Hjulmand kritisiert “lächerliche” Pfiffe: “Das ist eine Schande”

Durch zwei enge VAR-Entscheidungen kam Deutschland im EM-Achtelfinale auf die Siegerstraße. Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand verstand beide nicht – und holte im Interview sogar sein Handy heraus.

Redebedarf: Kasper Hjulmand (li.) beschwert sich nach dem EM-Achtelfinale in Dortmund beim Schiedsrichter-Gespann um Michael Oliver (2. v. li.).

Redebedarf: Kasper Hjulmand (li.) beschwert sich nach dem EM-Achtelfinale in Dortmund beim Schiedsrichter-Gespann um Michael Oliver (2. v. li.).

IMAGO/Shutterstock

Diese Minuten wird Joachim Andersen so schnell nicht vergessen. Im EM-Achtelfinale gegen Gastgeber Deutschland wurde der dänische Verteidiger von Crystal Palace am Samstagabend in Dortmund kurz nach dem Wiederanpfiff vom Torschützen des 1:0 zum Elfmeter-Verursacher des 0:1 und beeinflusste damit Dänemarks Turnier-Aus ganz erheblich.

Zweimal griff der VAR zugunsten der DFB-Auswahl ein: Erst wurde Andersen sein erstes Länderspieltor aberkannt, weil sich die Fußspitze von Teamkollege Thomas Delaney – so die offiziellen Bilder der UEFA – zuvor um Millimeter im Abseits befunden hatte. Drei Minuten entschied Schiedsrichter Michael Oliver nach VAR-Eingriff und Gang in die Review-Area auf Handelfmeter für Deutschland, nachdem Andersen eine Flanke von David Raum am Strafraumrand aus kurzer Distanz an die vom Körper abgespreizte Hand gesprungen war. Kai Havertz traf vom Punkt zum 1:0.

“Kann das wirklich die zweifelsfreie Wahrheit sein?”

“Das ist eine Schande”, schimpfte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand nach der 0:2-Niederlage im ZDF, nachdem er zunächst dem Gegner zum Einzug ins EM-Viertelfinale gratuliert hatte, und zeigte auf seinem Smartphone das Standbild von Delaneys Abseitsstellung. “Wir reden über einen Zentimeter. Kann das wirklich die zweifelsfreie Wahrheit sein? Lässt sich der Zeitpunkt des Abspiels so genau bestimmen?”

Genauso wenig akzeptierte Hjulmand den Handelfmeter. “Wir können nicht Fußball spielen, ohne die Arme zu bewegen”, gab der Ex-Trainer des 1. FSV Mainz 05 zu bedenken und verwies auf die “kurze Distanz” zwischen Andersen und Raum. Sein Frust-Fazit: “Das sind einfach zwei lächerliche Entscheidungen, die für das Spiel sehr entscheidend waren. Ich glaube, Deutschland hätte vielleicht so oder so gewonnen, sie haben fantastisch gespielt. Ich mag die Mannschaft, ich mag, was Julian Nagelsmann mit ihr gemacht hat.” Aber, wiederholte er sich, “das ist eine Schande”.

Direkt nach dem Schlusspfiff hatte Hjulmand, dessen Team mit drei Remis das Achtelfinale erreicht hatte und bei WM- und EM-Turnieren nun seit acht Partien ohne Sieg ist (0/4/4), das Gespräch mit Oliver gesucht. Während des Spiels hatte er sich mit der Kritik noch aus gutem Grund zurückgehalten: Schon vor der Pause hatte ihm Oliver Gelb gezeigt, nachdem Nico Schlotterbeck einen fragwürdigen Freistoß zugesprochen bekommen hatte. Einen Platzverweis wollte er nicht riskieren.

Nagelsmann sieht “skurriles Spiel voller Widerstände”

Beim 2:0-Achtelfinalerfolg über Dänemark gab es für das DFB-Team einige Widerstände zu überwinden. Von Bundestrainer Julian Nagelsmann gab es nach einem “skurrilen” Spiel Lob für die Leistung.

Julian Nagelsmann freut sich gemeinsam mit dem Torschützen zum 2:0 Jamal Musiala.

Julian Nagelsmann freut sich gemeinsam mit dem Torschützen zum 2:0 Jamal Musiala.

IMAGO/Eibner

Zum ersten Mal seit 2016 hat Deutschland wieder einmal ein Viertelfinale bei einem großen Turnier erreicht. Gegen Dänemark sah Julian Nagelsmann ein “skurriles Spiel voller Widerstände”.

Zunächst ließ seine Mannschaft keinen Zweifel aufkommen, wer eine Runde weiterziehen sollte. “Wir haben mit unsere besten 20 Minuten dieses Turniers gespielt, da waren wir überragend gut drin”, lobte Nagelsmann die starke Anfangsphase seines Teams bei MagentaTV.

Spielbericht

Nagelsmann hadert mit Schiedsrichter-Entscheidung

“In meinen Augen haben wir auch ein reguläres Tor geschossen”, haderte der Bundestrainer, für den vor Nico Schlotterbecks Kopfball das Blocken von Joshua Kimmich gegen Andreas Skov Olsen nicht ausreichend war, um den vermeintlichen Treffer in der 4. Minute abzupfeifen. “Das war schon sehr kleinlich gepfiffen. Da musst du jede Ecke abpfeifen, da wird alles geblockt und das ist ja das Hauptmittel bei Standard-Situationen”, so der 36-Jährige.

Auch ohne ein frühes 1:0 blieb Deutschland am Drücker, trat dominant auf und erspielte sich Chance um Chance. Doch so sollte es nicht weitergehen. Denn weil sich die Dänen immer besser auf die EM-Gastgeber einstellten, kam es zu einem Bruch im deutschen Spiel – ehe ein Gewitter über Dortmund ab der 35. Minute für eine rund 25-minütige Spielunterbrechung sorgte.

Nagelsmanns Lob an seine Widerstandskämpfer

“Wir haben gut gegen Widerstände angekämpft. Die Resilienz der Truppe ist schon stark gewesen”, lobte Nagelsmann die Reaktion seines Teams, das unmittelbar nach der Unterbrechung dennoch mit einer Führung in die Pause hätte gehen können. Allerdings hatten in dieser Phase auch die Dänen gute Chancen, das war auch Nagelsmann nicht entgangen: “Wir hatten in der ein oder anderen Situation etwas Glück.”

Konkret meint er eine Situation vor der Pause, als ein sorgloses Dribbling von Schlotterbeck von Rasmus Höjlund nicht bestraft wurde, und eine nach Wiederbeginn, als der VAR zweimal zugunsten der DFB-Elf entschied. Erst zählte Joachim Andersens Treffer wegen Thomas Delaneys Fußspitzen-Abseits nicht, ehe das Gespann vier Minuten später nach VAR-Eingriff auf Handspiel des Verteidigers entschied. Kai Havertz verwandelte den folgenden Strafstoß – der Knackpunkt.

EM-Achtelfinale

Spanien oder Georgien? Nagelsmann legt sich nicht fest

Trotzdem fand Nagelsmann auch einen Kritikpunkt. Er vermisste den Rhythmus seines Teams und auch die endgültige Entscheidung: “Wir müssen das Spiel einen Tick früher zumachen, weil der Gegner in einem K.-o.-Spiel mehr riskieren muss als in einem normalen Gruppenspiel.” Jamal Musiala beseitigte in der 68. Minute mit seinem dritten Turniertor dann die letzten Zweifel am Viertelfinal-Einzug. “Wir sind verdient weitergekommen, auch wenn es nicht glasklar war”, lautete das Fazit Nagelsmanns.

In der nächsten Runde wartet am Freitag (18 Uhr) in Stuttgart dann entweder Spanien oder Georgien. Zwar schätzt Nagelsmann die Iberer stärker ein, doch das von Willy Sagnol trainierte Georgien “macht es sehr gut”. Für den Bundestrainer ein “positiv gemeint eklig zu bespielender Gegner”, generell sei Spanien für ihn aber der Favorit am Sonntagabend (21 Uhr, LIVE! bei kicker). “Aber wir waren heute auch Favorit und es war nicht so leicht.”

25 Minuten Pause: Wie Nagelsmann die Unwetter-Unterbrechung zu nutzen versuchte

Fast eine halbe Stunde lang musste das Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark am Samstagabend pausieren. Grund war ein heftiges Unwetter über Dortmund. Bundestrainer Julian Nagelsmann nutzte die Unterbrechung für ein Video-Studium mit seiner Elf.

Ein Unwetter über Dortmund sorgte für eine lange Unterbrechung des DFB-Spiels gegen Dänemark: Auch Bundestrainer Julian Nagelsmann steht im Regen.

Ein Unwetter über Dortmund sorgte für eine lange Unterbrechung des DFB-Spiels gegen Dänemark: Auch Bundestrainer Julian Nagelsmann steht im Regen.

IMAGO/Jan Huebner

Dass es einige Minuten nach Abpfiff in Dortmund wieder anfing zu regnen, war Bundestrainer Julian Nagelsmann herzlich egal. Der Regen hatte zuvor aber eine nicht unbedeutende Rolle an diesem Achtelfinal-Abend und in einem, laut Nagelsmann, “skurrilen” K.-o-Spiel gegen Dänemark gespielt.

Gut eine halbe Stunde waren absolviert, als schwere Donnerschläge ein Unwetter über Dortmund ankündigten. Das brachte Blitze über dem Stadion, Starkregen, später Hagel und eine Spielunterbrechung. Schiedsrichter Michael Oliver bat deshalb aus Sicherheitsgründen in der 35. Minute die beiden Mannschaften in die Kabine.

EM 2024, Achtelfinale

Die Fans auf den Tribünen flüchteten teils von ihren Plätze, andere feierten ausgelassen in der Regendusche beziehungsweise den Wasserfällen, die von den Dächern des Stadions prasselten. Auch ein ironisches “Oh, wie ist das schön” war von den Rängen zu hören.

Nagelsmanns Appell: “Alles löschen, was war”

Währenddessen hatte Nagelsmann sein Team in der Kabine versammelt. “Wir haben einige Szenen gezeigt, dass wir schneller hinter die Kette spielen müssen”, verriet der Bundestrainer am ZDF-Mikrofon, was er seinem Team während der Unterbrechung mitgegeben hatte. “Das Verteidigen von Andersen war schon extrem risikoreich gegen Jamal (Musiala, Anm. d. Red.).”

Der 21-Jährige besorgte später in der zweiten Halbzeit mit seinem Treffer zum 2:0 die Vorentscheidung – nach einem langen Ball von Nico Schlotterbeck über die letzte Verteidigungslinie der Dänen. “Der Gegner weiß, wir wollen Fußball spielen, attackiert brutal nach vorne – und so wie wir das Tor dann machen, da gab es in der ersten Halbzeit zehn Situationen, in denen wir viel klarer zum Torabschluss kommen können mit ganz einfachen Mitteln”, analysierte Nagelsmann.

Zudem appellierte er an sein Team “alles zu löschen, was war”. Vor der Unterbrechung habe nicht alles hundertprozentig funktioniert, “dann rattert es in den Köpfen. Das ist gar nicht notwendig.”

2012 sogar fast eine Stunde Unterbrechung wegen Unwetter

Hat die Unwetterpause der Nationalmannschaft womöglich also geholfen? “Eine Unterbrechung im Spiel hilft nie, ehrlich gesagt”, widersprach Nagelsmann. “Du versuchst sie halt einigermaßen zu nutzen.” Auch Torhüter Manuel Neuer nannte die Unterbrechung eher “skurril und komisch” statt hilfreich – nach 25 Minuten konnte es endlich weitergehen und die DFB-Elf legte schließlich in der zweiten Halbzeit den Grundstein für den Viertelfinal-Einzug.

Ein Novum in der EM-Geschichte war die Unwetter-bedingte Unterbrechung übrigens nicht. Zum letzten Mal musste vor zwölf Jahren das Duell zwischen der Ukraine und Frankreich in Donezk für 57 Minuten pausiert werden. Damals sorgten wolkenbruchartige Regenfälle und Blitzeinschläge schon in der fünften Minute für die Zwangspause. Am Ende gewann Frankreich mit 2:0. Dieses Mal lief es für den EM-Gastgeber besser.

Mit Moral und Matchglück zum Etappenziel: Jetzt kommt die Kür

Die deutsche Mannschaft trotzt widrigen Bedingungen und einem starken Gegner und wendet in ihrem Lieblings-Stadion das jähe Turnier-Aus ab. Doch im weiteren Weg gegen die richtig großen Kontrahenten muss sie sich erheblich steigern und stabilisieren. Ein Kommentar von kicker-Chefreporter Oliver Hartmann.

Daumen nach oben: Antonio Rüdiger feiert den Viertelfinal-Einzug des DFB-Teams

Daumen nach oben: Antonio Rüdiger feiert den Viertelfinal-Einzug des DFB-Teams

IMAGO/Eibner

Die schwarzen Wolken, die sich pünktlich zum Anpfiff über dem Dortmunder Stadion zusammenzogen, waren unheilvolle Vorboten einer in vielerlei Hinsicht denkwürdigen und magischen Fußball-Nacht. Es braute sich lange Zeit etwas zusammen über der deutschen Mannschaft, die im Achtelfinale gegen Dänemark erst Blitz, Donner, einen heftigen Wolkenbruch und eine knapp halbstündige Unterbrechung über sich ergehen lassen musste. Und die dann nur um Haaresbreite – oder treffender um eine Stiefelspitze – einer kalten Dusche durch die Skandinavier und womöglich einem albtraumhaft frühen Turnier-K.-o. entging.

2:0, Deutschland bleibt im Rennen, die Party auf den Fanmeilen geht noch mindestens bis zum Viertelfinale am Freitag in Stuttgart weiter. Im Endeffekt war dieser Sieg gegen die in ihren drei Gruppenspielen sieglosen Skandinavier eine Pflichterfüllung, bei deren Bewältigung sich die deutsche Mannschaft heftiger Gegenwehr ausgesetzt sah, diese aber mit einem couragierten Auftritt, mit viel Moral, mit ganz viel Unterstützung durch ein phantastisches Publikum und mit reichlich Matchglück in den entscheidenden Szenen überwand.

Spielbericht

Handelfmeter-Regel nicht im Sinne des Fußballs

Der große Knackpunkt der Partie war die 48. Minute, in der die Dänen schon ihre Führung durch Joachim Andersen bejubelten, die nach einer gefühlt ewig langen Unterbrechung durch den VAR wegen einer äußerst knappen Abseitsstellung von Thomas Delaney einkassiert wurde. Praktisch im Gegenzug wurde Andersen endgültig zur tragischen Figur, als der Ball bei David Raums Flanke kaum erkennbar die Hand touchierte und Kai Havertz den Strafstoß zum 1:0 verwandelte. Auch wenn die Entscheidung des ansonsten indisponierten Schiedsrichter Michael Oliver regelkonform war, ist und bleibt diese Handelfmeter-Regel nicht im Sinne des Fußballs.

Dass die deutsche Elf auch unmittelbar vor der 2:0-Vorentscheidung durch Jamal Musiala eine arg brenzlige Situation – Manuel Neuer klärte gegen Rasmus Höjlund – überstehen musste, passte ins Bild des Abends. Unterm Strich war dieser Sieg verdient, weil sich die deutsche Mannschaft mit großer Moral immer wieder aus der Bedrängnis befreite und sich am Ende ein klares Chancenplus von 9:5 erspielte.

Mit viel Rückenwind ins Viertelfinale

Nagelsmann hatte seine Startelf auf drei Positionen umgestellt, aber nicht Volkes Stimme nachgegeben, die den Einsatz von Niclas Füllkrug gefordert hatte. Stattdessen überraschte er mit der Nominierung von Leroy Sané, der wegen einer Schambeinentzündung seit Monaten seinen Rhythmus sucht und auch bei den Einwechslungen in den drei Gruppenspielen nicht für sich werben konnte. Doch der Münchner zeigte eine ansprechende Leistung, wie auch der für Maximilian Mittelstädt aufgebotene Raum seine Startelf-Chance nutzte.

Das Etappenziel ist erreicht und damit auch der Punkt, an dem man deutsche Sieger nicht mehr als Pflichterfüllung erwarten kann. Jetzt kommt die Kür gegen die Mitfavoriten, im Viertelfinale wahrscheinlich gegen Spanien, das am Sonntag auf den krassen Außenseiter Georgien trifft (21 Uhr, LIVE! bei kicker. Die deutsche Mannschaft muss sich erheblich steigern und stabilisieren, wenn sie auch gegen solche Hochkaräter bestehen will. Aber seit Samstag ist klar: Sie geht mit viel Rückenwind in die entscheidenden Turnierwochen.

Schlotterbeck: “Wir haben etwas im Land ausgelöst”

Der Sieg gegen Dänemark war wild und ereignisreich – am Ende überwog im deutschen Lager die Freude über das Weiterkommen. Auch bei Nico Schlotterbeck, der sich auch selbstkritisch zeigte.

Das Viertelfinale ruft: Nico Schlotterbeck und Antonio Rüdiger (re.).

Das Viertelfinale ruft: Nico Schlotterbeck und Antonio Rüdiger (re.).

IMAGO/Jan Huebner

“Wir haben ein super Spiel gemacht”, fasste Nico Schlotterbeck das 2:0 gegen Dänemark zusammen und lobte als erstes die tolle Kulisse im Dortmunder Stadion. “Wir hatten wahnsinnige Fans hinter uns – das Stadion hat gebebt”, stellte der Innenverteidiger fest und meinte: “Das bin ich gewohnt von Dortmund, von der Nationalmannschaft nicht so.”

Mit dem Achtelfinaleinzug habe sich die DFB-Elf für die harte Arbeit belohnt. “Ich bin froh, dass wir ins Viertelfinale gekommen sind”, sagte Schlotterbeck und ging dann auch auf seine persönliche Situation ein. “Ich hatte nicht die glücklichsten Auftritte beim DFB”, weiß der 24-Jährige und gab zu, dass das nicht spurlos an ihm vorbeiging: “Ich mache mir da am meisten Druck.”

Umso glücklicher ist er, dass man kein Gegentor kassiert hat. “Ich bin gottfroh, dass wir zu Null gespielt haben”, freute sich der BVB-Innenverteidiger und stellte fest: “Wir haben außergewöhnlich verteidigt, kaum etwas zugelassen – bis auf die eine Szene, die ich selber produziert habe.” Damit bezog er sich auf die 42. Spielminute, als er im eigenen Sechzehner ins Dribbling ging, den Ball verlor und anschließend heilfroh war, dass Rasmus Höjlund das nicht bestrafte.

Das Viertelfinale ruft: Nico Schlotterbeck und Antonio Rüdiger (re.).

Dieser leichtsinnige Ballverlust nagte auch nach Abpfiff noch an Nico Schlotterbeck (vorne).
IMAGO/Nordphoto

Vorfreude aufs Viertelfinale zu Hause

Allerdings trübte Schlotterbeck sein Gedächtnis ein wenig, denn die Dänen hatten noch weitere durchaus vielversprechende Abschlusschancen. Am Ende nutzten sie aber keine, während sie zwei kassierten. “Wir haben ein gutes Spiel gemacht und uns mit den zwei Toren belohnt haben”, stellte Schlotterbeck fest und freute sich schon einmal auf das anstehenden Viertelfinale in Stuttgart am kommenden Freitag (18 Uhr).

“Ich bin fünf Kilometer von dort aufgewachsen”, verriet der gebürtige Waiblinger und freute sich auf ein Wiedersehen mit seinen Bekannten. “Meine ganzen Jungs werden im Stadion sein, meine ganze Familie. Ich freue mich riesig aufs Viertelfinale.”

Es werden aber nicht nur seine Jungs im Stadion sein, sondern auch viele Tausend andere, die Deutschland bei der Heim-EM die Daumen drücken. Das könnte dann auch der große Trumpf werden. “Wir haben etwas im Land ausgelöst”, meinte Schlotterbeck und gab zu, dass man sich innerhalb des Teams über die positive Resonanz der Fans freut. “Wenn was von außen kommt, dann ist man ganz froh, dass man das ins Spiel hineinkatalysieren kann. Wir spielen mit Euphorie, wir spielen mit Spaß – das ist das, was im Fußball am schönsten ist.”

Aufreger in Dortmund: Person gelangt aufs Stadiondach

Während und auch noch nach Deutschlands EM-Achtelfinale gegen Dänemark sorgte eine Person auf dem Dortmunder Stadiondach für Wirbel. Das Motiv ist noch unklar.

Vom Dach des Dortmunder Stadions floss am Samstag zunächst das Wasser - eher sich später dort eine Person aufhielt.

Vom Dach des Dortmunder Stadions floss am Samstag zunächst das Wasser – eher sich später dort eine Person aufhielt.

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Weil es blitzte, donnerte und schüttete, musste das EM-Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark während der ersten Hälfte für 25 Minuten unterbrochen werden. Nach der Halbzeitpause verzögerte sich auch der Anpfiff des zweiten Durchgangs – allerdings aus einem anderen Grund: Eine Person hielt sich auf dem Dach des Stadions auf.

“Eine Person gelangte um 22.27 Uhr während des Spiels auf das Dach des Stadions”, sagte Polizeisprecher Peter Bandermann: “Einsatzkräfte der Polizei näherten sich, um die Person anzusprechen und einen sicheren Rückweg vom Dach zu gewährleisten. Dafür leuchtete ein Hubschrauber der Polizei das Stadiondach aus. Zu Motiv und Identität des Mannes können aktuell noch keine Angaben gemacht werden.”

Auch rund eine Stunde nach dem Spiel, das die DFB-Auswahl mit 2:0 für sich entschied, hatte der Einsatz der Polizei noch angedauert, ehe diese Entwarnung geben konnte: Der Mann sei heruntergeholt und festgenommen worden, hieß es, “zu keinem Zeitpunkt bestand eine Gefahr für andere Menschen”.

Referee Oliver holte die Kapitäne zu sich

Schiedsrichter Michael Oliver hatte sich gegen 22.27 Uhr schon bereit für den Wiederanpfiff gemacht, als ein UEFA-Mitarbeiter kurz das Gespräch mit ihm suchte, woraufhin der Engländer die Kapitäne Ilkay Gündogan und Kasper Schmeichel zu sich holte. Warum die Blicke der Beteiligten nach oben gingen, war während der Partie unklar geblieben. Im Raum stand zunächst, dass es mit dem Unwetter zusammenhing, durch das in der ersten Hälfte das Wasser in Sturzbächen vom Dach geflossen war.

Nun ist offenkundig, dass Oliver die Kapitäne in der Szene über die Person auf dem Stadiondach informiert hatte. Nach minimaler Verzögerung konnte der zweite Durchgang aber angestoßen werden und ohne weitere Störungen über die Bühne gehen.

“Ein miserables Italien scheidet aus”

Die internationale Presse ging hart mit Titelverteidiger Italien ins Gericht. “Versagen”, “Desaster” und “miserabel” waren die Vokabeln. In der Schweiz wird geträumt.

Der Frust saß tief nach dem Abpfiff.

Der Frust saß tief nach dem Abpfiff.

IMAGO/Gribaudi/ImagePhoto

Italien

La Gazzetta dello Sport: Italien verliert sein Gesicht. Die Schweiz spaziert zum 2:0-Sieg, Italien ist raus aus der EM. Italien scheidet auf die schlechtestmögliche Weise aus dem Turnier aus, indem es von der Schweiz dominiert wird. Nach den Schwierigkeiten in der Vorrunde hatte Spalletti gehofft, dass das Spiel gegen die Schweiz der Wendepunkt sein könnte. Es wurde der Zusammenbruch.

Tuttosport: Weggefegt. Desaster für Italien, die Schweiz dominiert. Spalletti und die Azzurri scheiden aus der EM aus.

Corriere dello Sport: Italiens Versagen. Ohne Beine und ohne Seele scheidet die Nationalmannschaft wehmütig aus der EM aus. Italien wird von der Schweiz rausgeworfen, einer durchschnittlichen Mannschaft, die vor allem Lust und Mut gezeigt hat. Grundlegende Dinge für solch ein Turnier, die den Azzurri komplett gefehlt haben. Sie waren von Beginn an passiv und teilnahmslos.

Corriere della Sera: Ein miserables Italien scheidet aus der EM aus. Die Azzurri sind nach Berlin zurückgekehrt, an den Ort des WM-Triumphs 2006. Aber dieses Mal verlassen sie das Olympiastadion mit einer schlimmen Niederlage und viel Enttäuschung.

Schweiz

Blick: La vita è bella. Wir stehen im Viertelfinal!

Tagesanzeiger: Es ist geschafft! Die Schweiz besiegt Italien! Der Traum der Schweizer an dieser EM geht weiter!

England

Guardian: Remo Freuler und Ruben Vargas erzielten die Tore für den Einzug der Schweiz ins Viertelfinale gegen eine erschreckend schwache italienische Mannschaft.

Spanien

As: Arrivederci, Italia. Der amtierende Europameister schied zu Recht gegen eine starke Schweizer Mannschaft aus, auf die nun England oder die Slowakei warten. Spallettis Übung in Ohnmacht.

Unwetterchaos und VAR-Glück: Deutschlands ereignisreicher Sieg im Video

Highlights by MagentaTV 30.06.2024

Unwetterchaos und VAR-Glück: Deutschlands ereignisreicher Sieg im Video

9:15Der Weg ins Viertelfinale verlief für die DFB-Elf gegen Dänemark wahrlich nicht geradlinig. Eine lange Unwetter-Unterbrechung, der vermeintliche 0:1-Gegentreffer, nur um wenig später nach dem zweiten VAR-Eingriff in kürzester Zeit in Führung zu gehen. Diese gab Deutschland nicht mehr aus der Hand.

Déjà-vu? Nur ein DFB-Feldspieler noch ohne EM-Minute

Seit dem Achtelfinale gegen Dänemark wartet nur noch ein deutscher Feldspieler auf seine erste Einsatzminute bei dieser EM. Für Robin Koch könnte es zu einem Déjà-vu kommen.

Benjamin Henrichs (li.) und Waldemar Anton feierten gegen Dänemark ihr EM-Debüt.

Benjamin Henrichs (li.) und Waldemar Anton feierten gegen Dänemark ihr EM-Debüt.

picture alliance / Matthias Koch

Drei Feldspieler der deutschen Nationalmannschaft waren vor dem Achtelfinale gegen Dänemark am Samstag noch ohne Einsatzminute bei dieser EM. Nach dem turbulenten 2:0-Sieg in Dortmund war es nur noch einer. Während Benjamin Henrichs und Waldemar Anton in der Schlussphase erstmals zum Zug kamen, muss Robin Koch weiter warten.

Der 27-Jährige von Eintracht Frankfurt gilt intern als Innenverteidiger Nummer vier und konnte deshalb auch nicht davon profitieren, dass mit Jonathan Tah einer aus dem gesetzten Duo gegen Dänemark gelbgesperrt fehlte. Nico Schlotterbeck, der bereits beim 1:1 gegen die Schweiz eingewechselt worden war, ersetzte Tah und verteidigte neben Antonio Rüdiger, der im Vorfeld wegen einer Oberschenkelzerrung lange fraglich gewesen war und auch am Samstagabend zweimal mit Schmerzen auf dem Rasen lag.

Rüdiger hielt zwar durch, dennoch bescherte Bundestrainer Julian Nagelsmann seinem Innenverteidiger Nummer 3 noch das EM-Debüt: Anton, der sich für einen Wechsel vom VfB Stuttgart zum BVB entschieden hat und deshalb noch öfter in der Dortmunder Arena auflaufen wird, kam in der 88. Minute für Leroy Sané. Sieben Minuten zuvor war Außenverteidiger Benjamin Henrichs für seinen Leipziger Teamkollegen David Raum gekommen, während der gelbvorbelastete und in der Gruppenphase gesetzte Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt auf der Bank blieb.

Und so ist Koch neben den Ersatztorhütern Marc-André ter Stegen und Oliver Baumann der letzte DFB-Spieler, der nicht eingesetzt wurde. Für ihn ist das keine neue Situation: Auch bei der EM 2021 hatte er keine Minute spielen dürfen, hatte dieses Schicksal allerdings mit vier weiteren Feldspielern geteilt. Immerhin: Damals war im Achtelfinale Schluss, diesmal erhält er noch mindestens eine Chance.

Diese DFB-Feldspieler blieben bei den letzten Turnieren ohne Einsatzminute:

WM 2022: Armel Bella-Kotchap, Christian Günter, Julian Brandt, Karim Adeyemi
EM 2021: Christian Günter, Lukas Klostermann, Robin Koch, Jonas Hofmann, Florian Neuhaus
WM 2018: Matthias Ginter
EM 2016: Jonathan Tah, Julian Weigl
WM 2014: Erik Durm, Matthias Ginter, Kevin Großkreutz

Rüdiger reißt Mannschaft und Fans mit: “Deutschland träumt von Berlin”

kicker-Reporter Sebastian Wolff aus Dortmund 29.06.2024

Rüdiger reißt Mannschaft und Fans mit: “Deutschland träumt von Berlin”

1:27Lange hatte Deutschland um seinen Einsatz gezittert, doch Antonio Rüdiger wurde rechtzeitig fit. Dies zahlte sich im Achtelfinale gegen Dänemark dann auch aus, der Abwehrchef zeigte eine mitreisende Zweikampfführung und war immer wieder zur Stelle.