Geneckte Roma: De Rossi lobt sein Team für das “Fast-Wunder”

Ein klein wenig Fopperei mussten die Römer noch am späten Donnerstagabend nach dem 2:2 im Rückspiel des Europa-League-Halbfinale in Leverkusen über sich ergehen lassen. AS-Coach Daniele de Rossi ging darauf aber nicht ein – und verneigte sich vielmehr vor seinen Mannen und denen der Werkself.

Sang seinen Schützlingen ein Loblied nach den jüngsten Anstrengungen: Roma-Coach Daniele de Rossi.

Sang seinen Schützlingen ein Loblied nach den jüngsten Anstrengungen: Roma-Coach Daniele de Rossi.

IMAGO/Nordphoto

Es sollte nicht sein: Ein Jahr nach dem vieldiskutierten Europa-League-Finaleinzug der Roma im Semifinale der Europa League 2022/23 – damals noch trainiert von José Mourinho – verpassten die Giallorossi den Sprung ins Endspiel dieses Mal. Nach dem 0:2 im Hinspiel vor einer Woche hatte es in Leverkusen bei der nunmehr seit 49 Pflichtspielen (Europa-Rekord) Werkself nach zwischenzeitlich eigener Führung noch ein 2:2 und damit das Aus gesetzt.

Im Anschluss mussten sich die italienischen Hauptstädter mit ihren Fans ein Paar Neckereien gefallen lassen. Zunächst einmal hatte der Stadion-DJ nach der erfolgreichen Revanche der Leverkusener in der BayArena das Lied “Bella ciao” abgespielt, viele Anhänger der Werkself daraufhin passend dazu gefeiert und getanzt. Das aus Zeiten des italienischen Widerstandes beim Kampf gegen die faschistische Diktatur Mussolinis und gegen die Besetzung durch Nazi-Soldaten bekannte Stück hatte in den vergangenen Jahren einen neuen Bekanntheitsgrad erhalten. Etwa als Begleitmusik zur Netflix-Serie “Haus des Geldes” oder auch als Sommerhit in verschiedenen Ländern.

Außerdem reihte sich im Anschluss an dieses Halbfinal-Rückspiel wenig später auf Twitter und Facebook auch der englische Kanal des FC Sevilla ein. Die Andalusier hatten die Römer vor einem Jahr im EL-Finale im Elfmeterschießen mit 4:1 geschlagen und posteten nun zwischen sich und Bayer 04 in Form eines Handschlag-Emojis eine Art Gruß. Bedeutung in etwa: “Glückwunsch, wie wir habt auch ihr nun die Roma besiegt.” Diese Posts wurden in der Zwischenzeit auf beiden Plattformen wieder gelöscht.

“Das tut weh”

Für AS-Trainer Daniele de Rossi war das aber alles nebensächlich, der Nachfolger von Mourinho zeigte sich im Anschluss gegenüber Sky Sport Italia einfach nur stolz. Stolz auf sein Team nach aus seiner Sicht anstrengenden Wochen und Tagen: “Es war eine heroische Vorstellung von uns, aber Leverkusen ist auch einfach eine richtig starke Mannschaft. Für mich waren die Leistungen in beiden Spielen gut … Wir haben sicherlich nicht oft genug aufs Tor geschossen, was manchmal den Unterschied machen kann. Aber die Jungs waren unglaublich!”

De Rossi weiter: “Vor gerade einmal zwei Tagen haben wir bis zur letzten Sekunde noch alles gegen Juventus rausgehauen (1:1; Anm. d. Red.), nur um uns heute schon wieder mit enormer körperlicher und geistiger Anstrengung zu pushen.” Aufs bittere Eigentor von Gianluca Mancini in der 83. Minute zum 1:2 angesprochen sagte der Roma-Coach außerdem: “Wenn du es schaffst, von 0:2 zurück und damit nah ans Wunder zu kommen und zu wissen, dass noch keiner diese Mannschaft besiegt hat in dieser Saison … Das tut weh, dann so ein Tor zu kassieren. Das tut weh.”

Schnell lenkte de Rossi den Blick aber auch wieder auf die kommenden Aufgaben, die drei verbleibenden Serie-A-Partien in Bergamo (Sonntag, 20.45 Uhr, LIVE! bei kicker), gegen den CFC Genua und beim FC Empoli. Gerade das bevorstehende Duell mit Atalanta, selbst durch ein klares 3:0 gegen Marseille fürs Europa-League-Finale gegen Leverkusen am 22. Mai (21 Uhr) qualifiziert, hat dabei schon wieder Endspielcharakter. Momentan nämlich liegen beide Klubs im Kampf um den fünften Champions-League-Rang in Italien gleichauf bei 60 Punkten, die Bergamasken haben jedoch noch eine Partie mehr in der Hinterhand. Ein Sieg für Rom ist demzufolge fast Pflicht.

De Rossi will dabei als Leitfigur vorangehen, könne von seinen Mannen nicht mehr verlangen – und ordnet ein: “Ich lerne in jedem Spiel dazu, das alles ist immer noch eine neue Erfahrung für mich – ich bin vor erst einem Jahr schließlich in der Serie B als Trainer gestartet. Und ich denke, dass nur vier oder fünf Roma-Trainer bislang ein europäisches Halbfinale gecoacht haben, das erfüllt mich mit Stolz.” Nun gelte es einfach, “weiterzumachen mit unserem Spirit”. Und ein Ausscheiden gegen Bayer 04 sei aus seiner Sicht keine Schande, denn: Leverkusen sei in dieser Spielzeit neben der starken Leistung unter Xabi Alonso zusätzlich auch “oft vom Glück geküsst. Sie haben es verdient, ins Finale einzuziehen. Manche Saisons sind einfach von Gott gesegnet.”

Dybala-Rätsel gelöst

Paulo Dybala

Konnte seiner Mannschaft in Leverkusen nicht helfen: Roma-Angreifer Paulo Dybala.
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Darüber hinaus sprach de Rossi auch noch über den Fakt, dass mit Paulo Dybala das Aushängeschild der Giallorossi weder in der Startelf noch überhaupt auf dem Rasen aufgetaucht war. Der 30-jährige argentinische Weltmeister, in 26 Ligaspielen etwa mit 13 Toren und Vorlagen zur Stelle und zuletzt auch längere Zeit ohne Verletzung unterwegs, war die gesamte Zeit über auf der Bank geblieben.

Die Erklärung des römischen Trainer dazu: “Dybala war sehr großzügig und blieb draußen sitzen. Denn nach dem Abschlusstraining hatte er nach zehn Minuten ein Stechen gespürt. Wir haben ihn aber mitgenommen, damit er vielleicht zehn oder 15 Minuten spielen kann. Das Spiel ist dann aber anders gelaufen – also habe ich gewartet, falls wir ihn für die Verlängerung brauchen.” Dazu war es aber nicht mehr gekommen.

Vor Rückspiel gegen Leverkusen: Roma muss mit 1:1 gegen Juve leben

Bevor es für die AS Rom in Leverkusen am Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) mit dem Rückspiel im Europa-League-Halbfinale weitergeht, hat sich Juventus gezeigt. In einer kurzweiligen Partie voller Chancen teilten sich beide Traditionsklubs die Punkte – was die Spannung im Kampf um die Champions League aufrechterhielt.

Ließ sich nach seinem 1:0-Führungstreffer gegen Juventus feiern: Roma-Sturmtank Romelu Lukaku.

Ließ sich nach seinem 1:0-Führungstreffer gegen Juventus feiern: Roma-Sturmtank Romelu Lukaku.

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Auch wenn das Hinspiel gegen Leverkusen im Europa-League-Halbfinale gar nicht nach Plan verlaufen ist (0:2), will sich die Roma vor dem entscheidenden Rückspiel am kommenden Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) noch nicht aufgeben. Der Traum von der direkten Rückkehr ins EL-Finale (1:4 im Elfmeterschießen gegen den FC Sevilla 2023) soll noch leben.

Und was braucht es im besten Fall bei der nunmehr seit 48 (!) Pflichtspielen unbesiegten Werkself, die an diesem Bundesliga-Sonntag 5:1 in Frankfurt gewonnen hat? Ein frühes Tor, um für Spannung zu sorgen.

Ein frühes Tor wie beim jetzigen Duell mit Juventus im Zuge des 35. Spieltags der Serie A, in der die Römer noch immer ums direkte Champions-League-Ticket fechten. Denn gegen den Rekordmeister, der selbst noch Vizemeister hinter dem längst feststehenden Champion Inter Mailand werden kann und durch Vlahovic die erste Möglichkeit dieses Spiels verzeichnete (7. Minute), legten die Hauptstädter druckvoll und eben auch erfolgreich los.

Lukaku eröffnet, Bremer kontert

Serie A, 35. Spieltag

Gerade über den agilen Angelino ging es zu Werke. Die Leiziger Leihgabe fand mit feinen Flanken Kristensen und Lukaku, Ersterer nickte den Ball daraufhin an die Latte (11.), Zweiterer setzte die Kugel nicht sauber genug (13.). In Minute 15 war es aber soweit, die Giallorossi gingen in Front: Über die rechte Seite mischten dabei Baldanzi und Dybala die Turiner Hintermannschaft auf, ehe Cristante freigespielt wurde und abzog. Diesen Versuch konnte Gatti noch abwehren, das jedoch vor die Füße von Lukaku. Der Belgier staubte knochentrocken ab und ließ sich von den Fans und seinen Mitspieler feiern.

Lukaku hätte kurz darauf auch das 2:0 machen können (19.), stattdessen gelang im weiteren Verlauf Juve der Ausgleich. Nach Dribbling samt feiner Flanke stieg Bremer am höchsten und überwand AS-Keeper Svilar per Kopfball (31.).

Abraham hat den Sieg auf dem Fuß

Und nachdem Dybala noch zwei aussichtsreiche Freistoßmöglichkeiten ausgelassen hatte (38., 45.) und Locatelli nochmals Turin angemeldet hatte (40.), ging es mit einem 1:1 in die Pause. Das sollte am Ende auch der Endstand sein, was aufgrund weiterer zahlreicher Chancen für beide Teams fast schon unglaublich war.

Chiesa etwa schoss nach toller Aktion an den rechten Innenpfosten (47.) und scheiterte an Svilar (62.), Rabiot ebenfalls (64.). Nach einer langen Phase, in der die Römer müde wirkten und Juventus klar obenauf schien, drehte sich das Blatt aber wieder. Pellegrini verpasste nach feiner Baldanzi-Vorarbeit mit einem zu überhasteten Direktversuch das absolut mögliche 2:1 (67.), ehe Danilo in höchster Not gegen Kristensens Kopfball rettete (69.). In den Schlussminuten außerdem das: Juve-Joker Kean verzweifelte an einem tollen Reflex von Svilar (87.), während Roms eingewechselter Stürmer Abraham wie schon in der Schlussphase gegen Leverkusen einen Treffer ausließ. Beim Eins-gegen-eins mit dem früheren Roma-Keeper Szczesny gewann der polnische Nationaltorwart mit einer sehr guten Tat (90.+4).

Und so mussten die Giallorossi um Trainer Daniele de Rossi mit einem 1:1 im weiterhin spannenden Kampf ums Champions-League-Ticket leben, Verfolger Atalanta Bergamo hat hier aufgrund ausstehender Spiele die Chance zum Vorbeiziehen. Die von Massimiliano Allegri betreute Alte Dame steht mit 66 Zählern derweil komfortabler da, die Königsklasse komplett abgesichert ist damit aber auch noch nicht.

“Heute war ihr Abend”: De Rossi auf der Suche nach Plan B

Durch das 0:2 zu Hause gegen Bayer Leverkusen hat die Roma im Rückspiel eine Mammutaufgabe zu bewältigen. Trainer Daniele de Rossi begab sich nach dem Spiel auf die Suche nach Ansätzen, um die Partie in Leverkusen positiv zu gestalten.

Daniele de Rossi und die Roma unterlagen zu Hause mit 0:2.

Daniele de Rossi und die Roma unterlagen zu Hause mit 0:2.

IMAGO/Insidefoto

“Wir hatten es mit einer starken Mannschaft zu tun, die es einem schwer macht, wieder ins Spiel zu kommen, wenn man in Rückstand gerät”, musste Daniele de Rossi am Donnerstagabend anerkennen. Wäre das Spiel also womöglich anders verlaufen, hätte Romelu Lukakus wuchtiger Kopfball in der 21. Minute den Weg ins Tor gefunden, statt an den Querbalken zu prallen? “Jedes Tor in einem Duell mit Hin- und Rückspiel kann von unglaublicher Bedeutung sein”, lautete die diplomatische Antwort des Roma-Trainers, der weder Lukaku noch Rick Karsdorp, der sieben Minuten später folgenschwer patzte und somit die 0:2-Niederlage einleitete, ankreidete.

Der Traum vom Finale rückt bei den Giallorossi nun in weite Ferne, doch gelesen ist die Messe aus Sicht de Rossis noch nicht. “Heute war ihr Abend, es ist ihr Jahr”, befand der Trainer, gab sich jedoch kämpferisch: “Ich habe so viel Vertrauen. Natürlich wird es ein schweres Spiel gegen eine starke Mannschaft. Wir wissen nur zu gut, dass es nicht einfach sein wird, aber wir werden nicht aufgeben.”

Ob hohe oder niedrige Intensität: Leverkusen hat eine Antwort

Im Rückspiel bedarf es dafür so mancher Änderung, was in den Augen des 40-Jährigen jedoch einfacher gesagt denn getan ist. “Du kannst sie mit weniger Intensität unter Druck setzen, aber sie werden den Ball trotzdem um dich herum spielen. Wenn man mit hoher Intensität presst, ist man gefährlichen Spielern ausgesetzt, die hinter der Abwehr mehr Platz haben. Sie haben so schnelle Spieler mit großer Qualität.”

Eine Idee, wie die Roma dagegenhalten könnte, lieferte de Rossi dennoch: “Man kann diese Mannschaften auseinandernehmen, indem man einen sehr sauberen Fußball spielt, den Ball gut bewegt und in Eins-gegen-Eins-Situationen über eine gute Beinarbeit, Schnelligkeit und den Willen verfügt, die Räume zu attackieren.” Doch auch hier ergibt sich ein Problem. “Man kann ihre Stärke nicht so sehr eindämmen. Sie haben ein anderes Tempo als wir. Sie haben einen Kader zusammengestellt, der auf körperlichen Attributen und Schnelligkeit basiert”, weiß de Rossi und leitet daraus ab: “Vielleicht sind wir technisch versierter und müssen daher sicherstellen, dass wir den richtigen Moment wählen, wenn sie in Ballbesitz sind.”

Im Rückspiel will de Rossi also alles darauf setzen, seine hochveranlagten Techniker wie Paulo Dybala oder Stephan El Shaarawy besser in Szene zu setzen. “Wir werden in Leverkusen unser Spiel machen – da bin ich mir sicher.” Am kommenden Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) gilt es, das nun unter Beweis zu stellen.

Der Pechvogel therapiert sich selbst: Sogar de Rossi schwärmt von Andrich

Vor einem Jahr war Robert Andrich im Halbfinale der Europa League in Rom der Pechvogel. Das Trauma seines Mittelfußbruchs aus dem Mai 2023 bewältigte der Nationalspieler beeindruckend – selbst für Roma-Trainer Daniele de Rossi.

Traumhaft getroffen, provozierend gejubelt: Robert Andrich am Donnerstagabend in Rom.

Traumhaft getroffen, provozierend gejubelt: Robert Andrich am Donnerstagabend in Rom.

IMAGO/ABACAPRESS

Aus Rom berichtet Stephan von Nocks

Es sind die Geschichten, die dem Wort “ausgerechnet” eine exponierte Stellung verleihen. Ausgerechnet Robert Andrich, der sich im Mai 2023 in Rom, ebenfalls im Halbfinale der Europa League, bei der 0:1-Niederlage gegen die AS Rom einen Mittelfußbruch zugezogen hatte, ausgerechnet dieser Robert Andrich erzielte nun beim Leverkusener 2:0-Erfolg in der Ewigen Stadt den 2:0-Endstand, der Bayer das Tor zum Finale in Dublin ganz weit aufgestoßen hat.

“Das ist Fußball”, musste sich selbst Trainer Xabi Alonso einer Floskel bedienen, um dann zu erklären: “Wir haben gesagt, es gibt eine zweite Chance für Rob, um bessere Erinnerungen an das Olimpico zu haben. Er hat nicht nur das Tor gemacht, sondern auch eine sehr wichtige Rolle gespielt für die Mannschaft mit seiner Persönlichkeit und Aggressivität. Es war sehr gut für Rob.” Und auch von Rob.

Zeigte sich doch sogar Roma-Trainer Daniele de Rossi, früher ein Sechser von Weltformat, von Andrichs Auftritt angetan. “Er ist ein sehr interessanter Spieler, der seine Leistung mit einem großartigen Tor gekrönt hat”, erklärte der Weltmeister.

Andrich über sein Traumtor: “Sieht schon sehr lecker aus”

In der Tat spielte Andrich im defensiven Mittelfeld neben Granit Xhaka in der aufgrund der Vorsaison aufgeladenen Partie von Beginn an mit Feuer und gab insgesamt vier Torschüsse ab. Der letzte schlug dann sehenswert im Kasten der Roma ein. “Von der Kameraperspektive von hinten habe ich das Tor jetzt schon ein, zwei Mal gesehen, der sieht schon sehr lecker aus”, sagte der 29-Jährige nachher mit einem breiten Grinsen.

Der Treffer war für Andrich wie Balsam auf die Seele, um sein Trauma aus dem Vorjahr endgültig abzuschließen. So erklärte er offen: “Jetzt hat Rom nicht mehr diese Scheiß-Bedeutung. Die Verletzung kann man jetzt ganz weit hinten im Kopf schieben. Und das Tor ist jetzt ganz weit vorne. Ein sehr, sehr schönes Gefühl.”

Provokanter Torjubel mit Hintergedanken

Zudem nutzte er die Gunst des Moments zu einem provokanten Torjubel, indem er Kusshände an das mit lauten Pfiffen reagierende Römer Publikum verteilte. Kein Kurzschluss, sondern eine Aktion mit Hintergedanken. “Natürlich versucht man irgendwo – so wie vielleicht andere Mannschaften oder andere Spieler Provokationen versuchen auszulösen -, eine Atmosphäre zu schaffen, wo auch die Spieler vielleicht merken, irgendwas läuft hier heute nicht so gut”, erklärte Andrich.

Der Nationalspieler und seine Kollegen hatten dieses Nervenspiel von Beginn an nahezu perfekt orchestriert. “Vielleicht war das letzte Jahr noch ein bisschen im Hinterkopf. Es gab immer wieder Provokationen. Wir haben uns in gewisser Weise gut darauf eingelassen, dass uns das nicht beeinträchtigt hat. Von daher glaube ich, dass wir die Energie aus der Provokation gut umgemünzt haben und nicht dumm geworden sind”, urteilte Andrich und stellte zusammenfassend fest: “Wir haben wir ein sehr, sehr gutes Auswärtsspiel gemacht.”

Rolfes über Andrichs Frau: “Zum Glück stellt sie nicht auf”

So wie Andrich selbst, dessen Frau es sogar bevorzugt hätte, wenn er in Rom, am Ort seines persönlichen Unglücks, nicht aufgelaufen wäre. “Meine Frau hat gesagt: Ich möchte gar nicht, dass du in Rom spielst”, hatte der zweifache Familienvater am Donnerstag im kicker-Interview verraten.

Ein Wunsch, den Xabi Alonso Andrichs besserer Hälfte nicht gewähren wollte. Letztlich zur Freude aller Beteiligten. “Ich würde ich mal sagen”, gab Geschäftsführer Simon Rolfes mit einem Grinsen zum Besten, “zum Glück stellt sie nicht die Mannschaft auf.”

De Rossi gegen Xabi Alonso: Draufgänger fordert Meister der Spielkontrolle

AS Rom gegen Bayer 04 – im Halbfinale der Europa League treffen am Donnerstag mit Daniele de Rossi und Xabi Alonso zwei Weltmeister erstmals als Trainer aufeinander. Auch im neuen Job ist ein packendes Duell zu erwarten.

Ein packendes Duell auch an der Seitenlinie: Roma-Coach Daniele de Rossi gegen Leverkusens Trainer Xabi Alonso.

Ein packendes Duell auch an der Seitenlinie: Roma-Coach Daniele de Rossi gegen Leverkusens Trainer Xabi Alonso.

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Aus Rom berichtet Stephan von Nocks

Sie sind zwei Heroen des Fußballs: Xabi Alonso, Welt- und Europameister, ein Champion mit dem FC Liverpool, Real Madrid und Bayern München auf Leverkusener Seite. Auf der anderen Daniele de Rossi, ebenfalls Weltmeister und als Spieler eine Ikone der AS Rom, für die er 17 Jahre als Profi spielte.

Zwei Sechser, die mit strategischem Geschick ihre Mannschaften prägten und dies nun auch als Trainer mit Erfolg versuchen. Und so klingt hoher Respekt mit, wenn Xabi Alonso über seinen früheren Widersacher auf dem Feld spricht.

Europa League, Halbfinale

“Er war ein großer Spieler, jetzt hat er einen großen Einfluss auf die Roma. Unsere Wege sind ein bisschen ähnlich”, sagt der zwei Jahre ältere Spanier, der wie der 40-jährige de Rossi nach langer Spielerkarriere nun als Trainer seine erste Station bei einem Erstligisten absolviert. Und was sein italienischer Kollege dort fabriziert, entlockt Xabi Alonso vor dem Halbfinal-Duell in der Europa League am Donnerstagsabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) ein Lob: “Die Roma spielt sehr gut. Es ist die klare Idee von De Rossi. Es ist schön, ihn wiederzusehen.”

“Special clashes” auf dem Rasen

Auch wenn die Begegnungen mit dem Spieler De Rossi auf dem Platz aufgrund dessen sehr robuster Spielweise nicht immer angenehm waren. “Natürlich gab es spezielle Aufeinandertreffen”, erklärt Xabi Alonso auf Englisch, “special clashes”, die in diesem Fall getrost auch als Zusammenstöße übersetzt werden können angesichts der früheren Spielweise de Rossis.

Daniele de Rossi und Xabi Alonso im Duell um den Ball

Intensive Duelle auf dem Rasen – nun stehen sie sich an der Seitenlinie gegenüber: Daniele de Rossi (M.) und Xabi Alonso, hier für die AS Rom und Bayern München in der Champions League 2014/15 im Duell um den Ball.
imago/HochZwei/Syndication

“Er war ein sehr intensiver Spieler. Ich mochte diese Seite des Spiels ebenso, also hatte ich keine Angst davor”, beschreibt der Baske, der aber immer in erster Linie für hohes taktisches Geschick und Spielkontrolle stand und steht, die Duelle mit dem Römer. “Und ja, ich identifiziere mich damit, was er als Spieler gemacht hat, und jetzt als Trainer hat er bei der Roma seine Rolle gefunden in diesem Klub, in dem er ein großer Spieler war. In der Nationalmannschaft haben wir auch intensive Duelle gehabt. Er war ein großer Champion als Spieler.”

De Rossi stand immer für maximale Leidenschaft, höchsten Einsatz und ein selbstbewusstes Auftreten. Als Spieler war er ein Grenzgänger, wie die WM 2006 zeigte. Damals sah der Mittelfeldspieler im zweiten Gruppenspiel gegen die USA (1:1) nach einer Tätlichkeit die Rote Karte, um zur Halbzeit des Finales gegen Frankreich in das Turnier zurückzukehren – und beim 5:3-Sieg im Elfmeterschießen nach Trezeguets Fehlschuss, dem einzigen an jenem Abend, zum 3:1 zu verwandeln.

Ein packendes Duell auch an der Seitenlinie

Diese unerschrockene, draufgängerische Haltung habe de Rossi jetzt als Trainer auch auf seine Mannschaft, die AS Rom, übertragen. “Sie spielen mutig, wenn sie den Ball haben, und sehr aggressiv, wenn sie ihn nicht haben”, erklärt Xabi Alonso anerkennend, “ich freue mich, dass wir als Trainer meiner Generation jetzt den nächsten Schritt machen.”

Leverkusens Angreifer Patrik Schick, von 2017 bis 2019 Mitspieler de Rossis bei der Roma, hält sich beim Vergleich der beiden Jung-Trainer zurück, preist aber deren Leistung als Profis. “Beide waren Top-Spieler, aber ich kenne Daniele nicht als Trainer und ich habe nicht gegen Xabi gespielt. Sie waren die besten auf der Welt auf ihren Positionen”, sagt der 28-Jährige anerkennend.

Allerdings traut Schick seinem ehemaligen Mitspieler bei der Roma auch in der dessen zweiter Karriere Großes zu: “So wie er als Spieler war, hat er alle Aspekte, um ein Top-Trainer zu werden.” Draufgänger de Rossi gegen den Meister der Spielkontrolle Xabi Alonso – das Olimpico erwartet heute auch an der Seitenlinie ein packendes Duell.

Zurück zur Menschlichkeit: De Rossi erweckt die römischen Freigeister

Die Zeiten des destruktiven Fußballs sind in Rom Geschichte. Daniele de Rossi macht die AS wieder attraktiv – und für Leverkusen gefährlich.

Mit Daniele de Rossi ist der Erfolg zur Roma zurückgekehrt. Vor allem Paolo Dybala profitiert.

Mit Daniele de Rossi ist der Erfolg zur Roma zurückgekehrt. Vor allem Paolo Dybala profitiert.

IMAGO/LaPresse

José Mourinho hatte sein letztes Spiel als Coach der Roma schon gar nicht mehr von der Seitenlinie miterlebt, “The Special One” fehlte mal wieder wegen einer emotionalen Entgleisung gesperrt. Die Associazione Sportiva verlor Mitte Januar mit 1:3 bei der AC Mailand, rutschte dadurch auf einen bedeutungslosen neunten Rang in der Serie A ab. Zwei Tage darauf war für den Portugiesen nach dreieinhalb Jahren in der “Ewigen Stadt” Schluss. Wer es bei der Roma nun richten sollte, war im Umfeld der Tifosi schnell klar.

Europa League, Halbfinale

“Eine andere Trainerwahl wäre für die Fans verheerend gewesen”, sprach Daniele de Rossi selbst über seine Rückkehr zur Roma – nicht aber, weil er bis dato woanders so erfolgreich gearbeitet hatte. Beim Zweitligisten SPAL Ferrara war de Rossi im Februar 2023 nach drei Siegen und acht Niederlagen in 17 Partien entlassen worden. Für die Anhänger der Giallorossi war die Vereinsikone, die in 19 Jahren über 600 Spiele absolviert hatte, dennoch der perfekte Nachfolger. Das war sowohl dem langjährigen Kapitän selbst als auch den US-Eignern bewusst. “Ich bin ja nicht blöd, deswegen haben sie mich angerufen.”

Die Fan-Liebe wollte de Rossi aber nicht zu seinem Vorteil nutzen, zu schnell könnte diese emotionale Schiene nach hinten losgehen. Der 40-Jährige, der lediglich als Trainer und nicht als Ikone angesehen werden will, fand eine mit technisch versierten Spielern gespickte Mannschaft vor. Mourinhos zuvor defensive Spielweise, so wirkte es, unterdrückte aber den Freigeist mancher. De Rossi sprach dennoch von einer “eingespielten Einheit”, denn wenn es intern nicht stimme, “kannst du nicht in zwei europäischen Wettbewerben (Serie A und Europa League; Anm. d. Red.) mithalten”. Der langjährige Mittelfeldspieler brachte nach durchaus erfolgreichen, aber stets von Polemik geprägten Jahren unter Mourinho die Menschlichkeit zurück zur Roma. Der Fußball, das Spiel mit dem Ball, stand wieder im Mittelpunkt.

Destruktiv war gestern

De Rossi änderte die Grundformation des dreimaligen italienischen Meisters – weg vom destruktiven 3-5-2, hin zu einem mutigen 4-3-3. Es sollte Raum geschaffen werden für die Spieler, die den Unterschied machen können. Vertikales Kombinationsspiel, gepaart mit phasenweise erdrückendem Pressing. Rom spielt wieder vorwärtsorientiert – was sich merklich auszahlt. Seit de Rossis Übernahme hat die AS in 20 Spielen zwölfmal gewonnen, dabei nur gegen den bereits feststehenden Meister Inter sowie gegen das stark aufspielende Bologna verloren. Zwar zog die Roma auch im Achtelfinal-Rückspiel der Europa League in Brighton den Kürzeren, das deutliche 4:0 im Hinspiel hatte aber bereits den Grundstein fürs Weiterkommen gelegt und war ein weiterer Beweis für die neue Offensivstärke.

AS Rom

Harmonieren prächtig: Paolo Dybala und Romelu Lukaku.
IMAGO/AFLOSPORT

Der römische Aufschwung ist nicht nur tabellarisch, als Fünfter ist die AS wieder auf Champions-League-Kurs, sondern auch an den Zahlen von Paolo Dybala abzulesen. Der Argentinier, Paradebeispiel eines Freigeists, wird unter de Rossi nicht mehr in taktische Abläufe gepresst, sondern darf um Sturmtank Romelu Lukaku herum seine Kreativität ausleben. “Er gibt mir Freiheit, lässt mich nicht so tief fallen, weil der Weg zum Strafraum lang ist. Sein Spiel hilft mir, da wir den Ball mehr haben”, beschreibt der 30-Jährige seine neue Rolle unter de Rossi – und legt selbstbewusst nach. “Die Daten seht ihr.” In einem deutlich kürzeren Zeitraum der Saison unter de Rossi kommt Dybala in allen Wettbewerben auf 14 Scorerpunkte, zuvor waren es aber auch unter Mourinho starke zwölf.

De Rossi kontra Totti

Auffällig ist derweil, dass der sonst so verletzungsanfällige argentinische Weltmeister seit Mitte Januar nur drei Spiele angeschlagen verpasst hat – vor dem Jahreswechsel musste die Roma noch neunmal ohne ihn auskommen. Auch deswegen hatte mit Francesco Totti eine weitere Vereinslegende bereits einen Verkauf Dybalas gefordert, Tottis langjähriger Mitspieler de Rossi äußerte unlängst aber den Wunsch einer Vertragsverlängerung.

Der Erfolgstrainer wird der Roma definitiv erhalten bleiben, zwischen den jeweils gewonnenen EL-Viertelfinalspielen gegen Milan gab der italienische Hauptstadtklub die Zusammenarbeit über den Sommer hinaus bekannt. “Ein langfristiges Projekt aufbauen” sei das Ziel der Vereinsführung – Besitzer ist The Friedkin Group – mit de Rossi, der mit viel Feingefühl an seiner zweiten Roma-Ära arbeitet. Auf kurze Sicht soll es aber erst einmal der wiederholte Finaleinzug in der Europa League sein, im Halbfinale wartet ein nicht minder erstarktes Bayer 04 Leverkusen. Die Werkself erwartet in diesem Jahr jedoch eine ganz andere Roma, es wird wieder Fußball gespielt.

Entscheidender Faktor: Ist Lukaku fit für Leverkusen?

“Wir werden bis zur letzten Sekunde kämpfen”: Das kündigte Daniele de Rossi am Mittwoch auf der Spieltagskonferenz vor dem Hinspiel gegen Leverkusen an – und gab darüber hinaus Einblick ins personelle Geflecht.

Möchte auf seinen Sturmtank Romelu Lukaku ungern verzichten: Roma-Coach Daniele de Rossi.

Möchte auf seinen Sturmtank Romelu Lukaku ungern verzichten: Roma-Coach Daniele de Rossi.

IMAGO/Insidefoto

Mit einem famosen Körpereinsatz samt Trick gegen die Milan-Hintermannschaft im Rückspiel des Europa-League-Viertelfinals hatte Romelu Lukaku seine Fähigkeiten einmal mehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt und damit bereits in der 22. Minute das vorentscheidende 2:0 von Paulo Dybala auf den Weg gebracht.

Das Blöde aus Sicht des belgischen Sturmtanks, der im Sommer 2023 nicht zurück zu Inter gekommen war und letztlich von seinem ungebliebten Stammklub Chelsea nach Rom verliehen worden war: Nur Minuten später erfolgte seine verletzungsbedingte Auswechslung – und keine Einsatzminute folgte mehr seit Mitte April.

Lukaku-Entscheidung fällt wohl erst kurzfristig

Oberschenkelprobleme setzten Lukaku seither außer Gefecht, der Zielspieler der Giallorossi verpasste so das wichtige Spiel ums Champions-League-Ticket gegen Bologna (1:3), das 18-Minuten-Nachholspiel in Udine (2:1) und das jüngst spät gerettete 2:2 beim letztjährigen Meister Napoli.

All das aus Sicherheitsgründen, damit der Nationalspieler (114 Einsätze, 83 Tore) möglichst fit ist für das Hinspiel im neuaufgelegten Europa-League-Halbfinale gegen Bayer Leverkusen (Donnerstag ab 21 Uhr, LIVE! bei kicker). Doch wie fit ist Lukaku, der es in 42 Pflichtspielen diese Saison auf 19 Tore und vier Vorlagen bringt, wirklich? Fit für die Startelf? Fit für 60 Minuten?

Roma-Coach Daniele de Rossi wurde dahingehend natürlich gelöchert auf der Spieltagspressekonferenz in Rom am Mittwoch. Seine Antwort: “Lukaku hat nur sehr dosiert trainiert. Aber er war insgesamt nicht lange weg (zwei Wochen; Anm. d. Red.) und es handelte sich nur um eine leichte Verletzung.” Diese Worte klangen eher positiv, de Rossi schob aber noch nach: “Wir sehen morgen weiter und wägen genau ab. Doch mit Blick auf gestern (Dienstag; d. Red.), auch wenn es sich nur um softes Training gehandelt hat … da hat er sehr gut ausgesehen. Wir müssen ihn vielleicht noch etwas mehr pushen, um zu sehen, wie er darauf reagiert. Dann entscheiden wir.”

Es gibt eine Menge, worüber wir uns Sorgen machen müssen.

Daniele de Rossi

Doch ob mit einem langen Lukaku-Einsatz oder ohne, de Rossi sieht sich und sein Team – Ersatzmann Tammy Abraham hat seine langwierige Kreuzbandverletzung überstanden und in Neapel erstmals getroffen – gut gerüstet.

Zugleich erkennt er die Stärke der weiterhin unbesiegten Werkself (46 Partien ohne Niederlage) an: “Es gibt eine Menge, worüber wir uns Sorgen machen müssen. Der Fakt, dass sie immer noch ungeschlagen sind, obwohl sie oft zurückgelegen haben, ringt mir Respekt ab. Sie legen einen unglaublichen Glauben und Hartnäckigkeit an den Tag nicht aufzugeben, selbst wenn ein Spiel verloren scheint. Doch wir sind auch ein Team mit besonderem Glauben und Elan, auf dieser Ebene sind wir also ebenbürtig. Und wenn man um so etwas wie ein Finale spielt, kämpfen wir sowieso bis zur letzten Sekunde. Das tun beide Teams.”

Lesen Sie auch einen Rückblick auf die Duelle zwischen Leverkusen und der Roma: Als Ramelow zum Trampolin wurde, ein “Spiel wie ein Oktoberfest” und die “Schande”

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1:11Seit Daniele de Rossi Trainer bei der Roma und damit Nachfolger von José Mourinho ist, geht es stark bergauf. Vor Xabi Alonso und der Leistung von Bayer Leverkusen hat Weltmeister von 2006 aber sehr großen Respekt.

Als Ramelow zum Trampolin wurde, ein “Spiel wie ein Oktoberfest” und die “Schande”

20 Tore, Jod wegen Judo, zusammenfallende Sandburgen und eine einzige Abwehrschlacht: Von den bislang sechs Spielen zwischen Bayer 04 Leverkusen und der AS Rom schafften es gleich zwei in die Geschichtsbücher ihrer Vereine. Frust im Lager der Werkself dürfte derweil auch das letztjährige Europa-League-Halbfinale hervorrufen.

Unvergessene internationale Abende: Francesco Totti springt 2004 auf Carsten Ramelow, die Leverkusener Mannschaft 2015 auf Admir Mehmedi.

Unvergessene internationale Abende: Francesco Totti springt 2004 auf Carsten Ramelow, die Leverkusener Mannschaft 2015 auf Admir Mehmedi.

AFP via Getty Images

Ein wenig sieht es so aus, als hätte man Carsten Ramelow Gewürzketchup auf den Rücken geschmiert. Öffentlichkeitswirksam ließ sich der damalige Kapitän von Bayer 04 Leverkusen am 4. November 2004 gemeinsam mit dem für seine unkonventionellen Behandlungsmethoden bekannten Physiotherapeuten Dieter Trzolek ablichten – mit dem Rücken voller Jod.

Rot-bräunlich glänzt Ramelows Oberkörper, grün-blau hätte er wohl sonst geglänzt – malträtiert von den Stollen Francesco Tottis.

“So etwas habe ich im Fußball noch nicht erlebt”

Am Tag zuvor war Bayer 04 in der Champions-League-Gruppenphase im Stadio Olimpico auf die AS Rom getroffen. Das Spiel sollte im Gedächtnis bleiben, obwohl es sich laut damaligem kicker-Bericht um einen “Gruselkick” gehandelt hatte. Wobei der wiederum in die Atmosphäre passte: Die Partie war vor leeren Rängen ausgetragen worden, weil ein Roma-Anhänger im vorangegangenen Heimspiel gegen Dynamo Kiew Referee Anders Frisk mit einem Gegenstand beworfen hatte und dieser daraufhin eine blutende Wunde davontrug.

Champions League 2004/05

“So etwas habe ich im Fußball noch nicht erlebt”, beklagte Coach Rudi Völler damals. Ja, der Rudi Völler. “Tante Käthe” war Trainer der Giallorossi. Als es gegen Leverkusen ging, aber schon nicht mehr.

Kaum vorzustellen, was an diesem Novemberabend passiert wäre, wenn auch noch ein Völler voller Temperament und ein Stadion voller Romanisti zu den Darstellern gezählt hätten. Schließlich hatte es schon beim ersten Aufeinandertreffen zwei Wochen zuvor gekracht, beim 3:1-Sieg der Werkself in der BayArena flogen gleich zwei Römer mit glatt Rot vom Platz.

Das war Judo, das war vorsätzliche Körperverletzung.

Leverkusens Trainer Klaus Augenthaler

Auch das Rückspiel hatten Nickligkeiten geprägt, wie sich Ramelow Jahre später im kicker-Interview erinnerte. “Ich wusste, dass Totti es nicht mag, wenn man ihn bearbeitet und ihm ein bisschen wehtut”, so der damalige Kapitän. “Ich war nicht zimperlich – und bei ihm baute sich die Wut regelrecht auf. Ich merkte, dass er sich nicht mehr lange würde halten können.” Er hielt sich bis zur 72. Minute. “Als ich grätschte”, berichtete Ramelow rückblickend, “nutzte er die Situation, sprang hoch, und obwohl er neben mich hätte springen können, nutzte er mich als Trampolin und haute mir beide Füße ins Kreuz.”

Carsten Ramelow und Dieter Trzolek

Ein Rücken voller Jod: Dieter Trzolek (re.) behandelt die blauen Flecken von Carsten Ramelow.
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Der portugiesische Referee beließ es bei Gelb für beide Spieler, Leverkusens Coach Klaus Augenthaler tobte: “Das war eine klare Rote Karte, das war Judo, das war vorsätzliche Körperverletzung.” Sein Gegenüber, Völler-Nachfolger Luigi Delneri, reagierte mit Spott: “Er sollte nicht auf der Bank, sondern auf der Tribüne sitzen. Fußball ist eben ein Männersport.”

Vielleicht musste sich Delneri das an diesem Tag aber auch selbst unbedingt einreden, schließlich hatte sein für Ausschreiten und Verfehlungen berühmt-berüchtigter Stürmer Antonio Cassano ihm noch drei Tage zuvor die Geschlechtszugehörigkeit abgesprochen: “Ich rede nur mit Männern. Und du bist keiner!”

Cassanos anschließende Suspendierung erwies sich für die Roma zumindest in der Partie gegen Leverkusen als Glücksfall. Das Traumtor von Dimitar Berbatov in der 82. Minute glich Cassano-Ersatz Vincenzo Montella in der Nachspielzeit zum 1:1-Endstand aus – auf geniale Vorarbeit von Totti. Dessen ereignisreicher Arbeitstag war damit aber noch nicht vorbei: Auf dem Weg in die Katakomben begann er noch eine Rangelei.

Das Wiedersehen

Als es für die Roma elf Jahre später wieder gegen Leverkusen ging, fehlte zwar der inzwischen 39-jährige Totti – aber nicht das Spektakel. 13 Tore fielen in zwei Spielen der Champions-League-Gruppenphase – auch weil das vom angriffslustigen Roger Schmidt (inzwischen seit 2022 Coach von Benfica Lissabon) trainierte Leverkusen damals für brachialen Offensivpowerfußball stand.

Champions League 2015/16

Im spektakulären Hinspiel legte sein Team mit einem frühen Doppelpack von Javier “Chicharito” Hernandez los wie die Feuerwehr, ehe sich die von Rudi Garcia betreuten Giallorossi auf den Weg zum 4:2 bis zur 73. Minute machten. “Die Roma hat sich längst in Sicherheit gewogen und offenbar zu locker agiert, da schlägt auf einmal Leverkusen mit einem Doppelschlag wieder zu”, heißt es im kicker-Ticker zum damaligen Spiel. Denn: Kevin Kampl und Admir Mehmedi sicherten ihren Farben tatsächlich noch ein 4:4.

Völler, der elf Jahre vorher “so etwas im Fußball noch nicht erlebt hatte”, griff nun wieder zum Superlativ, wenn auch abgeschwächt: “So ein Spiel hat es zumindest in Leverkusen wohl noch nicht gegeben. Ich habe mit den Kollegen aus Rom gesprochen, die standen ähnlich wie ich auch kurz vor dem Kollaps.” Und Coach Schmidt fügte an: “Das war alles andere als ein normales Fußballspiel. Auch ich bin geflasht.”

“Ein Spiel wie ein Oktoberfest”

Italiens Gazetten ließ dieses Acht-Tore-Spektakel naturgemäß auch nicht kalt. So textete die Gazzetta dello Sport: “Ein Spiel wie ein Oktoberfest, auch wenn wir nicht in Bayern sind. Das Spiel hinterlässt bei den Römern starke Kopfschmerzen wie nach einem kolossalen Saufgelage.” La Stampa griff zu einem anderen Vergleich: “Ein verrücktes Spiel in Leverkusen. Wenn die Abwehrreihen Sandburgen sind, fehlt jeder Mannschaft das Gleichgewicht. Jede Aktion wird so zu einer goldenen Chance.”

Jubeltraube bei Bayer Leverkusen

Kollektiver Freudentaumel: Bayer Leverkusen bejubelt das 4:4 durch Admir Mehmedi.
imago/Baering

Das Gute damals: Nur kurz darauf folgte direkt das Rückspiel zwischen diesen beiden offensivfreudigen Mannschaften – im altehrwürdigen Stadio Olimpico am 4. November 2015. Hier legten die Hauptstädter furios vor: Mohamed Salah bereits in der 2. Spielminute und Edin Dzeko überwanden Bernd Leno zum 2:0-Pausenstand. Aus dem hochverdienten 0:2 machte die Werkself nach dem Seitenwechsel allerdings durch Treffer von Mehmedi und Chicharito ein 2:2. Das letzte Wort aber hatten die Römer, nachdem Ömer Toprak glatt Rot gesehen und einen Elfmeter durch einen Stoß gegen Salah verursacht hatte. Miralem Pjanic trat an – und wurde seinem Ruf als Standardexperte gerecht.

“Zum Verrücktwerden”, titelte der Corriere dello Sport nach dieser nächsten spektakulären Partie, während die Gazzetta dello Sport einen “Thriller mit gutem Ende” sah: “Nicht zu fassen! Die Geister aus dem Hinspiel leben noch.” Sie hätte auch schreiben können: Die Geister waren elf Jahre lang nicht tot.

“Große Verarschung des Schiedsrichters”

Kerem Demirbay

2023 verpasste Leverkusen noch um Kerem Demirbay das Europa-League-Finale gegen Rom – auf bittere Weise.
IMAGO/Beautiful Sports

Bevor diese beiden Teams nun am Donnerstagabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) und eine Woche später erneut die Klingen kreuzen und dabei das Ticket fürs Europa-League-Finale ausmachen, fehlt noch der Blick ein Jahr zurück – denn auch hier standen sich Leverkusen und Rom im Semifinale der Europa League gegenüber. Mit Spektakel wie noch beim wilden 4:4 in der Königsklasse hatte das aber nichts zu tun. Gar nichts.

Denn die Italiener, trainiert von keinem Geringeren als “The Special One” José Mourinho, sollten sich im Hinspiel mit dem Tor von Eigengewächs Edoardo Bove begnügen und den Rest mit Verteidigungsarbeit und destruktivem Fußball verbringen. Und Leverkusens Offensive? Die zerschellte beim 0:1 im Hinspiel sowie beim 0:0 im Rückspiel trotz teils langer Nachspielzeit an diesem römischen Team. Wie sehr damals nur ein Team – das aus der Bundesliga – agieren wollte, verdeutlicht folgende kicker-Zeile: “Bayer schoss zwar 23-mal aufs Tor (Rom nur einmal), traf einmal die Latte – verzweifelte aber gerade in der Schlussphase trotz voller Offensive an der Spielweise der Roma.”

Europa League 2022/23

Im Anschluss an das damalige Aus konnten sich einige Leverkusener vor Wut kaum beruhigen, sie erkannten im Angang der Mourinho-Römer Anti-Fußball. Worte wie “Frechheit”, “Schande” und “sehr ekelhaft” flogen umher. Geschäftsführer Sport Simon Rolfes lederte am RTL-Mikrofon: “Nach jedem Torschuss von uns lag einer von denen auf dem Boden und brauchte einen Arzt, und das ist natürlich große Verarschung des Schiedsrichters.” Und Kerem Demirbay, inzwischen für Galatasaray aktiv, meinte: “Dass so eine Spielweise am Ende auch belohnt wird, ist sehr, sehr bitter für den Fußball.”

Nun steht die Neuauflage des Europa-League-Halbfinales unter etwas anderen Sternen an – Leverkusen tritt als weiterhin ungeschlagener Bundesliga-Meister an, die Roma schlägt ohne Mourinho und mit Daniele de Rossi als Coach auf. Gibt es dieses Mal wieder Spektakel?

Dieser Text erschien bereits in abgewandelter Form vor dem letztjährigen Europa-League-Halbfinale am 11. Mai 2023.

Michael Bächle, Markus Grillenberger

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7:55In einem ereignisreichen Derby del Sole teilten sich der letztjährige Serie-A-Meister Neapel und die ums Champions-League-Ticket kämpfende Roma am Ende die Punkte. Zwar hatte Victor Osimhen die Süditaliener spät in Führung gebracht, doch Tammy Abraham per Kopf nach einer Ecke sorgte für späten Jubel bei der Daniele-de-Rossi-Elf.