“Wenn wir nicht daran glauben würden, hätten wir in Dortmund bleiben können”

Julian Brandt und Nico Schlotterbeck sprechen vor dem Champions-League-Finale mit Borussia Dortmund über Gegner Real Madrid, Zuversicht und Jude Bellingham.

Voller Vorfreude auf das anstehende Champions-League-Finale: Julian Brandt und Nico Schlotterbeck.

Voller Vorfreude auf das anstehende Champions-League-Finale: Julian Brandt und Nico Schlotterbeck.

UEFA via Getty Images

Aus London berichten Matthias Dersch und Patrick Kleinmann

Die Anzeigentafeln auf dem Weg ins Stadion untertreiben. Ein “Wembley Event” ist angekündigt, am Samstag könnte auf den Straßen im Nordwesten Londons offenbar etwas mehr los sein als an anderen Tagen. Hinter der nüchternen Verkehrs-Bürokratie steckt für einige Spieler von Real Madrid und vielen bei den deutlichen weniger erfahrenen Dortmunder ein absolutes Karriere-Highlight, das Champions-League-Finale (21 Uhr, LIVE! bei kicker).

“Bei all dem Erfolg, den wir haben möchte, wollen wir auch versuchen den Moment und das Spiel genießen”, erhofft sich Julian Brandt mit Blick auf die Partie: “Wir werde das nicht so häufig in unserem Leben erleben dürfen.” Ein Highlight soll das Endspiel werden, eins mit einem guten Ende. Auch wenn der Gegner schwerstmöglich scheint, tragen der Mittelfeldspieler und seine Team-Kollegen Zuversicht nach London: “Wenn wir nicht daran glauben würden, hätten wir in Dortmund bleiben können.”

Vor allem die beiden 1:0-Siege gegen Paris Saint-Germain im Halbfinale gegen Innenverteidiger Nico Schlotterbeck den Glauben an die Überraschung gegen die in acht Champions-League-Endspielen noch ungeschlagenen Madrilenen: “Als Defensivspieler nehme ich mit, dass wir zweimal gegen so eine Offensive zu Null gespielt zu haben, das war ein Riesenerfolg.” Die Erkenntnis sei, “dass wir jeden Gegner der Welt schlagen können”.

Brandt setzt auf die Dortmunder Fans

Und das gilt auch für die Offensive Reals um Vinicius Junior, Jude Bellingham und Rodrygo. “Sie haben alle drei unfassbare Qualität”, findet Schlotterbeck, der mit dem Briten ein Jahr in Dortmund zusammenspielte: “Er kann gegen den Ball laufen ohne Ende, er kann schießen, dribbeln und köpfen.” Dortmund müsse “vorsichtig sein”, zumal neben dem Ex-Teamkollegen “zwei dribbelstarke Spiele stehen, die jedem Verteidiger der Welt Probleme bereiten”. Schlotterbeck glaubt: “Wenn wir die Drei in Schach halten, haben wir eine Chance zu gewinnen.”

Vor allem geht es dem 24-Jährigen darum, Lust zu zeigen, keine Angst. “Wir probieren mit Freude ins Spiel zu gehen. Und wenn wir mit Glauben reingehen, haben wir auch eine Chance.” Dabei auch “Vorfreude, vielleicht auch Aufgeregtheit” zu verspüren, sei “ein Stück weit normal, aber wir versuchen es trotzdem als Fußball-Spiel zu sehen und zu nehmen”.

Wir werden so etwas wie ein Heimspiel haben.

Nico Schlotterbeck

Mats Hummels und Marco Reus als letzte verbliebene Dortmunder aus dem 2013er-Finale gegen Bayern München sowie die heutigen Co-Trainer Nuri Sahin und Sven Bender hätten ihnen mitgegeben, dass dieses Partie “etwas anders ist als in der Bundesliga, aber sie haben gesagt, dass du es angehen musst wie jedes andere Spiel”, berichtet Schlotterbeck. Mitspieler Brandt setzt auch auf die zahlreich angereisten Fans, 30.000 alleine werden im Stadion sein. “Wir werden so etwas wie ein Heimspiel haben.”

“Vor ein paar Jahren schien dies unglaublich”

Kapitän Nacho kann es selbst kaum fassen, dass er in Wembley mit Legende Gento gleichziehen kann. Doch Marathonmann Modric warnt vor Dortmund.

Kann mit Real-Legende Gento gleichziehen: Madrids Kapitän Nacho.

Kann mit Real-Legende Gento gleichziehen: Madrids Kapitän Nacho.

Getty Images

Aus Wembley berichtet Jörg Wolfrum

Etwas angespannt wirkten sie beide am Tag vor dem Endspiel der Königsklasse gegen Borussia Dortmund: Kapitän Nacho und Luka Modric, 34 Jahre alt der eine, fast 39 der andere. Aber es geht nun mal um den Henkelpott. Nacho sagte daher: “Es geht um die Bedeutung dieses Wettbewerbs für den Verein und für einen Spieler aus dem Nachwuchs.” Der Abwehrspieler meinte dabei sich selbst und sagte daher: “Ich freue mich wirklich sehr darauf.” Zugleich gab er aber auch zu, “sind wir nervöser denn je, obwohl wir zuversichtlich sind. Ein Finale ist etwas Besonderes, und das macht es unruhig”.

Der scheinbar ewige Marathonmann Modric erklärte: “Jeder denkt, dass wir Favoriten sind. Aber das stimmt nicht. Ich sehe die Chancen 50-50. Dortmund hat eine große Mannschaft, sie haben eine tolle Saison in der Champions League gespielt, und sie werden es uns schwer machen. Wir müssen uns konzentrieren und alles auf den Platz bringen, was wir können.”

Modric war in jedem Finale dabei

Nacho wie auch Modric können beide in Wembley zum sechsten Mal den Henkelpott gewinnen, jedoch mit dem Unterschied: Nacho spielt erst sein zweites Finale nach 2018, zudem war er damals beim 3:1 gegen Liverpool in Kiew nur für den verletzten Dani Carvajal eingewechselt worden. Kein Wunder also, dass er am Freitag betonte: “In einem Finale in der Startelf zu stehen, ist das Beste, das einem Spieler passieren kann, erst recht bei Real Madrid.”

Nacho ist Kapitän, weil er Dienstältester im Klub ist, seit 2012 ist er Teil der Mannschaft, mal mehr, mal weniger, vor allem in seinen Anfangsjahren. Zuvor hatte er die “Fabrica” durchlaufen, die Juniorenabteilung der Königlichen. In dieser Saison wurde der Abwehrspieler an der Seite von Antonio Rüdiger in der Innenverteidigung Stammkraft, profitierte dabei von den Kreuzbandrissen bei Eder Militao und David Alaba. Nach diversen Fehlern im Herbst und mitunter auch slapstickhaften Aktionen hat er sich stabilisiert.

Es ist immer etwas Besonderes, in London zu sein und in Wembley zu spielen.

Luka Modric

Modric hingegen war immer dabei in den Finalspielen, seit er 2012 für 35 Millionen Euro von Tottenham Hotspur gekommen war. Aus London also, folgt nun die erneute Krönung, just in seiner einstigen Wahl-Profi-Heimatstadt? “Es ist immer etwas Besonderes, in London zu sein und in Wembley zu spielen, einem großartigen Stadion. Ich freue mich darauf.” Doch Modric wäre nicht Modric, wenn er nicht klarstellte: “Aber das war es auch schon.” Mit voller Power erlebt man den Mittelfeldspieler nur auf dem Platz.

Nacho muss sich nur noch entscheiden

Er ist eben Profi durch und durch, dieser Modric, aber auch längst eins geworden mit Real. Anders als Nacho war er, außer in dieser Saison, auch all die Jahre Dauerläufer bei den Königlichen und mitentscheidend gewesen in diversen magischen Nächten. Unvergessen ist zum Beispiel seine Ecke 2014 in der Nachspielzeit, die Sergio Ramos zum 1:1 ins Tor von Atletico Madrid wuchtete – es folgte die Verlängerung und ein 4:1 für die Königlichen. Als es für Real schon zappenduster war im Stadion des Lichts von Lissabon, ging das Licht damals auch wegen Modric an.

Intern scheint laut spanischen Medienberichten klar zu sein, dass der Kroate, 2018 Weltfußballer und Vize-Weltmeister und 2022 nochmal WM-Dritter, eine weitere Saison bei den Königlichen absolvieren wird. Auch Nacho müsse sich nur noch entscheiden, heißt es.

Der sagt mit Blick auf einen möglichen Triumph: “Vor Jahren erschien es unglaublich, Gento einzuholen.” Wen er meinte: Linksaußen Francisco “Paco” Gento, der von 1956 bis 1960 und 1966 sechsmal mit Real in der Königsklasse triumphierte. Der 2022 wenige Monate vor dem Final-Sieg in Paris gegen Liverpool verstorbene Altstar ist bis dato der einzige Spieler überhaupt, der sechsmal den Henkelpott gewonnen hat. Nun könnten ihn Nacho und Modric einholen, aber auch Dani Carvajal – und natürlich Toni Kroos in seinem letzten Spiel als Vereinsprofi überhaupt.

Ancelotti bestätigt: Courtois steht statt Lunin im Tor

Real Madrid geht das Champions-League-Finale gegen Borussia Dortmund am Samstag voller Selbstvertrauen an – und mit Thibaut Courtois zwischen den Pfosten. Das bestätigte Carlo Ancelotti am Freitagabend.

Klare Aussage zum Final-Torhüter: Thibaut Courtois (re.) beginnt anstelle von Andriy Lunin.

Klare Aussage zum Final-Torhüter: Thibaut Courtois (re.) beginnt anstelle von Andriy Lunin.

imago images

Am Samstagabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) bestreitet Carlo Ancelotti mal wieder ein Endspiel in der Königsklasse. Vier Titel im wichtigsten europäischen Wettbewerb – je zwei mit Milan (2003, 2007) und Real (2014, 2022) – kann der Italiener als Trainer bereits vorweisen. Aus Erfahrung erklärte er am Freitagabend auf der obligatorischen Pressekonferenz: “Ein Champions-League-Finale ist das wichtigste und das gefährlichste Spiel.”

Als “gefährlich” stufte so mancher auch die Entscheidung ein, die Ancelotti ob der Qual der Wahl im Tor treffen würde. Die Entscheidung allerdings, sie wurde dem 64-Jährigen schlichtweg abgenommen. Andriy Lunin, der den eigentlichen Stammkeeper Thibaut Courtois in dieser Saison wegen dessen Kreuzbandriss teils überragend vertreten hatte (31 Pflichtspiele in dieser Saison, nur 32 Gegentore und zwölf weiße Westen), fehlte in dieser Woche wegen eines Infekts.

Da das Fieber dem Ukrainer länger zu schaffen machte, isolierten ihn die Mediziner vom Team, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren. Im Flieger nach London saß Lunin dann auch nicht. Am Freitag erklärte Ancelotti vor den wartenden Journalisten: “Lunin reist erst morgen an und wird auf der Bank sitzen. Courtois spielt.”

Niederlage gegen Real, brillant gegen Liverpool

In vier der sechs Champions-League-Gruppenspiele hatte Lunin noch Kepa den Vortritt lassen müssen, ab der K.-o.-Runde verpasste er allerdings keine Minute mehr – und hütete auch bei den Halbfinal-Partien gegen die Bayern Reals Tor. Weil Courtois im Saisonfinale wieder fit wurde (vier La-Liga-Partien, vier Gegentore) und Ansprüche aufs Champions-League-Endspiel anmeldete, war Ancelotti ob dieser Entscheidung nicht beneidet worden.

Nun aber steht fest, dass Courtois definitiv zwischen den Pfosten steht. Sein erstes Champions-League-Endspiel bestritt der Belgier, für den Domenico Tedesco im EM-Kader keinen Platz sah, im Mai 2014 – 1:4 verlor er mit Atletico gegen Real. Ende Mai 2022 folgte sein zweites, diesmal brillierte Courtois im Real-Tor (kicker-Note 1, Spieler des Spiels) und hielt das 1:0 gegen Liverpool fest. Nun winkt sein zweiter Henkelpott.

MacLeod im Interview: “Vielleicht geht es dem BVB wie Aberdeen”

Für den ehemaligen BVB-Vorkämpfer Murdo MacLeod ist klar, wer das Finale in Wembley gewinnen soll. Der Schotte schwärmt zudem von Marco Reus.

Einer der Pokalhelden von Borussia Dortmund: Murdo MacLeod (Mitte).

Einer der Pokalhelden von Borussia Dortmund: Murdo MacLeod (Mitte).

imago images

Vor 35 Jahren war Murdo MacLeod einer der Pokalhelden von Borussia Dortmund, ein echter “Braveheart”. 1987 von Celtic gekommen, kämpfte sich der Schotte damals schnell hoch zum Publikumsliebling im Westfalenstadion. An diesem Samstag wollte er seinen BVB eigentlich in Wembley anfeuern, aber der 65-Jährige muss das Endspiel auf Anraten seines Arztes daheim in Helensburgh bei Glasgow im Fernseher anschauen. Die Reise wäre zu anstrengend gewesen für MacLeod, der im Vorjahr nicht nur am Herz operiert werden musste, sondern dem man auch alle Zehen amputiert hat. Im Telefonat mit dem kicker blickt er zurück und voraus auf besondere Dortmunder Momente.

Mr MacLeod, am vergangenen Sonntag sah man Sie in den sozialen Medien des BVB und von Celtic. Erzählen Sie die Geschichte dazu?

Ich hatte die Ehre, den Anstoß für das Spiel der Legenden von Celtic und Dortmund im Celtic Park auszuführen. 30.000 Fans waren gekommen, an einem regnerischen Tag, unglaublich für ein Wohltätigkeitsspiel. Paul Lambert war der Trainer der Celtic-Legends und spielte in der zweiten Halbzeit für die BVB-Legends, und ich durfte in die Umkleidekabine der Dortmunder gehen, um ihre Spieler zu treffen. Mein Name wurde auch von den mitgereisten Dortmunder Fans gesungen.

Beim Finale in London aber werden Sie nun fehlen.

Ja, leider. Ich wollte hin, habe aber am Donnerstag mit dem Arzt hier gesprochen und der meinte, dass es am Flughafen und im Stadion ein Problem sein würde, weil man doch viel laufen muss. Aber der Anstoß am Sonntag im Celtic Park war sehr bewegend für mich.

Als Sie im Juni 1987 von Celtic nach Dortmund wechselten, waren Sie der erste schottische Spieler, der für den BVB spielte. Wie erlebten Sie die vier Jahre bei der Borussia?

Mir und meiner Frau Mhairi hat es in Deutschland sehr gut gefallen, wir haben in Dortmund schnell viele neue Kontakte geknüpft. Ich hätte mir eigentlich nicht vorstellen können, Celtic zu verlassen, aber der Wechsel nach Dortmund war letztlich für mich als Spieler eine fantastische Sache.

Murdo MacLeod

Murdo MacLeod mit seiner Frau beim Spiel der Legenden von Celtic und Dortmund.
imago images / Jan Huebner

Ihre erste Europareise mit dem BVB hatte ein überraschendes Ziel…

Glasgow! Wir bekamen in der ersten Runde des UEFA-Cups 1987/88 ausgerechnet Celtic. Das war schon seltsam. Wir hörten uns die Auslosung in Dortmund nach dem Training an und die Spieler gaben dann mir die Schuld. Celtic hatte noch nie gegen eine westdeutsche Mannschaft gespielt, bevor ich dorthin gewechselt bin.

Dortmund verlor das Hinspiel im Celtic Park 1:2 und gewann dann daheim 2:0.

Das war ein sehr emotionaler Tag, als ich zu Celtic zurückkam, und einer der Tage, die ich nie vergessen werde. Sogar als Celtic Freistöße zugesprochen bekam, haben die Fans skandiert, dass ich sie ausführen soll, so wie ich es früher getan habe. Am Ende bekam ich stehende Ovationen, also ein großes Dankeschön.

Ihr Highlight bei der Borussia aber war der DFB-Pokal 1989?

DFB-Pokal-Finale 1989

Ja, das Finale in Berlin, 4:1 gegen Werder Bremen. Ich erinnere mich noch genau an das Spiel, 76500 Zuschauer im Olympiastadion. Ich habe nicht im Mittelfeld gespielt, weil wir Verletzungen hatten und der Trainer Horst Koppel mich gebeten hat, in der Innenverteidigung neben Thomas Helmer und Gunter Kotowski zu spielen. Ich hatte keine Bedenken, denn man tut, was der Trainer will, und ich hatte bei Celtic schon ein paar Mal als Linksverteidiger gespielt, als der große Danny McGrain 1981 verletzt war.

Es war der erste Titel für den BVB nach 23 Jahren. Der Empfang war gewaltig.

400.000 Leute sind damals dagewesen, das wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Die Dortmunder Fans sind so leidenschaftlich. Ich hatte das Glück, damals vor 55.000 Zuschauern im Westfalenstadion zu spielen. Jetzt sind es sogar 80.000, darum wird der BVB in ganz Europa beneidet.

Klappt es gegen dieses Real Madrid mit dem zweiten Henkelpokal und einer vielleicht noch größeren Party?

Es war schon unglaublich, dass der BVB 1997 gegen Juve die Champions League gewonnen hat. Warum sollten sie es jetzt in Wembley nicht wieder schaffen? 1983 hat Real das Pokalsieger-Finale gegen den FC Aberdeen von Alex Ferguson verloren, weil sie den Gegner unterschätzt haben. Vielleicht geht es dem BVB wie Aberdeen und Real ist sich etwas zu sicher.

2013 beim verlorenen Finale gegen Bayern waren Sie in Wembley.

Ja, das war sehr schade für den BVB. Umso mehr würde es mich jetzt für Marco Reus freuen. Er ist ein spezieller Spieler in der Geschichte dieses Vereins. Und nach dem knappen Ding 2013 hat er diesen Champions-League-Titel zum Abschied erst recht verdient.

Interview: Phil Gordon

Die Zuversicht des Außenseiters

Die Buchmacher sehen Real Madrid klar im Vorteil, doch Borussia Dortmund fühlt sich in der Außenseiterrolle mehr als wohl – und will überraschen. Das Champions-League-Finale in London sorgt für eine gelbe Massenbewegung.

Ein XXL-BVB-Trikot steht auf dem Champions Festival in der Regent Street.

Ein XXL-BVB-Trikot steht auf dem Champions Festival in der Regent Street.

picture alliance/dpa

Aus London berichtet Matthias Dersch

Die ersten Anzeichen waren bereits am Donnerstag im Londoner Stadtbild zu erkennen: Ein aufgehängtes Trikot an der Tower Bridge, eine Telefonzelle mit dem Klublogo am Hyde Park: Es waren die Vorboten einer Massenbewegung, die spätestens am Samstag die englische Hauptstadt mit gelben Farben fluten wird. Dann steigt im traditionsreichen Wembley-Stadion das Champions-League-Finale zwischen Borussia Dortmund und Real Madrid. Während es für die Königlichen fast schon Alltag ist, ist der Trip nach London für den BVB eine absolute Ausnahmegelegenheit. 2013 stand der Klub zuletzt im Endspiel um den berühmten Henkelpott, die prestigeträchtigste Trophäe des Vereinsfußballs – und verlor mit 1:2 gegen den FC Bayern.

Elf Jahre musste der BVB seitdem auf die nächste Chance warten. Umso größer ist die Vorfreude, die durch die absolute Außenseiter-Rolle in diesem Finale eher vergrößert als gebremst wird. 400.000 Tickets hätten die Dortmunder verkaufen können, doch die Uefa stellte beiden Klubs lediglich 25.000 Karten zur Verfügung.

Viele, die leer ausgingen bei der Verlosung, werden dennoch anreisen. Mit dem Flugzeug, dem Bus, manche auch mit der Segelyacht oder dem Fahrrad. Mit bis zu 100.000 BVB-Fans rechnet der Klub, der seine Mitarbeiter komplett zum Finale einlud, in London. Gebrandete Doppeldeckerbusse und Taxen sollen im Stadtbild zusätzlich Präsenz herstellen, im Hyde Park wird eine “Dortmunder Botschaft” eingerichtet, wo sich Mitarbeiter und Fans treffen können. Auch viele Finalisten von 2013 sowie die Dortmunder Champions-League-Helden vom Triumph 1997 werden vor Ort sein, etwa Roman Weidenfeller, Lukasz Piszczek, Jürgen Kohler oder Andreas Möller. Sie alle sollen gemeinsam für eine “Yellow Wonderwall” sorgen, die das Team von Trainer Edin Terzic zum Sieg pushen soll.

Reus, Ricken, Terzic: Ein Dortmunder Sieg würde viele Geschichten schreiben

Beim Abflug am Freitagmorgen verabschiedeten rund 200 Fans den Trainer und seine Mannschaft. Für Marco Reus, der am Samstag sein letztes Spiel für den BVB bestreiten wird, sangen sie ein Geburtstagsständchen. Der Routinier feiert an diesem Freitag seinen 35. Geburtstag – und will seine BVB-Zeit im Wembley-Stadion mit dem Gewinn des Henkelpotts krönen. Im Duell mit den Königlichen, bei denen der Ex-Dortmunder Jude Bellingham gleich in seinem ersten Jahr bei Real eine wichtige Rolle einnehmen konnte, wird Reus mit hoher Wahrscheinlichkeit erst von der Bank kommen. Doch wie sehr man diese Partie als Joker prägen kann, weiß seit Lars Rickens Tor gegen Juventus Turin im Finale 1997 jeder in Dortmund.

Diesmal ist Ricken, der 2013 einen Auftritt als Ritter im Vorprogramm des Endspiels übernommen hatte, als Geschäftsführer Sport des BVB dabei. Einen Monat nach seiner Amtsübernahme könnte er bereits die Champions League gewinnen. Es wäre eine der vielen besonderen Geschichten, die ein Dortmunder Sieg schreiben würde. Neben der von Reus – oder der von Terzic.

Eine Telefonzelle mit dem BVB-Logo.

Eine Telefonzelle mit dem BVB-Logo.
IMAGO/ZUMA Press Wire

Als Real zuletzt ein Endspiel in Europa verlor – 1983 im Europapokal der Pokalsieger – war der BVB-Trainer gerade mal ein paar Monate auf der Welt. 41 Jahre später ist Madrid zu einer Finalmaschine geworden, die auch wirklich erst dann aufhört, wenn der Schiedsrichter abpfeift. Terzic dagegen wurde erst zum Fan des BVB, dann zum Mitarbeiter – und schließlich zum Chefcoach. Terzic führte den BVB in seiner Interimszeit zum Sieg im DFB-Pokal, in seinem ersten Jahr als Cheftrainer fehlte ein Tor im letzten Spiel gegen Mainz zum Meistertitel. Zwischen dem Drama am 27. Mai 2023 und dem Champions-League-Finale verging zwar nur ein Jahr, doch es war ein denkbar schwieriges, kompliziertes, kräftezehrendes. Für den gesamten Klub, vor allem aber für Terzic selbst.

Ob am Ende der große Triumph steht oder doch die tragische Niederlage, das entscheidet sich in den 90 oder maximal 120 Minuten in Wembley. Es ist genau das, was die Faszination dieses Sports ausmacht. Die Massenbewegung, die am Samstag ganz in Gelb in London aufschlagen wird, ist der beste Beweis.

‘Something wild’ – Ferdinand in awe of Bellingham’s impact at Real in debut campaign


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Kehl versichert bei Abflug: “Wir werden die richtige Haltung haben”

Mit Applaus ist der BVB-Tross am Freitagmittag zum Champions-League-Finale in London aufgebrochen. Sportdirektor Sebastian Kehl sieht die Mannschaft absolut bereit.

Ian Maatsen, Jamie Bynoe-Gittens und Sebastian Kehl (v. li.) auf dem Weg ins Flugzeug.

Ian Maatsen, Jamie Bynoe-Gittens und Sebastian Kehl (v. li.) auf dem Weg ins Flugzeug.

Borussia Dortmund via Getty Images

Der Countdown läuft. Am Samstagabend um 21 Uhr (LIVE! bei kicker) trifft Borussia Dortmund im Finale der Champions League im Wembley-Stadion auf Real Madrid. Die Borussen machten sich am Freitagvormittag vom Dortmunder Flughafen auf den Weg nach London. Rund 300 Fans waren gekommen, um die BVB-Profis zu verabschieden.

“Man spürt das Prickeln”, beschrieb BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl kurz vor dem Abflug die Atmosphäre. “Wir wissen natürlich, welcher Tag uns morgen bevorsteht und welche große Chance wir haben, ein wirklich großartiges Spiel zu machen, einen Titel zu holen, Geschichte zu schreiben, – und deswegen steigt die Anspannung, aber auch Vorfreude.”

Jeder sei froh, dass es nun losgeht. “Wir sollten mit diesem Lächeln heute ins Bett gehen und mit ganz viel Spaß und Willen und Leidenschaft morgen aufwachen und dann einen großen Tag geschehen lassen”, sagte Kehl, der mehrmals unterstrich, ein gutes Gefühl zu haben.

Watzke betont, dass der BVB “leiden” müsse

“Wir stehen verdienterweise im Finale gegen Real Madrid, und dieses Finale ist mit nichts zu vergleichen”, sagte er angesprochen auf das verpatzte Bundesliga-Saisonfinale 2022/23. Der 44-Jährige versicherte: “Wir werden einen richtigen Matchplan haben und wir werden die richtige Haltung haben.”

Klar sei Real Madrid als 14-maliger Champion “eine Finalmaschine”, so Kehl. “Und trotzdem glauben wir, dass wir unsere Möglichkeiten bekommen werden, ihnen auch weh zu tun.” Dies sei dem BVB bereits gegen PSG und auch gegen Atletico gelungen – “mit dieser Mischung aus Leidenschaft, hoher Bereitschaft, gegen den Ball zu arbeiten, sich gegenseitig zu helfen, kompakt zu spielen und immer wieder Umschaltmomente zu kreieren”. Ein bisschen Glück an der einen oder anderen Stelle werde der BVB sicherlich auch brauchen, weiß Kehl.

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke betonte dazu, dass die Mannschaft “leiden” müsse. “Wir wissen auch, dass Real Madrid der Favorit ist”, sagte er, “aber das macht ja auch den Reiz aus”.

Kehl über Reus: “Locker angespannt”

Der Kopf werde eine große Rolle spielen, meinte Kehl. “Wir brauchen eine gewisse Art von Leichtigkeit, von Freude, aus diesem Underdog-Image heraus in dieses Spiel zu gehen. Wir können morgen eine Menge gewinnen. Ich glaube, diese Haltung einzunehmen wird uns helfen”, erklärte der Sportdirektor. Er spüre “diesen Willen, ich habe das die ganze Woche im Training gesehen. Die Mannschaft will sich belohnen für eine fantastische Champions-League-Saison.”

Trainer Edin Terzic kann aus dem Vollen schöpfen, alle sind dabei. “Egal, wer morgen anfängt, egal, wer morgen von der Bank kommt, wir werden alle brauchen morgen”, betonte Kehl, “natürlich” auch Geburtstagskind Marco Reus, der seinen BVB-Abschied vergolden kann. “Er ist locker angespannt, er nimmt die Jungs mit, er versucht zu helfen”, berichtete Kehl und versprach: “Er wird sich morgen zerreißen für diesen Klub, für sich selbst, für alle Beteiligten, für diese Stadt. Und er wird ganz, ganz wichtig werden.”

Der Dortmunder Kader im Überblick:

Tor: Kobel, Meyer, Lotka
Verteidigung: Hummels, Schlotterbeck, Wolf, Maatsen, Süle, Ryerson
Mittelfeld: Özcan, Nmecha, Reus, Brandt, Sabitzer, Can, Wätjen
Angriff: Haller, Sancho, Füllkrug, Moukoko, Malen, Adeyemi, Bynoe-Gittens

Champions League final build-up live – Real Madrid and Dortmund prepare for showpiece

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Champions League final build-up live – Ancelotti says Courtois to start for Real against Dortmund

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Fakten-Dreierlei: Junger Terzic, Dauerbrenner Ancelotti und ein torarmer BVB

Das Champions-League-Finale fährt mit einem Potpourri an Geschichten auf. Kurz vor Anstoß der Partie zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund liefert der kicker noch ein paar interessante Fakten.

Weiß, wie sich ein Champions-League-Finale anfühlt: der frühere Milan- und jetzige Real-Coach Carlo Ancelotti.

Weiß, wie sich ein Champions-League-Finale anfühlt: der frühere Milan- und jetzige Real-Coach Carlo Ancelotti.

IMAGO/Sports Press Photo

Dieses Endspiel der Königsklasse zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund ist aufgeladen mit besonderen Geschichten.

Eine kleine Auswahl: Sowohl Marco Reus im BVB-Dress als auch Toni Kroos im Shirt der Königlichen werden an diesem Samstagabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) jeweils ihr letztes Spiel für ihre langjährigen Vereine bestreiten. Den langjährigen Schwarz-Gelben zieht es eventuell gen Amerika in die dortige MLS, während der Weltmeister von 2014 nach seiner äußerst titelreichen Real-Zeit in den Ruhestand geht – das allerdings erst nach der EM im eigenen Land mit Deutschland.

Schlagzeilen gehören natürlich auch Jude Bellingham: Der englische Nationalspieler war im letzten Sommer erst für über 100 Millionen Euro von Dortmund nach Madrid gewechselt – und bestreitet nun in der Heimat nach einem Real-Jahr das Finale der Königsklasse gegen die ehemalige Liebe.

Der nimmermüde Ancelotti und das nimmermüde Real

In den Untiefen zu diesem CL-Finale finden sich aber noch weitere nette Dinge – der kicker ist deswegen nochmals eingetaucht ins Faktenmeer.

Am Namen Carlo Ancelotti führt dabei kein Weg vorbei. Der inzwischen 64-jährige Trainer, der seit 2021 bei den Blancos unter Vertrag steht, einen Job bei Brasiliens Seleçao abgesagt hat und nun in der spanischen Hauptstadt die Rente plant, kennt die Königsklasse wie kaum ein anderer der bisherigen Geschichte. Unglaubliche 203 Partien hat “Carletto” schon an der Seitenlinie live erlebt – zum Vergleich: In der ewigen Liste unter den Spielern führt Cristiano Ronaldo mit 183 Einsätzen vor Iker Casillas (177) und Lionel Messi (163).

Doch nicht nur das: Ancelotti ist der erste Trainer, der sechs Champions-League-Finals bestreitet nach den Jahren 2003, 2005 und 2007 mit Milan sowie 2014, 2022 und nun eben 2024 mit Real. Seine Bilanz dabei: jeweils zwei Siege. Das Siegen liegt den Madrilenen naturgemäß im Blut, sie sind in diesem Wettbewerb schließlich mit 14 Triumphen Rekordchampion – und haben die letzten acht (!) Endspiele allesamt gewonnen – allesamt in der Champions League. Insgesamt haben die Königlichen bärenstarke 14 ihrer 17 Finals gewonnen.

Terzic wie “Pep” und “Mou”?

Auf der anderen Seite steht Dortmund als Außenseiter, trainiert von Edin Terzic. Der 41-Jährige könnte sich mit einem Coup in Wembley aber gleich auf mehreren Ebenen in der CL-Geschichte verankern. Allen voran alterstechnisch: Terzic ist am Finaltag exakt 41 Jahre und 215 Tage alt. Er könnte damit nach Pep Guardiola (mit Barcelona 2009 mit 38 Jahren, 129 Tagen sowie 2011 mit 40 Jahren, 130 Tagen) und José Mourinho (mit Porto 2004 mit 41 Jahren, 121 Tagen) der drittjüngste Trainer werden, der die Champions League gewinnt.

Das kann aber auch nur gelingen, wenn Terzics Auswahl an diesem Samstagabend den famosen Real-Angriff um Vinicius Junior erfolgreich aufhält etwa mit Mats Hummels oder Nico Schlotterbeck – und darüber hinaus vorne zum Beispiel mit Niclas Füllkrug die womöglich wenigen Chancen nutzt. Wenig ist auch das Stichwort: Der BVB hat in zwölf CL-Partien in dieser Saison nur magere 17 Treffer verbucht. Einen Titelträger mit lediglich 17 Toren bei 13 zu absolvierenden Spielen hat es nur 2009/10 gegeben: Inter Mailand gewann damals sparsam den Pokal. Um diese Marke einzustellen, müsste die Borussia nach torlosen 120 Minuten das Elfmeterschießen gewinnen.