Selbstläufer Aufstieg? Der Angstgegner kommt!

Auf den ersten Blick scheinen die Vorzeichen klar. Ausgerechnet am Millerntor ist der VfL Osnabrück am Dienstag gegen Schalke (0:4) aus der 2. Liga abgestiegen, die Favoritenrolle scheint vor dem Sonntag klar. Reine Formsache ist St. Paulis Aufstieg dennoch nicht.

Erkennt in der jüngsten Phase so etwas wie eine

Erkennt in der jüngsten Phase so etwas wie eine “Mini-Krise”: St. Paulis Cheftrainer Fabian Hürzeler.

IMAGO/Jan Huebner

Die Erinnerungen von Fabian Hürzeler an die Niedersachsen sind lebendig. Und keineswegs positiv. In der Hinserie trotzte das Schlusslicht St. Pauli ein 1:1 ab, das Testspiel im Wintertrainingslager gewann der VfL gar mit 3:1.

“Sie waren mit die Ersten, die eine Spielweise gefunden haben gegen uns”, sagt der Trainer, “wir hatten im Hinspiel in der Liga große Probleme, und sie haben den Test verdient gewonnen”. Der 31-Jährige erklärt, worauf es ankommt, um die bevorstehenden Probleme zu lösen: “Wir müssen damit klarkommen, dass sie gegen uns sehr mannorientiert agieren. Das müssen wir auflösen, indem wir nicht zu statisch sind, viel rotieren. Dazu brauchen wir hohe Intensität gegen den Ball.” Und einen klaren Kopf.

“Am Ende nehmen wir es, wie es kommt”

Mögliche Feier-Szenarien wurden noch nicht entworfen. Weder für den Fall, dass der Aufstieg womöglich am Samstag durch einen Kieler Sieg gegen Düsseldorf feststeht, noch für den durch einen eigenen Erfolg tags darauf.

“Am Ende nehmen wir es, wie es kommt, und natürlich schauen wir uns das Spiel von Kiel an”, sagt Hürzeler, “aber entscheidend ist, dass wir es selbst entscheiden können. Wir müssen uns nicht auf andere verlassen. Das haben wir die gesamte Saison über nicht getan, und damit fangen wir auch jetzt zwei Spiele vor dem Ende nicht an.”

Drei Niederlagen in fünf Spielen, das hört sich vielleicht ein bisschen nach Mini-Krise an.

Fabian Hürzeler

Dass die zurückliegenden Wochen jedoch anders verlaufen sind als weite Teile der Saison, verhehlt Hürzeler nicht. St. Pauli geht nicht mehr wie das heiße Messer durch die Butter, und der Coach räumt sogar ein: “Drei Niederlagen in fünf Spielen, das hört sich vielleicht ein bisschen nach Mini-Krise an.”

Er nimmt nach der Enttäuschung und den streckenweise mutlosen Auftritt im Stadt-Derby beim HSV (0:1) in den letzten Tagen wieder “eine positivere Stimmung bei jedem Einzelnen” wahr. Eine besondere Form der Ansprache wählt er vor dem Sonntag (13.30 Uhr, LIVE! bei kicker) nicht. “Jeder Einzelne hat andere Bedürfnisse. Das war schon vor dem Stadt-Derby die Frage: Wie groß machen wir das Spiel? Einige sagen jetzt, wir haben es nicht groß genug gemacht, andere wiederum finden vielleicht, wir haben es zu groß gemacht.”

Klar ist: Gegen Absteiger Osnabrück soll Großes geschehen. Sebastian Wolff

Sebastian Wolff

Jubel und Trauer im Norden? Diese Entscheidungen können am 33. Spieltag fallen

Nur noch zwei Spiele sind im Unterhaus zu absolvieren, am 33. Spieltag können die ersten Entscheidungen über den Aufstieg in die Bundesliga fallen. Auch im Tabellenkeller könnte es nach dem Wochenende mehr Klarheit geben.

Norddeutschland im Fokus: Der FC St. Pauli und Holstein Kiel können am 33. Spieltag den Aufstieg perfekt machen, Rostock droht der sichere Gang in die 3. Liga.

Norddeutschland im Fokus: Der FC St. Pauli und Holstein Kiel können am 33. Spieltag den Aufstieg perfekt machen, Rostock droht der sichere Gang in die 3. Liga.

imago images (3)

Aufstiegsfeier ausgerechnet nach dem Stadtderby gegen die Rivalen vom HSV – dieses besondere Bonbon blieb den Anhängern vom FC St. Pauli am vergangenen Freitag verwehrt. Aufgrund der 0:1-Niederlage im Volksparkstadion mussten die Kiezkicker die Feierlichkeiten verschieben. Womöglich ist es nun aber am kommenden Wochenende soweit.

Und womöglich steigen dann in Norddeutschland sogar zwei große Partys. Neben St. Pauli – das unter Umständen auf der Couch feiern darf – kann auch Tabellenführer Holstein Kiel den Gang ins Oberhaus perfekt machen. Die Kieler haben zwei Spieltage vor Schluss fünf Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang, den Fortuna Düsseldorf belegt. St. Pauli hat vier Punkte Vorsprung.

Viel fehlt den beiden Nord-Klubs also nicht mehr. Hier kommt ein Überblick, welche Entscheidungen an der Tabellenspitze der 2. Liga am 33. Spieltag fallen können. Besondere Brisanz bringt das Topspiel am Samstagabend mit, wenn die Störche Verfolger Düsseldorf empfangen.

Saisonendspurt in der 2. Liga

Holstein Kiel steigt vorzeitig auf …

… bei einem Sieg gegen Düsseldorf am Samstagabend (20.30 Uhr, LIVE! bei kicker).

… bei einem Remis gegen Düsseldorf.

Der FC St. Pauli steigt vorzeitig auf …

… bei einer Niederlage von Fortuna Düsseldorf in Kiel.

… bei einem Sieg gegen den bereits abgestiegenen VfL Osnabrück am Sonntag (13.30 Uhr).

… bei einem Remis gegen Osnabrück, wenn Düsseldorf zuvor in Kiel verliert oder unentschieden spielt.

Fortuna Düsseldorf macht vorzeitig mindestens den Relegationsrang perfekt …

… bei einem Sieg bei Holstein Kiel am Samstagabend.

… bei einem Remis in Kiel, wenn der HSV zuvor nicht gewinnt.

… bei einer Niederlage des HSV in Paderborn am Freitagabend (18.30 Uhr).

Bei einem Düsseldorfer Sieg kann sich die Fortuna auch noch Hoffnungen auf den direkten Aufstieg machen. Sollten die Rheinländer allerdings nicht in Kiel gewinnen und St. Pauli einen Tag später punkten, wäre der direkte Aufstieg außer Reichweite.

Abstiegsangst in Rostock

Freud und Leid sind meist nah beieinander, so möglicherweise auch am kommenden Zweitliga-Spieltag, wenn es auch im Tabellenkeller die nächste Entscheidung nach dem Abstieg von Osnabrück geben kann.

Der 1. FC Magdeburg schafft den Klassenerhalt …

… bei einem Sieg am Freitagabend gegen Fürth (18.30 Uhr).

… bei einem Remis gegen Fürth, wenn der SV Wehen Wiesbaden am Sonntag nicht bei Eintracht Braunschweig gewinnt.

… bei einer Niederlage, wenn Rostock nicht beim FC Schalke 04 und Wiesbaden nicht in Braunschweig gewinnt.

Der 1. FC Nürnberg schafft den Klassenerhalt …

… bei einem Sieg am Samstagmittag gegen Elversberg (13 Uhr).

… bei einem Remis gegen Elversberg, wenn Wiesbaden am Sonntag nicht bei Eintracht Braunschweig gewinnt.

… bei einer Niederlage, wenn Rostock nicht beim FC Schalke 04 und Wiesbaden nicht in Braunschweig gewinnt.

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Der 1. FC Kaiserslautern schafft den Klassenerhalt …

… bei einem Sieg am Samstagmittag auswärts gegen Hertha (13 Uhr).

… bei einem Remis gegen Hertha, wenn Rostock nicht beim FC Schalke 04 und Wiesbaden nicht in Braunschweig gewinnt.

… bei einer Niederlage, wenn Rostock nicht beim FC Schalke 04 und Wiesbaden nicht in Braunschweig gewinnt.

Eintracht Braunschweig schafft den Klassenerhalt …

… bei einem Sieg am Sonntag gegen Wiesbaden (13.30 Uhr).

Der SV Wehen Wiesbaden vermeidet den direkten Abstieg …

… bei einem Sieg am Sonntag in Braunschweig (13.30 Uhr), wenn Rostock am Samstag beim FC Schalke 04 verliert.

Hansa Rostock steigt vorzeitig ab …

… bei einer Niederlage bei Schalke am Samstag (13 Uhr), wenn Wiesbaden einen Tag später bei Eintracht Braunschweig gewinnt.

Eggesteins Geburtstagswunsch

Den Wunsch zu seinem 26. Geburtstag an diesem Mittwoch hat Johannes Eggestein klar formuliert. “Ich wünsche mir in erster Linie einen Sieg am Wochenende und den Aufstieg.” Gegen den feststehenden Osnabrück liegt für St. Pauli am Sonntag der zweite Matchball parat.

Johannes Eggestein & Co. könnten am Wochenende in die Bundesliga aufsteigen.

Johannes Eggestein & Co. könnten am Wochenende in die Bundesliga aufsteigen.

IMAGO/Matthias Koch

Der kommende Gegner war schon am Dienstag am Millerntor und wurde von Fabian Hürzeler eingehend beobachtet. Der Trainer hatte dem nach Hamburg verlegten Geisterspiel des VfL gegen Schalke (0:4) beigewohnt, und Geburtstagskind Eggestein verrät, dass er selbst am liebsten schon an jenem Tag wieder auf dem Platz gestanden hätte. Das Derby-Niederlage beim HSV, bekennt der Mittelstürmer, habe nachgewirkt. “Wir wollten gleich den ersten Matchball verwandeln, und ich habe auf jeden Fall gebraucht, die Niederlage zu verarbeiten. Ich war enttäuscht, auch von unserer Leistung. Gerade offensiv haben wir nicht das durchgebracht, was wir uns vorgenommen haben.”

Das Hinfiebern auf den nächsten Matchball ist folglich groß. “Es hilft natürlich, dass nun gleich das nächste Highlight-Spiel kommt”, sagt Eggestein, “für mich hätte es gern noch ein paar Tage eher kommen können.” Sonntag nun soll alles das besser gemacht werden, was gegen den HSV nicht funktioniert hat. Und der Faktor Kopf ausgeblendet werden.

Diesen sieht der Psychologie-Student ausdrücklich nicht als ursächlich für das 0:1 im Volkspark an. Anders als in der Phase Anfang April. “Zwischendurch”, räumt er ein, “würde ich schon sagen, dass der Kopf eine Rolle gespielt hat, dass wir zu viel nachgedacht haben. Ich glaube aber schon, dass wir aus dieser Phase wieder herausgekommen sind. Es wird gegen Osnabrück einfach darum gehen, wieder bessere Lösungen zu finden.” Die richtigen für den Aufstieg.

Dass der Sprung ins Oberhaus womöglich schon tags zuvor feststehen könnte, nämlich dann, wenn Spitzenreiter Holstein Kiel am Samstagabend den Dritten Fortuna Düsseldorf schlägt, wird auf St. Pauli gelassen zur Kenntnis genommen. “Emotional gesehen ist es natürlich so, dass ich den Aufstieg lieber am Sonntag selbst auf dem Platz entscheiden möchte”, sagt Eggestein, “aber ich werde sicher nicht sagen, dass ich die andere Option nicht nehmen würde. Das wäre ja völliger Quatsch.” Entscheidend bleibt, dass der Geburtstagswunsch in Erfüllung geht.

Sebastian Wolff

Eggesteins Geburtstagswunsch

Den Wunsch zu seinem 26. Geburtstag an diesem Mittwoch hat Johannes Eggestein klar formuliert. “Ich wünsche mir in erster Linie einen Sieg am Wochenende und den Aufstieg.” Gegen den feststehenden Absteiger Osnabrück liegt für St. Pauli am Sonntag der zweite Matchball parat.

Johannes Eggestein & Co. könnten am Wochenende in die Bundesliga aufsteigen.

Johannes Eggestein & Co. könnten am Wochenende in die Bundesliga aufsteigen.

IMAGO/Matthias Koch

Der kommende Gegner war schon am Dienstag am Millerntor und wurde von Fabian Hürzeler eingehend beobachtet. Der Trainer hatte dem nach Hamburg verlegten Geisterspiel des VfL gegen Schalke (0:4) beigewohnt, und Geburtstagskind Eggestein verrät, dass er selbst am liebsten schon an jenem Tag wieder auf dem Platz gestanden hätte.

Das Derby-Niederlage beim HSV, bekennt der Mittelstürmer, habe nachgewirkt. “Wir wollten gleich den ersten Matchball verwandeln, und ich habe auf jeden Fall gebraucht, die Niederlage zu verarbeiten. Ich war enttäuscht, auch von unserer Leistung. Gerade offensiv haben wir nicht das durchgebracht, was wir uns vorgenommen haben.”

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Diesen sieht der Psychologie-Student ausdrücklich nicht als ursächlich für das 0:1 im Volkspark an. Anders als in der Phase Anfang April. “Zwischendurch”, räumt er ein, “würde ich schon sagen, dass der Kopf eine Rolle gespielt hat, dass wir zu viel nachgedacht haben. Ich glaube aber schon, dass wir aus dieser Phase wieder herausgekommen sind. Es wird gegen Osnabrück einfach darum gehen, wieder bessere Lösungen zu finden.” Die richtigen für den Aufstieg.

Dass der Sprung ins Oberhaus womöglich schon tags zuvor feststehen könnte, nämlich dann, wenn Spitzenreiter Holstein Kiel am Samstagabend den Dritten Fortuna Düsseldorf schlägt, wird auf St. Pauli gelassen zur Kenntnis genommen. “Emotional gesehen ist es natürlich so, dass ich den Aufstieg lieber am Sonntag selbst auf dem Platz entscheiden möchte”, sagt Eggestein, “aber ich werde sicher nicht sagen, dass ich die andere Option nicht nehmen würde. Das wäre ja völliger Quatsch.” Entscheidend bleibt, dass der Geburtstagswunsch in Erfüllung geht.

Sebastian Wolff

Saison-Aus für St. Paulis Zoller

Kurz vor Ende der Sommertransferperiode schien dem FC St. Pauli mit der Verpflichtung von Simon Zoller ein echter Coup gelungen. Doch der mit großen Hoffnungen geholte Angreifer kam verletzungsbedingt nie über eine Nebenrolle hinaus, jetzt ist seine Saison gar vorzeitig beendet.

St. Paulis Simon Zoller kommt in dieser Saison nicht mehr zum Einsatz.

St. Paulis Simon Zoller kommt in dieser Saison nicht mehr zum Einsatz.

IMAGO/eu-images

Lediglich vier Einwechslungen in der Liga stehen für den 32-Jährigen in der Saison-Statistik – weil immer wieder die Muskulatur streikte. Zuletzt hatte sich der vom VfL Bochum verpflichtete Stürmer nach einem Muskelfaserriss im Training zurückgemeldet, die Hoffnungen, im Aufstiegsendspurt vielleicht doch noch eine Rolle als Joker spielen zu können, aber haben sich nun endgültig zerschlagen. Simon Zoller, die medizinische Abteilung und die sportlichen Verantwortlichen trafen am Montag die gemeinsame Entscheidung, dass der Profi seine Reha-Maßnahmen in seiner Heimatstadt Köln fortsetzen wird. Der Grund: Anhaltende Rückenprobleme, die immer wieder muskuläre Probleme verursachen.

Fabian Hürzeler hatte im Herbst Zollers großes Engagement gelobt und die Vermutung geäußert, dass er zu viel wolle und deshalb verkrampfe. “Simon macht sich unheimlich viel Druck, will unbedingt helfen. Ist der Kopf nicht frei, dann ist es auch der Muskel nicht.” Bereits zum Jahreswechsel wurde dann ein behutsames Aufbauprogramm für den Rücken ausgearbeitet, zur Alternative aber wurde Zoller auch in der zweiten Saisonhälfte nicht.

Nun haben alle Beteiligten die Konsequenzen aus den immer wieder gestarteten und ins Leere gegangenen Anläufen gezogen. “Simon wurde in dieser Saison immer wieder durch verschiedene Beschwerden ausgebremst”, sagt Andreas Bornemann, “alle haben ursächlich mit seinen Rückenproblemen zu tun.” Der Sportchef hatte im Spätsommer 2023 gehofft, mit dem Ex-Bochumer das “fehlende Puzzleteil für unseren Kader” gefunden zu haben. Doch es passte gesundheitlich nie. “Um diese Problematik nachhaltig in den Griff zu kriegen, haben wir uns nun zu diesem Schritt entschieden.”

Neuer Anlauf mit St. Pauli in der Bundesliga?

Ziel der Maßnahme ist es, dass Zoller mit einem knappen Jahr Anlauf dann vielleicht doch noch ins St. Pauli-Puzzle passt. Bornemann erklärt: “Wir erhoffen uns davon, dass er dann zur Vorbereitung auf die neue Spielzeit wieder komplett einsteigen kann.” Dann möglichst bei einem Bundesligisten FC St. Pauli.

Sebastian Wolff

Derby als Sinnbild: Vasilj auf Berg- und Talfahrt

Ausgerechnet der Garant für die jüngsten beiden Erfolge in Hannover (2:1) und gegen Rostock (1:0) patzte im Derby folgeschwer: Das entscheidende Tor für den HSV durch Robert Glatzel fiel, weil St. Paulis Keeper Nikola Vasilj einen Eckball unterlaufen hatte.

Im Fokus beim Hamburger Derby: St. Paulis Keeper Nikola Vasilj.

Im Fokus beim Hamburger Derby: St. Paulis Keeper Nikola Vasilj.

picture alliance / Eibner-Pressefoto

Der Auftritt des bosnischen Nationalkeepers unter den Augen seines neuen Nationaltrainers Sergej Barbarez war symptomatisch für dessen bisherige Spielzeit: Immer wieder wechseln sich Glanztage mit schwarzen Tagen, auch Vasiljs 90 Minuten im Volkspark waren eine Berg- und Talfahrt. Im ersten Durchgang hatte er mehrfach stark reagiert, vor allem eine Großchance durch Immanuel Pherai herausragend vereitelt, dazu auch den Strafstoß von Ludovit Reis in der Nachspielzeit pariert. In der entscheidenden Szene aber hat der 28-Jährige folgeschwer danebengegriffen.

Von seinem Trainer und den Kollegen bekommt Vasilj die komplette Rückendeckung. “Kein Vorwurf an ihn, er hat bei der Ecke eine Entscheidung getroffen, rauszugehen”, erklärt Marcel Hartel. “Ich mache Niko überhaupt keinen Vorwurf”, sagt auch Fabian Hürzeler und findet: “Es ist menschlich, dass ein Torwart auch mal einen Fehler macht. Er spielt bisher eine überragende Saison.”

Genau diese Aussage aber gehört auf den Prüfstand. Unstrittig ist, dass der Schlussmann in den zurückliegenden beiden Partien herausragend gehalten hat, aber: Vor dem Fehler am Freitagabend hatte er allein in der Rückrunde bereits bei den Spielen in Magdeburg (0:1), Kiel (4:3) und Karlsruhe (1:2) klare Fehler gemacht. Sie stehen im krassen Gegensatz zu den außergewöhnlichen Rettungstaten, weswegen etwa Verteidiger Hauke Wahl zu dem Schluss kommt: “Niko ist ein unfassbarer Torwart.”

Vasilj selbst war nach der Derby-Pleite und dem vorzeitig verpassten Aufstieg im Volkspark untröstlich. “Es ist sehr bitter für mich und die Mannschaft.” Die entscheidende Szene hat er so gesehen: “Ich komme raus, weil ich sehe, dass der Eckball auf den langen Pfosten kommt. Ich wurde dann etwas geblockt und komme nicht an den Ball. Das Spiel nach einem Eckball zu verlieren, ist umso ärgerlicher.” Seine Hoffnung: Am kommenden Sonntag gegen Osnabrück soll die persönliche Berg- und Talfahrt dann wieder in die andere Richtung gehen.

Sebastian Wolff

Zu wenig für den Aufstieg: St. Pauli vergibt ersten Matchball

Der erste Aufstiegs-Matchball ist weg, und zur Wahrheit der zwar späten, aber verdienten 0:1-Niederlage beim HSV gehört: Für ein Verwandeln kam der FC St. Pauli am Freitagabend im Volkspark eigentlich zu keiner Zeit in Frage.

Enttäuscht nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion: St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine.

Enttäuscht nach dem Schlusspfiff im Volksparkstadion: St. Pauli-Kapitän Jackson Irvine.

IMAGO/Philipp Szyza

Eine Kopfballmöglichkeit für Johannes Eggestein aus dem ersten Durchgang steht am Ende auf dem Chancenzettel des Spitzenreiters. “An viel mehr”, merkt der Mittelstürmer kritisch an, “kann ich mich nicht erinnern.” Die Gründe dafür sind vielschichtig: St. Pauli setzte sich im Zentrum nicht durch, schaffte nicht die gefürchteten Verlagerungen, dazu fand Marcel Hartel in der weniger geliebten Rolle auf dem linken Flügel gar nicht und Oladapo Afolayan auf dem rechten Flügel nur wenig statt.

Hamburger Stadtderby

Fabian Hürzeler ist in seiner Analyse schonungslos. “Wir hatten mit dem Ball eigentlich eine gute Struktur, waren gut im Positionsspiel, aber wir sind in den jeweiligen Positionen nicht ans Maximum gekommen, haben die 50-zu-50-Bälle nicht geholt, hatten zu viele einfache Fehler. Wir waren phasenweise so mutlos, das bin ich von meiner Mannschaft nicht gewohnt.” Sein Urteil: “So kannst du beim HSV kein Derby gewinnen.”

Hat am Ende der Kopf nicht mitgespielt bei der Aussicht auf die große Aufstiegs-Party, ausgerechnet im Wohnzimmer des großen Nachbarn? Hauke Wahl sagt nein. “Wir haben uns keinen Druck gemacht oder vorher darüber geredet, was nachher passieren könnte”, erklärt der Abwehrchef, “ich finde nicht, dass man uns angemerkt hat, dass wir uns besonderen Druck gemacht hätten.” Wie sein Trainer sieht auch er die Gründe rein sportlich: “Wir haben die direkten Duelle nicht so gewonnen.” Hartel stimmt mit ein: “Der HSV hat fast jeden zweiten Ball gewonnen, wir sind nicht in unsere Abläufe gekommen.”

Saliakas fehlt gesperrt – Wahl und Afolayan bleiben optimistisch

Die Folge: Durch den Düsseldorfer Sieg (3:1 im Parallelspiel gegen Nürnberg) braucht St. Pauli nun den zweiten Matchball, am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) gegen den VfL Osnabrück. Und zwar ohne Manolis Saliakas, der nach seiner Gelb-Roten Karte gesperrt fehlt. “Das”, bekennt Hartel, “tut uns weh, er ist ein sehr wichtiger Spieler.”

Dennoch regiert trotz des Dämpfers im Volkspark weiterhin Zuversicht. “Uns wird das Spiel nicht umwerfen”, verspricht Wahl. Und Afolayan war auch nach Abpfiff im Derby-Modus. “Jetzt feiert der HSV, diesen Moment können sie haben. Wir haben in dieser Saison noch Größeres vor.” Genau das aber war im hitzigen Stadt-Duell zu selten zu sehen.

Sebastian Wolff

St. Pauli vor dem HSV: Zeitenwende in Hamburg?

Erstmals im Profifußball wird St. Pauli vor dem HSV stehen. Groß und Klein gibt es vor dem Derby in Hamburg nicht mehr.

Elias Saad (oben) und der FC St. Pauli haben den HSV um Miro Muheim sportlich übertrumpft.

Elias Saad (oben) und der FC St. Pauli haben den HSV um Miro Muheim sportlich übertrumpft.

IMAGO/Justus Stegemann

Es ist rund zwei Jahre her, dass das über Jahrzehnte Unvorstellbare schon einmal ganz nah schien. Als sich der HSV und St. Pauli am 20. Spieltag der Saison 2021/22 zum Derby im Volkspark trafen, lag der “kleine” Nachbar in der Tabelle sechs Punkte vor dem einstigen Flaggschiff des deutschen Fußballs. Und zur Pause 1:0 vorn. Am Ende drehte der HSV nicht nur das Stadt-Duell (2:1), sondern stellte auch noch die gewohnte Rangfolge wieder her: Noch nie hat der Kiez-Klub im Profifußball in einer Abschlusstabelle stadtintern vorne gelegen.

In diesem Jahr wird sich nicht nur das ändern, sondern das “kleine” St. Pauli in der kommenden Saison womöglich auch erstmals in einer höheren Liga spielen. Eine Zeitenwende in der Hansestadt?

“St. Pauli ist sportlich aktuell die Nummer eins”

Jetzt mitdiskutieren!

Bernd Wehmeyer hat die ganz großen Zeiten des HSV als Profi ganz entscheidend mitgeprägt, war 1983 Europapokalsieger der Landesmeister, wurde Deutscher Meister. Mit 71 Jahren ist er Vizepräsident und beantwortet die Frage nach einem möglichen Führungswechsel in Hamburg zweigeteilt. “Rein sportlich gesehen müssen wir konstatieren, dass St. Pauli einen Schritt weiter ist als wir.” Dann holt der frühere Dauerläufer tief Luft und spricht einen Satz aus, der ihm als jahrzehntelangem HSVer nur schwer über die Lippen kommt: “Rein sportlich ist St. Pauli aktuell die Nummer eins.”

Aber was bedeutet diese Bestandsaufnahme für die Stadt? In Berlin haben sich die Kräfteverhältnisse ebenfalls verschoben, spielt der 1. FC Union in der laufenden Spielzeit erstmals in einer höheren Liga als Hertha. Das wird voraussichtlich auch in der kommenden Saison so sein, die Folge in der Hauptstadt aber ist: Die “alte Dame” wird dennoch als “sexy” empfunden, verzeichnet einen Mitgliederboom und einen Zuschauerschnitt von knapp 50.000.

Podcast

Rangnick-Absage als “Schlag in die Fresse”: Gehen Bayern die Kandidaten aus?

Eine noch bessere Ausgangslage hat sich sogar Borussia Dortmund verschafft. Durch das 1:0 geht der BVB nicht nur mit einer glänzenden Ausgangslage ins Halbfinal-Rückspiel in Paris – er hat der Bundesliga damit auch einen fünften Startplatz für die Königsklasse verschafft und ist damit für die kommende Saison direkt qualifiziert. Wir analysieren Spiel und Lage ganz genau.

15:33 Minuten

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Wehmeyer erwartet in der Hansestadt zumindest zunächst ebenfalls keine weitreichenden Folgen: “Ich fürchte keine unmittelbaren Auswirkungen. Unsere Anhängerschaft wird uns treu bleiben, und bei den Sponsoren gibt es ebenfalls klare Signale.” Tatsächlich steht schon jetzt nahezu fest, dass auch in der siebten Zweitliga-Saison alle “Business Seats” und Logen im Volkspark ausverkauft sein werden. “Die Größe des HSV”, sagt Wehmeyer, “liegt ja auch in der Vergangenheit begründet.”

Hinzu kommen die bestehenden Unterschiede zwischen beiden Vereinen. “Beide Klubs sind in der Stadt fest verankert, haben aber ihre jeweils ganz eigene Anhängerschaft, es wird zwischen beiden keine Überläufer geben”, sagt der Ex-Profi und belegt dies anhand des tiefen St.-Pauli Absturzes im Sommer 2003. Nach einem einjährigen Bundesliga-Gastspiel war der Klub innerhalb von zwei Jahren bis in die drittklassige Regionalliga Nord durchgereicht worden und an den Rand der Insolvenz gerutscht, selbst HSV-Idol Uwe Seeler hatte sich damals an der Retteraktion beteiligt.

1977 schlossen sich die HSV-Fans aus Wut St. Pauli an.

Bernd Wehmeyer

“Ein volles Haus”, erinnert Wehmeyer, “hatte St. Pauli auch in der Regionalliga, deren eingefleischte Fans wären niemals zu uns übergelaufen.” Vor 50 Jahren indes waren “Überläufe” noch nicht ausgeschlossen. Obwohl sich der HSV und St. Pauli 1977/78 erstmals in der Bundesliga begegneten, trennten beide Klubs noch Welten, der kleine Nachbar hatte sich eher verirrt ins Oberhaus, hatte noch keine eigene Fankultur. Für 90 Minuten aber stellte er am 3. September 1977 die Stadt auf den Kopf, gewann im Volkspark sensationell und schaffte heute Unvorstellbares: Die HSV-Fans wechselten aus Wut die Seiten.

Beobachtet seinen HSV noch immer ganz genau: Sergej Barbarez.

Beobachtet seinen HSV noch immer ganz genau: Sergej Barbarez.
www.imago-images.de

“Auf dem Kopf eine HSV-Mütze, auf den Lippen die St.-Pauli-Rufe”, beschrieb das Hamburger Abendblatt ein heute undenkbares Szenario. Vor rund 20 Jahren spielte Sergej Barbarez in der Bundesliga das Stadt-Derby. Der neue bosnische Nationaltrainer lebt seit 2000 in der Hansestadt, ist ein Intimkenner der Hamburger Fußballszene und kommt zum gleichen Urteil wie Wehmeyer: “Beide Vereine können in dieser Stadt ganz hervorragend nebeneinander leben, sie graben sich nicht gegenseitig das Wasser ab. Und allein aufgrund seiner Geschichte wird der HSV auch dann der Große in der Stadt sein, wenn St. Pauli in einer höheren Liga spielt.”

Ausgerechnet Oke Göttlich, Präsident des aufstrebenden einstigen Underdogs, hat bislang ebenfalls immer diese These unterstützt: “Der HSV ist ein großer Verein über Jahrzehnte, und wir sind der Stadtteilverein, der immer weiter versucht, sich zu verbessern. Wir sind gern das kleine Viertel.” Doch das kleine Viertel ist größer geworden. Und denkt größer. “Natürlich wollen wir unseren Weg kontinuierlich weiterverfolgen”, so der Musikunternehmer.

Seit er den Ton angibt, ist St. Pauli zuletzt immer näher an den HSV herangerückt. Zwischen 1988 und 1991 haben beide schon einmal drei Jahre nacheinander in derselben Liga, damals erstklassig, gespielt. Jetzt hatten die Rivalen sechs Spielzeiten in Folge, also so lange wie noch nie, dieselbe sportliche Heimat. Mit zweijährigem Anlauf hat St. Pauli zum Überholmanöver angesetzt. Und unabhängig von der Frage, ob der einst große HSV immer größer bleiben wird, ist deutlich sichtbar: St. Pauli boomt, nicht nur sportlich.

St. Pauli boomt nicht nur sportlich

Auch am Millerntor wachsen die Mitgliederzahlen rasant: Im Sommer 2023 bereits stand das Rekordhoch von 35.000 Mitgliedern, jetzt wird die 50.000er-Marke angesteuert, durch sein gesellschaftliches Engagement hat der Verein in der Stadt ohnehin einen wichtigen Platz. St. Paulis Wachstum wird auch im Volkspark registriert.

Wehmeyer sagt: “So sehr wir uns auf die Treue unserer Fans und Sponsoren verlassen können und so groß die Strahlkraft des HSV noch immer ist – wir dürfen uns auch nicht darauf verlassen, dass es immer so bleibt.” Wehmeyer kam 1978 nach Hamburg, ein Jahr, nachdem St. Pauli erstmals im Profifußball den HSV geschlagen hatte, aber noch Lichtjahre vom Nachbarn und selbst von einer echten Rivalität entfernt war. Er sagt: “Dass St. Pauli uns sportlich überholt hat, tut weh, aber ich sehe noch keine Zäsur.”

Am Freitag treffen sich der einst große und der einst kleine Nachbar wieder zu einem Derby, in dem die Grenzen längst verschwommen sind. Vorerst wird es nach sechs Jahren wohl das letzte sein – aber für wie lange? HSV-Idol Barbarez traut St. Pauli eine Etablierung zu.

“Der Höhenflug ist das Resultat einer kontinuierlichen Entwicklung mit klaren und auch unbequemen Entscheidungen in der Führung. Und wenn man ehrlich ist, bezieht sich das nicht nur auf den sehr wahrscheinlichen Aufstieg, sondern auch darauf, dass St. Pauli aktuell vor dem HSV steht. Das hat sich angedeutet.” Und ist damit mehr als eine Momentaufnahme.

Sebastian Wolff

Saad und die Hoffnung auf den nächsten großen Moment

Vor fast genau einem Jahr war sein Stern im Volkspark aufgegangen. Im April 2023 wurde Elias Saad beim Stadt-Derby zum erst zweiten Mal im Profifußball eingewechselt, traf erstmals und wurde fortan zu St. Paulis Überflieger. Vor der Neuauflage ist er unsanft gelandet.

Hat gute Erinnerungen an den Volkspark: Elias Saad.

Hat gute Erinnerungen an den Volkspark: Elias Saad.

IMAGO/MIS

Das Aufeinandertreffen vor rund zwölf Monaten war denkwürdig. Aufgrund des Spielverlaufs, des Ergebnisses von 4:3 – und auch aufgrund der Geschichte von Elias Saad. Der gebürtige Hamburger war erst vier Monate zuvor aus der Regionalliga von Eintracht Norderstedt ans Millerntor gewechselt, hatte für den HSV zwischendurch mal Futsal gespielt. Ausgerechnet im Derby erzielte er seinen ersten Treffer und startete eine Reise, die ausschließlich Höhepunkte bereithielt: ein Stammplatz auf St. Paulis linker Außenbahn, der Spitzenplatz in der 2. Liga, der erste Länderspieleinsatz für Tunesien.

Findet “Straßenkicker” Saad im Derby zu alter Stärke zurück?

Danach setzte ein Prozess ein, den sein Trainer und Förderer Fabian Hürzeler “völlig normal” findet: Der 24-Jährige, dessen größte Stärke laut Hürzeler  “seine Straßenkicker-Mentalität” ist, begann das Nachdenken, er verlor seine Einfachheit und Selbstverständlichkeit – und seinen Stammplatz: In Hannover (2:1) kam er erst in der Nachspielzeit, beim 1:0-Sieg gegen Rostock gar nicht ins Spiel. Und im Volkspark, wo vor rund einem Jahr sein Stern aufging?

Schon nach der Partie in Hannover hatte Hürzeler Enttäuschung bei seinem Flügelstürmer registriert und erklärt, es gehe nun um dessen Reaktion. Dass er in der Woche darauf keine Einsatzminute bekam, ist ein Indiz, dass diese ausgeblieben ist. In der Trainingswoche vor dem Derby hat der Coach nach eigener Aussage hingegen eine gesehen. “Elias hat sehr, sehr gut trainiert, er hat eine sehr, sehr gute Reaktion gezeigt.” Er sagt: “Natürlich darf er enttäuscht sein, aber mir ist wichtig, dass jeder sein Ego hintenanstellt.”

Hürzeler: “Vielleicht hat er am Freitag ja wieder einen großen Moment”

Hürzeler ist es wichtig, Saads Situation sachlich einzuordnen. “Elias ist ein junger Spieler, es ging seit dem Derby im letzten Jahr für ihn sehr rasant nach oben. Aber es gehört dazu, auch Schwächephasen auszuhalten und durchzumachen. Er kommt da nur allein raus.” Aber er muss nicht allein durch. “Es ist klar, dass er von uns die komplette Unterstützung bekommt.” Dann lächelt der 31-jährige Trainer versöhnlich und gleichzeitig herausfordernd: “Vielleicht hat er am Freitag ja wieder einen großen Moment.”

Sebastian Wolff