Vorfreude auf San Siro: Napoli verliert Zielinski an Inter

Über viele Jahre war Polens Nationalspieler Piotr Zielinski nicht aus der Napoli-Startelf wegzudenken. Nun aber müssen sich die Anhänger mit dem Gedanken anfreunden. Denn der 30-Jährige zog weiter zu Inter Mailand.

Nach Polens frühem EM-Aus geht es für Piotr Zielinski nicht mehr zurück nach Neapel, sondern zu Inter.

Nach Polens frühem EM-Aus geht es für Piotr Zielinski nicht mehr zurück nach Neapel, sondern zu Inter.

IMAGO/Nicolo Campo

Auch wenn Piotr Zielinski aus Frankenstein (Zabkowice Slaskie) kommt und damit polnischer Staatsbürger ist, dürfte der Fußballprofi auch eine gehörige Portion Italien in sich tragen. Warum? Ganz einfach: Schon seit 2012 spielt der einst bei Zaglebie Lubin ausgebildete Mittelfeldmann auf dem Stiefel.

Über die Stationen Udinese Calcio (2012 bis 2016) und einer zwischenzeitlichen Leihe zum FC Empoli hatte sich der mit feiner Technik und genauem Auge einst 2016 für größere Aufgaben empfohlen – die er schließlich im Dress der SSC Napoli anging.

Bis zu diesem Sommer, also fast zehn Jahre, schnürte der heute 30-Jährige die Schuhe für die Süditaliener – und trug sich vor allem mit dem Gewinn der seit so langer Zeit ersehnten dritten SSC-Meisterschaft im Jahr 2023 mit seinen Kollegen in die Geschichtsbücher ein.

“Fußballerische Klasse, Charakter und eine Menge Erfahrung”

Doch nun zog Zielinski nach insgesamt 364 Pflichtspielen für die Neapolitaner (51 Tore, 46 Vorlagen) einen Schlussstrich, verlängerte seinen auslaufenden Vertrag nicht noch einmal – und wechselte kurzerhand innerhalb der Serie A zu Inter Mailand. Er ging damit quasi den Schritt vom letztjährigen zum diesjährigen Scudetto-Träger, wo er einen Vertrag bis 30. Juni 2028 unterschrieb.

Den Transfer des 93-maligen polnischen Nationalspielers, der an der Seite von etwa Robert Lewandowski bei der diesjährigen EM in Deutschland schon in der Gruppenphase gescheitert war, verkündeten die Mailänder an diesem Samstag ausgiebig über ihre offiziellen Kanäle und schrieben dabei unter anderem: “Fußballerische Klasse, Charakter und eine Menge Erfahrung in der Serie A – Piotr Zielinski, der erste polnische Spieler in der Inter-Vereinsgeschichte, ist bereit, all seine Qualitäten im Inter-Dress darzubieten.”

Zielinski selbst ließ sich derweil im Vereinsmuseum der Nerazzurri vor all den bereits gewonnenen Trophäen ablichten und gab mit einem breiten Grinsen zu Protokoll: “Ich kann es gar nicht abwarten, in San Siro zu spielen. Forza Inter!”

Klar ist aber auch: Unter Erfolgstrainer Simone Inzaghi, der in drei Inter-Jahren drei Titel gewonnen hat (zweimal Coppa Italia, nun in diesem Sommer die Meisterschaft), muss sich der Neuzugang erst einmal einen Stammplatz erobern. Denn gerade das Zentrum ist bei den Mailändern seit geraumer Zeit das Prunkstück mit herausragenden Akteuren wie Hakan Calhanoglu, Nicolo Barella, Henrikh Mkhitaryan oder auch dem erst 24-jährigen Davide Frattesi.

Auch wenn die Zukunft offen bleibt: Ronaldo beschwört das “Zusammen”

Wie geht es mit Cristiano Ronaldo nach dem EM-Aus der Portugiesen weiter? Auch am Samstag blieb diese Frage offen. Allerdings äußerte sich der 39-Jährige in den Sozialen Medien.

Spricht, aber nicht über seine Zukunft: Cristiano Ronaldo

Spricht, aber nicht über seine Zukunft: Cristiano Ronaldo

IMAGO/NurPhoto

“Ich bin sicher, dass dieses Erbe auf und neben dem Spielfeld gewürdigt wird und wir darauf aufbauen werden. Zusammen”, schrieb Portugals Rekordnationalspieler, nachdem sein 212. Länderspiel mit 130 Toren abgepfiffen worden war. Am Freitagabend musste der 39-Jährige miterleben, wie sich das Fußballschicksal gegen den Europameister von 2016 wendete: Gegner Frankreich verwandelte alle Elfmeter, für die Selecao scheiterte Joao Felix unglücklich am Pfosten  – 3:5 i.E.

Der Frust saß tief, auch wenn die Tränen deutlich kleiner waren als beim Achtelfinal-Krimi gegen die Slowenen, als Portugals Spielführer erst einen Strafstoß in der Verlängerung verschoss und anschließend im Elfmeterschießen mit dem verwandelten ersten Elfmeter voranging. Von den Rängen im Hamburger Stadion wurde nach dem Knock-out gegen die Franzosen das ganze portugiesische Team gefeiert, aber vor allem Ronaldo.

Viertelfinale

Der Routinier, der 2004 seine erste von insgesamt sechs Europameisterschaften spielte, hatte sich nochmal einen späten Coup erhofft. “Wir wollten mehr. Wir haben mehr verdient. Für uns. Für jeden von euch. Für Portugal”, schrieb der Offensivspieler.

Die große Frage nach der Zukunft von Ronaldo im Nationalteam bleibt damit auch am Tag nach dem EM-Aus offen. “Wir haben verloren, aber wir haben mit Stolz verloren, weil wir in jeder Minute alles gegeben haben, ganz im portugiesischen Stil”, sagte Roberto Martinez: “Wir werden hier nicht aufhören. In Zukunft werden wir alles geben.”

Der Coach hielt an Portugals Ausnahmespieler am Freitagabend bis zum bitteren Ende fest, jüngere Spieler mussten vor ihm in dem 120-Minuten-Abnutzungskampf gegen Frankreich vom Platz, auch wenn klar ersichtlich war, dass CR7 nicht mehr die Explosivität und Kaltschnäuzigkeit früherer Tage besitzt.

EM-Rekorde gebrochen – Letztes Tor 2016

In Sachen EM-Historie hat Ronaldo fast alle Rekorde gebrochen. 30 Endrunden-Einsätze hat er auf dem Konto, dabei 14 Tore geschossen. Sein letzter Torjubel aus dem Spiel heraus datiert allerdings von der erfolgreichen Endrunde 2016. Die Abfahrt aus dem Hamburger Stadion erlebte er mit leerem Blick, im Bus sitzend, eine Wasserflasche in der Hand haltend.

Bei den anwesenden portugiesischen Fans überwog der Eindruck, dass mit dem EM-Aus von Ronaldo und seinem langjährigen Weggefährten Pepe (41) eine Ära für Portugal zu Ende gegangen war. Ob diese Erkenntnis auch schon bei Ronaldo angekommen ist?

Fiel zufrieden: Standard-Tore und Demme-Debüt

Viel Spielfreude, gefährliche Standards, dazu das gelungene 45-Minuten-Debüt von Neuzugang Diego Demme: Hertha BSC hat das zweite Testspiel der Vorbereitung am Samstagnachmittag mit 4:0 (3:0) bei Nordost-Regionalligist Rot-Weiß Erfurt gewonnen.

Gab sein Debüt für die Alte Dame: Diego Demme.

Gab sein Debüt für die Alte Dame: Diego Demme.

IMAGO/Contrast

Hertha, mit den in dieser Woche ins Training zurückgekehrten Nationalspielern Haris Tabakovic und Andreas Bouchalakis in der Startelf, legte vor 3124 Zuschauern im Steigerwaldstadion zielstrebig und temporeich los. Fabian Reese, der wie vor sechs Tagen im ersten Test beim FSV Bernau (7:0) die Kapitänsbinde trug, verwandelte bereits nach drei Minuten eine Ecke von Ibrahim Maza. Palko Dardai baute auf Vorarbeit des auffälligen Reese aus (11.).

Tabakovic erhöht – Lerche auf die Latte

Rot-Weiß-Kapitän Til Linus Schwarz hätte fast per Eigentor auf 3:0 gestellt, seine missglückte Rückgabe touchierte den Pfosten (14.). Maza und Michael Cuisance kamen aus verheißungsvollen Positionen zum Abschluss (22., 24.), Reese verzog nach Vorarbeit von Tabakovic (29.). Auch das 3:0 entsprang einem Eckball: Nach Mazas Standard scheiterte Marc Oliver Kempf mit seinem Abschluss, den abgeblockten Ball verwertete Mittelstürmer Tabakovic aus Nahdistanz (37.).

Die Berliner, im 4-3-3 formiert, erzeugten vor allem über die linke Seite mit Reese und Maza viel Gefahr. Linksverteidiger Jeremy Dudziak zog bei eigenem Ballbesitz konsequent ins halblinke Mittelfeld, um dort eine zusätzliche Anspielstation zu schaffen. Gastgeber Rot-Weiß, im Vorjahr 13. der Regionalliga Nordost, erzeugten nur einmal wirklich Gefahr: Angreifer Dennis Lerche probierte es von der Mittellinie, Hertha-Keeper Marius Gersbeck war relativ weit draußen, doch Lerches Heber ging auf die Latte (45.).

Debüt von Demme und Sessa – Scherhant markiert Endstand

Zur Pause wechselte Hertha-Coach Cristian Fiel komplett. Von den 24 mitgereisten Profis kamen nur Julian Eitschberger und Gustav Christensen nicht zum Einsatz, Luca Schuler und Agustin Rogel waren in Berlin geblieben. Neben Diego Demme, den die Berliner am Samstagmorgen als Neuzugang vorgestellt hatten, kam auch der vormalige Heidenheimer Kevin Sessa im zweiten Durchgang zu seinem 45-minütigen Debüt. Herthas zweiter Anzug brauchte einige Minuten, um in den Rhythmus zu kommen, dominierte dann aber das Geschehen und kam zu mehreren Torchancen.

Bis auf das 4:0 von Linksaußen Derry Scherhant, der einen langen, präzisen Ball von Pascal Klemens verwertete (66.) und auffälligster Berliner im zweiten Abschnitt war, blieben weitere Erfolgserlebnisse aber aus. Florian Niederlechner (61.), Scherhant (64.), Sessa (68.) und Smail Prevljak (68.) verpassten weitere Treffer.

Lob vom Chef – Gefährlichkeit bei Standards

Dennoch gab es ein Lob vom Chef. “Man hat gesehen, dass die Jungs wollten, dass sie die Dinge, die wir trainiert haben, umsetzen möchten”, sagte Coach Fiel nach dem Abpfiff. “Der eine oder andere einfache Fehler zu viel war drin, aber das ist verständlich nach diesen zwei Wochen Training. Wichtig war, dass sie über den Punkt gehen.” Abstriche gab es in Sachen Effektivität: “Ich hätte mir noch das eine oder andere Tor mehr gewünscht, aber man hat gesehen, dass wir insgesamt auf dem richtigen Weg sind.”

Auffällig: die Gefährlichkeit bei Standards, für die im neuen Fiel-Staff Ex-Profi Patrick Ebert verantwortlich ist. Auf die Zusammenarbeit mit Neuzugang Demme, Herthas Wunsch-Sechser, freut sich Fiel außerordentlich: “Ich bin froh, dass er da ist. Diego hat viel Erfahrung und viel gesehen. Ihm brauchen wir nicht mehr so viel über Fußball erzählen. Er hat schon einiges mitgemacht. Er lernt die Jungs gerade kennen.” Fiels Fazit der Demme-Premiere: “Was ich sehen wollte, war, dass er im Zentrum die Bälle fordert und die Schnittstelle von der Defensive zur Offensive ist. Das hat mir schon gut gefallen.”

Auch der nächste Test führt Hertha zu einem Regionalligisten: Am Mittwoch gastiert der Zweitligist beim SV Babelsberg 03 (19 Uhr). Für Rot-Weiß Erfurt beginnt die neue Regionalliga-Saison am  27. Juli mit einem Heimspiel gegen Eilenburg.

Hertha/1.HZ: Gersbeck – Kenny, Gechter, Kempf, Dudziak – Bouchalakis – Cuisance, Maza – P. Dardai, Tabakovic, Reese Hertha/2.HZ: Goller – Zeefuik, Klemens, Leistner, Karbownik – Demme – Sessa, Niederlechner – Winkler, Prevljak, Scherhant

Steffen Rohr

Wiedersehen in Düsseldorf: So geht es fürs DFB-Team weiter

Statt am Dienstag in München spielt die deutsche Nationalelf erst im September in Düsseldorf wieder. Ein Blick auf die nächsten Aufgaben – und zwei Wettbewerbe, die zusammenhängen.

Das Trainerteam bleibt zusammen: Julian Nagelsmann, Benjamin Glück und Sandro Wagner (v. li.) nach dem EM-Aus am Freitag in Stuttgart.

Das Trainerteam bleibt zusammen: Julian Nagelsmann, Benjamin Glück und Sandro Wagner (v. li.) nach dem EM-Aus am Freitag in Stuttgart.

IMAGO/Contrast

Immerhin: Im Gegensatz zu den Ungarn wusste die deutsche Nationalmannschaft gleich nach ihrem letzten EM-Spiel, dass das Turnier für sie vorbei ist. Am Tag nach der Niederlage gegen Spanien im Viertelfinale reisten Nationalspieler und Betreuer in Kleinbussen oder Privatwagen aus dem Teamquartier in Herzogenaurach ab.

Während Spanien am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) in München gegen Frankreich um den Final-Einzug spielen darf, ist für Deutschland der Traum, eine weitere Woche zu bleiben und noch in zwei Partien bei der Heim-EM mitzuwirken, am Freitagabend in Stuttgart geplatzt. Doch schon in zwei Monaten geht es für Julian Nagelsmann und seine Mannschaft weiter: Am 7. September – wenn die neue Bundesliga-Saison zwei Spieltage alt ist – startet für die DFB-Auswahl in Düsseldorf gegen Ungarn die neue Saison in der Nations League.

Heimspiele in Düsseldorf, München und Freiburg

Insgesamt stehen 2024 noch sechs Länderspiele auf dem Programm, keines davon ist ein Testspiel. In der Nations-League-Gruppe mit Ungarn, den Niederlanden und Bosnien-Herzegowina trifft Deutschland auf jeden Kontrahenten zweimal. Die weiteren Heimspiele steigen in München (14. Oktober gegen die Niederlande) und in Freiburg (16. November gegen Bosnien-Herzegowina).

In dem Wettbewerb, in dem das DFB-Team bislang noch nicht zu überzeugen wusste, geht es nicht nur um einen Titel, sondern auch um die Qualifikation für die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko. Diese beginnt zwar erst 2025, doch je nach Abschneiden in der Nations League startet Deutschland dabei in einer Vierer- oder Fünfergruppe.

Bekommt Deutschland eine Vierer- oder Fünfergruppe?

Neu ist nämlich: Die Gruppenersten und -zweiten in der Nations-League-Liga A spielen im März 2025 in Hin- und Rückspiel eine Viertelfinalrunde aus, deren Gewinner in die bekannte Finalrunde einziehen. Die Gruppendritten müssen in Playdowns gegen den Abstieg in die Liga B kämpfen, in die die Gruppenvierten direkt absteigen. Letztere starten bereits im März 2025 als Mitglied einer Fünfergruppe in die WM-Qualifikation, alle anderen erst im September 2025 in einer Vierergruppe.

Die Gruppen für die WM-Qualifikation sollen im Dezember ausgelost werden. Weil an der WM 2026 erstmals 48 Teams teilnehmen, erhalten alle Sieger der zwölf Quali-Gruppen ein WM-Ticket. Um die restlichen vier Plätze aus Europa streiten im März 2026 die zwölf Gruppenzweiten und die vier besten noch nicht qualifizierten Gruppensieger der Nations League in zwei Play-off-Runden.

Für die nächsten Aufgaben hatte Nagelsmann noch am Freitag Kader-Änderungen angekündigt – und den WM-Titel 2026 als Ziel ausgegeben.

Die restlichen DFB-Länderspiele 2024:

7. September (20.45 Uhr): Deutschland – Ungarn in Düsseldorf (Nations League)
10. September (20.45 Uhr): Niederlande – Deutschland in Amsterdam (Nations League)
11. Oktober (20.45 Uhr): Bosnien-Herzegowina – Deutschland in Zenica (Nations League)
14. Oktober (20.45 Uhr): Deutschland – Niederlande in München (Nations League)
16. November (20.45 Uhr): Deutschland – Bosnien-Herzegowina in Freiburg (Nations League)
19. November (20.45 Uhr): Ungarn – Deutschland in Budapest (Nations League)

Özcan: “Das Wort Hexenkessel wird nicht ausreichen”

Die Türkei und die Niederlande stehen sich am Samstagabend im EM-Viertelfinale gegenüber. Salih Öczan erwartet stimmungstechnisch einen Karrierehöhepunkt. Zur Wolfsgruß-Diskussion äußert sich der BVB-Profi in einem Interview nicht wirklich – wohl aber zu Pfiffen gegen die gegnerische Hymne.

“Wir werden uns nicht verstecken”: Salih Özcan und die Türkei hoffen bei der EM auf den nächsten Coup.

IMAGO/Sportsphoto

Türkei gegen die Niederlande. In Berlin. Es dürfte richtig laut werden im Olympiastadion. “Ich denke, das Wort Hexenkessel wird für die Atmosphäre nicht ausreichen”, sagt Özcan in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. “Unsere Fans werden Gas geben, aber auch die Holländer sorgen bekanntlich für eine super Stimmung. Für jeden, der auf dem Platz steht, dürfte das wohl stimmungstechnisch der bisherige Karrierehöhepunkt sein.” Generell ist es für den Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund “der Wahnsinn, was unsere Fans bisher veranstaltet haben”. Sie “tragen uns durch das Turnier und machen die Spiele zu echten Heimspielen.”

Erdogan auf Kurzbesuch beim Spiel in Berlin

Viertelfinale in Berlin

Zusätzliche Brisanz hat das Viertelfinale durch die Sperre gegen Merih Demiral erhalten. Der Verteidiger, der im Achtelfinale beim 2:1 gegen Österreich mit zwei Treffern zum Matchwinner avancierte, wurde von der UEFA für zwei Spiele aus dem Verkehr gezogen, weil er beim Torjubel den umstrittenen Wolfsgruß gezeigt hatte. Eine Entscheidung, die in der Türkei und beim türkischen Fußballverband für Empörung sorgte. Türkische Fußball-Ultras riefen dazu auf, bei der Hymne im Olympiastadion den Wolfsgruß zu zeigen.

Dort wird am Samstag sogar der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Stadion zugegen sein. Eigens für das Spiel legt er einen Kurzbesuch in Berlin ein, reist noch am Samstagabend wieder ab.

Generell sollte man dem Gegner immer Respekt zollen. Und dazu gehört es auch, bei der Hymne Respekt zu zeigen und nicht zu pfeifen.

Salih Özcan über die Pfiffe türkischer Fans gegen die gegnerische Hymne

Özcan hält sich zur Debatte überaus bedeckt. “Natürlich registriert man die Diskussionen, aber ich kann Ihnen ganz klar sagen, dass wir Spieler das nicht zu sehr an uns ranlassen”, meinte er im Interview nur. “Mehr will und kann ich dazu auch nicht sagen.”

Klarer äußert sich Özcan hingegen hinsichtlich der Pfiffe bei der gegnerischen Hymne, für die türkische Fans während des Turniers kritisiert worden waren. “Generell sollte man dem Gegner immer Respekt zollen. Und dazu gehört es auch, bei der Hymne Respekt zu zeigen und nicht zu pfeifen”, findet der 26-Jährige. “Ich bin aber klar davon überzeugt, dass die ganz große Mehrheit der Fans der gleichen Meinung ist.”

“Wir wissen, dass wir wohl nicht so oft den Ball haben werden”

Über die Schwere der vor der Mannschaft liegenden Aufgabe macht sich Özcan keine Illusionen: “Das Spiel gegen Österreich war schon unser bisher schwierigstes Spiel, die Österreicher haben viel Qualität und uns leiden lassen. Und die Niederländer haben in der Summe noch einmal besser Einzelspieler”, meint der gebürtige Kölner. “Wir wissen, dass wir wohl nicht so oft den Ball haben werden.” Was nicht heißen soll, dass sich die Türken nur hinten reinstellen werden. “Ich kann versprechen: Wir werden uns nicht verstecken. Das können wir vor unseren wahnsinnigen Fans auch gar nicht.”

Diagnose offiziell: EM für Pedri gelaufen

Toni Kroos hat am Freitag nicht nur seine Karriere, sondern auch die EM für Pedri beendet. Am Samstag gab der spanische Verband die Diagnose bekannt.

EM vorzeitig gelaufen: Pedri verletzte sich am Freitag in Stuttgart schon in der vierten Minute.

EM vorzeitig gelaufen: Pedri verletzte sich am Freitag in Stuttgart schon in der vierten Minute.

picture alliance / empics

Die EM 2024 ist für Pedri sehr wahrscheinlich vorzeitig gelaufen. Der 21 Jahre junge Mittelfeldspieler der spanischen Nationalmannschaft hat sich am Freitagabend im EM-Viertelfinale gegen Deutschland in Stuttgart nach Angaben des Verbands eine “innere seitliche Verstauchung zweiten Grades im linken Knie” zugezogen. Das vorzeitige Turnier-Aus, von dem die spanischen Medien schon seit der vergangenen Nacht ausgehen, wird in der kurzen Mitteilung zwar weder bestätigt noch dementiert. Pedri werde im spanischen Trainingscamp bleiben, heißt es lediglich. Doch die Marca und zahlreiche andere Medien berichteten nach der offiziellen Diagnose, dass Pedri rund vier bis sechs Wochen ausfallen und auf eigenen Wunsch beim Team bleiben werde.

Bereits in der vierten Minute hatte Toni Kroos Pedri im Mittelfeld abgeräumt und Glück gehabt, dass Schiedsrichter Anthony Taylor die eigentlich zwingende Gelbe Karte stecken ließ. Pedri kehrte nach einer ersten Behandlung zwar noch einmal aufs Spielfeld zurück, musste in der achten Minute jedoch schließlich ausgewechselt werden – so früh wie noch kein Spieler in der EM-Geschichte. Am Tag danach entschuldigte sich Kroos (“Es war logischerweise nicht meine Absicht, dich zu verletzen”) und wünschte “eine schnelle Erholung”.

Auch wenn der für Pedri eingewechselte Dani Olmo mit seinem Tor zum 1:0 und seiner Flanke zum 2:1-Siegtreffer nach Verlängerung zum Matchwinner wurde, ist dessen bevorstehender Ausfall für Nationaltrainer Luis de la Fuente ein herber Rückschlag vor dem Halbfinale gegen Frankreich am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) in München. Abgesehen vom dritten Gruppenspiel gegen Albanien (1:0), als angesichts des feststehenden Gruppensiegs die zweite Reihe beginnen durfte, gehörte der Kreativmann vom FC Barcelona stets zur Startelf (ein Assists, kicker-Notenschnitt 2,67).

Spanien fehlen schon zwei andere Spieler gegen Frankreich

Weil mit Robin Le Normand (Gelbsperre) und Dani Carvajal (Gelb-Rot-Sperre) zwei weitere Stammkräfte ausfallen, muss de la Fuente auf drei Positionen umbauen. Immerhin stellte sich die Gelbe Karte, die die UEFA in der Schlussphase zunächst für den bereits ausgewechselten Kapitän Alvaro Morata verbreitet hatte, als Fehlinformation heraus. Der Angreifer, der mit dieser ebenfalls gesperrt gewesen wäre, steht gegen Frankreich zur Verfügung.

Turbine rüstet weiter auf: Quartett wechselt zum Aufsteiger

Turbine Potsdam bastelt am Kader für die neue Saison in der Frauen-Bundesliga. Der Aufsteiger hat im Laufe dieser Woche gleich fünf neue Spielerinnen verpflichtet.

Shahar Nakav (re.) sammelte bereits einige Erfahrungen auf internationaler Ebene, hier etwa im Zweikampf mit Deutschlands Svenja Huth.

Shahar Nakav (re.) sammelte bereits einige Erfahrungen auf internationaler Ebene, hier etwa im Zweikampf mit Deutschlands Svenja Huth.

Getty Images

Bereits am Dienstag hatte Potsdam sich die Dienste von Emilie Bernhardt, die vom SV Werder Bremen kam, gesichert. Im Laufe der Woche hat der 1. FFC, der die abgelaufene Spielzeit nach dem Abstieg in die 2. Frauen-Bundesliga direkt auf Rang eins beenden und somit wieder zurückkehren konnte, ein weiteres Quartett verpflichtet.

Torhüterin Anna Terestyenyi etwa kommt aus Ungarn, wo die 23-Jährige zuletzt für den Fehervar FC aktiv war. Zudem wechselt die Polin Kornelia Grosicka aus Meppen nach Potsdam. Die 25-jährige Mittelfeldspielerin war bei den Emsländerinnen absolute Stammkraft, kam in allen 26 Partien zum Einsatz und erzielte dabei sieben Treffer.

Nakav kommt mit viel Erfahrung – Deutsch verlässt Turbine

Offiziell sind seit dem Wochenende außerdem nun auch die Transfers von Caroline Krawczyk und Shahar Nakav. Während Krawczyk nach zwei Jahren bei den Frauen der Young Boys Bern in die Frauen-Bundesliga zurückkehrt – zuvor war sie bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag – ist es für die Israelin Nakav die erste Station in Deutschland.

Die 27-Jährige gewann in ihrer Heimat bereits mehrfach die Meisterschaft und führte die israelische Nationalmannschaft in mehreren Spielen bereits als Kapitänin auf das Feld. Sie spielte unter anderem in der WM-Qualifikation 2021/22 auch zweimal von Beginn an gegen die deutsche Nationalmannschaft. “Ich freue mich sehr, nun für diesen großartigen Verein zu spielen und bin bereit für neue Herausforderungen”, so die Abwehrspielerin in der Mitteilung des Vereins.

Unterdessen gab die Turbine auch einen Abgang bekannt, Pauline Deutsch hat den Verein nach sechs Jahren verlassen.

Mit Identität und Intensität: So plant Aufsteiger Zehlendorf

Die Feierabendfußballer von Hertha 03 Zehlendorf wollen in der neuen Liga ihre Fußspuren hinterlassen – auch wenn einige Herausforderungen warten.

Hertha-03-Trainer Robert Schröder führte den Verein in die Regionalliga Nordost.

Hertha-03-Trainer Robert Schröder führte den Verein in die Regionalliga Nordost.

IMAGO/Maryam Majd

Regionalliga Nordost

Erstmalig in der Vereinsgeschichte ist Hertha 03 Zehlendorf in die seit 2012 bestehende Regionalliga Nordost des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) aufgestiegen. “Das ist für uns als Verein sehr wertvoll und das Ergebnis kontinuierlicher Arbeit nach einem klaren Konzept”, sagt Hertha-03-Präsident Kamyar Niroumand, der seit 2003 im Amt ist.

Denn die Berliner setzen verstärkt auf den eigenen Nachwuchs und schafften den Sprung in die Regionalliga mit “80 Prozent Spielern aus Zehlendorf”, so Niroumand. Zuletzt war die “kleine Hertha” zehn Jahre in Folge in der fünftklassigen Oberliga Nord unterwegs und machte nun den Aufstieg in die 4. Liga perfekt. Aus den 28 Partien in der Vorsaison holten die Hauptstädter 71 Punkte (22 Siege, fünf Remis, eine Niederlage), erzielten dabei 102 Treffer.

Es gilt, unsere Fußabdrücke in der Liga zu hinterlassen.

Hertha-03-Coach Robert Schröder

“Wir wollen weiter in unserer Struktur, mit unserer Identität und Intensität spielen”, so Hertha-03-Coach Robert Schröder. Dabei zählt für den Aufsteiger einzig und allein die Zielstellung Klassenerhalt, wie Schröder und Niroumand unisono sagen. Der 36 Jahre alte Hertha-03-Coach ist seit 2021 an der Seitenlinie aktiv und wird das Team auch in der neuen Saison zusammen mit den beiden Co-Trainern Timo Steinert (38) und Marcus Hoffmann (36) betreuen.

Zuvor spielte Schröder, der im Hauptberuf Lehrer ist, selbst für den Klub, ehe der Perspektivwechsel vor drei Jahren folgte. “Wir gehen in jede Partie als Außenseiter und können nur gewinnen. Es gilt, unsere Fußabdrücke in der Liga zu hinterlassen”, so Schröder.

Kapitän nicht mehr dabei

Aus dem Kader des Vorjahres stehen Lenny Stein (28, Abwehr, wechselte zu BFC Preussen), Luis Millgramm (19, Rechtsaußen, SV Lichtenberg 47), Albert Millgramm (19, Linksaußen. 1. FC Magdeburg II), George Didoss (19, Mittelfeld, SV Babelsberg 03), Ismail Ceesay (21, Sturm, vereinslos) und Frank Zille (28, Sturm, pausiert) nicht mehr zur Verfügung. Vor allem der Verlust von Innenverteidiger und Kapitän Stein wirkt dabei schwer und muss ersetzt werden.

Als Neuzugänge präsentierte der Verein aus dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf bisher Gentuar Durmishi (22, Mittelfeld, kommt von Blau-Weiß Lohne), Karim-Joel Barry (20, Linksaußen, TuS Makkabi), Benjamin Nwatu (20, Sturm, RSV Eintracht 1949) und Gabriel Figurski Vieira (23, Mittelfeld, SV Lichtenberg 47).

“Wir sind noch auf der Suche nach einem erfahrenen Innenverteidiger und gucken nach Spielern für die offensive Flügelposition”, so Schröder, der sich seit Ende Juni mit der Mannschaft in der Vorbereitung befindet. “Für uns ist es wichtig, frühzeitig den Kader zusammenzuhaben. Wir sind keine Profis und brauchen jede Einheit, um unsere Automatismen und Spielidee zu trainieren.”

Heimpartien im Stadion Lichterfelde

Doch die Premierensaison in Liga vier hält für den Aufsteiger einige Neuerungen bereit. Während ein Großteil der Konkurrenz unter Profibedingungen trainiert, wird es in Zehlendorf weiter Feierabendfußball geben. Denn die Spieler gehen arbeiten oder studieren. Zudem werden die Berliner, deren Etat dem Vernehmen nach um etwa 30 bis 40 Prozent gesteigert wird, in der Hinrunde nicht im heimischen Ernst-Reuter-Sportfeld spielen können.

Denn die Heimspielstätte entspricht nicht den Anforderungen des NOFV – vor allem in der Thematik eines separaten Gästeblocks. Diesen gibt es noch nicht. Stattdessen wollen die Zehlendorfer die Heimpartien vorerst im rund fünf Kilometer entfernten Stadion Lichterfelde von Ligakonkurrent Viktoria Berlin austragen und hoffen auf eine Rückkehr in die eigentliche Heimspielstätte in der zweiten Saisonhälfte.

“Es ist ein nächster Schritt der Professionalisierung des Vereins. Für alle ist das eine Herausforderung”, so der Vereinspräsident, während Schröder ergänzt: “Die Durchführung wird eine Herkulesaufgabe. Am Ende soll es aber nicht bei einer Regionalliga-Saison bleiben.”

Matthias Schütt

Bemerkenswerter letzter Auftritt: Nagelsmanns Wunsch nach dem “Wir”

Am Tag nach der Viertelfinale-Niederlage legt Bundestrainer Julian Nagelsmann einen bemerkenswerten Auftritt hin. Der 36-Jährige betont die Wichtigkeit des Miteinanders – im Sport wie in der Gesellschaft – und präsentiert sich als gereifte Persönlichkeit.

Julian Nagelsmann kämpft mit den Tränen bei der Abschluss-Pressekonferenz.

Julian Nagelsmann kämpft mit den Tränen bei der Abschluss-Pressekonferenz.

picture alliance/dpa

Als Julian Nagelsmann im vergangenen September als neuer Bundestrainer vorgestellt wurde, gab es nicht wenige, die den 36-Jährigen für zu jung und unerfahren hielten, für zu unreif und letztlich zu unwürdig für das bedeutendste Amt, das der deutsche Fußball hergibt. Noch dazu in einer Saison, die in der Heim-EM gipfelte. Die Angriffspunkte dafür hatte Nagelsmann selbst geliefert bei seinen vorherigen Trainerstationen, vor allem in München. Durch forsche Auftritte, gewagte Outfits und einen Hang dazu, sich selbst ein wenig zu gerne in den Mittelpunkt zu stellen.

Doch spätestens an diesem Samstag, dem Tag nach dem deutschen Viertelfinal-Aus gegen Spanien, hat Nagelsmann seine Kritiker ins Grübeln gebracht. Wie sich der Bundestrainer auf der abschließende DFB-Pressekonferenz äußerte, war in vielen Punkten bemerkenswert: In der Emotionalität, die sich Nagelsmann traute, offen zu zeigen, wie in den Botschaften, die er mit in die Medienrunde gebracht hatte.

Nagelsmann kämpft immer wieder mit den Tränen

Schon als DFB-Präsident Bernd Neuendorf sein Eingangsstatement abhielt, kämpfte er mit den Tränen. Als er selbst erstmals zu Wort kam, verlor er diesen Kampf mehrfach. Und versuchte gar nicht, dies zu verbergen. Was in der oft harten Fußball-Branche noch immer keine Selbstverständlichkeit ist, obwohl es längst eine sein sollte, sprach Nagelsmann aus. Und berührte damit. Das unglückliche Turnier-Aus, zwei Schritte vor dem erhofften Titelgewinn, fast noch mehr aber die Art und Weise des gemeinsamen Abschieds von den Spielern und Staffmitgliedern hatte Nagelsmann so mitgenommen, dass er diese Emotionen nicht einfach ausblenden konnte und wollte.

“Wir hatten eine Vision und den Glauben, dass wir es im eigenen Land gut machen können”, sagte er und hob hervor, dass seine Mannschaft es geschafft habe, die Menschen in Deutschland zu einen und eine “Symbiose” mit den Fans herzustellen. “Ich wünsche mir für dieses Land, dass wir verstehen, dass es gemeinsam besser geht. Wenn wir alle nur in Tristesse verfallen, wird nichts besser.”

Die Kernbotschaft des Bundestrainers: Mehr “Wir”, weniger “Ich”

Es war die Kernbotschaft seines Auftritts, für den es anschließend sogar Applaus aus dem Plenum gab: Nagelsmann stellte das “Wir” in den Vordergrund, nicht das “Ich”. Bereits im März hatte er unter dieser Prämisse gravierende Personalentscheidungen getroffen und seinen Kader nicht mehr nach der höchsten individuellen Qualität zusammengestellt, sondern nach der Teamfähigkeit. Der Erfolg der vergangenen Monate gab ihm Recht, daran ändert auch das Ausscheiden gegen Spanien nichts. Denn das neuformierte DFB-Team stemmte sich in diesem Turnier nicht nur mit allen Mitteln gegen Widerstände, es überzeugte auch durch einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn – auch das war in den vergangenen Jahren in der Nationalmannschaft vermisst worden.

“Die Zusammenarbeit in der großen Gruppe ist immer besonders und nicht ganz leicht. Das werde ich vermissen”, sagte Nagelsmann, ehe er Eindrücke aus der vergangenen Nacht und des morgendlichen Abschieds schilderte. Viele Spieler hätten Tränen in den Augen gehabt, als sie den Home Ground verließen. “Das ist eine große Auszeichnung, macht es aber nicht leichter”, bilanzierte der Bundestrainer. In diesem Moment stockte auch ihm wieder die Stimme. Dann kam er noch einmal auf das große Ganze zu sprechen.

Dinge gemeinsam entwickeln ist wichtig.

Das gesamte Turnier über hatte es der DFB vermieden, sich dezidiert gesellschaftspolitisch zu äußern. Es war eine Lehre aus der Katar-WM. Doch jetzt, da das Turnier für die deutsche Mannschaft offiziell beendet war, trat Nagelsmann vor. “Wir leben in einer Zeit, wo einzelne Posts wichtiger sind als eine Stunde gemeinsam zu verbringen”, sagte der Bundestrainer, der selbst der Generation Smartphone angehört. “Wir kommen aus einem Land mit vielen verschiedenen Vereinen. Dinge gemeinsam zu entwickeln, ist sehr wichtig. Wir leben in einem tollen Land und haben große Möglichkeiten, wenn wir zusammenhalten.”

Er habe noch nie einen Menschen getroffen, der etwas alleine besser gemacht habe als es mit jemanden anderen möglich gewesen wäre, der in dieselbe Richtung arbeite. “Wenn jeder im kleinen Kreis anfängt, dem Nachbarn zu helfen, wenn irgendwas ist, ist schon viel gewonnen. Wenn man dem Nachbarn hilft, die Hecke zu schneiden, wird es schneller gehen.” Er wünsche sich, in Lösungen zu denken, nicht in Problemen. Es waren wahrlich bemerkenswerte Äußerungen eines Bundestrainers, der in diesen Momenten weniger wirkt, als würde er sich überhöhen, sondern vielmehr, als sei er durch seine Rolle gereift.  Und als würde er voll in ihr aufgehen, weil sie größer ist als alles, was er zu zuvor in seinem Leben getan hat.

Angriffslustig beim Blick auf 2026

Bereits vor dem Turnier war klar, dass Nagelsmann – sofern die EM keine totale Enttäuschung werden würde – bis nach der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada weitermachen würde. Am Samstag richtete er den Blick dann bei aller Emotionalität und Traurigkeit auch angriffslustig nach vorne. “Diese einmalige Chance wird leider nicht wiederkommen. Deshalb tut es auch besonders weh”, sagte er. “Aber ich bin sehr glücklich, dass ich verlängert habe. Ich freue mich, neu anzugreifen. Wir wollen eine gute Qualifikation spielen – und dann ist ein goldener Pokal auch ganz hübsch in der Sammlung.”

Matthias Dersch

Nagelsmann: “Sehr viele Spieler haben geweint”

Nach einer Nacht mit wenig Schlaf und vielen Emotionen haben die Nationalspieler ihr EM-Camp in Herzogenaurach verlassen. Die DFB-Verantwortlichen ziehen trotz des bitteren Ausscheidens ein positives Fazit.

Kämpfte auf seiner letzten EM-Pressekonferenz am Samstag mit den Tränen: Julian Nagelsmann.

Kämpfte auf seiner letzten EM-Pressekonferenz am Samstag mit den Tränen: Julian Nagelsmann.

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Als Bernd Neuendorf, Rudi Völler und Julian Nagelsmann am Samstag ein letztes Mal in Herzogenaurach vor die Presse traten, war vor allem der Bundestrainer gezeichnet von der kurzen Nacht nach dem Viertelfinal-Aus gegen Spanien. Der 36-Jährige musste gegen die Tränen ankämpfen, als er zum Resümee der EM-Wochen ansetzte. “Ich möchte Danke sagen an die ganzen Fans im Land”, sagte er mit brüchiger Stimme: “Wir hätten ihnen gerne mehr gegeben und den Titel geholt.”

Zuvor hatte er gemeinsam mit DFB-Präsident Neuendorf und Sportdirektor Völler den 26-köpfigen Kader und den Betreuerstab mit dankenden Worten verabschiedet. “Sehr viele Spieler haben geweint. Jeder wäre noch gerne eine Woche länger geblieben”, berichtete Nagelsmann, während Völler die Entwicklung seit den März-Länderspielen gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) in den Blickpunkt schob. “Die Mannschaft hat es geschafft, die Euphorie in Deutschland zu wecken. Das war vor einigen Monaten noch unvorstellbar. Das war selbst für mich als alter Hase etwas Besonderes”, sagte der Weltmeister und ehemalige Teamchef: “Das war unser Ziel und unser Traum, dass wir wieder mit unseren Mitmenschen zusammenkommen können. Ich habe es genossen, wie Julian und sein Trainerteam es geschafft haben, einen Spirit zu erzeugen, der uns zwar nur ins Viertelfinale getragen, aber trotzdem begeistert hat.”

Neuendorf: Nagelsmann “hat das Amt des Bundestrainers neu definiert”

Ähnlich fiel das Fazit von Neuendorf an seinem 63. Geburtstag aus. “Wir haben es in der Tat geschafft, etwas auszulösen und die Fans hinter uns zu bringen. Die Verbindung und Koppelung zur Nationalmannschaft ist wieder gelungen, wir haben Identifikation gestiftet und Emotionen ausgelöst”, sagte der Verbandspräsident, der gemeinsam mit Völler und Sport-Geschäftsführer Andreas Rettig vor dem Turnier die Vertragsverlängerung mit Nagelsmann bis zur WM 2026 realisiert hatte. “Der Trainer und das Trainerteam waren sehr beeindruckend, sie haben unsere Entscheidung mehr als bestätigt. Er hat das Amt des Bundestrainers neu definiert, unglaubliche Energie und Spirit ausgestrahlt”, so der DFB-Chef, der mit den Worten schloss: “Wir haben eine Niederlage erlitten, aber ich glaube nicht, dass wir gescheitert sind. Wir werden den begonnenen Weg fortsetzen, bleiben positiv und greifen wieder an.” Auch Völler betonte, die EM-Auftritte seien “ein sehr gutes Zeichen, aber auch eine Verpflichtung, die Leistung zu bestätigen”.

“Ich bin sehr glücklich, dass ich verlängert habe und freue mich, neu anzugreifen. Aber ein paar Tage müsst ihr mir geben, die brauche ich”, sagte Nagelsmann, der schon eine ziemlich klare Vorstellung hat, wie er diese Zukunft gestalten will. “Wir haben einen Grundstock und ein gutes Klima, was schon ein ganz großes Fundament ist”, sagte er und will “nur Nuancen verändern”.

Zukunft von Neuer, Müller und Gündogan im Nationalteam offen

Der notwendige Verzicht auf Toni Kroos, dessen großartige Karriere mit dem Viertelfinal-K.-o. wie angekündigt beendet ist, stellt freilich mehr als nur eine Nuance dar. “Ihn eins zu eins zu ersetzen wird schwer”, betonte auch Nagelsmann, der bei der Neubesetzung des Mittelfeld-Zentrums den Stuttgarter Angelo Stiller und den Münchner Aleksandar Pavlovic, der die EM krankheitsbedingt verpasst hatte, ins Spiel brachte.

Ob außer Kroos weitere verdiente Spieler zurücktreten werden, war am Samstag noch offen. Thomas Müller hatte seinen Rückzug schon nach Spielende angedeutet, Manuel Neuer hingegen klang deutlich unentschlossener. Auf die Frage nach Ilkay Gündogan, der eine Entscheidung angekündigt hat, sagte Nagelsmann: “Er hat als Letzter das Camp verlassen. Stand jetzt gehe ich davon aus, dass er weiter zur Verfügung steht.”

Oliver Hartmann