Hoeneß legt sich fest: Millot ersetzt Stiller

Wer ersetzt den gesperrten Angelo Stiller beim VfB Stuttgart? Trainer Sebastian Hoeneß hat die Frage eindeutig beantwortet.

Wie schon in Leipzig und Dortmund: Sebastian Hoeneß setzt auf Enzo Millot als Ersatz für Angelo Stiller.

Wie schon in Leipzig und Dortmund: Sebastian Hoeneß setzt auf Enzo Millot als Ersatz für Angelo Stiller.

IMAGO/Sportfoto Rudel

Sebastian Hoeneß ist ganz offensichtlich ein Mann der Klarheit. Womöglich hätten andere Bundesliga-Trainer allerhand Pirouetten gedreht auf die Frage, wer ihren am Wochenende ausfallenden taktgebenden Mann auf dem Feld ersetzt. Der Coach des VfB Stuttgart beantwortete die Frage ziemlich eindeutig: Enzo Millot wird Angelo Stiller vertreten am Samstag, wenn die Schwaben im Spitzenspiel beim ungeschlagenen Meister Bayer Leverkusen gefordert sind (18.30 Uhr, LIVE! bei kicker.de). Punkt. Einerseits war das ein Stück weit erwartbar, Hoeneß macht sich also nicht des Geheimnisverrats schuldig – so ganz nebenbei gab es im vereinspolitischen Bereich in den vergangenen Jahren immer mal wieder entsprechende Vorwürfe und sogar Strafanzeigen wegen vermeintlichen Geheimnisverrats beim VfB, die aber offenkundig eher unsubstantiierter Natur waren.

Enzo hat es zwei-, dreimal gezeigt, dass er auf dieser Position spielen kann.

Sebastian Hoeneß

Andererseits hätte Hoeneß ja mit Brighton-Leihgabe Mo Dahoud einen Mann mit einer durchaus beachtlichen Vita im Kader, der dem Stiller-Profil eher entsprechen würde. Was also spricht für Millot? “Enzo hat es zwei-, dreimal gezeigt, dass er auf dieser Position spielen kann”, sagt Hoeneß. Beispielsweise kürzlich beim 1:0 in Dortmund, als Stiller in der Innenverteidigung gefragt war. Und auch beim 5:2 gegen RB Leipzig Ende Januar, als Atakan Karazor fehlte. Also jeweils gegen Top-Gegner, wie es auch Bayer ist. Millot machte es mit kicker-Noten von 2,0 und 3,0 gut und befriedigend. Insofern scheint Hoeneß’ Wahl logisch.

Bayer hat auch eine “ganz gute Doppelsechs”

Weil sowohl Stiller als auch auf Bayer-Seite Granit Xhaka zuletzt die jeweils fünfte Gelbe Karte kassierten, entfällt das Duell der Metronomen in diesem Spitzenspiel, was aus neutraler Sicht sehr bedauerlich ist. “Beide sind ähnliche Spielertypen mit einem ähnlichen Impact für ihre Klubs. Beide sind in der Lage, das Spiel zu diktieren”, lobt Hoeneß, der nicht der Meinung ist, dass sein Gegenüber Xabi Alonso große Experimente tätigt in Sachen Xhaka-Ersatz: “Ich glaube, auch auf Leverkusener Seite wird es relativ klar sein: Wenn Andrich und Palacios fit sind, werden beide spielen.” Das sei “natürlich auch eine ganz gute Doppelsechs”, bemerkt Hoeneß mit einem schelmisch gemeinten Semi-Understatement.

Hoeneß lobt Karazor

Wohl wissend, dass sich auch Millot und dessen Nebenmann Karazor nicht zu verstecken brauchen. Letztgenannter ist wie die gesamte VfB-Elf unheimlich gereift in dieser Spielzeit, obgleich er meist etwas unter dem Radar läuft, was Hoeneß nicht nachvollziehen kann: “Alle, die genau hinschauen, wissen, wie wertvoll Ata für uns ist. Er gibt uns sehr viel Balance in einer Mannschaft, die offensiv denkt.” Also keiner, der große Pirouetten dreht, sondern wie sein Trainer eher ein Mann der Klarheit ist.

Benni Hofmann

Die Stiller-Szene: Warum der VfB einen Elfmeter wollte

Neben der Beschäftigung mit den eigenen Fehlern im Zuge des 1:2 bei Werder Bremen drehte sich in der Spielanalyse der Stuttgarter Verantwortlichen einiges um eine potenzielle Elfmeterszene.

Erst streckte Michael Zetterer (re.) Angelo Stiller nieder - kurz danach gerieten beide aneinander. Werders Keeper bekam dafür Gelb.

Erst streckte Michael Zetterer (re.) Angelo Stiller nieder – kurz danach gerieten beide aneinander. Werders Keeper bekam dafür Gelb.

IMAGO/Pressefoto Baumann

Neben der Beschäftigung mit den eigenen Fehlern im Zuge des 1:2 bei Werder Bremen drehte sich in der Spielanalyse der Stuttgarter Verantwortlichen einiges um eine potenzielle Elfmeterszene. Der Tenor der VfB-Profis und -Funktionäre war klar: In der 68. Minute hätte sich niemand auf Seiten der Gastgeber über einen Strafstoß beschweren können.

Was war passiert? Nach einer Flanke von Maximilian Mittelstädt stieg Angelo Stiller am Fünfereck hoch, setzte den Ball per Kopf über das Bremer Tor und wurde nur Sekundenbruchteile später von Werder-Schlussmann Michael Zetterer niedergestreckt. “Der Torwart haut ihm komplett ins Gesicht, da kann man auch Elfmeter pfeifen”, ärgerte sich Deniz Undav am DAZN-Mikrofon. Auch Sebastian Hoeneß war – bei aller Selbstkritik an fehlender Schärfe und Effizienz in den entscheidenden Momenten am Sonntagnachmittag – der Meinung: “Er trifft ihn im Gesicht, da gehören die Fäuste nicht hin. Wir haben die Erfahrung schon gemacht, dass es da Elfmeter geben kann.”

Damit spielte der Trainer auf eine durchaus vergleichbare Szene aus der Vorsaison an: Am 14. Mai 2023 segelte im Duell mit Bayer Leverkusen ein langer Ball in den VfB-Strafraum. Weil Dan-Axel Zagadou diesen klärte, räumte der herauseilende Fabian Bredlow damals nicht das Leder ab, sondern Leverkusens Edmond Tapsoba. Schiedsrichter Frank Willenborg zeigte nach dem Video-Studium auf den Punkt, Exequiel Palacios traf zum 1:1-Endstand, ein herber Schlag für die damals im Abstiegskampf steckenden Schwaben. “Eine Scheißsituation. Wenn Daxo nicht an den Ball kommt, boxe ich den Ball raus. Dann ist alles gut. So wird es halt als Foul und Elfer ausgelegt”, sagte Bredlow damals.

Warum verzichtete Schröder auf ein Video-Studium?

Der VAR hatte die Szene in Bremen auch gecheckt, wie damals den Zweikampf zwischen Bredlow und Tapsoba. Doch anders als im Mai 2023, als Willenborg sich selbst die Bilder ansah und dann auf den Punkt zeigte, verzichtete Referee Robert Schröder auf ein Video-Studium. Warum? Das hängt mit der praktischen Regelauslegung zusammen. Vor dem Kontakt mit Zetterer hatte Stiller bereits abgeschlossen, in aller Regel muss ein Kontakt danach nicht mehr als Foul geahndet werden, es sei denn, er ist derart rücksichtslos, dass im Normalfall mindestens eine Gelbe Karte fällig wäre. Das ist ein Unterschied zu Bredlow/Tapsoba. Während Zetterer eher mit der flachen Hand gegen Stillers Kopf “patscht”, räumte Bredlow den Leverkusener damals mit den Fäusten gegen den Kopf regelrecht ab, entsprechend erhielt der VfB-Schlussmann auch eine Verwarnung. Daher schickte der VAR Willenborg damals auch zum Video-Studium, was Felix Zwayer bei Schröder nicht tat. Klar ist aber auch: Ein Strafstoß wäre in jedem Fall möglich gewesen.

Benni Hofmann

Stiller: Ungewohnte Rolle, bekannte Qualität

Er war das Stuttgarter Überraschungs-Ei: Beim 1:0 in Dortmund übernahm Angelo Stiller die Abwehrarbeit und konnte auch in der ungewohnten Rolle seine bekannte Qualität zeigen.

Überzeugte in Dortmund auf ungewohnter Position: Angelo Stiller.

Überzeugte in Dortmund auf ungewohnter Position: Angelo Stiller.

IMAGO/Nico Herbertz

Ohne seine Innenverteidiger Waldemar Anton (Gelbsperre), Dan-Axel Zagadou (Kreuzbandriss) und Anthony Rouault (Kieferbruch), allerdings mit einer guten Idee reiste der VfB nach Dortmund. Sebastian Hoeneß stellte Angelo Stiller in die verwaiste Abwehrreihe und der Mittelfeldspieler bot eine richtig gute Leistung. Daran konnte nicht einmal seine frühe Verwarnung in der 10. Minute etwas ändern.

Stiller statt Karazor in der Innenverteidigung

Stuttgarts Trainer habe “nicht lange” über diese personelle Umbesetzung nachgedacht. Gleich nach dem vorwöchentlichen 3:3 gegen den 1. FC Heidenheim, als Kapitän Anton seine 5. Verwarnung gesehen hatte, sei ihm diese Option ans Herz gewachsen, “weil ich mit Ange die gleiche Erfahrung schon einmal gemacht habe”. Die weitläufig von der Öffentlichkeit erwartete Besetzung der Vakanz in der Abwehrreihe durch Atakan Karazor verwarf Hoeneß schnell und setzte stattdessen auf Karazors Nebenmann auf der Stuttgarter Doppelsechs.

Ange kann Situationen super antizipieren und damit auch die nicht hundertprozentige Dynamik ausgleichen.

Sebastian Hoeneß über Angelo Stiller

Beim FC Bayern II hatten der Coach und das einstige FCB-Talent vor Jahren zusammengearbeitet und schon einmal in ähnlicher Situation zu dieser Spielidee gegriffen. “Damals hat er es auch überragend gespielt. Deswegen war das für mich recht schnell klar”, erklärt Hoeneß, der den Mittelfeldmann für prädestiniert für diese Rolle hält. “Die Spielintelligenz, die er auch auf der Sechs zeigt”, sei der ausschlaggebende Punkt. “Ange kann Situationen super antizipieren und damit auch die nicht hundertprozentige Dynamik ausgleichen.”

Hoeneß lobt “herausragenden” Stiller

Mit seinen 1,83 m und 79 kg ist Stiller nicht gerade optimal für die Innenverteidigung gebaut, in der Größe und Masse hilfreich und weitverbreitet sind. Dafür, so Hoeneß, ist der frühere U-21-Nationalspieler allerdings “unglaublich schlau und sehr, sehr spielintelligent”. Gerade in der Druckphase des BVB und den Duellen mit BVB-Nationalstürmer Niklas Füllkrug hat der gebürtige Münchner “immer gut abgewogen, ob er zum Kopfball geht oder weg bleibt. Das war schon herausragend”.

Und auch der Spieler selbst hatte Spaß an seinem Aushilfsjob. “Ich spiele einfach da, wo man mit aufstellt und versuche Spaß zu haben. Das Wichtigste ist, das Vertrauen des Trainers und der Mannschaft zu bekommen”, so Stiller, der von sich sagt: “Ich weiß, was ich kann.” Entsprechend selbstbewusst und keineswegs nervös trat er im ausverkauften Signal Iduna Park auch auf. “Es ist schon etwas anderes, wenn du keinen hinter dir hast. Das ist schon ein bisschen ungewohnt. Aber wenn man zocken will, wenn man einfach Spaß hat, dann ist das cool.”

Anton kehrt gegen Frankfurt zurück

Auch wenn der Ausflug auf die ungewohnte Position sowohl persönlich als auch für die Mannschaft erfolgreich verlief, freut sich der 23-Jährige in Schwaben auf die Rückkehr auf seinen angestammten Platz. “Waldi (Anton, Anm. d. Red.) braucht keine Angst haben: Ich würde gerne wieder zurückgehen auf meine Position.” Gegen Frankfurt ist der VfB-Kapitän wieder spielberechtigt

George Moissidis