Laufleistung und Luftzweikämpfe – Lieberknechts Team fällt deutlich ab

Deutlich aussagekräftiger über den Leistungsunterschied zwischen den beiden Aufsteigern dürften also andere Zahlen sein. Bei der Gesamtlaufleistung etwa ergibt sich eine immense Diskrepanz: Mit durchschnittlich 120,5 Kilometern ist das Team von Frank Schmidt Liga-Zweiter hinter Union Berlin (121). Mit 115,5 Kilometern rangieren die Profis von Torsten Lieberknecht unterdessen auf dem vorletzten Platz, knapp unterboten lediglich vom FC Bayern.

Podcast

“Fortuna für Alle”: Zur Nachahmung empfohlen?

Außerdem: BVB-Reporter Patrick Kleinmann rechnet vor, warum Rang fünf höchstwahrscheinlich zur Champions-League-Qualifikation reicht, Kevin de Bruyne sorgt für eine Premiere und beim NFL-Draft gibt’s eine dicke Überraschung.

15:53 Minuten

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Letzteres belegt zwar, dass Laufleistung längst nicht immer der Maßstab für Qualität sein muss – doch die Lilien waren eben auch weit davon entfernt, fehlende individuelle Klasse durch athletische Fähigkeiten zu kompensieren. Eher trifft sogar das Gegenteil zu. Mit einer Erfolgsquote in Luftzweikämpfen von lediglich 47,4 Prozent liegt Darmstadt ligaweit auf Rang 16. Heidenheim (52,9 Prozent) ist in dieser Kategorie ebenfalls Champions League reif (Platz 3).

Seit der Pleite im Hinspiel ist Darmstadt ununterbrochen Schlusslicht

Das i-Tüpfelchen: Seit der 2:3-Niederlage beim FCH im Hinspiel steht Darmstadt ununterbrochen auf dem letzten Tabellenplatz. Das Rückspiel sehen die Gastgeber nun explizit als “Revanche”, wie Rechtsverteidiger Matthias Bader formuliert – und ganz generell als ein echtes Prestigeduell. Den Mitaufsteiger zu schlagen, der den Lilien 2023 am letzten Zweitliga-Spieltag die Meisterschaft entriss und für seine Bundesliga-Premierensaison jetzt von ganz Fußball-Deutschland gefeiert wird, wäre für Darmstadt ganz gewiss eine besondere Genugtuung.

Wobei eine Statistik die Lilien sogar als Favorit ausweist: Insgesamt 19-mal trafen die Fußballlehrer Lieberknecht und Schmidt, einst gemeinsam für DFB-Juniorennationalmannschaften am Ball, bislang als Trainer aufeinander. Mit neun Siegen (bei vier Remis und sechs Niederlagen) hat Lilien-Coach Lieberknecht nach wie vor deutlich die Nase vorn.

Thiemo Müller, Ullrich Schindler

Ewige Tabelle: Heidenheim kann Lokalrivalen überholen – und was sich noch anbahnt

Fünf Klubs hat Neuling Heidenheim in der ewigen Bundesliga-Tabelle bereits hinter sich gelassen, der sechste könnte am Samstag folgen. Weiter oben sind fünf Klubs auf dem Vormarsch.

Leverkusen hat Köln, Leipzig Augsburg im Visier - und Jan-Niklas Beste (Mi.) winkt mit Heidenheim Platz 51 in der ewigen Bundesliga-Tabelle.

Leverkusen hat Köln, Leipzig Augsburg im Visier – und Jan-Niklas Beste (Mi.) winkt mit Heidenheim Platz 51 in der ewigen Bundesliga-Tabelle.

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Dass der 1. FC Heidenheim den Klassenerhalt dicht vor Augen hat, ist schon bemerkenswert genug. Doch wer hat im Sommer vorausgesagt, dass der Bundesliga-Neuling in seiner ersten Saison nie ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten und sogar Chancen haben würde, bei der bevorstehenden Heim-EM einen deutschen Nationalspieler zu stellen?

Kurzum: Die Entwicklung des FCH ist schier sensationell – und spiegelt sich auch in der ewige Bundesliga-Tabelle wider. Mit 34 Punkten nach 30 Spieltagen hat die Mannschaft von Trainer Frank Schmidt schon jetzt fünf Klubs hinter sich gelassen: Schlusslicht Tasmania Berlin (10 Punkte), den VfB Leipzig (20), die SpVgg Blau-Weiß 90 Berlin (21), Preußen Münster (30) und Fortuna Köln (33). Der sechste könnte an diesem Sonntag (19.30 Uhr, LIVE! bei kicker) folgen.

Wer steht wo?

Holen die Heidenheimer beim derzeitigen Tabellenletzten SV Darmstadt 98 mindestens einen Punkt, überholen sie im historischen Bundesliga-Ranking auch den SSV Ulm 1846, der seine einzige Bundesliga-Saison 1999/2000 mit 35 Zählern und einer Tordifferenz von -26 beendete. Dann wäre der FCH bereits auf dem 51. Platz und könnte zur neuen Saison die ersten Klubs ins Visier nehmen, die bislang zwei Bundesliga-Jahre erlebten: die SpVgg Greuther Fürth (39 Punkte), Tennis Borussia Berlin (49) und den SC Paderborn (51).

Leverkusen hat Köln im Visier

Weitere Verschiebungen in der ewigen Tabelle bahnen sich weiter oben an: RB Leipzig (28.) liegt nur noch einen Punkt hinter dem FC Augsburg (27.) und 40 hinter dem KFC Uerdingen (26.). Dem SC Freiburg (19.) fehlen noch 22 auf Fortuna Düsseldorf (18.).

Der VfL Wolfsburg (15.) könnte bei 43 Punkten Rückstand zur neuen Saison den 1. FC Nürnberg (14.) überholen, Meister Bayer 04 Leverkusen (10.) den Lokalrivalen 1. FC Köln (9.), der zwar noch 47 Zähler mehr auf dem Konto hat, 2024/25 aber womöglich nur noch Zweitligist ist. Ebenso droht der FC Schalke 04 seinen siebten Platz an Verfolger Eintracht Frankfurt zu verlieren – bei nur noch 30 Punkten Abstand.

Aachen im Aufstiegsjubel: “Aus meinem Traum bin ich heut’ aufgewacht”

Auf der Couch feierte Alemannia Aachen am Freitag den Aufstieg in die 3. Liga. Elf Jahre Regionalliga mit all den anvisierten, aber gescheiterten Anläufen sind vorbei. Da freuten sich auch ehemalige Weggefährten aus noch erfolgreicheren Zeiten mit.

Die Feier kann beginnen: Alemannia Aachen steht seit Freitagabend als Aufsteiger in die 3. Liga fest.

Die Feier kann beginnen: Alemannia Aachen steht seit Freitagabend als Aufsteiger in die 3. Liga fest.

Andre van Elten

MEHR ZUR REGIONALLIGA WEST

Als der Aufstieg endlich, endlich perfekt war, brachen bei Alemannia Aachen alle Dämme. Vor einer Leinwand im Tivoli hatte die Mannschaft die Partie des Konkurrenten Wuppertaler SV verfolgt, in der Stadionkneipe “Klömpchensklub” zitterten die Fans mit. Als die Niederlage des WSV bei Fortuna Köln besiegelt war, tanzten Spieler und Anhänger Ringelpiez – mit einer Plastik-Meisterschale in der Hand.

Elf Jahre hatte der Traditionsverein und ehemalige Europapokalteilnehmer darauf gewartet, die trostlose Regionalliga nach oben zu verlassen. Am Freitag war es endlich so weit, und zu den ersten Gratulanten gehörte Ex-Spieler Erik Meijer. “Aufstieg, endlich, nach all den Jahren. Ich bin sowas von froh, dass ihr es geschafft habt”, sagte Meijer in einer Video-Botschaft an die “Aachener Zeitung”.

100 Aachen-Fans in Köln

Auch in der Stadt feierten Tausende Fans vor dem Rathaus und in den Kneipen der Pontstraße eine Spontan-Party, zündeten ein Feuerwerk und machten die Nacht zum Tag. Etwa 100 Alemannen waren sogar ins Kölner Südstadion gefahren, um die Wuppertaler Niederlage hautnah zu erleben. “Es ist wahnsinnig, da hat sich nichts geändert. Fans bleiben Fans und wissen immer, den Weg zum Tivoli zu finden. Es ist euch sowas von gegönnt”, sagte Meijer.

Der ehemalige Bundesligist hatte in der Saison 2004/05 als Pokalfinalist noch am UEFA-Pokal teilgenommen. Danach folgte der freie Fall, seit 2013 spielte die Alemannia nur noch in der vierten Liga. Zeitweise kamen nur noch 4000 Fans an den neuen Tivoli, der sich als Millionengrab des Klubs erwies. Doch das Stadion ist längst wieder voll, für die große Aufstiegsparty im Heimspiel gegen den 1. FC Bocholt am Samstag hatte die Alemannia 30.000 Tickets verkauft.

Glückwünsche aus Heidenheim

Grüße kamen nach dem Aufstieg auch aus Heidenheim von FCH-Trainer Frank Schmidt, der von 1998 bis 2003 für die “Kartoffelkäfer” gespielt hatte. “Herzlichen Glückwunsch Alemannia. Ich wünsche euch für die 3. Liga viel Erfolg – auch für die Aufgaben, die sich neu stellen werden”, sagte Schmidt. Sportlich scheint der TSV zumindest gewappnet für höhere Aufgaben, das Team ist seit November ungeschlagen.

Und auch feiern kann die Mannschaft. Zu später Stunde präsentierten sich die Spieler am Tivoli den ersten Fans – und stimmten einen Klassiker an. “Aus meinem Traum bin ich heut’ aufgewacht” heißt das Lied, das durch die Nacht hallte. Dabei war es wohl eher ein Alptraum, der an diesem Abend endlich endete.

Klassenerhalt in Darmstadt hätte für Schmidt & Co. einen faden Beigeschmack

Es ist kein Geheimnis mehr in Fußball-Deutschland, dass Darmstadts Trainer Torsten Lieberknecht und Heidenheims Übungsleiter Frank Schmidt miteinander befreundet sind. Am späten Sonntagabend treffen sie mit ihren Teams im Schicksalsspiel für beide Mannschaften direkt aufeinander, mit gänzlich anderen Voraussetzungen. Im Schwäbischen könnte man vom “Gschmäckle” sprechen, den ein Sieg der Heidenheimer bedeuten würde.

Sollten die Heidenheimer gewinnen und damit den von Schmidt schon mehrfach “einen Sieg”, den man noch für den Klassenerhalt benötige, holen, dann wäre auf der anderen Seite auch amtlich, dass Darmstadt in die 2. Liga absteigt. Den Klassenerhalt feiern, während der Freund soeben abgestiegen ist, das hätte zweifellos ein “Gschmäckle”, also einen faden Beigeschmack, für alle Nicht-Schwaben. Etwaige Feierlichkeiten der Heidenheimer, wenn es aus Sicht des FCH zum günstigsten Fall kommen sollte, gebe es nicht. “Das verbietet sich auch”, sagt Schmidt vehement. Er bestätigte aber auf Nachfrage, natürlich wegen seiner Freundschaft zu Lieberknecht, dass es sicherlich ein komisches Gefühl sein würde. “Es war schon etwas Besonderes im vergangenen Jahr, dass Darmstadt und Heidenheim zusammen aufgestiegen sind, weil es einige Parallelen gibt. Beide wollten die Klasse halten und ich hätte mir gewünscht, dass es beide Mannschaften schaffen.”

Nicht mit dabei sein werden in Darmstadt Omar Traoré, der sich bei der 1:2-Niederlage gegen RB Leipzig die fünfte Gelbe Karte eingehandelt hatte. Bitter: der etatmäßige Ersatz, der diese Position ohnehin jahrelang innehatte, Marnon Busch, fällt mit Kniebeschwerden aus. Norman Theuerkauf wäre ein natürlicher Reflex, den Schmidt auch abnickte, aber dazu sagte: “So viele Optionen haben wir logischerweise nicht mehr. Müssen wir schauen, ob wir da einen Linksfuß herüberstellen – aber es gibt noch eine andere”, sagt Schmidt grinsend. Auch Mittelfeldmann Kevin Sessa hat diese Position schon einige Male bekleidet. Er würde dann aber nach zuletzt guten Leistungen im Mittelfeld fehlen.

Ebenfalls fehlen wird erneut Adrian Beck mit Beschwerden am Sprunggelenk sowie Lennard Maloney, der in der Partie gegen Leipzig unglücklich auf die Schulter gefallen war. Hier gab Heidenheims Trainer aber vorsichtig Entwarnung, dass der amerikanische Nationalspieler in dieser Saison durchaus noch einmal eingesetzt werden könnte. “Ich habe mit ihm gesprochen und er sagte, dass es von gestern auf heute deutlich besser geworden sei. Da habe ich schon gedacht, dass er damit sagen will, dass er Sonntag spielen kann”, scherzt Schmidt. In der nächsten Woche aber könnte es durchaus schon wieder zu einem Einsatz Maloneys kommen.

Darmstadt-Sieg zur rechten Zeit für den FCH

Der Sieg der Darmstädter im Kellerduell gegen Köln spielt dem FCH womöglich in die Karten, den Gegner nicht doch noch unterbewusst zu unterschätzen, wenngleich eine solche Herangehensweise ohnehin nicht in der Natur der Heidenheimer läge. Darmstadt habe gegen Köln bewiesen, dass es die Saison sicherlich nicht einfach abschenken wird, schärft auch Schmidt noch einmal alle Sinne in seinem Team. “Deswegen erwarten wir einen Gegner, der versuchen wird, gegen uns zu gewinnen”.

Etwaige Planungen habe man nicht vorgenommen, in Heidenheim möchte man sich einzig und allein auf dieses nächste Spiel konzentrieren, wenngleich das – den Klassenerhalt vor Augen – sicher schwieriger sein dürfte als sonst. “Da wir das letzte Spiel des Spieltags bestreiten, kann es zu dieser Konstellation kommen, dass wir bei einem Sieg sicher durch wären. Das bringt uns aber doch nichts, wenn wir jetzt im Vorfeld spekulieren”, sagt Heidenheims Trainer. “Es kann so kommen. Wenn das aber nicht so kommt, dann werden wir es nächste Woche probieren.”

Heidenheim hat es als Aufsteiger nahezu die gesamte Saison über geschafft, nichts mit den hinteren Tabellenplätzen zu tun zu haben, was beachtlich ist, fast schon unspannend. Doch Schmidt versichert, dass innerhalb der Mannschaft durchaus noch Spannung vorhanden sei, das spüre und sehe er stets in den Trainings. “Da denkt keiner, dass der Drops schon gelutscht ist. Jeder weiß, dass wir weitermachen müssen. Und wenn man ein bisschen zurückschaut, dann weiß man, wie schwer jeder einzelne Sieg von uns gewesen ist”, macht sich Schmidt keinerlei Sorgen, dass man sich beim FCH schon zu sehr an die Bundesliga gewöhnt haben könnte. Über 1000 Heidenheimer Fans werden den FCH mit nach Darmstadt begleiten, von irgendwelchen Fanaktivitäten im Falle des Klassenerhalts wisse man beim Verein jedoch nichts.

Ausgeruht in ein emotionsgeladenes Spiel

Schmidt rechnet mit einem intensiven und emotionalen Spiel, weswegen die etwas längere Pause seiner Mannschaft umso mehr gutgetan habe. “Wir brauchen maximale körperliche Voraussetzungen, um dieses Spiel zu spielen”, sagt Schmidt. Die hat der FCGH gemeinhin – und vielleicht schafft er bereits am Sonntag etwas nie Dagewesenes, wieder einmal.

Timo Lämmerhirt