Königsklassen-König Ancelotti: “Du gewöhnst dich nie daran”

Italienische Trainer haben ein Faible für die Königsklasse – allen voran Carlo Ancelotti. Der nimmermüde Italiener, schon als aktiver Profi ein erfolgreicher Mann, thront mit diesem Champions-League-Erfolg in London noch weiter oben.

Ein Mann für die Ewigkeit: Die Mannschaft von Real Madrid lässt Carlo Ancelotti einmal mehr hochleben.

Ein Mann für die Ewigkeit: Die Mannschaft von Real Madrid lässt Carlo Ancelotti einmal mehr hochleben.

Getty Images

Seit 1992 existiert die Champions League unter diesem offiziellen Namen der UEFA – und seither haben Mannschaften mit einem italienischen Coach im Amt gute Karten für einen Finaleinzug. Ganze 17-mal schon hatte ein Trainer vom Stiefel ein Team ins Endspiel geführt, in diesem Jahr eben Carlo Ancelotti.

Oder besser: schon wieder Carlo Ancelotti.

Don Carlo oder Carletto, wie der inzwischen 64-Jährige auch genannt wird, thront in Europa über dem Rest. Und hier darf auch die gesamte Historie der europäischen Wettbewerbe herangezogen werden. Kein anderer Verantwortlicher hat auch nur im Ansatz so eine erfolgreiche Königsklassen-Vita wie der gebürtige Norditaliener (Reggiolo aus der Region Emilia-Romagna). Das fängt schon bei den Spielen an: Während CL-Ikone Cristiano Ronaldo an der Spitze der aktiven Spieler liegt mit stolzen 183 Einsätzen, bringt es Ancelotti an der Seitenlinie auf unglaubliche 204 Champions-League-Partien. Zweihundertundvier!

116 Spiele hat er dabei gewonnen, sechsmal das Finale erreicht und ganze fünfmal gewonnen. Auf fünf gesamt-europäische Titel bringen es lediglich die Granden Giovanni Trapattoni (zweimal Königsklasse, dreimal UEFA-Pokal) und José Mourinho (zweimal Königsklasse, zweimal UEFA-Pokal/Europa League, einmal Conference League).

Zweimal hat Ancelotti mit seinem früheren Klub Milan (2003, 2007), dreimal mit Real Madrid (2014, 2022, 2024). Einzig das denkwürdige Finaltrauma von 2005, als sein glorreiches Milan gegen Liverpool auf dramatischste Art und Weise (“Sechs Minuten des Wahnsinns”) im Elfmeterschießen verloren hat, bleibt als Fleck irgendwo auf Ancelottis sonst so reiner CL-Weste.

“Wir sind nur Matrosen”

Das Besondere bei Carletto ist dabei, dass er stets als Gentleman auftritt. Als seine Madrilenen etwa das Finale in London mit einem außergewöhnlichen Schlussakt im Halbfinalrückspiel gegen Bayern München erreicht hatten, zeigte sich der Italiener vor versammelten Medien bescheiden und schob das gesamte Lob in Richtung Real-Präsident weiter: “Es gibt hier nur einen Kapitän – und der heißt Florentino Perez. Der Rest von uns sind Matrosen.” Also auch er selbst. Perez allein habe “es geschafft, diese großartige Generation von Fußballern zusammenzustellen – und hoffentlich können wir noch einmal gewinnen”.

Gesagt, getan: Mit einer insgesamt überschaubaren Vorstellung – manch einer mag “Typisch Real” sagen – hatten die Königlichen dieses Mal zunächst einen druckvollen Dortmunder Express überstanden, ehe spät selbst das 1:0 und alles entscheidende 2:0 gelang.

Auch hier bestach Ancelotti mit nüchterner Art und gab im ZDF lediglich zu Protokoll: “Das war ein schwieriges Spiel, vor allem in der ersten Halbzeit. Einige Dinge liefen nicht gut.” Dann aber sei es besser gelaufen nach einigen Umstellungen – und am Ende zähle bei solch einem Spiel sowieso nur das Ergebnis und nicht die vielleicht ach so schön anzuschauende Spielweise.

Auch schon als Spieler eine Hausnummer

Carlo Ancelotti

Dürfte den Henkelpott in- und auswendig kennen: Real-Coach Carlo Ancelotti.
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Welcher potenziell künftige Ancelotti-Gegenüber nun aber denkt, der Altmeister dürfte sich so langsam zur Ruhe setzen mit solch einer Latte an Erfolge, der irrt gewaltig. So hatte der Coach erst letztes Jahr Offerten als möglicher neuer Brasilien-Nationaltrainer ausgeschlagen und sich jüngst bekannt, bis zu seinem Vereinsruhestand in vielleicht noch einigen Jahren Zukunft weiter bei Real arbeiten zu wollen.

Präsident Perez dürfte sich freuen, denn erfolgreicher in der Champions League ist eben keiner. Don Carlo steht nun bei fünf Triumphen, mindestens zwei mehr als jeder andere Coach in den modernen CL-Zeiten. Drei mit einem Klub haben vor ihm außerdem nur zwei Herrschaften geschafft – Bob Paisley mit Liverpool (1977, 1978, 1981), Zinedine Zidane ebenfalls mit Real (2016, 2017, 2018).

Zu alldem gesellt sich auch der Fakt, dass Ancelotti den Fußball seit Jahrzehnten erfolgreich lebt. Schon als Aktiver hat er als Mittelfeldmann für Parma, die Roma und Milan (fast 300 Serie-A-Spiele) Titel gesammelt – etwa drei Meisterschaften (Rom und zweimal mit Mailand) sowie zweimal den Henkelpott mit Mailand in den Jahren 1989 und 1990. Kurzum: Ancelotti und die Königsklasse – das passt.

Auch wenn Carletto selbst gegenüber Movistar und TNT Sports meinte: “Du gewöhnst dich nie daran, diesen Wettbewerb zu gewinnen. Speziell nicht, wenn es so schwierig war wie heute. Wir mussten leiden. Doch das sind alles nur Details am Ende.” Nun sei er mit einem Team einmal mehr an der Spitze Europas – und das fühle sich wie ein Traum an, “es ist aber kein Traum. Es ist wahr. Ich bin glücklich.”

‘There is not a big ego’ – Ancelotti stresses Real squad is ‘not difficult to manage’


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Titel zum Abschied für Kroos: “Hat lange gedauert, bis wir die bessere Mannschaft waren”

Besser kann man nicht abtreten von der Vereinsfußball-Bühne. Toni Kroos verabschiedete sich mit dem Champions-League-Titel. Dennoch war es für Real Madrid ein hartes Stück Arbeit, auch weil Gegner Dortmund stark auftrat.

Toni Kroos durfte sich zum sechsten Mal über den Henkelpott freuen.

Toni Kroos durfte sich zum sechsten Mal über den Henkelpott freuen.

IMAGO/Agencia EFE

Auch nach seinem letzten Pflichtspiel im Trikot von Real Madrid war Toni Kroos gewohnt klar in seiner Analyse. “Es hat lange gedauert, bis wir die bessere Mannschaft waren heute”, sagte der 34-Jährige im ZDF. Genauer gesagt dauerte es im Prinzip bis zum 1:0-Treffer von Dani Carvajal, den Kroos mit einer Ecke perfekt serviert hatte, ehe Real dominant auftrat. Vorher hatte Borussia Dortmund nicht nur stark dagegen gehalten, sondern gerade auch in der ersten Hälfte die besseren Chancen.

Dass die Blancos nach 45 Minuten mit einem 0:0 in die Pause durften, bezeichnete Kroos als “das Entscheidende”, denn auch er hatte erkannt, ein Gegentor “wäre mehr als möglich gewesen”. Dem BVB bescheinigte der Mittelfeldspieler eine “sehr gute erste Hälfte”, ganz anders als dem eigenen Team: “Die erste Halbzeit war nicht gut von uns, wirklich nicht gut.”

BVB bereitet Real Probleme

Allerdings auch, weil Dortmund immer wieder geschickt die Lücken in der Defensive der Königlichen fand – das musste auch Antonio Rüdiger anerkennen: “Es war ein hartes Stück Arbeit. Respekt an Dortmund, sie haben es sehr gut gemacht.” Immer wieder brachen die Schwarz-Gelben durch, spielten es aber nicht immer perfekt aus, trotzdem musste Thibaut Courtois gleich mehrfach eingreifen, einmal half zudem der Pfosten. “Sie haben uns sehr viele Probleme bereitet”, gestand Rüdiger, betonte aber auch: “Wir kriegen immer unsere Chance, daran glauben wir.”

Kurz nach dem Seitenwechsel gelang den Königlichen dann auch der erste richtig gefährliche Torschuss nach einem Freistoß durch Kroos. “Da sind wir besser ins Spiel reingekommen, machen dann das Tor und danach waren wir voll drin”, lobte Kroos die Leistungssteigerung. “Danach waren wir die bessere Mannschaft.” Aber das hat, wie Kroos auch erkannt hatte, eben lange gedauert. Bis in die 74. Minute. Oder wie es Rüdiger ausdrückte: “So sind wir, Real Madrid.” Denn: “Wir glauben immer daran.”

Perfekter Abschied für Kroos – Bellingham fühlt mit Dortmund

Der Glaube in die eigene Stärke wurde belohnt. In der Schlussviertelstunde dominierte Real Madrid, erspielte sich eine Reihe an Chancen und traf zur endgültigen Entscheidung durch Vinicius Junior. Für Kroos, der nun wie seine Mannschaftskollegen Nacho, Luka Modric und Carvajal sechs Erfolge in der  Champions League in seiner Vita stehen hat, der perfekte Abschluss. “Natürlich wollte ich mich mit dem Titel verabschieden, mit diesem Champions-League-Sieg, das bedeutet mir unfassbar viel und Gott sei Dank hat’s geklappt”, schloss Kroos.

Während es für ihn der sechste Titel war, war es für Jude Bellingham der erste. Der Ex-Dortmunder fühlte mit seinem ehemaligen Verein: “Ich werde immer dankbar dafür sein, was der Klub mir gegeben hat. Es ist schade, dass es jetzt dieses direkte Duell geben musste, aber so ist der Fußball eben manchmal.”

Jetzt geht es erst richtig los

Mit Glück und Geschick, auch finanziellem, hat Real Madrid seine Hegemonie bestätigt und zum 15. Mal den Henkelpott gewonnen. Ein Kommentar von kicker-Reporter Jörg Wolfrum aus London.

Für Lucas Vazquez (li.) ist es der fünfte Champions-League-Titel mit Real Madrid - für Jude Bellingham der erste.

Für Lucas Vazquez (li.) ist es der fünfte Champions-League-Titel mit Real Madrid – für Jude Bellingham der erste.

IMAGO / Sportsphoto

Real Madrid sitzt auf dem Thron, da wo die Königlichen hingehören. Nach dem Selbstverständnis sowieso. Aber auch, was die Fakten anbelangt: Der 15. Henkelpott zieht ein ins Bernabeu, ins Museum von Real. 15 Siege in 18 Königsklassen-Endspielen, zuletzt verlor man 1981 im Landesmeistercup und, ja, 1983 bei den Pokalsiegern. Aber es geht bei Real um die Königsklasse, und spätestens seit 2014, seit der “Decima”, wie sie in Madrid sagen, seit dem zehnten Sieg, ist die gefühlt die Liga der Madrilenen.

“Mit der Decima ging alles los”, sagte Carlo Ancelotti dieser Tage. Er war damals schon Trainer, war dann weg und ist wieder hier. Da haben sich zwei gefunden: der Weltklub und der Weltmann, der auch ein Welttrainer ist mit all seiner Erfahrung, Ausstrahlung, Nonchalance – und seinen Erfolgen.

Spielbericht

Doch Real hat Glück gehabt in diesem Finale, dann aber setzte sich das Können durch, und am Ende agierten sie gewohnt cool. Wobei, cool waren sie auch geblieben, als der BVB vor der Pause Chance auf Chance hatte. Dieses cool bleiben ist ja auch eine Kunst. Also: Glück und Können und Kunst auf dem Weg zum Henkelpott – nicht nur in dieser Saison.

Der Gigant wankte, aber er fiel nicht

Schon im Finale 2022 gegen Liverpool sicherte vornehmlich Keeper Thibaut Courtois in Weltklasseform den Triumph gegen das dominante Klopp-Team (1:0). Unvergessen: die Aufholjagden zuvor gegen Paris, Chelsea und Manchester City.

In dieser Saison dann hat man im Achtelfinale gegen Leipzig von einem Fehler des Schiedsrichtergespanns profitiert, im Halbfinale gegen Bayern München erneut, im Viertelfinale bei City retteten sich die zumindest im Rückspiel schwächeren Madrilenen ins Elfmeterschießen, Antonio Rüdiger war dort der Held. Ja, der Gigant wankte, aber er fiel nicht. Auch an diesem Samstag in Wembley. Real kam immer wieder (zurück). Aber immer Glück ist eben nicht Zufall, heißt es nicht zu Unrecht.

Doch die Ansätze, die mancherorts (im Netz) auftauchen, wonach eine Allianz aus Dunkelmännern seit Jahren Real auf dem Thron sehen möchte: Verschwörungstheorien, unbestätigt zumal.

Bellingham läutet die nächste Ära ein

Weil der Verein seit Jahrzehnten weit mehr ist als seine Ikonen, verkraftete er 2018 den Abgang von Supergoalgetter Cristiano Ronaldo, 2023 dann den des für den Titel 2022 so entscheidenden Kapitäns Karim Benzema, an den sich heute fast schon keiner mehr erinnert. Auch, weil mit dem just aus Dortmund geholten Jude Bellingham umgehend die nächste Ära eingeläutet wurde.

Aber all dies gelang vor allem auch deshalb, weil mit Toni Kroos ein Regisseur das Team seit einem Jahrzehnt in der Spur hielt, dessen außergewöhnliche Kunst oft erst auf den zweiten Blick ersichtlich ist. Der Deutsche ist einer der besten Mittelfeldspieler aller Zeiten, und einer, wenn nicht gar der erfolgreichste überhaupt. Weltmeister ist er ja auch.

Der zweite Deutsche im Team, Rüdiger, kämpfte sich, seinem Naturell entsprechend, zum Abwehrchef hoch, nachdem im Dezember David Alaba ausgefallen war. Jener Alaba, der so entscheidend zum Titel 2022 beigetragen hatte. Diese Tiefe im Kader ist Basis der Hegemonie in Europa.

Im Museum ist seit dem Bernabeu-Umbau noch mehr Platz

Natürlich ist Real nicht nur ein Mythos, sondern längst auch ein Finanz- und Entertainment-Konstrukt. Aber welcher dauerhafte Protagonist ist das nicht im Weltfußball? Dass Real-Boss Florentino Perez dennoch nicht von den Super-League-Plänen lassen will, mag unschön sein für die Konkurrenz, ist aus Real-Sicht aber nachvollziehbar. Es muss immer weitergehen und mehr werden, sonst fliegt wirklich das Blech weg, respektive kracht das Dach ein im zu dieser Saison runderneuerten Bernabeu.

Sie haben das Stadion umgebaut, im Museum ist nun noch mehr Platz, muss wohl sein, es kommt ja mit Kylian Mbappé noch ein potenzieller Weltfußballer hinzu. Und mit dem Youngster Endrick aus Brasilien ein Großtalent. Vinicius Junior, Rodrygo und Bellingham aber bleiben, und werden mit den Reifejahren mutmaßlich noch an Klasse zulegen. Was zur Frage führt: Auf welchen Positionen sollen die alle zaubern?

Real kann sich daher auf Dauer vielleicht nur selbst schlagen: dann, wenn es finanziell schief gehen sollte oder man sportlich wieder in die Kategorie der “Galaktischen” abgleiten sollte. Als um die Jahrtausendwende zu viele Weltstars im Team standen, zerfaserte dieses – trotz eines Moderators wie Vicente del Bosque als Trainer.

Der in sich ruhende Carlo Ancelotti ist also gewarnt. Doch mehr Erfahrung mit Siegerteams hat kaum einer, mehr Siege in der Königsklasse als Trainer auch keiner: fünf. Schon sein vierter 2022 war alleiniger Rekord. Geht’s noch? Ja: Ancelotti hatte zudem zweimal als Spieler triumphiert. Mit Milan. Später trainierte er Weltklubs wie PSG, Chelsea, Bayern München. Doch Real Madrid ist noch mal eine andere Nummer: Der größte Klub der Welt regiert in seinem eigenen Königreich: der Königsklasse.

Ancelotti ‘not a social media coach, he’s a proper coach’ – Mourinho

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Vielseitiger und ein bisschen unsicher: Fünf Erkenntnisse aus Reals CL-Saison

Real Madrid steht vor seinem 15. Henkelpott, nur noch Borussia Dortmund im Weg. Mit Königlichen welcher Art es der BVB in diesem Jahr zu tun bekommt.

Bei Real Madrid gibt es gleich einige Schlüsselspieler.

Bei Real Madrid gibt es gleich einige Schlüsselspieler.

imago images (3)

Sie schon wieder. Die Blancos aus der spanischen Hauptstadt hatten sich in der vergangenen Saison “bereits” im Halbfinale aus ihrem Lieblingswettbewerb verabschiedet, nun sind sie im Finale einmal mehr dabei. Nach Zittereinheiten gegen RB Leipzig und Manchester City, nach typischer und vermeintlich untypischer Brillanz gegen den FC Bayern. Welche Erkenntnisse Real Madrid auf dem Weg nach Wembley geliefert hat.

1. Unsicherheit zwischen den Pfosten?

Mit der Qual der Wahl hat es sich erledigt. Andriy Lunin fällt aus, Thibaut Courtois wird gegen den BVB zwischen den königlichen Pfosten stehen. Ist das Glück im Unglück für Carlo Ancelotti, weil er den immer stärker aufspielenden Ukrainer ausgerechnet im größten Spiel hätte vertrösten müssen?

Courtois, großer Matchwinner bei Reals jüngstem CL-Sieg 2022 gegen Liverpool, ist fit unumstritten. Aber ist er auch unumstritten fit? Es reicht, um zu spielen, doch die fehlende Matchpraxis ist ein Faktor. Im Schatten des besonderen Kroos-Abschieds im letzten Ligaspiel gegen Betis offenbarte der Belgier ein paar untypische Unsicherheiten – die vielleicht gar nicht untypisch sind, wenn man fast die komplette Saison wegen eines Kreuzbandrisses verpasst hat.

Dem Courtois von 2022, der voll im Saft stand, steht Borussia Dortmund jedenfalls nicht gegenüber. Wobei man bei ihm nie wissen kann.

2. Eine Schwäche abgeschwächt

Reals Stärken und Schwächen haben seit vielen Jahrzehnten ziemlich durchgängig Tradition. Zu letzteren zählt eine gewisse defensive Anfälligkeit, gerade nach Ballverlusten. Wie ein beachtliches Rückzugsverhalten im Rückspiel gegen die konternden Bayern gezeigt hat, konnte Real diese Schwäche zuletzt jedoch augenscheinlich abschwächen.

Auf der linken Seite bringt der offensiv zurückhaltende, defensiv aber enorm wichtige Ferland Mendy wertvolles Tempo und Körperlichkeit mit. Der Franzose lässt nur wenig durch. Durch die Mitte sichert inzwischen vor allem auch Toni Kroos sauber ab, der sich gegen den Ball in den letzten Zügen seiner Karriere noch mal spürbar gesteigert hat.

Eine Chance hätte der BVB allerdings, der dort mit dem pfeilschnellen Karim Adeyemi stürmen könnte, über Reals rechte Abwehrseite. Dort spielt Kapitän Dani Carvajal zwar seine vielleicht beste Saison überhaupt, zudem sichert rechts innen der durchaus flinke Antonio Rüdiger ab. Sollte Dortmund Adeyemi aber in Eins-gegen-eins-Duelle mit dem nicht ganz so mobilen Carvajal bringen, liegt Gefahr in der Luft.

3. Das komplette Mittelfeld

Er ist nicht nur der robuste Abräumer vor der Abwehr, sondern durch Fernschüsse oder nach Standards immer mal für einen Treffer gut. Doch Aurelien Tchouameni wird das Finale gegen Dortmund verpassen. Gut für Ancelotti und Real, dass sich zuletzt eigentlich alle Mittelfeldakteure breiter aufgestellt haben.

Kroos ist mittlerweile Abfangjäger in Teilzeit, Fede Valverde hat sich – wohl vom Deutschen – das Strategische angeeignet. Jude Bellingham agiert inzwischen ebenfalls tiefer und vielseitiger, Luka Modric hat die Rolle des einflussreichen Jokers für die Schlussphase angenommen und perfektioniert, Eduardo Camavinga sucht öfter den Abschluss – und war ohnehin schon eine Art Schweizer Taschenmesser.

Dass Reals clever zusammengebautes Mittelfeld zumindest in seinen Einzelteilen angreifbar ist, gehört aktuell wohl der Vergangenheit an. Der Ausfall von Casemiro-Erbe Tchouameni ist abzufangen. Auch wenn Kroos oder Camavinga wohl nicht als adäquate Innenverteidiger-Aushilfe einspringen können.

Jude Bellingham, Fede Valverde, Vinicius Junior

Könnten Toni Kroos womöglich gemeinsam ersetzen: Jude Bellingham (li.) und Fede Valverde (Mi.).
IMAGO/Shutterstock

4. Von allen Seiten

Lange Jahre landeten bei Real fast alle Bälle vorne bei Cristiano Ronaldo, in der jüngeren Vergangenheit war Madrid viel auf Karim Benzema angewiesen. Als der Franzose beim deutlichen Aus vor einem Jahr gegen ManCity dann nicht fit war, vergaben die Königlichen im Hinspiel zu viele Chancen – und hatten im Rückspiel kaum welche.

In den vergangenen zwölf Monaten hat sich aber einiges getan. Vinicius Junior hat sich noch mal weiterentwickelt und greift mittlerweile zentraler an, in Bellingham gibt es einen Goalgetter aus dem Mittelfeld, Rodrygo läuft in der Champions League – jetzt, wo er mehr auf links spielen darf – immer regelmäßiger zu Höchstform auf. Und wenn all diese Spielertypen an ihre Grenzen stoßen, wechselt Ancelotti eben Sturmkante Joselu ein. Mit einem Doppelpack aus seinem Köcher hatten die Bayern wohl am wenigsten gerechnet.

5. Eine neue Facette

Im Halbfinale hatte Real es, wie so oft seit 2012, mal wieder mit dem FC Bayern zu tun bekommen, so dominant wie im Rückspiel waren die Königlichen in diesem Duell der europäischen Schwergewichte aber selten aufgetreten. Das lag auch an einem merklich durchdachteren und kollektiveren Pressing.

Gegen das enorm aufbaustarke Manchester City war Madrid mit seinem hohen Anlaufen noch an seine Grenzen gestoßen und hatte irgendwann davon abgesehen, weil dieser Aspekt im Spiel des CL-Rekordsiegers sicherlich noch nicht vollständig ausgereift ist. Doch gegen den im Vergleich zu ManCity weniger spielstarken BVB könnte Real nicht in erster Linie abwarten und auf Konter lauern – diese Rolle wird wohl die Mannschaft von Edin Terzic einnehmen -, sondern sich auch mal zwingender am gegnerischen Strafraum festsetzen.

Niklas Baumgart

“Vor ein paar Jahren schien dies unglaublich”

Kapitän Nacho kann es selbst kaum fassen, dass er in Wembley mit Legende Gento gleichziehen kann. Doch Marathonmann Modric warnt vor Dortmund.

Kann mit Real-Legende Gento gleichziehen: Madrids Kapitän Nacho.

Kann mit Real-Legende Gento gleichziehen: Madrids Kapitän Nacho.

Getty Images

Aus Wembley berichtet Jörg Wolfrum

Etwas angespannt wirkten sie beide am Tag vor dem Endspiel der Königsklasse gegen Borussia Dortmund: Kapitän Nacho und Luka Modric, 34 Jahre alt der eine, fast 39 der andere. Aber es geht nun mal um den Henkelpott. Nacho sagte daher: “Es geht um die Bedeutung dieses Wettbewerbs für den Verein und für einen Spieler aus dem Nachwuchs.” Der Abwehrspieler meinte dabei sich selbst und sagte daher: “Ich freue mich wirklich sehr darauf.” Zugleich gab er aber auch zu, “sind wir nervöser denn je, obwohl wir zuversichtlich sind. Ein Finale ist etwas Besonderes, und das macht es unruhig”.

Der scheinbar ewige Marathonmann Modric erklärte: “Jeder denkt, dass wir Favoriten sind. Aber das stimmt nicht. Ich sehe die Chancen 50-50. Dortmund hat eine große Mannschaft, sie haben eine tolle Saison in der Champions League gespielt, und sie werden es uns schwer machen. Wir müssen uns konzentrieren und alles auf den Platz bringen, was wir können.”

Modric war in jedem Finale dabei

Nacho wie auch Modric können beide in Wembley zum sechsten Mal den Henkelpott gewinnen, jedoch mit dem Unterschied: Nacho spielt erst sein zweites Finale nach 2018, zudem war er damals beim 3:1 gegen Liverpool in Kiew nur für den verletzten Dani Carvajal eingewechselt worden. Kein Wunder also, dass er am Freitag betonte: “In einem Finale in der Startelf zu stehen, ist das Beste, das einem Spieler passieren kann, erst recht bei Real Madrid.”

Nacho ist Kapitän, weil er Dienstältester im Klub ist, seit 2012 ist er Teil der Mannschaft, mal mehr, mal weniger, vor allem in seinen Anfangsjahren. Zuvor hatte er die “Fabrica” durchlaufen, die Juniorenabteilung der Königlichen. In dieser Saison wurde der Abwehrspieler an der Seite von Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung Stammkraft, profitierte dabei von den Kreuzbandrissen bei Eder Militao und David Alaba. Nach diversen Fehlern im Herbst und mitunter auch slapstickhaften Aktionen hat er sich stabilisiert.

Es ist immer etwas Besonderes, in London zu sein und in Wembley zu spielen.

Luka Modric

Modric hingegen war immer dabei in den Finalspielen, seit er 2012 für 35 Millionen Euro von Tottenham Hotspur gekommen war. Aus London also, folgt nun die erneute Krönung, just in seiner einstigen Wahl-Profi-Heimatstadt? “Es ist immer etwas Besonderes, in London zu sein und in Wembley zu spielen, einem großartigen Stadion. Ich freue mich darauf.” Doch Modric wäre nicht Modric, wenn er nicht klarstellte: “Aber das war es auch schon.” Mit voller Power erlebt man den Mittelfeldspieler nur auf dem Platz.

Nacho muss sich nur noch entscheiden

Er ist eben Profi durch und durch, dieser Modric, aber auch längst eins geworden mit Real. Anders als Nacho war er, außer in dieser Saison, auch all die Jahre Dauerläufer bei den Königlichen und mitentscheidend gewesen in diversen magischen Nächten. Unvergessen ist zum Beispiel seine Ecke 2014 in der Nachspielzeit, die Sergio Ramos zum 1:1 ins Tor von Atletico Madrid wuchtete – es folgte die Verlängerung und ein 4:1 für die Königlichen. Als es für Real schon zappenduster war im Stadion des Lichts von Lissabon, ging das Licht damals auch wegen Modric an.

Intern scheint laut spanischen Medienberichten klar zu sein, dass der Kroate, 2018 Weltfußballer und Vize-Weltmeister und 2022 nochmal WM-Dritter, eine weitere Saison bei den Königlichen absolvieren wird. Auch Nacho müsse sich nur noch entscheiden, heißt es.

Der sagt mit Blick auf einen möglichen Triumph: “Vor Jahren erschien es unglaublich, Gento einzuholen.” Wen er meinte: Linksaußen Francisco “Paco” Gento, der von 1956 bis 1960 und 1966 sechsmal mit Real in der Königsklasse triumphierte. Der 2022 wenige Monate vor dem Final-Sieg in Paris gegen Liverpool verstorbene Altstar ist bis dato der einzige Spieler überhaupt, der sechsmal den Henkelpott gewonnen hat. Nun könnten ihn Nacho und Modric einholen, aber auch Dani Carvajal – und natürlich Toni Kroos in seinem letzten Spiel als Vereinsprofi überhaupt.

Ancelotti offen: “Dieses Spiel ist das gefährlichste”

Menschenkenner und Menschenfänger: Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti gibt vor dem Finale gegen Borussia Dortmund Einblick in die Fußballerseele.

Voller Fokus auf den BVB: Real-Coach Carlo Ancelotti.

Voller Fokus auf den BVB: Real-Coach Carlo Ancelotti.

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Aus Wembley berichtet Jörg Wolfrum

Gleich mit einer Klarstellung rund um eine Personalie begann Carlo Ancelotti die Pressekonferenz am Vortag des Finales der Champions League gegen Borussia Dortmund. “Courtois spielt.” Thibaut Courtois also, der sich im Sommer einen Kreuzbandriss zugezogen hatte und im März eine Meniskusverletzung.

Nun aber steht der Belgier im Tor, nach nur vier Pflichtspielen in dieser Saison. Nummer 1 ist eben Nummer 1, aber der Coach hatte Courtois in diesen Wochen ja auch weiterhin als den “weltbesten Torhüter” gelobt. Aber dass Courtois spielen würde, hatte sich ohnehin in den vergangenen Wochen abgezeichnet – der Infekt von Andriy Lunin beseitigte letzte Restzweifel.

Ancelotti gab sich gewohnt cool vor dem Finale, er hat ja auch schon einige erlebt, zweimal als Spieler mit Milan gewonnen, viermal als Trainer gesiegt, je zweimal mit Milan und Real Madrid, mit den Königlichen 2014 und 2022. Wobei das Spiel gegen den BVB dennoch auch für ihn etwas Besonderes ist, das gab er zu: “Aus zwei Gründen. Der erste ist, weil dieses Spiel das wichtigste der Saison ist. Und der zweite, weil es an einem historischen Ort gespielt wird.” Keine Scherze wie man das so oft hört von ihm, volle Konzentration, das gab der Coach vor.

Wir sind davon besessen, uns zu messen.

Carlo Ancelotti

“Ein Finale ist das wichtigste Spiel, aber auch das gefährlichste. Man muss es genießen, hier zu sein, und das werden wir auch tun. Wir sind davon besessen, uns zu messen.” Auf die Frage, inwieweit der Ausgang des Spiels das Saisonfazit beeinflusst, Real wurde ja schließlich Meister, mit zehn Punkten Vorsprung auf den FC Barcelona, ließ Ancelotti keine Zweifel aufkommen: “Die Saison war bereits sehr erfolgreich, egal, was passiert.”

Seine Aufgabe dabei, dass es klappt: “Den Spielern klare Vorstellungen zu vermitteln. Ich werde so direkt wie möglich sein. Je direkter ich bin, desto weniger nervös wird die Mannschaft sein.” Das sei das Wichtigste. “Die Emotionen werden später kommen.”

“Auf dem Weg hierher aufgeopfert”

Die berühmte Anspannung, Lampenfieber, Angst gar, die man auch nach zig großen Spielen nicht verlieren sollte: “Sie ist ein wichtiger Bestandteil einer guten Leistung, das müssen wir wissen. Wir haben die Qualität und haben uns als Mannschaft auf dem Weg hierher aufgeopfert. Beides wird auch im Finale der Schlüssel zum Erfolg sein.”

Der Italiener zeigte sich in Wembley als Menschenkenner und Menschenfänger zugleich. Beides essenziell, Erfolg zu haben, gerade über so viele Jahre hinweg. Der 64-Jährige erklärte: “Da ist auch die Sorge, dass etwas schief gehen könnte. Man spürt, dass der Sieg zum Greifen nahe ist, und man hat Angst, dass er einem entgleitet. Jeder von uns lebt das auf seine Art. Wenn man ein Finale erreicht, hat man das Gefühl, dass der Erfolg sehr nahe ist, und man beginnt sich Sorgen zu machen. Man macht sich viele Sorgen und hat Angst. Aber wenn man diese Angst überwindet und gewinnt, ist man umso glücklicher.”

Madrids späte Tore: “Kann kein Zufall sein”

Oft hat ja gerade sein Real Madrid Spiele sehr spät entschieden, zuletzt im Halbfinale gegen Bayern München, davor gegen Manchester City im Elfmeterschießen, 2022 in magischen Nächten gegen Paris, Chelsea und ebenfalls City. Oder, natürlich, 2014 im Finale gegen Atletico Madrid. Zufall alles? “Dieser Klub hat etwas Besonderes, so viele Male kann das kein Zufall sein. Vielleicht ist es die Geschichte, die Tradition, die Qualität … Ich weiß es auch nicht, aber es ist schon so oft passiert und das bedeutet, dass es kein Zufall sein kann.”

Ein bisschen lustig war er dann aber trotz aller Anspannung doch noch. Auf die Frage, was der Unterschied zu dem Ancelotti vor zehn Jahren sei, scherzte der Ancelotti des Jahres 2024: “Ich bin zehn Jahre älter. Aber ich fühle mich immer noch jung.”

Und falls es einer nicht glauben mochte, denn der Coach wird in gut einer Woche ja 65: “Das ist wahr.” Er habe viel hinzugelernt seit 2014, seinem ersten Finale mit den Königlichen. Daher ist er sich auch sicher: “Diese Generation ist in der Lage, Großes zu leisten … und es gibt immer noch Spieler, die vor zehn Jahren dabei waren. Es ist unglaublich, wenn man darüber nachdenkt.” Einer der damals dabei war: Luka Modric, der Kroate, der im Herbst 39 Jahre alt wird und offenbar doch noch ein weiteres Jahr bei den Madrilenen anhängen wird. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ancelotti offen: “Dieses Spiel ist das gefährlichste”

Menschenkenner und Menschenfänger: Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti gibt vor dem Finale gegen Borussia Dortmund Einblick in die Fußballerseele.

Voller Fokus auf den BVB: Real-Coach Carlo Ancelotti.

Voller Fokus auf den BVB: Real-Coach Carlo Ancelotti.

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Aus Wembley berichtet Jörg Wolfrum

Gleich mit einer Klarstellung rund um eine Personalie begann Carlo Ancelotti die Pressekonferenz am Vortag des Finales der Champions League gegen Borussia Dortmund. “Courtois spielt.” Thibaut Courtois also, der sich im Sommer einen Kreuzbandriss zugezogen hatte und im März eine Meniskusverletzung.

Nun aber steht der Belgier im Tor, nach nur vier Pflichtspielen in dieser Saison. Nummer 1 ist eben Nummer 1, aber der Coach hatte Courtois in diesen Wochen ja auch weiterhin als den “weltbesten Torhüter” gelobt. Aber dass Courtois spielen würde, hatte sich ohnehin in den vergangenen Wochen abgezeichnet – der Infekt von Andriy Lunin beseitigte letzte Restzweifel.

Ancelotti gab sich gewohnt cool vor dem Finale, er hat ja auch schon einige erlebt, zweimal als Spieler mit Milan gewonnen, viermal als Trainer gesiegt, je zweimal mit Milan und Real Madrid, mit den Königlichen 2014 und 2022. Wobei das Spiel gegen den BVB dennoch auch für ihn etwas Besonderes ist, das gab er zu: “Aus zwei Gründen. Der erste ist, weil dieses Spiel das wichtigste der Saison ist. Und der zweite, weil es an einem historischen Ort gespielt wird.” Keine Scherze wie man das so oft hört von ihm, volle Konzentration, das gab der Coach vor.

Wir sind davon besessen, uns zu messen.

Carlo Ancelotti

“Ein Finale ist das wichtigste Spiel, aber auch das gefährlichste. Man muss es genießen, hier zu sein, und das werden wir auch tun. Wir sind davon besessen, uns zu messen.” Auf die Frage, inwieweit der Ausgang des Spiels das Saisonfazit beeinflusst, Real wurde ja schließlich Meister, mit zehn Punkten Vorsprung auf den FC Barcelona, ließ Ancelotti keine Zweifel aufkommen: “Die Saison war bereits sehr erfolgreich, egal, was passiert.”

Seine Aufgabe dabei, dass es klappt: “Den Spielern klare Vorstellungen zu vermitteln. Ich werde so direkt wie möglich sein. Je direkter ich bin, desto weniger nervös wird die Mannschaft sein.” Das sei das Wichtigste. “Die Emotionen werden später kommen.”

“Auf dem Weg hierher aufgeopfert”

Die berühmte Anspannung, Lampenfieber, Angst gar, die man auch nach zig großen Spielen nicht verlieren sollte: “Sie ist ein wichtiger Bestandteil einer guten Leistung, das müssen wir wissen. Wir haben die Qualität und haben uns als Mannschaft auf dem Weg hierher aufgeopfert. Beides wird auch im Finale der Schlüssel zum Erfolg sein.”

Der Italiener zeigte sich in Wembley als Menschenkenner und Menschenfänger zugleich. Beides essenziell, Erfolg zu haben, gerade über so viele Jahre hinweg. Der 64-Jährige erklärte: “Da ist auch die Sorge, dass etwas schief gehen könnte. Man spürt, dass der Sieg zum Greifen nahe ist, und man hat Angst, dass er einem entgleitet. Jeder von uns lebt das auf seine Art. Wenn man ein Finale erreicht, hat man das Gefühl, dass der Erfolg sehr nahe ist, und man beginnt sich Sorgen zu machen. Man macht sich viele Sorgen und hat Angst. Aber wenn man diese Angst überwindet und gewinnt, ist man umso glücklicher.”

Madrids späte Tore: “Kann kein Zufall sein”

Oft hat ja gerade sein Real Madrid Spiele sehr spät entschieden, zuletzt im Halbfinale gegen Bayern München, davor gegen Manchester City im Elfmeterschießen, 2022 in magischen Nächten gegen Paris, Chelsea und ebenfalls City. Oder, natürlich, 2014 im Finale gegen Atletico Madrid. Zufall alles? “Dieser Klub hat etwas Besonderes, so viele Male kann das kein Zufall sein. Vielleicht ist es die Geschichte, die Tradition, die Qualität … Ich weiß es auch nicht, aber es ist schon so oft passiert und das bedeutet, dass es kein Zufall sein kann.”

Ein bisschen lustig war er dann aber trotz aller Anspannung doch noch. Auf die Frage, was der Unterschied zu dem Ancelotti vor zehn Jahren sei, scherzte der Ancelotti des Jahres 2024: “Ich bin zehn Jahre älter. Aber ich fühle mich immer noch jung.”

Und falls es einer nicht glauben mochte, denn der Coach wird in gut einer Woche ja 65: “Das ist wahr.” Er habe viel hinzugelernt seit 2014, seinem ersten Finale mit den Königlichen. Daher ist er sich auch sicher: “Diese Generation ist in der Lage, Großes zu leisten … und es gibt immer noch Spieler, die vor zehn Jahren dabei waren. Es ist unglaublich, wenn man darüber nachdenkt.” Einer der damals dabei war: Luka Modric, der Kroate, der im Herbst 39 Jahre alt wird und offenbar doch noch ein weiteres Jahr bei den Madrilenen anhängen wird. Aber das ist eine andere Geschichte.