Der Pechvogel therapiert sich selbst: Sogar de Rossi schwärmt von Andrich

Vor einem Jahr war Robert Andrich im Halbfinale der Europa League in Rom der Pechvogel. Das Trauma seines Mittelfußbruchs aus dem Mai 2023 bewältigte der Nationalspieler beeindruckend – selbst für Roma-Trainer Daniele de Rossi.

Traumhaft getroffen, provozierend gejubelt: Robert Andrich am Donnerstagabend in Rom.

Traumhaft getroffen, provozierend gejubelt: Robert Andrich am Donnerstagabend in Rom.

IMAGO/ABACAPRESS

Aus Rom berichtet Stephan von Nocks

Es sind die Geschichten, die dem Wort “ausgerechnet” eine exponierte Stellung verleihen. Ausgerechnet Robert Andrich, der sich im Mai 2023 in Rom, ebenfalls im Halbfinale der Europa League, bei der 0:1-Niederlage gegen die AS Rom einen Mittelfußbruch zugezogen hatte, ausgerechnet dieser Robert Andrich erzielte nun beim Leverkusener 2:0-Erfolg in der Ewigen Stadt den 2:0-Endstand, der Bayer das Tor zum Finale in Dublin ganz weit aufgestoßen hat.

“Das ist Fußball”, musste sich selbst Trainer Xabi Alonso einer Floskel bedienen, um dann zu erklären: “Wir haben gesagt, es gibt eine zweite Chance für Rob, um bessere Erinnerungen an das Olimpico zu haben. Er hat nicht nur das Tor gemacht, sondern auch eine sehr wichtige Rolle gespielt für die Mannschaft mit seiner Persönlichkeit und Aggressivität. Es war sehr gut für Rob.” Und auch von Rob.

Zeigte sich doch sogar Roma-Trainer Daniele de Rossi, früher ein Sechser von Weltformat, von Andrichs Auftritt angetan. “Er ist ein sehr interessanter Spieler, der seine Leistung mit einem großartigen Tor gekrönt hat”, erklärte der Weltmeister.

Andrich über sein Traumtor: “Sieht schon sehr lecker aus”

In der Tat spielte Andrich im defensiven Mittelfeld neben Granit Xhaka in der aufgrund der Vorsaison aufgeladenen Partie von Beginn an mit Feuer und gab insgesamt vier Torschüsse ab. Der letzte schlug dann sehenswert im Kasten der Roma ein. “Von der Kameraperspektive von hinten habe ich das Tor jetzt schon ein, zwei Mal gesehen, der sieht schon sehr lecker aus”, sagte der 29-Jährige nachher mit einem breiten Grinsen.

Der Treffer war für Andrich wie Balsam auf die Seele, um sein Trauma aus dem Vorjahr endgültig abzuschließen. So erklärte er offen: “Jetzt hat Rom nicht mehr diese Scheiß-Bedeutung. Die Verletzung kann man jetzt ganz weit hinten im Kopf schieben. Und das Tor ist jetzt ganz weit vorne. Ein sehr, sehr schönes Gefühl.”

Provokanter Torjubel mit Hintergedanken

Zudem nutzte er die Gunst des Moments zu einem provokanten Torjubel, indem er Kusshände an das mit lauten Pfiffen reagierende Römer Publikum verteilte. Kein Kurzschluss, sondern eine Aktion mit Hintergedanken. “Natürlich versucht man irgendwo – so wie vielleicht andere Mannschaften oder andere Spieler Provokationen versuchen auszulösen -, eine Atmosphäre zu schaffen, wo auch die Spieler vielleicht merken, irgendwas läuft hier heute nicht so gut”, erklärte Andrich.

Der Nationalspieler und seine Kollegen hatten dieses Nervenspiel von Beginn an nahezu perfekt orchestriert. “Vielleicht war das letzte Jahr noch ein bisschen im Hinterkopf. Es gab immer wieder Provokationen. Wir haben uns in gewisser Weise gut darauf eingelassen, dass uns das nicht beeinträchtigt hat. Von daher glaube ich, dass wir die Energie aus der Provokation gut umgemünzt haben und nicht dumm geworden sind”, urteilte Andrich und stellte zusammenfassend fest: “Wir haben wir ein sehr, sehr gutes Auswärtsspiel gemacht.”

Rolfes über Andrichs Frau: “Zum Glück stellt sie nicht auf”

So wie Andrich selbst, dessen Frau es sogar bevorzugt hätte, wenn er in Rom, am Ort seines persönlichen Unglücks, nicht aufgelaufen wäre. “Meine Frau hat gesagt: Ich möchte gar nicht, dass du in Rom spielst”, hatte der zweifache Familienvater am Donnerstag im kicker-Interview verraten.

Ein Wunsch, den Xabi Alonso Andrichs besserer Hälfte nicht gewähren wollte. Letztlich zur Freude aller Beteiligten. “Ich würde ich mal sagen”, gab Geschäftsführer Simon Rolfes mit einem Grinsen zum Besten, “zum Glück stellt sie nicht die Mannschaft auf.”

Hohe Intensität und Alu-Hilfe: Atalanta nimmt ein 1:1 aus Marseille mit

In einem hochintensiven Halbfinal-Hinspiel der Europa League hat es Olympique Marseille verpasst, das Chancenplus in einen Heimsieg umzumünzen. Auf die frühe Führung von Atalanta Bergamo fand Mbemba noch eine sehenswerte Antwort, anschließend scheiterte OM aber unter anderem am Lattenkreuz.

Olympique Marseille mit Jordan Veretout (Mitte) und Atalanta Bergamo lieferten sich ein umkämpftes Spiel.

Olympique Marseille mit Jordan Veretout (Mitte) und Atalanta Bergamo lieferten sich ein umkämpftes Spiel.

IMAGO/PanoramiC

Im Vergleich zum Ligaalltag tauschten Olympique Marseille und Atalanta Bergamo in der Europa League kräftig durch und brachten ihre zuletzt geschonten Stammkräfte. Während Jean-Louis Gasset bei OM im Vergleich zum 2:1-Erfolg über Lens mit Mbemba, Kondogbia, Luis Henrique und Sarr vier Neue brachte, tauschte Gian Piero Gasperini nach dem 2:0-Sieg gegen Empoli gleich sechsmal: Torwart Musso, der Ex-Schalker Kolasinac, Ederson, de Ketelaere, Koopmeiners und Scamacca begannen.

In einer hochintensiven Partie waren es die beiden Letzteren, die früh im Mittelpunkt standen. Koopmeiners nahm den Ball 25 Meter vor dem Tor auf, bekam keinen Druck und bediente den ebenfalls völlig freien Scamacca, der sich die Chance aus halbrechter Position im Strafraum nicht nehmen ließ (11.).

Kolasinac rettet und muss vom Platz, Mbemba trifft

Es sollte zunächst die einzige Schläfrigkeit der Franzosen bleiben, die anschließend besser ins Spiel fanden. Nach einer Flanke von Luis Henrique rettete Kolasinac gerade noch vor dem freien Sarr und verhinderte zunächst den Ausgleich, verletzte sich dabei aber am Oberschenkel und musste vom Platz (15.). Kurz darauf war es nach einer kurz ausgeführten Ecke dann Innenverteidiger Mbemba, der aus 20 Metern präzise ins linke obere Eck zum 1:1 traf (20.).

Europa League, Halbfinal-Hinspiele

Beide Teams schenkten sich nichts, weshalb sich das Geschehen hauptsächlich im Mittelfeld abspielte. Die eine ganz große Chance gab es für OM kurz vor der Pause aber doch noch. Am Ende eines sauber ausgespielten Konters bediente Harit Aubameyang, der allein vor dem Tor aber knapp vergab (42.).

Nach dem Seitenwechsel waren es die Gastgeber, die besser ins Spiel fanden. Aubameyang blieb mit seinen Abschlüssen (47./53.) allerdings weiter glücklos und auch Mbemba (55.) und Kondogbia aus der zweiten Reihe (58.) scheiterten.

Sarrs Tor wird zurückgenommen, Ndiaye scheitert am Lattenkreuz

Gasperini reagierte und brachte den früheren Leipziger Lookman für Torschütze Scamacca. Der Engländer belebte die Offensive merklich und kam nach feinem Dribbling zu einer guten Chance, setzte seinen Schuss aber drüber (63.). Auf der Gegenseite zappelte der Ball dann im Netz, nachdem Aubameyang per Kopf zwar noch am stark reagierenden Musso gescheitert war, Sarr die Kugel aber über die Linie gedrückt hatte. Die Fahne ging jedoch zu Recht hoch, da Luis Henrique in der Entstehung im Abseits gestanden hatte (65.).

Die Schlinge zog sich in dieser Phase des Spiels für Atalanta mehr und mehr zu. Der kurz zuvor eingewechselte Ounahi scheiterte mit einem Schuss aus 20 Metern am rechten Lattenkreuz (73.). Nur wenig später war Atalanta-Torwart Musso im großen Glück, als Moumbagna ihm den Ball 25 Meter vor dem eigenen Tor abnahm, aber ausrutschte und so nicht zur großen Chance auf das 2:1 kam (74.).

Atalanta steht sicher, OM fehlen die Ideen

In der Schlussphase stabilisierten sich die Gäste dann aber wieder, ließen nichts mehr zu und hielten ideen- und kraftloser werdende Franzosen vom eigenen Tor weg. Offensiv blieben die großen Bemühungen – mit Ausnahme eines Distanzschusses von Miranchuk (90.) – aber ebenfalls aus, weshalb es bei einem 1:1 blieb, mit dem die Italiener nach dem Abpfiff deutlich besser Leben konnten.

Während Marseille am Wochenende spielfrei hat und sich bereits auf das Rückspiel vorbereiten kann, gastiert Atalanta zunächst bei der US Salernitana (Montag, 18 Uhr). Am kommenden Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) geht es dann in Bergamo für Marseille darum, die Auswärtsschwäche – lediglich eines von sechs Europa-League-Partien in der Fremde konnte gewonnen werden – abzustellen, während Atalanta vor heimischen Fans mit einem Sieg das Ticket nach Dublin lösen kann.

Marseille v Atalanta – UEFA Europa League LIVE

Follow the Europa League live Football match between Olympique de Marseille and Atalanta with Eurosport. The match starts at 7:00 PM on May 2nd, 2024.

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Mbemba beauty cancels out Scamacca strike as first leg ends level

Marseille were forced to settle for a 1-1 draw in the opening leg of their UEFA Europa League semi-final against Atalanta, despite dominating the game for large periods.

The visitors took a shock lead on 11 minutes when former West Ham forward Gianluca Scamacca converted from Teun Koopmeiners’ pass.

The response was almost instant though, with Chancel Mbemba deservedly equalising with a terrific long-range strike.

Pierre-Emerick Aubameyang then missed a pair of chances either side of half-time for the hosts, the best of them when sent through one-on-one by Amine Harit, only to drag his effort wide.

Marseille continued to impress after the break, but they struggled to create too many clear openings, with substitute Iliman Ndiaye rattling the woodwork with the best of them.

That left the hosts open to a sucker-punch at the other end, and Atalanta came so close to stealing the win when substitute Aleksey Miranchuk dragged wide after a rapid counter-attack.

The second leg takes place on Thursday, May 9, live on TNT Sports and discovery+.

TALKING POINT – Missed chance for Marseille?

Marseille, three-time finalists in the UEFA Europa League / UEFA Cup, may feel that this match finishing all square was a missed opportunity for them.

The French outfit had by far the best of the chances on home soil, but their finishing simply was not good enough when they got in and around the penalty area.

Atalanta will have been mightily relieved to have escaped with a draw given the pressure they were under at times, and may now be slight favourites to make it to Dublin for the final.

PLAYER OF THE MATCH

Amine Harit (Marseille). The forward was surprisingly hooked off after 71 minutes, but up to that point he had been the most threatening player on the pitch.

Harit caused constant problems for Atalanta with his directness and pace, often surging forward to create chances for his side.

But it was his passing that was most lethal, regularly feeding his team-mates in and around the penalty area as he proved a thorn in the side of the defenders, who would have been happy to have seen him withdrawn.

PLAYER RATINGS

MARSEILLE: Lopez 7; Clauss 7, Mbemba 7, Balerdi 6, Murillo 6, Henrique 7; Veretout 7, Kondogbia 7, Harit 8; Sarr 6, Aubameyang 7. Subs: Moumbagna 6, Merlin 6, Ounahi 6, Ndiaye 7

ATALANTA: Musso 5, Djimsiti 6, Scalvini 6, Kolasinac 7; Zappacosta 7, de Roon 7, Ederson 6, Ruggeri 6; De Ketelaere 7, Koopmeiners 8, Scamacca 7. Subs: Pasalic 6, Lookman 7, Hateboer n/a, Miranchuk n/a

KEY MOMENTS

11’ GOAL! MARSEILLE 0-1 ATALANTA (Gianluca Scamacca). OUT OF NOWHERE! Atalanta have barely broken into the Marseille half, but they suddenly have the lead and Scamacca is picked out in the area and converts with a clinical finish. Wow!

20’ GOAL! MARSEILLE 1-1 ATALANTA (Chancel Mbemba) IT HAS BEEN COMING! What a finish by the defender as well! A short corner leads to Mbemba picking up possession 25 yards out, and he curls a wonderful effort into the far top corner. That is magnificent.

42’ AUBAMEYANG FIRES WIDE. Wow! A rapid, rapid counter-attack by Marseille, with Harit feeding the Europa League’s top scorer Aubameyang in acres of space, but he drags his shot wide of the far post! Given he was through one-on-one, you would expect him to hit the target at the very least from there

74’ OFF THE BAR! Ndiaye has only been on the pitch seconds and with his first touch he rattles the ball, although he slips as he shoots and that must have impacted him slightly

90’ CLOSE FROM MIRANCHUK. The substitute has a chance in the dying moments of the game, with a counter-attack eventually ending in the striker dragging a shot narrowly wide

KEY STATS

  • Marseille extend their winless run against Italian opponents to 12 games, dating back to 2012
  • Atalanta have not lost any of their last dozen away fixtures in the Europa League

Roma v Bayer Leverkusen – UEFA Europa League LIVE

Follow the Europa League live Football match between AS Roma and Bayer 04 Leverkusen with Eurosport. The match starts at 7:00 PM on May 2nd, 2024.

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De Rossi gegen Xabi Alonso: Draufgänger fordert Meister der Spielkontrolle

AS Rom gegen Bayer 04 – im Halbfinale der Europa League treffen am Donnerstag mit Daniele de Rossi und Xabi Alonso zwei Weltmeister erstmals als Trainer aufeinander. Auch im neuen Job ist ein packendes Duell zu erwarten.

Ein packendes Duell auch an der Seitenlinie: Roma-Coach Daniele de Rossi gegen Leverkusens Trainer Xabi Alonso.

Ein packendes Duell auch an der Seitenlinie: Roma-Coach Daniele de Rossi gegen Leverkusens Trainer Xabi Alonso.

imago images (2)

Aus Rom berichtet Stephan von Nocks

Sie sind zwei Heroen des Fußballs: Xabi Alonso, Welt- und Europameister, ein Champion mit dem FC Liverpool, Real Madrid und Bayern München auf Leverkusener Seite. Auf der anderen Daniele de Rossi, ebenfalls Weltmeister und als Spieler eine Ikone der AS Rom, für die er 17 Jahre als Profi spielte.

Zwei Sechser, die mit strategischem Geschick ihre Mannschaften prägten und dies nun auch als Trainer mit Erfolg versuchen. Und so klingt hoher Respekt mit, wenn Xabi Alonso über seinen früheren Widersacher auf dem Feld spricht.

Europa League, Halbfinale

“Er war ein großer Spieler, jetzt hat er einen großen Einfluss auf die Roma. Unsere Wege sind ein bisschen ähnlich”, sagt der zwei Jahre ältere Spanier, der wie der 40-jährige de Rossi nach langer Spielerkarriere nun als Trainer seine erste Station bei einem Erstligisten absolviert. Und was sein italienischer Kollege dort fabriziert, entlockt Xabi Alonso vor dem Halbfinal-Duell in der Europa League am Donnerstagsabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) ein Lob: “Die Roma spielt sehr gut. Es ist die klare Idee von De Rossi. Es ist schön, ihn wiederzusehen.”

“Special clashes” auf dem Rasen

Auch wenn die Begegnungen mit dem Spieler De Rossi auf dem Platz aufgrund dessen sehr robuster Spielweise nicht immer angenehm waren. “Natürlich gab es spezielle Aufeinandertreffen”, erklärt Xabi Alonso auf Englisch, “special clashes”, die in diesem Fall getrost auch als Zusammenstöße übersetzt werden können angesichts der früheren Spielweise de Rossis.

Daniele de Rossi und Xabi Alonso im Duell um den Ball

Intensive Duelle auf dem Rasen – nun stehen sie sich an der Seitenlinie gegenüber: Daniele de Rossi (M.) und Xabi Alonso, hier für die AS Rom und Bayern München in der Champions League 2014/15 im Duell um den Ball.
imago/HochZwei/Syndication

“Er war ein sehr intensiver Spieler. Ich mochte diese Seite des Spiels ebenso, also hatte ich keine Angst davor”, beschreibt der Baske, der aber immer in erster Linie für hohes taktisches Geschick und Spielkontrolle stand und steht, die Duelle mit dem Römer. “Und ja, ich identifiziere mich damit, was er als Spieler gemacht hat, und jetzt als Trainer hat er bei der Roma seine Rolle gefunden in diesem Klub, in dem er ein großer Spieler war. In der Nationalmannschaft haben wir auch intensive Duelle gehabt. Er war ein großer Champion als Spieler.”

De Rossi stand immer für maximale Leidenschaft, höchsten Einsatz und ein selbstbewusstes Auftreten. Als Spieler war er ein Grenzgänger, wie die WM 2006 zeigte. Damals sah der Mittelfeldspieler im zweiten Gruppenspiel gegen die USA (1:1) nach einer Tätlichkeit die Rote Karte, um zur Halbzeit des Finales gegen Frankreich in das Turnier zurückzukehren – und beim 5:3-Sieg im Elfmeterschießen nach Trezeguets Fehlschuss, dem einzigen an jenem Abend, zum 3:1 zu verwandeln.

Ein packendes Duell auch an der Seitenlinie

Diese unerschrockene, draufgängerische Haltung habe de Rossi jetzt als Trainer auch auf seine Mannschaft, die AS Rom, übertragen. “Sie spielen mutig, wenn sie den Ball haben, und sehr aggressiv, wenn sie ihn nicht haben”, erklärt Xabi Alonso anerkennend, “ich freue mich, dass wir als Trainer meiner Generation jetzt den nächsten Schritt machen.”

Leverkusens Angreifer Patrik Schick, von 2017 bis 2019 Mitspieler de Rossis bei der Roma, hält sich beim Vergleich der beiden Jung-Trainer zurück, preist aber deren Leistung als Profis. “Beide waren Top-Spieler, aber ich kenne Daniele nicht als Trainer und ich habe nicht gegen Xabi gespielt. Sie waren die besten auf der Welt auf ihren Positionen”, sagt der 28-Jährige anerkennend.

Allerdings traut Schick seinem ehemaligen Mitspieler bei der Roma auch in der dessen zweiter Karriere Großes zu: “So wie er als Spieler war, hat er alle Aspekte, um ein Top-Trainer zu werden.” Draufgänger de Rossi gegen den Meister der Spielkontrolle Xabi Alonso – das Olimpico erwartet heute auch an der Seitenlinie ein packendes Duell.

Einen wie Wirtz hat die Europa League noch nicht gesehen

Florian Wirtz dominiert kurz vor seinem 21. Geburtstag gleich drei Statistiken in der Europa League. Das lässt nur einen Schluss zu.

Fühlt sich in der Europa League bislang sehr wohl: Florian Wirtz.

Fühlt sich in der Europa League bislang sehr wohl: Florian Wirtz.

IMAGO/Mika Volkmann

Am Freitag feiert Florian Wirtz seinen 21. Geburtstag. Das reicht gerade so, um in den Stunden zuvor noch ein Europa-League-Spiel zu absolvieren, das Hinspiel im Halbfinale bei der AS Rom (Donnerstag, 21 Uhr, LIVE! bei kicker). Gleich in drei Kategorien kann der Spielmacher von Bayer 04 Leverkusen damit seine Führung weiter ausbauen.

Denn: Schon jetzt ist Wirtz in diesem Wettbewerb der Youngster mit den meisten Einsätzen (30), den meisten Siegen (19) und den meisten Toren (11) unter 21 Jahren, wobei Letzteres nur gilt, wenn man den Vorgänger-Wettbewerb UEFA-Cup außer Acht lässt.

Wirtz hat Muniain, Koke und Cutrone schon hinter sich gelassen

Bei den Einsätzen ist Iker Muniain, einstiges Top-Talent und inzwischen Urgestein von Athletic Bilbao, Zweiter, der seine 26 Spiele sogar allesamt schon vor dem 20. Geburtstag hinter sich hatte und sich danach bloß nicht mehr für die Europa League qualifizierte. Bei den Siegen ist Spaniens 70-maliger Nationalspieler Koke inzwischen abgehängt, der bei 15 seiner ersten 18 Partien als Gewinner vom Platz ging.

Und bei den Toren toppt Wirtz Patrick Cutrone, der als Youngster im Trikot der AC Mailand neunmal traf (und inzwischen als 26-Jähriger beim italienischen Zweitligisten Como – seiner Geburtsstadt – aktiv ist). Nur im UEFA-Cup hatte der zweimalige Bundesliga-Torschützenkönig Dieter Müller vor seinem 21. Geburtstag sogar zwölfmal genetzt – das kann Wirtz im Olimpico auch noch schaffen.

Es ist offensichtlich: Wirtz scheint einfach zu gut zu sein für den zweitwichtigsten Europapokal. Weil Leverkusen als Meister längst für die Champions League qualifiziert ist, darf sich der 16-malige Nationalspieler und EM-Hoffnungsträger 2024/25 erstmals auf der größten Bühne beweisen.

Doch vorher will er noch etwas schaffen, was Koke mit Atletico Madrid sogar zweimal gelang (2012, 2018), beim ersten Mal übrigens im Finale gegen Muniain: der Europa-League-Triumph. Auch wenn er dann – anders als Koke – schon 21 Jahre alt wäre.

Zurück zur Menschlichkeit: De Rossi erweckt die römischen Freigeister

Die Zeiten des destruktiven Fußballs sind in Rom Geschichte. Daniele de Rossi macht die AS wieder attraktiv – und für Leverkusen gefährlich.

Mit Daniele de Rossi ist der Erfolg zur Roma zurückgekehrt. Vor allem Paolo Dybala profitiert.

Mit Daniele de Rossi ist der Erfolg zur Roma zurückgekehrt. Vor allem Paolo Dybala profitiert.

IMAGO/LaPresse

José Mourinho hatte sein letztes Spiel als Coach der Roma schon gar nicht mehr von der Seitenlinie miterlebt, “The Special One” fehlte mal wieder wegen einer emotionalen Entgleisung gesperrt. Die Associazione Sportiva verlor Mitte Januar mit 1:3 bei der AC Mailand, rutschte dadurch auf einen bedeutungslosen neunten Rang in der Serie A ab. Zwei Tage darauf war für den Portugiesen nach dreieinhalb Jahren in der “Ewigen Stadt” Schluss. Wer es bei der Roma nun richten sollte, war im Umfeld der Tifosi schnell klar.

Europa League, Halbfinale

“Eine andere Trainerwahl wäre für die Fans verheerend gewesen”, sprach Daniele de Rossi selbst über seine Rückkehr zur Roma – nicht aber, weil er bis dato woanders so erfolgreich gearbeitet hatte. Beim Zweitligisten SPAL Ferrara war de Rossi im Februar 2023 nach drei Siegen und acht Niederlagen in 17 Partien entlassen worden. Für die Anhänger der Giallorossi war die Vereinsikone, die in 19 Jahren über 600 Spiele absolviert hatte, dennoch der perfekte Nachfolger. Das war sowohl dem langjährigen Kapitän selbst als auch den US-Eignern bewusst. “Ich bin ja nicht blöd, deswegen haben sie mich angerufen.”

Die Fan-Liebe wollte de Rossi aber nicht zu seinem Vorteil nutzen, zu schnell könnte diese emotionale Schiene nach hinten losgehen. Der 40-Jährige, der lediglich als Trainer und nicht als Ikone angesehen werden will, fand eine mit technisch versierten Spielern gespickte Mannschaft vor. Mourinhos zuvor defensive Spielweise, so wirkte es, unterdrückte aber den Freigeist mancher. De Rossi sprach dennoch von einer “eingespielten Einheit”, denn wenn es intern nicht stimme, “kannst du nicht in zwei europäischen Wettbewerben (Serie A und Europa League; Anm. d. Red.) mithalten”. Der langjährige Mittelfeldspieler brachte nach durchaus erfolgreichen, aber stets von Polemik geprägten Jahren unter Mourinho die Menschlichkeit zurück zur Roma. Der Fußball, das Spiel mit dem Ball, stand wieder im Mittelpunkt.

Destruktiv war gestern

De Rossi änderte die Grundformation des dreimaligen italienischen Meisters – weg vom destruktiven 3-5-2, hin zu einem mutigen 4-3-3. Es sollte Raum geschaffen werden für die Spieler, die den Unterschied machen können. Vertikales Kombinationsspiel, gepaart mit phasenweise erdrückendem Pressing. Rom spielt wieder vorwärtsorientiert – was sich merklich auszahlt. Seit de Rossis Übernahme hat die AS in 20 Spielen zwölfmal gewonnen, dabei nur gegen den bereits feststehenden Meister Inter sowie gegen das stark aufspielende Bologna verloren. Zwar zog die Roma auch im Achtelfinal-Rückspiel der Europa League in Brighton den Kürzeren, das deutliche 4:0 im Hinspiel hatte aber bereits den Grundstein fürs Weiterkommen gelegt und war ein weiterer Beweis für die neue Offensivstärke.

AS Rom

Harmonieren prächtig: Paolo Dybala und Romelu Lukaku.
IMAGO/AFLOSPORT

Der römische Aufschwung ist nicht nur tabellarisch, als Fünfter ist die AS wieder auf Champions-League-Kurs, sondern auch an den Zahlen von Paolo Dybala abzulesen. Der Argentinier, Paradebeispiel eines Freigeists, wird unter de Rossi nicht mehr in taktische Abläufe gepresst, sondern darf um Sturmtank Romelu Lukaku herum seine Kreativität ausleben. “Er gibt mir Freiheit, lässt mich nicht so tief fallen, weil der Weg zum Strafraum lang ist. Sein Spiel hilft mir, da wir den Ball mehr haben”, beschreibt der 30-Jährige seine neue Rolle unter de Rossi – und legt selbstbewusst nach. “Die Daten seht ihr.” In einem deutlich kürzeren Zeitraum der Saison unter de Rossi kommt Dybala in allen Wettbewerben auf 14 Scorerpunkte, zuvor waren es aber auch unter Mourinho starke zwölf.

De Rossi kontra Totti

Auffällig ist derweil, dass der sonst so verletzungsanfällige argentinische Weltmeister seit Mitte Januar nur drei Spiele angeschlagen verpasst hat – vor dem Jahreswechsel musste die Roma noch neunmal ohne ihn auskommen. Auch deswegen hatte mit Francesco Totti eine weitere Vereinslegende bereits einen Verkauf Dybalas gefordert, Tottis langjähriger Mitspieler de Rossi äußerte unlängst aber den Wunsch einer Vertragsverlängerung.

Der Erfolgstrainer wird der Roma definitiv erhalten bleiben, zwischen den jeweils gewonnenen EL-Viertelfinalspielen gegen Milan gab der italienische Hauptstadtklub die Zusammenarbeit über den Sommer hinaus bekannt. “Ein langfristiges Projekt aufbauen” sei das Ziel der Vereinsführung – Besitzer ist The Friedkin Group – mit de Rossi, der mit viel Feingefühl an seiner zweiten Roma-Ära arbeitet. Auf kurze Sicht soll es aber erst einmal der wiederholte Finaleinzug in der Europa League sein, im Halbfinale wartet ein nicht minder erstarktes Bayer 04 Leverkusen. Die Werkself erwartet in diesem Jahr jedoch eine ganz andere Roma, es wird wieder Fußball gespielt.

Warum Azmoun Bayer wohl keine 12,5 Millionen bringt

Im Halbfinale der Europa League trifft Sardar Azmoun mit der AS Rom auf den Werksklub, der den Iraner verliehen hat. Auch wenn die Roma über eine Kaufoption in Höhe von 12,5 Millionen Euro verfügt, wird Bayer 04 diese Summe eher nicht erzielen.

Sardar Azmoun trifft mit der Roma auf seinen Stammklub Leverkusen.

Sardar Azmoun trifft mit der Roma auf seinen Stammklub Leverkusen.

IMAGO/Insidefoto

Am Sonntag beim 2:2 in Neapel stand Sardar Azmoun erstmals seit dem 26. Spieltag Ende Februar in der Serie A wieder in der Startformation der Römer. Rechtzeitig zu den beiden Duellen im Halbfinale der Europa League gegen seinen Leih-Klub aus Leverkusen ist der Iraner wieder topfit, nachdem er sich am 21. März in der WM-Qualifikation beim 5:0 gegen Turkmenistan eine Oberschenkelverletzung zugezogen hatte.

Für den Saisonendspurt ist Azmoun wieder voll einsatzfähig, so dass er sich für einen Klub für die kommende Saison empfehlen kann. Die Roma würde den Iraner grundsätzlich gerne halten. Und Trainer Daniele de Rossi schätzt den Angreifer. Die AS besitzt auch eine Kaufoption über 12,5 Millionen Euro, die im Juni ausläuft. Doch dass die Römer diese ziehen, ist unwahrscheinlich.

Als Voraussetzung für einen Azmoun-Transfer müsste Rom erst einmal die Champions League erreichen. Doch Platz 5 haben die Hauptstädter noch nicht sicher. Doch selbst beim Einzug in die Königsklasse würden die Römer nicht direkt die Option aktivieren. Schließlich hat Azmoun, der nach seiner schwierigen Zeit in Leverkusen erst in den Rhythmus kommen musste, sich in dieser Saison mit drei Treffern in 20 Serie-A-Einsätzen nicht so in den Vordergrund gespielt, dass die Roma unter Zugzwang stünde.

Großverdiener in Leverkusen

Folglich werden die Römer im Fall der Fälle versuchen, die Ablöse für Azmoun zu drücken. In dem Wissen, dass Bayer 04 nicht mehr mit dem 29-Jährigen plant, dessen noch bis 2027 laufender Vertrag in Leverkusen ihn beim neuen Deutschen Meister zu einem der Großverdiener macht.

Die Roma sieht sich in einer guten Verhandlungsposition

Die ersten Gespräche sind nach den Halbfinalspielen zu erwarten. Da andere lose Interessenten, wie der schon im Winter anklopfende FC Sevilla, Olympique Lyon oder kleinere Serie-A-Klubs aktuell auch keine Summe in Höhe der Kaufoption für Azmoun zahlen würden, sieht sich die Roma nicht unter Druck und in einer guten Verhandlungsposition.

Diese würde sich nur verschlechtern, wenn Azmoun im Saisonendspurt richtig auftrumpft. Doch das wird sich bei Bayer vor den beiden Halbfinalspielen gegen die Italiener niemand wünschen …

Stephan von Nocks