Jetzt geht es erst richtig los

Jetzt geht es erst richtig los

Mit Glück und Geschick, auch finanziellem, hat Real Madrid seine Hegemonie bestätigt und zum 15. Mal den Henkelpott gewonnen. Ein Kommentar von kicker-Reporter Jörg Wolfrum aus London.

Für Lucas Vazquez (li.) ist es der fünfte Champions-League-Titel mit Real Madrid - für Jude Bellingham der erste.

Für Lucas Vazquez (li.) ist es der fünfte Champions-League-Titel mit Real Madrid – für Jude Bellingham der erste.

IMAGO / Sportsphoto

Real Madrid sitzt auf dem Thron, da wo die Königlichen hingehören. Nach dem Selbstverständnis sowieso. Aber auch, was die Fakten anbelangt: Der 15. Henkelpott zieht ein ins Bernabeu, ins Museum von Real. 15 Siege in 18 Königsklassen-Endspielen, zuletzt verlor man 1981 im Landesmeistercup und, ja, 1983 bei den Pokalsiegern. Aber es geht bei Real um die Königsklasse, und spätestens seit 2014, seit der “Decima”, wie sie in Madrid sagen, seit dem zehnten Sieg, ist die gefühlt die Liga der Madrilenen.

“Mit der Decima ging alles los”, sagte Carlo Ancelotti dieser Tage. Er war damals schon Trainer, war dann weg und ist wieder hier. Da haben sich zwei gefunden: der Weltklub und der Weltmann, der auch ein Welttrainer ist mit all seiner Erfahrung, Ausstrahlung, Nonchalance – und seinen Erfolgen.

Spielbericht

Doch Real hat Glück gehabt in diesem Finale, dann aber setzte sich das Können durch, und am Ende agierten sie gewohnt cool. Wobei, cool waren sie auch geblieben, als der BVB vor der Pause Chance auf Chance hatte. Dieses cool bleiben ist ja auch eine Kunst. Also: Glück und Können und Kunst auf dem Weg zum Henkelpott – nicht nur in dieser Saison.

Der Gigant wankte, aber er fiel nicht

Schon im Finale 2022 gegen Liverpool sicherte vornehmlich Keeper Thibaut Courtois in Weltklasseform den Triumph gegen das dominante Klopp-Team (1:0). Unvergessen: die Aufholjagden zuvor gegen Paris, Chelsea und Manchester City.

In dieser Saison dann hat man im Achtelfinale gegen Leipzig von einem Fehler des Schiedsrichtergespanns profitiert, im Halbfinale gegen Bayern München erneut, im Viertelfinale bei City retteten sich die zumindest im Rückspiel schwächeren Madrilenen ins Elfmeterschießen, Antonio Rüdiger war dort der Held. Ja, der Gigant wankte, aber er fiel nicht. Auch an diesem Samstag in Wembley. Real kam immer wieder (zurück). Aber immer Glück ist eben nicht Zufall, heißt es nicht zu Unrecht.

Doch die Ansätze, die mancherorts (im Netz) auftauchen, wonach eine Allianz aus Dunkelmännern seit Jahren Real auf dem Thron sehen möchte: Verschwörungstheorien, unbestätigt zumal.

Bellingham läutet die nächste Ära ein

Weil der Verein seit Jahrzehnten weit mehr ist als seine Ikonen, verkraftete er 2018 den Abgang von Supergoalgetter Cristiano Ronaldo, 2023 dann den des für den Titel 2022 so entscheidenden Kapitäns Karim Benzema, an den sich heute fast schon keiner mehr erinnert. Auch, weil mit dem just aus Dortmund geholten Jude Bellingham umgehend die nächste Ära eingeläutet wurde.

Aber all dies gelang vor allem auch deshalb, weil mit Toni Kroos ein Regisseur das Team seit einem Jahrzehnt in der Spur hielt, dessen außergewöhnliche Kunst oft erst auf den zweiten Blick ersichtlich ist. Der Deutsche ist einer der besten Mittelfeldspieler aller Zeiten, und einer, wenn nicht gar der erfolgreichste überhaupt. Weltmeister ist er ja auch.

Der zweite Deutsche im Team, Rüdiger, kämpfte sich, seinem Naturell entsprechend, zum Abwehrchef hoch, nachdem im Dezember David Alaba ausgefallen war. Jener Alaba, der so entscheidend zum Titel 2022 beigetragen hatte. Diese Tiefe im Kader ist Basis der Hegemonie in Europa.

Im Museum ist seit dem Bernabeu-Umbau noch mehr Platz

Natürlich ist Real nicht nur ein Mythos, sondern längst auch ein Finanz- und Entertainment-Konstrukt. Aber welcher dauerhafte Protagonist ist das nicht im Weltfußball? Dass Real-Boss Florentino Perez dennoch nicht von den Super-League-Plänen lassen will, mag unschön sein für die Konkurrenz, ist aus Real-Sicht aber nachvollziehbar. Es muss immer weitergehen und mehr werden, sonst fliegt wirklich das Blech weg, respektive kracht das Dach ein im zu dieser Saison runderneuerten Bernabeu.

Sie haben das Stadion umgebaut, im Museum ist nun noch mehr Platz, muss wohl sein, es kommt ja mit Kylian Mbappé noch ein potenzieller Weltfußballer hinzu. Und mit dem Youngster Endrick aus Brasilien ein Großtalent. Vinicius Junior, Rodrygo und Bellingham aber bleiben, und werden mit den Reifejahren mutmaßlich noch an Klasse zulegen. Was zur Frage führt: Auf welchen Positionen sollen die alle zaubern?

Real kann sich daher auf Dauer vielleicht nur selbst schlagen: dann, wenn es finanziell schief gehen sollte oder man sportlich wieder in die Kategorie der “Galaktischen” abgleiten sollte. Als um die Jahrtausendwende zu viele Weltstars im Team standen, zerfaserte dieses – trotz eines Moderators wie Vicente del Bosque als Trainer.

Der in sich ruhende Carlo Ancelotti ist also gewarnt. Doch mehr Erfahrung mit Siegerteams hat kaum einer, mehr Siege in der Königsklasse als Trainer auch keiner: fünf. Schon sein vierter 2022 war alleiniger Rekord. Geht’s noch? Ja: Ancelotti hatte zudem zweimal als Spieler triumphiert. Mit Milan. Später trainierte er Weltklubs wie PSG, Chelsea, Bayern München. Doch Real Madrid ist noch mal eine andere Nummer: Der größte Klub der Welt regiert in seinem eigenen Königreich: der Königsklasse.