Mbappés ungewöhnliche CL-Saison – mit klarem Rückspiel-Trend

Borussia Dortmund hat gegen Paris Saint-Germain einen ersten Schritt in Richtung Champions-League-Finale gemacht. Doch am Dienstag bekommt es der BVB wohl mit einem anderen Kylian Mbappé zu tun.

Führender der Champions-League-Torschützenliste: Kylian Mbappé.

Führender der Champions-League-Torschützenliste: Kylian Mbappé.

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Es war einer dieser ansatzlosen Abschlüsse, zu denen Kylian Mbappé dank seiner Qualität auch dann in der Lage ist, wenn sonst gerade nicht sonderlich viel von ihm kommt. Doch in der 51. Minute des Champions-League-Halbfinalhinspiels in Dortmund klatschte der Ball beim Stand von 0:1, unerreichbar für BVB-Keeper Gregor Kobel, nur an den Pfosten. Wie Sekunden später auch Achraf Hakimis Versuch.

Gerade in puncto Chancenverwertung war es nicht der Abend von PSG, was sich an den Auftritten seines normalerweise sehr potenten Sturmtrios gut ablesen ließ. Neben Bradley Barcola und Ousmane Dembelé (jeweils kicker-Note 4) war Mbappé mit einer 3,5 sogar noch der Beste. Doch dass die Franzosen ohne eigenes Tor ins Rückspiel am kommenden Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) in Paris gehen, lag auch an seiner überschaubaren Performance.

Der Spielbericht

Nun sollte sich der BVB, der den knappsten möglichen Vorsprung mit in die französische Hauptstadt nimmt, darauf nicht allzu viel einbilden. Denn schon im Hinspiel im Viertelfinale gegen den FC Barcelona (2:3) war Mbappé ungewohnt unauffällig geblieben, um im Rückspiel (4:1) am Ende mit einem Doppelpack doch noch zum entscheidenden Faktor zu werden. Auch im Achtelfinale gegen Real Sociedad hatte der Ausnahmestürmer erst im zweiten Duell zweimal getroffen – im Hinspiel “nur” einmal.

Der 25-Jährige, der den Klub im Sommer verlassen wird – wohl gen Real Madrid – lässt also einen klaren Rückspiel-Trend erkennen. Und noch eine andere Ausbeute fällt auf, die ungewöhnlich ist. Anders als in seinen bisherigen sechs CL-Spielzeiten im PSG-Trikot, als es immer mindestens drei waren, kann Mbappé ein oder maximal zwei Spiele vor Ende der aktuellen Saison noch keine einzige Torvorlage vorweisen.

Nur Kane kann mithalten

Keimt mit dem Abgang am Horizont, während er für Trainer Luis Enrique offenbar verzichtbarer geworden ist, etwa ausgeprägter Eigensinn auf? Zur statistischen Wahrheit zählt auch, daran hat sich zu den Jahren mit Lionel Messi und Neymar nichts geändert, dass Mbappé weiterhin Paris’ wichtigster Torschütze ist. 2023/24 steht der Weltmeister von 2018 schon bei acht Toren – damit führt er gemeinsam mit Harry Kane die diesjährige Torschützenliste an -, mehr schoss er in einer CL-Saison noch nie.

Auch die bereits elf Saison-Einsätze in der Königsklasse sind für Mbappé bisheriger Rekord – der Weg zum Henkelpott ist für den auf Vereinsebene noch ungekrönten Superstar demnach nicht mehr weit. Trotz der 0:1-Hypothek aus Dortmund. Es steht ja noch das Rückspiel an.

Terzic zurückhaltender: “Käfigfußballer” Sancho begeistert die Insel

Zu den Dortmunder Matchwinnern gegen Paris zählte definitiv auch Jadon Sancho. Während BVB-Coach Edin Terzic sein Lob noch etwas zurückhaltender formulierte, überschlugen sie sich auf der Insel fast mit ihren Huldigungen.

Er erinnerte gegen PSG an alte Zeiten: Jadon Sancho.

Er erinnerte gegen PSG an alte Zeiten: Jadon Sancho.

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Phasenweise sah das, was Jadon Sancho am Mittwochabend auf den Rasen des Signal-Iduna-Parks brachte, schwer nach dem jungen Engländer aus, der die BVB-Fans mit seinen Auftritten bereits zwischen 2017 und 2021 begeistert hatte.

Der 24-Jährige dribbelte unbeschwert auf, auch wenn nicht alles gelang, nahm er einen Anlauf nach dem anderen. Auch die Arbeit nach hinten scheute Sancho nicht. Seine beste Aktion hatte Sancho fraglos in Minute 60, als er auf der rechten Seite spielend leicht an Gegenspieler Nuno Mendes, mit dem der Dortmunder Dribbelkünstler regelmäßig Katz und Maus spielte, vorbeiging.

An der Grundlinie konnte Sancho auch von Fabian nicht mehr eingeholt werden, doch Niclas Füllkrug setzte die starke Vorarbeit knapp über das Tor und ließ eine noch bessere Ausgangsposition liegen.

Was den in der Bundesliga nur bedingt überzeugenden englischen Nationalspieler (zwölf BL-Einsätze, zwei Tore, zwei Assists, kicker-Notenschnitt 3,82) derart angetrieben hatte? “Vielleicht die große Bühne”, mutmaßte Cheftrainer Edin Terzic auf der Pressekonferenz.

Überrascht hatte den 41-Jährigen die Leistung Sanchos freilich nicht: “Ich habe es glaube ich schon sehr häufig erwähnt, dass wir das oft im Training gesehen haben. Es ist dann manchmal nicht immer möglich, das im Drei-Tages-Rhythmus auf den Platz zu bekommen – gerade wenn man so lange nicht den Rhythmus hatte.”

Terzic bezieht auch Adeyemi ins Lob mit ein

An den Qualitäten Sanchos habe er aber nie gezweifelt. Leistungen wie die von Sancho und dessen Pendant Karim Adeyemi auf der anderen Seite habe es gebraucht, “um gegen so eine Top-Mannschaft ein gutes Ergebnis zu erzielen”, sagte Terzic.

Die Zurückhaltung, die in Terzics Worten mitschwang, suchte man auf der Insel vergeblich. Im englischen Fernsehen setzte der ehemalige Bayern-Profi Owen Hargreaves bei TNT regelrecht zu einer Lobeshymne an: “Er hat den besten Spieler der Welt, Kylian Mbappé, in den Schatten gestellt. Er sah fitter, schärfer und selbstbewusster aus.”

Auch wenn Sancho gerade bei Manchester United nicht auf seinem “höchsten Level spielte”, war die Leistung gegen PSG für Hargreaves “super beeindruckend”. Auch United-Ikone Rio Ferdinand erkannte Sancho kaum wieder: “Jadon hat die Spieler zum Tanzen gebracht.” Für den einstigen Weltklasse-Verteidiger sah Sanchos leichtfüßiger Auftritt nach “Käfigfußball” aus – und habe eben an den Sancho erinnert, für den Manchester United 85 Millionen Euro geblecht hatte.

Einige Aussagen Sanchos fing Ex-Profi Jamie Carragher für CBS ein. Der einstige Liverpool-Verteidiger erlebte den Champions-League-Abend als Teil der “großartigen” Gelben Wand, von der man “nicht den besten Blick” habe. Carragher fragte Sancho, ob dieser ähnlich “gefangen” von der Stimmung gewesen sei.

Als wir sie gehört haben, konnten wir es kaum mehr abwarten, endlich loszulegen.

Jadon Sancho über die BVB-Fans

“Als wir sie gehört haben, konnten wir es kaum mehr abwarten, endlich loszulegen”, bestätigte Sancho in Richtung der BVB-Fans. Als er auch von Carragher & Co. mit Lob überschüttet wurde, sagte der Londoner nur: “Ich weiß die Komplimente wertzuschätzen und hoffe, dass ich so weitermachen kann.”

EM mit England? “Leistungen wie heute helfen”

Angesprochen auf den Traum von einer EM mit England in seiner Wahlheimat Deutschland erklärte Sancho trocken: “Leistungen wie heute helfen.” Aktuell sei er voll im Hier und Jetzt. “Es ist noch nicht vorbei, wir müssen noch nach Paris”, versuchte Sancho vergeblich die Euphorie der CBS-Reporter zu dämpfen.

Die Rückkehr nach Dortmund habe Sancho definitiv nicht bereut. “Ich bin mit 17 Jahren hierher gekommen, sie haben mir die Möglichkeit gegeben, Profifußball zu spielen, und ich freue mich, dass ich wieder willkommen bin”, so seine vorsichtige Liebeserklärung. Ob er denn auch bleibe, fragte Kasper Schmeichel: “Das weiß ich wirklich nicht, ich konzentriere mich nur auf die Gegenwart.”

Und die führt ihn am nächsten Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) erst einmal nach Paris.

“Ein Torpedo von Füllkrug” sticht in der “Fehler-Kirmes” heraus

In Spanien wird von der gelben Wand geschwärmt, in Frankreich mit der Pariser Chancenverwertung gehadert: Die internationalen Pressestimmen zu Dortmunds 1:0 gegen Paris St. Germain.

Niclas Füllkrug (#14) erzielte im Hinspiel gegen Paris St. Germain den goldenen Treffer für Borussia Dortmund.

Niclas Füllkrug (#14) erzielte im Hinspiel gegen Paris St. Germain den goldenen Treffer für Borussia Dortmund.

IMAGO/MIS

Frankreich

Le Parisien: “PSG schätzte das Geschehen nicht immer richtig ein, zeigte viele Nachlässigkeiten, mit unberechenbaren Auswechslungen und einer Offensive ohne Biss. Paris bereitete sein Essen mit einem Messer zu, das nicht schneidet, was die Sache noch komplizierter machte.”

L’Equipe: “Wieder mit dem Rücken zur Wand. Die verpassten Chancen auf beiden Seiten sorgen dafür, dass die Spannung in diesem Aufeinandertreffen größer ist, als es den Anschein hat. Um das zweite Champions-League-Finale seiner Geschichte bestreiten zu können, weiß PSG, was zu tun ist. Nichts besonders Originelles – sich vor dem Tor nüchterner zeigen und solider hinten.”

Spanien

Mundo Deportivo: “Luis Enriques PSG schafft es weiter nicht, gegen die gelbe Wand zu gewinnen. (…) Ein einziges Tor von Niclas Füllkrug entschied ein spektakuläres, intensives Spiel zugunsten von Borussia.”

As: “Mbappé kracht gegen eine Wand – es war eine gelbe, die Borussia ins Fliegen brachte. Sie übertraf die Franzosen in allen Aspekten des Spiels, brachte eine Intensität zum Ausdruck, als wäre es das letzte Spiel ihres Lebens, und gewann am Ende dank eines tödlichen Treffers von Füllkrug mit minimalem Vorsprung.”

Marca: “Terzics Männer machten ihre ‘Drohung’ wahr und überraschten PSG, das als Favorit für den Einzug ins Finale im Wembleystadion gestartet war, aber erst in der zweiten Halbzeit aufwachte.”

Großbritannien

The Guardian: “Niclas Füllkrugs Tor in der ersten Halbzeit besiegelte die Sache letztlich, auch wenn sich sehr wenig entschieden anfühlte in der darauffolgenden Stunde, in der Gregor Kobels Tor mit Weihwasser übergossen zu sein schien. Kylian Mbappé hatte 52 Ballkontakte, drei Torschüsse, traf den Pfosten und ging trotzdem leer aus. Aber vielleicht hatte Dortmund auch sein Glück verdient.”

The Sun: “Obwohl das Glück sie durch die zweite Halbzeit trug, sicherte die Mannschaft von Edin Terzic die wertvolle Null. Kylian Mbappé wird am Dienstag im Prinzenpark vermutlich eine Mission haben.”

Italien

La Gazzetta dello Sport: “Ein Torpedo von Füllkrug versenkt PSG: 1:0 für Dortmund, doch das Halbfinale wird in Frankreich entschieden.”

La Repubblica: “In der zweiten Halbzeit legte PSG die niedliche Maske ab und versuchte, ernst zu werden. Doch bei der ersten wirklich gefährlichen Aktion der Franzosen traf der Ball zweimal den Pfosten: zuerst bei einem Versuch von Mbappé mit rechts, dann beim Abpraller von Hakimi. Dann begann eine Art Fehler-Kirmes, bei der Dembelé alles vergeudete, was vor dem Tor verschenkt werden konnte, und Füllkrug es ihm nachmachte und die 2:0-Chance vergab.”

Schweiz

Blick: “Nach der Pause legen die Gäste los wie die Feuerwehr. Dortmund schwimmt. Gregor Kobel im Tor der Borussen ist gefordert. (…) Dortmund übersteht das PSG-Feuerwerk schadlos und nimmt danach wieder in der Offensive Fahrt auf. Füllkrugs Direktabnahme und sein Kopfball nach einer Freistoßflanke fliegen übers Gehäuse.”

Österreich

Kleine Zeitung: “Die Mannschaft von Trainer Edin Terzic spielte gut – aber auch mit dem Feuer. Immer wieder waren es Torhüter Gregor Kobel oder Abwehrchef Mats Hummels, die in letzter Not retteten. Oder die Franzosen vergaben ihre hochkarätigen Torchancen – etwa Ex-Dortmunder Ousmane Dembelé.”

Luis Enrique wagt mutige Vorhersage – und lobt “sensationelle” Stimmung

Das 0:1 ist nicht die einzige schlechte Nachricht, die Paris Saint-Germain aus Dortmund mitbringt. Dennoch formuliert Trainer Luis Enrique eine mutige Ansage.

Klare Ansagen während des Spiels - und danach: PSG-Trainer Luis Enrique.

Klare Ansagen während des Spiels – und danach: PSG-Trainer Luis Enrique.

IMAGO/Matthias Koch

Schon vor dem Spiel hatte Luis Enrique gegen die französischen Medien geschossen, und falls der Trainer von Paris Saint-Germain am Donnerstagmorgen einen Blick in die Zeitungen wagen sollte, könnte bereits neuer Ärger in ihm aufsteigen. “Weit vom Traum entfernt” sieht etwa Le Parisien PSG nach dem 0:1 im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals bei Borussia Dortmund – was ganz und gar nicht zu dem passt, was Luis Enrique rund um Mitternacht noch im Signal-Iduna-Park erklärte.

“Ich bin mir dessen sicher”, antwortete der selbstbewusste Spanier, als er auf der Pressekonferenz gefragt wurde, inwieweit er noch an den Endspieleinzug glaube, und machte wenig später eine ebenso unmissverständliche wie mutige Vorhersage: “Wir werden uns dieses Finale holen.”

Nun war PSG zwar keineswegs untergegangen gegen einen überzeugenden und geschlossenen BVB, musste mit der Niederlage und der Verletzung von Lucas Hernandez aber gleich zwei Nachrichten verkraften, die die Aussichten für Wembley düsterer erscheinen lassen als vor dem Spiel. Der Ex-Münchner humpelte nach dem Laufduell mit Niclas Füllkrug vor dessen Siegtreffer und musste wenig später vom Platz. Ob Hernandez fürs Rückspiel am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) ausfällt, wusste Luis Enrique nach dem Schlusspfiff noch nicht. “Er konnte einfach nicht weitermachen.”

PSG erstmals im Rückspiel zuhause – “dann werden sie 50.000 sein”

Der Trainer setzt beim vierten Duell mit dem BVB in dieser Saison vor allem auf die veränderten Rahmenbedingungen. “Sensationell” nannte er die Stimmung in Dortmund, hob dabei aber “vor allem” die 3000 mitgereisten PSG-Fans hervor, die “nie aufgehört” hätten “zu singen”. “In Paris werden sie 50.000 sein”, deswegen werde das Rückspiel “anders verlaufen”, ist sich Luis Enrique sicher. Zumal PSG erstmals in dieser Champions-League-K.-o.-Runde zuerst auswärts antrat.

Insgesamt hatte der Coach, der in seiner ersten PSG-Saison immer noch das Triple im Blick hat, in Dortmund ein “ausgeglichenes” Spiel gesehen, in dem seine Mannschaft vor allem in der Phase nach der Halbzeitpause mehrmals knapp den Ausgleich verpasste. “Der Unterschied war, dass sie ein Tor geschossen haben und wir nicht” – was PSG seit September nur einmal passiert war (0:0 in Monaco am 1. März).

Was Le Parisien dazu schrieb? “Paris”, formulierte die größte Tageszeitung der französischen Hauptstadt auch das strenger als Luis Enrique, “bereitete sein Essen mit einem Messer zu, das nicht schneidet.”

Terzic: “Was bringt uns das, wenn wir das nicht veredeln?”

BVB-Trainer zufrieden mit 1:0-Sieg gegen PSG 02.05.2024

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1:01Nach dem 1:0-Sieg gegen Paris St. Germain im Champions-League-Halbfinal-Hinspiel zeigte sich Edin Terzic durchaus zufrieden, mahnte allerdings auch, dass der Sieg nichts wert wäre, wenn man ihn beim Rückspiel nicht “veredelt”.

Starker BVB schafft gute Ausgangslage: “Mit halbem Bein im Finale von Wembley”

kicker-Reporter Patrick Kleinmann aus Dortmund 01.05.2024

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1:23Durch eine kämpferisch starke und taktisch kluge Vorstellung verdiente sich der BVB gegen PSG den 1:0-Heimsieg. Damit beschenkte sich die Terzic-Elf in doppelter Hinsicht. Zum einen mit einer guten Ausgangslage fürs Rückspiel, aber auch der gesicherten CL-Qualifikation für die kommende Saison.

PSG-Youngster Barcola: Mehr Kunst für mehr Chaos

Schneller als gedacht entwickelt sich Bradley Barcola zum Stammspieler bei Paris Saint-Germain. Das liegt auch an der Taktik von Trainer Luis Enrique.

Bradley Barcola hat sich bei Paris Saint-Germain zum Leistungsträger entwickelt.

Bradley Barcola hat sich bei Paris Saint-Germain zum Leistungsträger entwickelt.

picture alliance / Sipa USA

Hass und Liebe stehen nicht nur psychologisch gesehen nah beieinander – eine Erkenntnis, die Bradley Barcola bereits früh gewinnen musste. Vor knapp acht Monaten trat der damals frisch 21 Jahre alt gewordene Franzose mit seinem neuen Klub, Paris Saint-Germain, bei seinem alten Verein Olympique Lyon an. Das Duell zwischen den Parisiens und den Lyonnais gilt zwar als weniger feindselig als jenes zwischen PSG und Olympique Marseille, aufgeheizt ist die Stimmung aber schon allein wegen der sportlichen Rivalität. Und weil Barcola kurz zuvor die Seiten gewechselt hatte.

Bei besagtem 4:1 für PSG wurde der Neuzugang nach 75 Minuten eingewechselt, Pfiffe und Beleidigungen erschwerten den Weg auf jenen Rasen, auf dem das Talent in zehn Jahren der Jugend entwachsen und den Profis nähergekommen war. Der Unmut der Fans für Barcolas nur Tage zuvor vollzogenen 50-Millionen-Euro-Wechsel zum Rivalen trifft den Jungspund, der 2010, mit gerade einmal acht Jahren, von einem Klub am Stadtrand zu OL gewechselt war und die ersten drei Ligaspiele 2023/24 noch für die Lyonnais absolviert hatte. Auch seiner Familie hatte der Flügelspieler Tickets besorgt. Zum Feiern gekommen, mit Frust gegangen.

Champions-league-halbfinale

Barcola weist Top-Statistiken auf

Barcola, ein Wunschspieler von PSG-Trainer Luis Enrique, bleibt anschließend jedoch ruhig, lässt sich nicht beirren von Pfiffen oder der starken Konkurrenz. Der Trainer bringt ihn immer wieder, auch in schwierigen Phasen. “Sein technisches und physisches Niveau ist sehr hoch”, sagt der Spanier über seinen Profi. “Diese Stufe bei PSG zu erklimmen, ist unabhängig vom Alter immer schwierig.”

Nicht jedoch für Barcola. Schneller als erwartet erfüllt der Offensivspieler die Anforderungen in Paris, Randal Kolo Muanis Krise beschleunigt diesen Prozess zusätzlich. Denn weil der ehemalige Frankfurter das Sturmzentrum nur mangelhaft besetzt, überzeugt Luis Enrique Kylian Mbappé davon, in die ungeliebte Spitze zu rücken – und damit den Weg für Barcola auf links freizumachen. Und dieser dankt seinem Trainer mit starken Werten.

Drei Tore und vier Vorlagen, nur Ousmane Dembelé verbucht in der CL mehr Assists, dazu Top-Statistiken bei Torschussvorlagen und Dribblings – seit der Rückrunde zeigt Barcola, dass er bei Mbappé und Co. nicht nur mithalten, sondern die Stars auch übertreffen kann. So liegt er PSG-intern bei zwei Torschussvorlagen pro 90 Minuten, nur Dembelé ist unter den Akteuren mit mindestens 20 Einsätzen besser (3,5). Alle seine Sturmkollegen übertrifft Barcola bei der Erfolgsquote seiner Dribblings, diese liegt bei 53 Prozent (Mbappé 50,4 Prozent; Dembelé 48,1 Prozent). Und selbst wenn der Offensivakteur mit 83 Dribblings “nur” die drittmeisten absolviert hat, wird deutlich, was PSG an seinem Linksaußen hat.

Top-Trio: Barcola, Mbappé und Dembelé

Das weiß auch Luis Enrique, der gerne die Breite des Raumes nutzt und außen vornehmlich auf Akteure setzt, die ins Dribbling gehen und damit ein Durcheinander in den gegnerischen Abwehrreihen anrichten. Mehr Kunst für mehr Chaos. So vermag der PSG-Angriff selbst defensive Bollwerke zu entriegeln, zeigte nicht zuletzt gegen Barcelona Comeback-Qualitäten.

Barcola ist ein Spieler, der dazu neigt, trotz seines jungen Alters die richtigen Entscheidungen zu treffen. Eine Fähigkeit, die ihm sowohl bei schnellen Kontern als auch in engen Duellen mit wenig Räumen hilft. Unberechenbarkeit durch Unruhe. Gepaart mit Mbappé (wohl wieder in der Mitte) und Dembelé (rechts) ergibt das eine der stärksten Sturmreihen Europas – wenn denn alle drei ihre Form abrufen und hinten nicht zu sehr gefordert werden.

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Auch Pierre Sage, der Barcola einst in der OL-Jugend erlebte, weiß um die Qualitäten des Offensivspielers: “Er ist ein intelligenter Spieler, der weiß, wie er sein Spiel an seine Kollegen anpassen muss”, sagt der 44-Jährige, der mittlerweile Lyons Profis trainiert. Barcola selbst hält sich eher bedeckt, taucht kaum auf Pressekonferenzen oder in den Mixed Zones auf, dafür sind in Paris andere Spieler vorgesehen. Kurz nach seinem Wechsel an die Seine sagte er, dass er die Chance direkt ergriffen habe, als er sie bekam: “Es ist immer gut, mit derart großen Spielern zusammenzuspielen.”

Macht Barcola so weiter, dürfte er womöglich sogar mit zur EM fahren – und bald selbst zu diesen “Großen” gehören.

Michael Postl

Erst kaum Punkte, dann der Titel? PSG will Liverpool und Inter toppen

Acht Punkte reichten Paris Saint-Germain, um die Gruppe zu überstehen – jetzt greift Dortmunds Halbfinalgegner nach dem Titel. Eine Diskrepanz, für die es berühmte Vorbilder gibt.

Musste lange um den Einzug ins Achtelfinale zittern - jetzt steht Kylian Mbappé mit PSG in der Runde der letzten vier.

Musste lange um den Einzug ins Achtelfinale zittern – jetzt steht Kylian Mbappé mit PSG in der Runde der letzten vier.

IMAGO/Kirchner-Media

Ob einige Spieler von Schachtar Donezk mit etwas Wehmut an diesem Mittwochabend nach Dortmund blicken? Während der BVB und Paris Saint-Germain sich ab 21 Uhr (LIVE! bei kicker) im Hinspiel des Champions-League-Halbfinals gegenüberstehen, war der ukrainische Meister in der Gruppenphase gescheitert – obwohl er mehr Punkte holte als PSG.

Gerade einmal acht Zähler hatten Kylian Mbappé & Co. gereicht, um als Tabellenzweiter hinter Dortmund (11) ins Achtelfinale einzuziehen. Am finalen Spieltag, als sie wie heute Abend im Signal-Iduna-Park antraten (1:1), schienen die Pariser zur Pause sogar schon ausgeschieden und Newcastle United weiter zu sein, ehe sich das Blatt noch wendete (und sogar der Gruppensieg noch im Bereich des Möglichen lag).

2018/19 holten die Finalisten zusammen nur 17 Punkte in der Gruppe

Sollte PSG nun gar bis zum Champions-League-Titel durchmarschieren, wäre das ein Novum in der Geschichte des Wettbewerbs: Noch nie gab es einen Sieger, der die Gruppenphase mit acht (oder weniger) Punkten abschloss. Den “Rekord” halten bislang der FC Liverpool und Inter Mailand, die jeweils trotz nur neun Zählern nach der Gruppenphase den Henkelpott abräumten: die Reds 2018/19, Inter 2009/10.

Die Tottenham Hotspur, die damals im Finale gegen Liverpool verloren (0:2), hatten übrigens die Gruppenphase mit acht Zählern abgeschlossen und sind damit ein weiteres Vorbild für PSG in diesem Jahr. Olympique Lyon war 2019/20 nach acht Punkten wie der Ligue-1-Rivale bis ins Halbfinale gekommen, wobei der Wettbewerbsmodus wegen der Corona-Pandemie abgeändert worden war.

Napoli erlebte einst den umgekehrten Fall

Ab der neuen Saison wird sich kein Klub mehr auf diese Weise “durchmogeln” können, weil es dann statt acht Gruppen eine Liga für alle 36 Teilnehmer gibt. Auch Schachtar Donezk, das nach dem “Abstieg” in die Europa League prompt in den K.-o.-Runden-Play-offs an Olympique Marseille scheiterte (2:2/1:3), darf dann womöglich einen neuen Anlauf nehmen.

Noch viel bitterer war die Gruppenphase 2013/14 für die SSC Neapel verlaufen. Sie wird der einzige Klub bleiben, der es fertigbrachte, mit zwölf Punkten nur Dritter zu werden.

Luis Enrique verspricht “sehr gute Show” – und schießt wieder gegen die Presse

Paris Saint-Germain blickt vorfreudig auf das Halbfinal-Hinspiel in Dortmund. Coach Luis Enrique versprach eine “sehr gute Show” – und ätzte einmal mehr gegen die Journalisten.

Er scheut keine verbale Konfrontation: PSG-Coach Luis Enrique.

Er scheut keine verbale Konfrontation: PSG-Coach Luis Enrique.

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Wenn sich etwas wie ein roter Faden durch die Amtszeit Luis Enriques in Paris zieht, dann sein fortwährender Clinch mit den Journalisten. Vor dem Halbfinal-Hinspiel im Signal-Iduna-Park am Mittwochabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker) antwortete der 53-Jährige überdeutlich auf die Frage, was er davon halte, dass PSG als “großer Favorit” gehandelt wird. Der Spanier lachte laut auf und entgegnete dann: “Ich sage schon seit langem, dass die Presse keine Ahnung vom Fußball hat.”

Was geschrieben werde, sei ihm “völlig egal”. “Das Schöne daran, hier zu sein, ist, dass wir ein ganz besonderes Spiel in einem einzigartigen Stadion in Europa genießen können. Das ist es, was wir uns verdient haben.”

Auch mit Blick auf die Viertelfinals – beim BVB fielen neun Tore, bei PSG sogar zehn – freut sich Luis Enrique als Freund des Offensivfußballs auf den Schlagabtausch mit Dortmund. Er versprach: “Das wird eine sehr gute Show.” Der PSG-Coach rechnet mit “vielen Toren, weil wir es immer wieder schaffen, gefährlich in den gegnerischen Strafraum einzudringen”. Etwas, was der BVB möglichst zu verhindern versucht.

Ein abwartendes, lauerndes Paris brauche der Bundesligist nicht zu erwarten. “Ich denke, es wird ähnlich wie im Viertelfinale sein, weil Dortmund und wir eben so spielen. Wir gehen auf den Platz, um zu gewinnen. Ich glaube, es wird ein würdiges Spektakel.” Ob das Verpassen des Endspiels in Wembley eine Enttäuschung für PSG wäre? “Jedes andere Ergebnis als das Erreichen des Finales wäre für alle vier Mannschaften eine Enttäuschung.”

Mit dem Team, das Mitte Dezember “nur” 1:1 in Dortmund spielte, habe PSG nicht mehr so viel zu tun. Laut Luis Enrique habe sich Paris “in allen Bereichen verbessert, im Angriff und in der Abwehr – und natürlich können wir uns noch weiter verbessern”.

Goncalo Ramos: “Das macht uns ruhig und zuversichtlich”

Eine Schlüsselrolle wie im Viertelfinale gegen Barcelona könnte Stratege Vitinha (sieben CL-Einsätze, zwei Tore, ein Assist) einnehmen, daran glaubt Luis Enrique fest. “Er spielt eine unglaubliche Saison”, sagte der PSG-Coach über seinen Schützling, den er gar adeln sollte: “Er ist auf Augenhöhe mit den Besten in Europa. Er ist einer der besten Spieler des Kaders.”

Von diesem Standing ein gutes Stück entfernt ist Stürmer Goncalo Ramos, der bei sechs Champions-League-Einsätzen für Paris in dieser Saison noch ohne Tor dasteht und fünfmal nur von der Bank kam. Dennoch sagt der 22-Jährige über den BVB: “Wir haben schon zweimal gegen sie gespielt, wir kennen sie gut. Wir vertrauen auf unsere Qualitäten – das macht uns ruhig und zuversichtlich. Wir machen in dieser Saison einen sehr guten Job. Wir sind bereit.”

Auch für die Gelbe Wand? “Wir kennen dieses Stadion, es ist etwas Besonderes und schwierig für Gastmannschaften”, sagte Goncalo Ramos, der hinterhschob: “Aber eine Mannschaft wie wir muss bereit sein, in einem Stadion wie diesem zu spielen, wenn wir weiterkommen wollen.”