Die Freundin wusste es schon: Weghorst löst altes Hamburg-Versprechen ein

Wout Weghorst rettete die Niederlande mit seinem Joker-Tor vor einem EM-Fehlstart. Mit dem Volksparkstadion hatte er noch eine Rechnung offen.

Erster Einsatz im Volksparkstadion, erste Ballberührung, erstes Tor: Wout Weghorst.

Erster Einsatz im Volksparkstadion, erste Ballberührung, erstes Tor: Wout Weghorst.

IMAGO/Gonzales Photo

Was Julian Nagelsmann bei den Länderspielen im März anschob, gilt schon jetzt als genialer Schachzug: Weil der Bundestrainer mit allen Nationalspielern Rollen-Gespräche führte, kennt jeder exakt seine Aufgabe im deutschen Kader, der wiederum von einer klaren Achse und weniger Konkurrenzdenken profitiert. Exklusiv hatte Nagelsmann diesen Gedanken aber natürlich nicht.

Auch bei den Niederlanden hat Ronald Koeman klare Strukturen geschaffen. Und so wusste Wout Weghorst ganz genau, was ihn beim EM-Auftakt gegen Polen am Sonntag erwartete: die Bank. Doch wie Niclas Füllkrug oder Emre Can am Freitag gegen Schottland bewies der 31-jährige Angreifer, dass auch die ein guter Ausgangspunkt sein kann, um zu glänzen.

Weghorsts Vorhersage: “Ich kann euch die Nachrichten zeigen”

“Ich habe Wout wissen lassen, dass ich für ihn hauptsächlich eine Rolle als Einwechselspieler sehe. Darüber war er ein bisschen enttäuscht”, verriet Trainer Koeman nach dem 2:1-Sieg, den Weghorst zwei Minuten nach seiner Einwechslung mit seinem ersten Ballkontakt herausgeschossen hatte (83.). “Manche Spieler hören dann auf zu arbeiten, aber das trifft auf Wout sicher nicht zu. Das hat er heute wieder gezeigt.”

Weghorst hatte das alles bereits geahnt: am Samstagmorgen – und zu Beginn seiner Profikarriere. “Ich habe zu meiner Freundin schon heute Morgen gesagt, dass ich beim Stand von 0:0 oder 1:1 ein Tor schießen werde, kurz vor Schluss. Ich kann euch die Nachrichten zeigen”, sagte Weghorst bei NOS und erinnerte sich gleichzeitig an ein Testspiel mit Heracles Almelo beim HSV vor knapp zehn Jahren. “Wir durften uns im Stadion nur umkleiden und haben auf einem Nebenplatz gespielt. Ich habe meinem Kumpel gesagt: Das nächste Mal, wenn ich hierherkomme, dann spiele ich im Stadion und mache ein Tor.”

“Der HSV ist ja nie hochgekommen”

Trotz vier Jahren beim VfL Wolfsburg und zuletzt einer Leih-Saison bei der TSG Hoffenheim musste Weghorst, der noch in Burnley unter Vertrag und im Fokus von Ajax Amsterdam steht, auf seine erste Chance bis zur EM 2024 warten. “Der HSV ist ja nie hochgekommen. Daher habe ich nie hier gespielt.” Immerhin brauchte er nur eine Ballberührung, um sein Versprechen einzulösen.

Ob er gegen Frankreich am Freitag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) in Leipzig zur Belohnung von Anfang an spielen darf? “Natürlich kann er auch beginnen. Wir werden sehen, was das Beste fürs Team und für den Spieler ist”, hielt sich Koeman alles offen, lieferte mit seinem Spielfazit aber selbst das beste Argument für ein Rollen-Upgrade seines Jokers: “Die Effizienz muss steigen.”

Dank Bundesliga-Trio: Oranje siegt deutlich gegen Island

Das Team von Ronald Koeman hat sich mit einem hochverdienten 4:0 gegen Island für die EM warmgeschossen. In einer fast durchweg einseitigen Partie trafen drei Bundesliga-Akteure.

Markierte seinen ersten Treffer im Nationaldress: Leipzigs Xavi.

Markierte seinen ersten Treffer im Nationaldress: Leipzigs Xavi.

IMAGO/NurPhoto

Zum letzten Test in Vorbereitung auf die Europameisterschaft empfing die Niederlande Island. Im Vergleich zum 4:0-Sieg gegen Kanada schickte Bondscoach Ronald Koeman eine völlig veränderte Elf auf den Rasen. Einzig Keeper Verbruggen, Schouten und Depay verblieben in der Startformation. Neu mit dabei waren unter anderem van Dijk und der Leipziger Xavi. Auf der anderen Seite veränderte Islands Trainer Age Hareide nach dem 1:0-Überraschungssieg gegen England sein Team lediglich auf einer Position: für Gretarsson begann Lunddal Fridriksson.

EM-Tests der Niederlande

Oranje dominant – Xavi mit Premierentor

Von Beginn an war Oranje das spielbestimmende Team und ließ den Gästen kaum Luft zum Atmen. Durch frühes Anlaufen wurde das Aufbauspiel der Isländer immer wieder erheblich gestört. Die erste Chance der Partie hatte Veerman, der aus zweiter Reihe knapp über das Gehäuse schoss (7.). In der Folge verpasste es Depay, seine Chancen in Zählbares umzumünzen (15. und 21.). Immer wieder entstand Gefahr durch Flanken in den Fünfmeterraum der Isländer.

So auch in der 23. Minute, als der Ball dann im Tor zappelte. Nach einer Kopfballablage von Dumfries schob Xavi mit seinem Premierentor für die Elftal aus kurzer Distanz freistehend zur Führung ein. Die Hausherren nahmen in den nächsten Minuten etwas den Fuß vom Gas und Island verzeichnete mehr Ballbesitzanteile. Dann aber machte das Team von Ronald Koeman wieder Dampf und verpasste es in Person von Gakpo (36.) und Depay (39.), einen weiteren Treffer auf dem Spielberichtsbogen zu notieren, sodass es mit einer knappen, aber völlig verdienten Führung in die Halbzeitpause ging.

Thordarson an den Pfosten – Bundesliga-Akteure besorgen Endstand

Nach der Pause waren die Niederlande direkt wieder spielbestimmend und markierten in der 49. Minute das 2:0. Van Dijk traf im Anschluss an eine Ecke per Kopf. Als noch gut zwanzig Minuten auf der Anzeigetafel verblieben, fasste sich Thordarson ein Herz und traf aus der Distanz nur den Pfosten (70.). Ingason setzte einen Kopfball vier Mintuten später neben das Tor.

Das war es dann aber auch mit Islands Offensivbemühungen. Die eingwechselten Bundesliga-Profis Malen mit Schuss ins rechte Eck (79.) und Weghorst per Chip aus kurzer Distanz (90.+3) sorgten für den am Ende deutlichen, aber hochverdienten Sieg.

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Während Island erst wieder im September in der Nations League gefordert ist, geht es für die Niederlande zum 1. Spieltag der Europameisterschaft am Sonntag mit der Partie gegen Polen (15 Uhr) weiter.

Weghorst und der Lockruf der alten Liebe

Für die TSG Hoffenheim war Wout Weghorst zu teuer. Entsprechend verzichteten die Kraichgauer auf eine Weiterverpflichtung des Leihangreifers aus Burnley. Jetzt lockt den 31-Jährigen Ajax Amsterdam – und seine alte Liebe Twente Enschede.

Führt der Weg von Wout Weghorst zurück in seine Heimat?

Führt der Weg von Wout Weghorst zurück in seine Heimat?

IMAGO/Jan Huebner

Am 7. August 1992 erblickte Wout Weghorst im niederländischen Borne das Licht der Welt. In der Region Twente, rund 20 Kilometer entfernt von der Großstadt Enschede, für deren Klub – bezeichnenderweise Twente Enschede genannt – seit Kindesbeinen das Herz des Nationalspielers schlägt. Der Tabellendritte der vergangenen Saison hat nach Amsterdam jetzt ebenfalls ein Auge auf den Nationalspieler geworfen, dessen einjährige Leihe in Hoffenheim nicht in einen fixen Vertrag mündete.

Das finanzielle Gesamtpaket für den vom FC Burnley ausgeliehenen Angreifer, der noch bis 2025 an den Premier-League-Klub gebunden ist und dessen Millionen-Ablöse allein schon Richtung Zweistelligkeit tendiert, wollte die TSG nicht anpacken. Jetzt ist Weghorst auf dem Markt und in seiner Heimat ein Thema. Ajax streckte früh die Fühler aus, hat nun aber Konkurrenz bekommen. Weniger namhaft, weniger lukrativ, aber dafür mit den Faktor Emotionalität versehen: seine alte Liebe Twente Enschede.

Gibt sich Weghorst mit einer Jokerrolle zufrieden?

Während sich der Rekordmeister aus der Hauptstadt vor Saisonbeginn noch für die Europa League qualifizieren kann, kämpft Enschede zeitgleich um den Einzug in die Königsklasse. Ajax, das nach zwei überaus enttäuschenden Spielzeiten mit den Abschlussplätzen drei und fünf auf dem Spielermarkt unter Erfolgsdruck steht, muss für größere Sprünge zudem Transfereinnahmen generieren. Geld, das zum Beispiel ein Verkauf des früheren Leipzigers Brian Brobbey bringen könnte. Was die Klubbosse allerdings mit der Hoffnung auf eine noch höhere Rendite für den 22-Jährigen in den kommenden Jahren bisher ablehnen.

Stattdessen wird mit dem Abschied von Chuba Akpom gerechnet. Der aus England stammende Offensivmann wird in der Premier League gehandelt. Weghorst, so die Gedankenspiele der Ajax-Verantwortlichen, könnte dessen Platz hinter Brobbey (22) und Steven Bergwijn (26) einnehmen. Eine Jokerrolle, wie sie für den 31-Jährigen auch bei der niederländischen Nationalmannschaft bei der anstehenden Europameisterschaft vorgesehen ist.

Eine Perspektive, die der ehrgeizige Stürmer mit gemischten Gefühlen betrachten dürfte. Auf der anderen Seite ist da die Aussicht einer möglichen Champions-League-Qualifikation und sein inniges Verhältnis zu seinem Herzensklub Twente. Enschede fehlt es vielleicht an vergleichbarer Finanz- und Strahlkraft. Doch die innere Bindung Weghorsts zu seinem Herzensklub könnte dies ausgleichen.

George Moissidis

Frimpong in EM-Form: Niederlande schlagen Kanada klar

Im vorletzten Test vor der EM-Endrunde schlug Oranje dank eines starken Jeremie Frimpong Kanada. Jesse Marschs Debüt als Nationalcoach fiel derweil ins Wasser.

Verbuchte gegen Kanada zwei Scorerpunkte: Leverkusens Jeremie Frimpong (#12).

Verbuchte gegen Kanada zwei Scorerpunkte: Leverkusens Jeremie Frimpong (#12).

IMAGO/ANP

Es war ein durchaus würdiger Rahmen für ein Debüt als Nationaltrainer, den Jesse Marsch bei seinem ersten Auftritt als Coach der kanadischen Auswahl in Rotterdam vorfand. Das Publikum im prall gefüllten De Kuip war von der ersten Sekunde an bester Stimmung – obwohl Ronald Koemans Elftal sich gerade zu Beginn doch merklich schwertat gegen das intensive Spiel der Gäste.

Chancenwucher vor der Pause

So dauerte es über 30 Minuten, ehe es infolge einiger halbgarer Torannäherungen erstmals richtig brannte. Frimpongs Querpass erreichte Depay jedoch nicht, da Johnston störte (32.). Nicht die einzige starke Rettungstat der kanadischen Defensive, die kurz darauf von Cornelius vor einem Gegentor bewahrt wurde. Der Innenverteidiger aus Malmö wehrte einen Abschluss Wijnaldums für seinen bereits geschlagenen Keeper ab (38.).

Was bis dahin an Torgefahr gefehlt hatte, entlud sich in den letzten Momenten des ersten Durchgangs fast im Minutentakt. Erst scheiterte Frimpong aus spitzem Winkel an St. Clair (42.), dann ließ Kanadas Rekordtorschütze Larin den ersten Hochkaräter der Nordamerikaner aus (45.). Schlusspunkt einer intensiven, hintenraus spektakulären, aber letztlich torlosen Halbzeit war schließlich eine weitere Riesenchance für Brobbey, der seinen Meister ebenfalls in St. Clair fand (45.+1).

Brutale Effizienz: Weghorsts Blitz-Tor macht den Deckel drauf

Der zweite Durchgang schloss nahtlos an die wilden Minuten vor dem Seitenwechsel an. Scheiterte Gravenberch noch an St. Clair (49.), war dieser nur Momente später chancenlos, als Depay eine Flanke von Frimpong über die Linie drückte (50.). Der Auftakt brutal effizienter 13 Minuten der Hausherren, für die Frimpong in der 57. Minute nachlegte, bevor Weghorst nur Sekunden nach seiner Einwechslung mit dem ersten Ballkontakt nochmals erhöhte (63.).

EM-Testspiele der Elftal

In der Schlussphase plätscherte das Spiel aufgrund des deutlichen Zwischenstands und der zahlreichen Wechsel zumeist vor sich hin. Jenseits der 80. Minute nahm die Angelegenheit allerdings noch einmal Fahrt auf. Weghorst näherte sich dem Doppelpack, den St. Clair vereitelte (82.), bevor der nächste Joker stach: Eine unglückliche Bogenlampe Zators nickte van Dijk infolge der anschließenden Ecke zum 4:0-Schlusspunkt ein (83.).

Die niederländische Generalprobe vor dem EM-Auftakt gegen Polen (16. Juni, 15 Uhr, LIVE! bei kicker) gibt es am Montag. Ab 20.45 erwartet die Elftal Island. Kanada gastiert bereits am Sonntagabend ab 21.15 Uhr beim nächsten europäischen Schwergewicht in Frankreich. Für die Mannen Marschs geht es ab dem 21. Juni in der Copa America zur Sache. Um 2 Uhr deutscher Zeit starten die Nordamerikaner gegen Weltmeister Argentinien ins Turnier.