Leistner: “Es war gefühlt eine verschenkte Saison”

Nach Wochen auf der Bank durfte Hertha-Kapitän Toni Leistner gegen Hannover 96 (1:1) wieder starten – und zog danach für den Zweitliga-Achten ein differenziertes, ehrliches Fazit der Saison.

Nicht um klare Worte verlegen: Toni Leistner.

Nicht um klare Worte verlegen: Toni Leistner.

IMAGO/Contrast

Er machte die Kollegen vor dem Anpfiff heiß aufs Spiel – und durfte im Gegensatz zu den Vorwochen auf dem Rasen selbst mal wieder mitmischen. Nach dem 0:2 beim FC St. Pauli am 10. März, als Toni Leistner zur Pause ausgewechselt worden war, hatte Herthas Kapitän seinen Stammplatz verloren. Es folgten vier Partien auf der Bank und ein Kurzeinsatz gegen Hansa Rostock (4:0).

Weil sich Marton Dardai wegen muskulärer Probleme vor dem Hannover-Spiel abmeldete, startete Leistner und lieferte solide Arbeit ab. Der Ausgleich durch Enzo Leopold in der Nachspielzeit sorgte bei Leistner und dem Rest der Belegschaft für Frust. “Da flankt ein Innenverteidiger mit Halstenberg, und der kleinste Spieler auf dem Feld macht ein Kopfballtor. Deswegen ist es sehr ärgerlich”, befand Leistner. “Das müssen wir für die nächste Saison mitnehmen, dass wir defensiv viele, viele Sachen besser machen müssen.”

Später Nackenschlag als Sinnbild

Den späten Nackenschlag gegen die Niedersachsen nannte der Innenverteidiger “ein Sinnbild der ganzen Saison”, die schon jetzt für Hertha gelaufen ist und aus der Leistner Positives und Negatives mitnimmt: “Wir können Tore schießen – und müssen als Team viel, viel besser verteidigen. Das hat man auch wieder beim letzten Tor gesehen, dass da der Innenverteidiger zur Flanke laufen und ungehindert flanken kann. Das darf so nicht passieren. Wir haben gerade, was die Defensive angeht, viele, viele Hausaufgaben für die nächste Saison.”

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Das aktuelle Spieljahr bringt Leistner ungeschminkt auf den Punkt: “Es war gefühlt eine verschenkte Saison, weil ich glaube, dass extrem viel Potenzial in dieser Mannschaft steckt, aber wir es nicht konstant abgerufen haben. Da ist dann die Frage, woran es gelegen hat. Das müssen wir analysieren, das müssen die Klub-Verantwortlichen analysieren, und jeder Einzelne muss sich an die Nase fassen.”

Mit seiner Reservisten-Rolle zuletzt war Leistner nicht happy, aber seinem Erziehungsauftrag kam er vollumfänglich nach. “Toni ist ein wichtiger Teil von Hertha BSC – ob er spielt oder nicht”, sagte Coach Pal Dardai. “Er ist wie ein Papabär. Wir haben sehr viele Jugendspieler hier, die werden immer Schwankungen haben. Da brauchen wir Toni.”

Auch wenn der Aufstieg verschenkt wurde, will ich so hoch wie möglich abschneiden.

Toni Leistner

Der hegt trotz einer für ihn komplizierten Rückrunde keinerlei Abwanderungsgedanken. “Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich nicht Woche für Woche nach Veränderungen schaue”, sagte der 33-Jährige. “Ich habe hier für zwei Jahre unterschrieben – für ein Projekt, das ich auch nächstes Jahr mit angehe. Deswegen habe ich die letzten Wochen im Training immer Vollgas gegeben und den Jungen, die gespielt haben, ein paar Tipps gegeben. Da habe ich mal eine andere Rolle eingenommen: vielleicht nicht die, die ich mir persönlich vorstelle, aber ich habe sie trotzdem relativ gut ausgefüllt.”

Und seine Motivationsrede vor dem Hannover-Spiel? “Es ging darum, dass jeder Einzelne aus den letzten vier Spielen seine eigene Motivation ziehen soll”, erklärte Leistner. “Für die einen ist es Geld, für die anderen sind es freie Tage. Für mich ging’s darum, an die Ehre zu appellieren. Auch wenn der Aufstieg verschenkt wurde, will ich so hoch wie möglich abschneiden.”

Drei Spiele bleiben noch, um doch noch das Mini-Ziel von drei Siegen in Serie zu erreichen. “Gegen Hannover sollte der Anfang sein, aber sinnbildlich für die Saison haben wir’s nicht hinbekommen”, sagte der Abwehrspieler. “Es sah lange ordentlich aus, aber am Ende war es wieder nur ein Punkt.” Wie schon im Hinspiel (2:2 nach 2:0-Führung) – und wie so oft in dieser Saison.

Steffen Rohr

Maza: Wut-Anfall von Dardai

Er ist einer der größten Hoffnungsträger bei Hertha BSC – und wurde gegen Hannover 96 (1:1) noch auf dem Platz vom eigenen Trainer zusammengefaltet. Ibrahim Maza stand am Freitagabend unfreiwillig im Blickpunkt.

Schimpfte seinen Schützling Ibrahim Maza lautstark zur Halbzeitpause: Hertha-Trainer Pal Dardai.

Schimpfte seinen Schützling Ibrahim Maza lautstark zur Halbzeitpause: Hertha-Trainer Pal Dardai.

IMAGO/Beautiful Sports

Das Wut-Stakkato nahm beinahe kein Ende. Pal Dardai lief mit dem Halbzeitpfiff auf den Rasen des Berliner Olympiastadions und direkt auf Ibrahim Maza zu, der in Richtung Kabine unterwegs war. Dardai redete mit grimmiger Miene und wild gestikulierend auf den Youngster ein, der an der Seitenlinie wartende Florian Niederlechner konnte den aufgebrachten Chef nicht wirklich besänftigen. Es war das lautstarke Finale einer ersten Halbzeit, in der Maza nach dem Geschmack seines Trainers seinem Job nicht gewissenhaft genug nachgegangen war. “So ein defensives Verhalten geht nicht. Man kann nicht spazieren, wir sind nicht bei der U19”, sagte Dardai nach dem Abpfiff bei Sky.

Tränen bei Maza

“Er hat es jetzt abbekommen und muss sein Leben lang den Gedanken drin haben, nicht in der Aktion stehen zu bleiben. Er muss mitmachen. Zweite Halbzeit hat er sehr diszipliniert gespielt.” In der Pressekonferenz nach dem Spiel brachte Dardai von sich aus die Causa Maza zur Sprache. “Ich habe ihn richtig angepackt wegen seines defensiven Verhaltens. Ich bin kein Laptoptrainer. Wir haben es auf dem Laptop hundertmal gezeigt. Ich habe es damals genauso von Jürgen Röber abbekommen und es für mein Leben gelernt. Man verteidigt in der Aktion bis zum Ende und bleibt nicht stehen. Er muss davon lernen.”

In der Halbzeitpause sollen beim deutschen U-19-Nationalspieler sogar Tränen geflossen sein. Als Maza zur zweiten Halbzeit wieder auf den Rasen kam, gab’s Trost von Mitspielern wie Linus Gechter und eine aufmunternde Geste von Athletiktrainer Henrik Kuchno. Als Maza nach 72 Minuten ausgewechselt wurde, bekam er von Dardai die Wange getätschelt und einen Klaps auf den Hinterkopf.

Wir können keinen in Watte packen, der Trainer denkt sich was dabei. Da darf man auch ab und zu ein bisschen härter miteinander umgehen.

Fabian Reese über Dardais Wutanfall

Führungsspieler wie Kapitän Toni Leistner und Fabian Reese wollten die Szene nicht überbewerten. “Der Trainer war mit der einen oder anderen Situation gerade in der Rückwärtsbewegung nicht zufrieden”, sagte Leistner. “Das war der ausschlaggebende Punkt, warum der Trainer ausgerastet ist.” Bleibende Folgen befürchtet er nicht: “Der Junge hat so viel Selbstvertrauen. Da nimmt er mal einen Schluck Wasser und schluckt das runter, dann geht es weiter. Ibo hat in der zweiten Halbzeit eine gute Reaktion gezeigt, indem er die eine oder andere Situation eins gegen eins gut aufgelöst hat.”

Reese fand ähnliche Worte: “Grundsätzlich sind wir hier im Herrenfußball. Ich war auch mal ein jüngerer Spieler, da kriegt man ab und zu ein bisschen Fett weg”, sagte der Flügelspieler. “Das macht einen stärker, da muss man durch. Ob es gerechtfertigt ist oder nicht, steht auf einem ganz anderen Blatt. Ab und zu muss man sich das mal anhören. Fakt ist: Wenn man vorn stehen bleibt und das zwei-, dreimal zu viel, das sehen die Trainer nicht ganz so gern. Und dann noch zwei-, dreimal wegrutschen und in Situationen unglücklich aussehen, das sind so Sachen, die bringen den Trainer in dem Moment zur Weißglut. Wir können keinen in Watte packen, der Trainer denkt sich was dabei. Da darf man auch ab und zu ein bisschen härter miteinander umgehen.”

Reeses Lob für Maza

Auch Reese lobte Maza für die Reaktion im zweiten Durchgang: “Ibo hat sich einmal geschüttelt und direkt am Anfang der zweiten Halbzeit vier, fünf gute Aktionen gemacht. Die Jungen haben hier eine große Chance, relativ viele Spielminuten zu bekommen. Das ist einmalig. Von daher sollen sie sich den Arsch aufreißen und in der Offensive wie in der Defensive das Maximale geben.”

Mit der Standpauke nicht bis zum geschützten Bereich der Kabine zu warten, sondern schon auf dem Rasen loszuledern, war Dardai unplugged. Maza, der vor einem Jahr trotz Angeboten aus der Bundesliga seinen Vertrag in Berlin bis 2026 verlängert hatte, hatte die Hinrunde dieser Saison wegen einer Meniskus-Verletzung verpasst. In der Rückrunde beweist er seinen Wert. Er soll in der neuen Saison ein zentraler Baustein des Hertha-Teams werden, das den Aufstieg anpeilt.

Allerdings gibt es für den Zehner erneut Interessenten aus der Bundesliga, auch ein englischer und ein italienischer Erstligist haben Herthas aktuell wohl größtes Talent auf dem Radar. In den vergangenen Wochen war der Youngster mit seiner Joker-Rolle nicht vollends happy. Gegen Hannover durfte er starten, legte eine äußerst unglückliche erste Halbzeit hin – und wurde vor aller Augen vom eigenen Chef zerlegt. Ob das seine Lust auf einen Verbleib fördert, wird sich zeigen.

Steffen Rohr

Barkok: Zukunft am Freitag geklärt?

Für Hertha BSC geht es in den restlichen vier Saisonspielen um nicht mehr allzu viel, für Aymen Barkok geht es um die Zukunft. Bleibt die Mainz-Leihgabe in der Startelf, greift nach dem nächsten Einsatz die zwischen beiden Klubs vereinbarte Kaufpflicht.

Startet Aymen Barkok am Freitag, bleibt er bei Hertha BSC.

Startet Aymen Barkok am Freitag, bleibt er bei Hertha BSC.

IMAGO/Eibner

Das Leben findet nicht im Konjunktiv statt und der Fußball auch nicht. Hätte Aymen Barkok am vergangenen Sonntag beim Spiel in Karlsruhe (2:3) nach fünf Minuten seine XXL-Chance genutzt, wäre Hertha womöglich als Sieger heimgereist – und hätte den Traum von Relegations-Platz 3 noch nicht beerdigen müssen. Es kam anders. Barkok, der einen ziemlich missratenen Aufbaupass von KSC-Keeper Patrick Drewes auf Leon Jensen abgefangen hatte, scheiterte an Drewes. Es war nicht nur die verpasste Chance zur frühen Führung, sondern auch die versäumte Möglichkeit, weitere Argumente in eigener Sache zu sammeln.

Barkok und Berlin – das ist bislang kein Missverständnis, aber auch noch keine Beziehung, die beide Seiten restlos zufrieden stellt. Im Klub ist man sich sicher, dass der Mittelfeldspieler mehr kann, als er bisher gezeigt hat. Und Barkok wähnte sich über Wochen als Bestandteil der Doppel-Sechs in der Grundformation eine Spur zu weit hinten platziert (“Ich versuche mein Bestes, es ist nicht die ideale Position für mich.”). Zuletzt agierte er als Achter, die Formkurve steigt seit Wochen tendenziell an – wenngleich noch immer Luft nach oben ist.

600 000 Euro Ablöse bei Verbleib in der 2. Liga

Und da offiziell noch immer offen ist, wer Hertha BSC in der neuen Saison als Cheftrainer anleitet, ist die Personalie Barkok durchaus brisant. Elf Startelfeinsätze (zehn in der Liga, einer im DFB-Pokal) stehen bislang in der Bilanz des Leihspielers, dessen Gehalt sich aktuell Stammklub Mainz und Leihklub Hertha teilen. Dazu kamen zwei Joker-Einsätze in der 2. Liga, die dem Vernehmen nach ebenfalls eine Rolle spielen für die vertraglich fixierte Kaufpflicht. Bei einem weiteren Startelf-Einsatz, so ist von mehreren Seiten zu hören, würde die Kaufpflicht greifen. Bei einem Berliner Verbleib in der 2. Liga, der jetzt nahezu sicher ist, flössen 600 000 Euro Ablöse nach Mainz. Im Aufstiegsfall wären 1,2 Millionen Euro fällig gewesen.

“Er hat sich über die Zeit gesteigert”

Die spannende Frage ist jetzt: Startet Barkok, der seit Wochen bei vier Gelben Karten steht, am Freitagabend gegen Hannover 96? Oder hat die Vertragskonstruktion Einfluss auf die Aufstellung der letzten vier Spiele? Hertha-Sportdirektor Benjamin Weber, der Barkok bereits im vergangenen Sommer nach Berlin lotsen wollte, hält grundsätzlich viel von dem 25-jährigen Deutsch-Marokkaner. “Er hat hier viele Möglichkeiten bekommen und sich über die Zeit gesteigert”, sagt Weber. Einen Freibrief für Freitag gibt es von ihm aber nicht. “Wir haben viele Optionen”, sagt Weber mit Blick auf das zentrale Mittelfeld. “Pascal Klemens ist wieder da, Jeremy Dudziak ist wieder da, Billy Hussein und Ibo Maza sind da.” Und wenn Barkok weiter zum Einsatz kommt, ist er auch noch ein bisschen länger da.

Steffen Rohr

Hertha: Diese Fragen stellen sich jetzt

Die letzte Hoffnung auf den Wiederaufstieg hat Hertha BSC mit der 2:3-Niederlage in Karlsruhe verspielt. Jetzt stehen wichtige Weichenstellungen an. Die Bosse sind gefordert.

Am Ende ist nur noch Frust: Fabian Reese und Hertha werden wohl ein weiteres Jahr in der 2. Liga kicken.

Am Ende ist nur noch Frust: Fabian Reese und Hertha werden wohl ein weiteres Jahr in der 2. Liga kicken.

picture alliance/dpa

Ein Spiel wie die ganze Saison: mit guten Phasen, aber folgenschweren defensiven Nachlässigkeiten – und zu wenig Ertrag. “Wir haben in der ersten Halbzeit in manchen Momenten dominiert, aber waren zu hochnäsig”, sagte Hertha-Torjäger Haris Tabakovic nach dem 2:3 am Sonntag beim KSC, das auch die letzten Berliner Aufstiegsträume killte. “Nach dem 1:1 haben wir aufgehört, Fußball zu spielen. Auch nach dem Seitenwechsel gab es Phasen, in denen wir gedrückt haben. Aber es war insgesamt zu wenig.” Ein “über weite Strecken gutes Spiel” bescheinigte Linksaußen Fabian Reese dem Team – mit einer elementaren Einschränkung: “Wir haben in den entscheidenden Situationen zu sorglos verteidigt. Wir müssen den Aufstieg abhaken.”

Der Liga-Dritte Fortuna Düsseldorf liegt elf Punkte und mit der um Längen besseren Tordifferenz vor Hertha. Die Berliner müssen für ein weiteres Zweitliga-Jahr planen – anders als nach den letzten Abstiegen 2010 und 2012, als mit für Zweitliga-Maßstäbe herausragend bestückten Kadern unter Markus Babbel und Jos Luhukay jeweils der sofortige Wiederaufstieg gelang. Die Voraussetzungen waren nach der Fast-Insolvenz im Vorjahr diesmal andere, das macht die Bewertung der Saison 2023/24 komplexer. Auf die Bosse kommen jetzt die Wochen der Weichenstellungen zu. Der kicker nennt die wichtigsten Fragen.

Was passiert im Kader?

Das Ziel für den Sommer: Zweitliga-Toptorjäger Tabakovic (21 Saisontore, Vertrag bis 2026) und Unterschiedsspieler Reese, der erst im Februar seinen Vertrag bis 2028 verlängert hatte, ebenso zu halten wie die Top-Talente Ibrahim Maza (2026) und Pascal Klemens (2026), die bereits vor einem Jahr Bundesliga-Offerten hatten. Das wird schwer genug, zumal Maza, der aktuell Joker ist, in diesen Wochen mit seinen Einsatzzeiten nicht komplett zufrieden ist. Die auslaufenden Verträge von Deyovaisio Zeefuik und Peter Pekarik sollen nicht verlängert werden. Mit Jeremy Dudziak, dessen Kontrakt sich nur im Aufstiegsfall um ein Jahr verlängert hätte, sind Gespräche geplant. Möglich, dass die Top-Verdiener Marc Oliver Kempf und Jonjoe Kenny im Sommer gehen, um das Gehaltsbudget zu entlasten. Der offensive Mittelfeldspieler Bence Dardai wechselt ablösefrei zum VfL Wolfsburg. Mainz-Leihgabe Aymen Barkok fehlt nach kicker-Informationen nur noch ein Startelf-Einsatz, damit die Kaufpflicht (in der 2. Liga 600.000 Euro Ablöse) greift.

Saison 2023/24

Für die ausgeliehenen Wilfried Kanga (Standard Lüttich), Suat Serdar (Hellas Verona), Myziane Maolida (Hibernians Edinburgh) und Kelian Nsona (MSK Zilina) sucht Hertha Abnehmer. Serdar etwa wäre für die Problemzone zentrales Mittelfeld sportlich ein Gewinn, aber sein Gehalt kann sich Hertha in der 2. Liga nicht leisten. Der an Drittligist Halle ausgeliehene Rechtsverteidiger Julian Eitschberger ist für die neue Saison fest eingeplant. Intern ist klar: Auf der Sechs und auf Rechtsaußen will sich Hertha verstärken. Im vergangenen Sommer über Wochen auf den Transfer von Wunsch-Sechser Diego Demme (SSC Neapel) zu hoffen, während andere Optionen vom Markt verschwanden und Hertha einen Fehlstart hinlegte, war eine strategische Fehleinschätzung von Sportdirektor Benjamin Weber.

Wer ist 2024/25 Trainer?

Pal Dardai

Gespräche im Sommer: Trainer Pal Dardais Zukunft ist derzeit noch offen.
IMAGO/DeFodi

Das ist die Schlüsselfrage. Der Vertrag von Pal Dardai, der im April 2023 seine dritte Amtszeit als Hertha-Coach antrat, endet zum 30. Juni. “Im Sommer wird mit mir gesprochen”, sagte Dardai am Sonntag bei Sky. “Der Verein muss sich mit anderen Trainern beschäftigen, das ist normal. Wenn Pal es nicht macht, muss es jemand anderes machen.” Über die Bewertung der Saison gehen auch intern die Ansichten auseinander. Dass Dardai unter schwierigen Voraussetzungen das Team stabilisiert hat und anders als Mit-Absteiger Schalke trotz des Fehlstarts nie in die Bredouille kam, wird ihm hoch angerechnet. Die Durchlässigkeit für die Eigengewächse ist extrem hoch. Dardai ist in der Öffentlichkeit Herthas Gesicht, andere treten nach außen kaum in Erscheinung. Allerdings war aus Sicht einiger Verantwortlicher sowohl in der Liga als auch im DFB-Pokal (Viertelfinal-Aus gegen Kaiserslautern) mehr möglich.

Vor Wochen wurde intern auch das Modell diskutiert, Dardais Staff in der neuen Saison mit einem weiteren Co-Trainer zu verstärken. Die ergebnisoffene Debatte hält an. Sportdirektor Benjamin Weber muss in den kommenden Wochen eine Entscheidung treffen und für Klarheit sorgen. Ex-Hertha-Profi Maik Franz brachte es am Wochenende in einem kicker-Interview auf den Punkt: “Die beiden Schlüsselfragen, die Weber beantworten muss, sind: Für welchen Fußball will Hertha inhaltlich stehen? Und mit welchem Trainer ist die Wahrscheinlichkeit auf diese Art Fußball und in der Folge auf Erfolg am größten? Pal Dardai hat Legenden-Status im Verein. Aber Verdienste der Vergangenheit dürfen bei der Bewertung der Gegenwart keine Rolle spielen. Der Berliner Weg, hinter dem ich bedingungslos stehe, ist der einzige Weg in die Zukunft. Sieben, acht oder noch mehr Eigengewächse im Spieltagskader – das ist überragend. Aber der Berliner Weg ist nicht an einzelne Personen gekoppelt. Er ist ein Leitbild für den ganzen Klub.”

Die Informationen der Bild, dass sich Hertha mit Nürnberg-Coach Cristian Fiel beschäftigt, decken sich mit kicker-Informationen. Vor allem Andreas “Zecke” Neuendorf, Herthas Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich, soll viel von Fiel halten. Allerdings ist er nur einer von mehreren Kandidaten, die Hertha im Blick hat – und steht in Nürnberg noch bis 2025 unter Vertrag.

Wie steht es um die Finanzen?

Auch wenn Hertha zuletzt ein positives Betriebsergebnis (EBITDA) für 2023/24 ankündigte, bleibt die Lage angespannt. Gesamteinsparungen bei Personal- und Sachkosten in Höhe von kumuliert 70 Millionen Euro zeigen Wirkung. Der Klub hat nach eigenen Angaben zinstragende Verbindlichkeiten in Höhe von 25 Millionen Euro zurückgeführt. Klar ist aber auch: Der Klub hängt seit mehr als einem Jahr am Tropf des US-Investors 777 Partners, der seit März 2023 78,8 Prozent der Anteile an der KG hält. Das US-Private-Equity-Unternehmen hat mit der Anfang April vorzeitig geleisteten 22-Millionen-Euro-Tranche 75 Millionen des zugesagten Invest-Volumens von 100 Millionen Euro bezahlt. Neben der für die aktuelle Saison gestundeten Stadionmiete, die Hertha zurückzahlen muss, ist vor allem die im Herbst 2025 fällige Rückzahlung der 40-Millionen-Euro-Anleihe (Nordic Bond) ein herausfordernder Posten.

Ralf Huschen, seit 2019 Finanzgeschäftsführer bei Liga-Konkurrent SC Paderborn und auch Mitglied im Aufsichtsrat der DFL GmbH, ist sich mit Hertha über einen Wechsel in die Hauptstadt einig. Vor allem Huschens Expertise hatte dafür gesorgt, dass der SCP so unbeschadet wie nur wenige deutsche Profi-Klubs durch die Corona-Zeit kam. Zudem sorgte er bei den Ostwestfalen für eine signifikante Steigerung der Einnahmen – ein Feld, auf dem bei Hertha noch immer vieles brach liegt. Eine Ablöse will Hertha für Huschen, der in Berlin als Chief Financial Officer (CFO) einsteigen soll, nicht zahlen. Den Aufstieg 2024/25 nennen die Hertha-Bosse um Geschäftsführer Thomas E. Herrich “alternativlos”.

Über den Ausgang des aktuellen Lizenzierungsverfahrens ließ der Hauptstadtklub bislang nichts verlauten. Im Vorjahr musste Hertha nachsitzen und zittern – und rettete sich auch dank der Verlängerung der 40-Millionen-Anleihe zu horrenden Zinskonditionen über die Ziellinie. Auch diesmal, so ließen sich gut informierte Quellen am Wochenende vernehmen, erhält Hertha die Lizenz offenbar nur unter Auflagen – und muss auch im Zusammenspiel mit den Banken nachjustieren.

Steffen Rohr

Franz: “Der KSC macht sich unnötig eine Baustelle auf”

Er kennt und mag beide Klubs. Vor dem Zweitliga-Duell zwischen dem Karlsruher SC und Hertha BSC am Sonntag spricht Ex-Profi Maik Franz im kicker-Interview über die Ausgangslage, die Torjäger, die Situation der Trainer und die Perspektive beider Vereine.

Sitzt beim Freundschaftsduell zwischen dem KSC und Hertha BSC zwischen den Stühlen: Maik Franz.

Sitzt beim Freundschaftsduell zwischen dem KSC und Hertha BSC zwischen den Stühlen: Maik Franz.

IMAGO/foto2press

Mit dem KSC gewann Maik Franz 2007 die Zweitliga-Meisterschaft, mit Hertha BSC 2013. Bei beiden Klubs stand er jeweils drei Jahre unter Vertrag, beide verfolgt er noch immer intensiv. Der 42-jährige TV-Experte und kicker-Kolumnist, der in 192 Bundesliga- und 40 Zweitligaspielen als kompromissloser Verteidiger abräumte, redet Klartext über beide Klubs.

Der Karlsruher SC holte aus seinen vergangenen sieben Spielen 14 Punkte, Hertha BSC verlor nur eins der letzten neun Spiele und will am Sonntag den dritten Sieg in Serie. Kommt der Endspurt beider Klubs für ganz oben zu spät, Herr Franz?

Ja. Beide Mannschaften haben gerade einen Lauf. Aber für Platz 3 ist die Konkurrenz zu weit enteilt.

Welchem der beiden Klubs hätten Sie in dieser Saison mehr zugetraut?

Der KSC kann diese Saison als Erfolg verbuchen. Er ist in sicheren Tabellenregionen und nah am oberen Drittel. Christian Eichner holt aus dem Budget und dem Kader sehr viel raus. Hertha hat die größeren finanziellen Möglichkeiten und den breiteren Kader. Der Transfer-Sommer nach dem Abstieg war kompliziert, die ersten drei Spiele gingen verloren, im Januar hat der Tod von Präsident Kay Bernstein den ganzen Verein bis ins Mark getroffen. Das waren alles Faktoren, die ins Gewicht fielen. Trotzdem sage ich, dass Hertha mindestens fünf, sechs Punkte liegen gelassen hat. In der Liga und im DFB-Pokal (Aus im Viertelfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern, Anm. d. Red.) war mehr möglich. Haris Tabakovic ist der Top-Torjäger der 2. Liga, Fabian Reese der beste Flügelspieler, drumherum gibt es Top-Talente wie Ibrahim Maza, Marten Winkler, Derry Scherhant und weiter hinten Pascal Klemens, dazu Routiniers wie Florian Niederlechner. Hertha hat für mich die Offensive eines Aufsteigers. Aber es gab zwischendurch zu viele Ausschläge nach unten.

Offensiv sind beide Teams sehr produktiv. Hertha hat 60 Tore erzielt, der KSC 58. Was unterscheidet beide Mannschaften?

Der KSC hat etwas mehr Geschlossenheit und Kompaktheit. Hertha hat viele Waffen nach vorn und mit Winkler und Reese extremes Tempo, aber den Laden hinten lange Zeit nicht dicht bekommen.

Das Spiel ist auch das Duell der Torjäger Igor Matanovic und Haris Tabakovic. Gegen wen hätte der Innenverteidiger Maik Franz lieber gespielt?

Ich hätte beide an die Leine genommen (lacht). Beide sind große, wuchtige Spieler, die über die Physis kommen. Solche Stürmer lagen mir immer mehr als die kleinen, quirligen Typen. Für beide freut es mich. Matanovic wurde anfangs von einigen unterschätzt, er zahlt das Vertrauen mit Leistung und Toren zurück. Er ist gerade 21 geworden, er wird sich weiter steigern. Tabakovic hat eine Karriere mit Höhen und Tiefen hinter sich, und er hat nie aufgegeben. Bei Austria Wien war er schon gut. Für Hertha ist er ein Volltreffer.

Eine Choreo der Hertha-Fans beim Spiel in Berlin.

Eine Choreo der Hertha-Fans beim Spiel in Berlin.
IMAGO/Matthias Koch

Beide Klubs verbindet seit 1976 eine Fan-Freundschaft, auch am Sonntag wird es vorm und im Stadion gemeinsame Aktionen beider Fan-Lager geben. Kann man in dieser Atmosphäre als Spieler auf dem Rasen überhaupt die nötige Aggressivität entwickeln?

Klar, das geht. Natürlich bekommen die Spieler mit, was auf den Rängen los ist. Aber wenn angepfiffen ist, will jeder gewinnen. Es geht um die Mini-Hoffnung nach oben, es geht um Prämien, es geht für einige um neue Verträge, es geht für die Klubs über die Endplatzierung auch um TV-Gelder. Auf dem Platz gibt es in diesen 90 Minuten keine Freundschaft.

Der KSC macht bislang keine Anstalten, den bis 2025 laufenden Vertrag mit Trainer Christian Eichner zu verlängern. Verstehen Sie das?

Das verstehe ich nullkommanull. Er ist der Architekt dieser Mannschaft, seine Arbeit spricht seit Jahren für sich. Auch in dieser Saison ist er, als es zwischenzeitlich nicht so gut lief, trotz Gegenwind stabil stehen geblieben und hat zusammen mit der Mannschaft den Turnaround geschafft. Da macht sich der KSC unnötig eine Baustelle auf. Für mich ist Christian Eichner einer der kommenden Bundesliga-Trainer. Er bringt alles dafür mit. Dessen Abgang in Kauf zu nehmen – das muss man sich leisten können.

Pal Dardai hat Legenden-Status im Verein. Aber Verdienste der Vergangenheit dürfen bei der Bewertung der Gegenwart keine Rolle spielen.

Maik Franz

Bei Hertha ist offen, mit welchem Trainer man in die Saison 2024/25 geht. Sehen Sie mehr Argumente pro Pal Dardai oder mehr Argumente für einen Neuanfang?

Diese Saison wurde vom Klub als Übergangsjahr ausgerufen. Das geht aber nur ein Jahr. Nächste Saison ist der Aufstiegsdruck enorm. Und jedes Jahr mehr in dieser Liga macht es nicht einfacher, sondern schwerer. Das zeigt das Beispiel HSV. Sportchef Benjamin Weber ist gefordert, eine Entscheidung im Sinne des Klubs zu treffen: eine rationale, keine emotionale. Es gibt Argumente in beide Richtungen. Hertha steht nicht mehr unmittelbar am Abgrund und hat sich stabilisiert, aber in dieser Saison trotzdem eine Chance verpasst. Die beiden Schlüsselfragen, die Weber beantworten muss, sind: Für welchen Fußball will Hertha inhaltlich stehen? Und mit welchem Trainer ist die Wahrscheinlichkeit auf diese Art Fußball und in der Folge auf Erfolg am größten? Pal Dardai hat Legenden-Status im Verein. Aber Verdienste der Vergangenheit dürfen bei der Bewertung der Gegenwart keine Rolle spielen. Der Berliner Weg, hinter dem ich bedingungslos stehe, ist der einzige Weg in die Zukunft. Sieben, acht oder noch mehr Eigengewächse im Spieltagskader – das ist überragend. Aber der Berliner Weg ist nicht an einzelne Personen gekoppelt. Er ist ein Leitbild für den ganzen Klub. Und um ehrlich zu sein: Dass mit Bence Dardai ausgerechnet ein Sohn des Trainers seinen Ausbildungsklub, dem es finanziell alles andere als gut geht, ablösefrei Richtung Wolfsburg verlässt, hat mich schon irritiert.

Hertha steckt nach Jahren des Größenwahns mitten in der Sanierung, beim KSC beenden die Routiniers Lars Stindl, Jerome Gondorf und Daniel Brosinski nach dieser Saison ihre Karrieren. Welchen der beiden Klubs sehen wir früher wieder in der Bundesliga?

Ich wünsche es beiden, aber Hertha hat wirtschaftlich den größeren Aufstiegsdruck. Falls der Aufstieg jetzt nicht gelingt, bin ich gespannt, ob Top-Spieler wie Reese und Tabakovic im Sommer zu halten sein werden. Beim KSC laufen 15 Verträge aus, im Sommer geht viel Erfahrung von Bord. In der nächsten Saison sportlich und hierarchisch eine gut funktionierende Truppe hinzustellen, das wird eine anspruchsvolle Aufgabe. Umso mehr wundert mich das Zögern der Bosse in der Trainer-Personalie.

Ihr Tipp für das Spiel am Sonntag?

Tore fallen auf jeden Fall (lacht). Ich sage 2:2.

Interview: Steffen Rohr

Interview: Steffen Rohr

Knieprobleme: Fragezeichen hinter Karbownik

Hertha BSC will am Sonntag beim Karlsruher SC den dritten Sieg in Folge landen. Ein Fragezeichen steht noch hinter dem Mitwirken von Linksverteidiger Michal Karbownik.

Hertha bangt um den Einsatz von Michal Karbownik.

Hertha bangt um den Einsatz von Michal Karbownik.

IMAGO/Contrast

Die Berliner, mit acht Punkten Rückstand auf den Liga-Dritten Fortuna Düsseldorf noch immer in Lauerstellung, wollen beim KSC einen ähnlich intensiven, schlüssigen Vortrag wie zuletzt gegen Hansa Rostock (4:0) abliefern – und das vorzugsweise in unveränderter Formation. Zwei Fragezeichen gibt es allerdings noch – ein kleines hinter Mittelfeldspieler Aymen Barkok, ein etwas größeres hinter Linksverteidiger Michal Karbownik. Mainz-Leihgabe Barkok war in der ersten Wochenhälfte durch einen Infekt gehandicapt, er konnte am Freitag aber das Mannschaftstraining absolvieren und wird wohl dabei sein. Karbownik klagt nach einem Schlag über Knieprobleme. “Da müssen wir abwarten”, sagte Hertha-Coach Pal Dardai in der Spieltagspressekonferenz am Freitag. “Aber wir sind sehr optimistisch.”

Sollte Karbownik, der teuerste Neuzugang des vergangenen Sommers, ausfallen, würde nach Lage der Dinge der zuletzt als Sechser überzeugende Deyovaisio Zeefuik links in die Viererkette rücken. Im defensiven Mittelfeld käme dann vermutlich Pascal Klemens zum Zug.

Das Eigengewächs hatte wegen Ohrenproblemen (nach einem Schlag auf den Kopf) das Rostock-Spiel verpasst, bekam zu Beginn dieser Woche von der medizinischen Abteilung aber grünes Licht für die Rückkehr ins Training. “Ich hoffe, dass Deyo im Zentrum spielen kann”, sagte Dardai, der große Stücke auf den Gegner hält. “Karlsruhe ist eine Mannschaft, mit der der Trainer seit ein paar Jahren zusammenarbeitet. Anfang der Saison nach den Königstransfers Stindl und Zivzivadze (kam bereits im Januar 2023, d. Red.) hab’ ich sie ganz oben erwartet. Es wird schwierig genug für uns. Trotzdem haben wir mit dem Stab, der Führung und den Spielern drei Siege als Ziel ausgerufen.”

Nach den Erfolgen in Paderborn (3:2/A) und gegen Rostock soll der dritte Sieg am Stück her – etwas, was es für Hertha in der Bundesliga zuletzt 2019 unter Ante Covic gab (5.-7. Spieltag 2019/20) und in der Zweiten Liga zuletzt in der Aufstiegssaison 2012/13 unter Jos Luhukay. Seinerzeit gelangen sogar vier Siege in Serie (30.-33. Spieltag).

Fan-Freundschaft und gemeinsame Choreographie

Umrahmt wird die Begegnung der beiden Klubs, die seit 1976 eine Fan-Freundschaft pflegen, von zahlreichen Sonderaktionen. Ein gemeinsamer Fanmarsch zum Stadion, eine gemeinsame Choreographie der beiden Fan-Lager im Stadion, ein Fanfest, Stadiontouren für die Hertha-Fans bereits am Samstag, kostenfreie Rikscha-Touren durch Karlsruhe, Freigetränke in diversen Lokalen gegen die Vorlage eines Tickets – das “Freundschaftsspiel”, zu dem 5000 Hertha-Fans anreisen wollen, wird das ganze Wochenende über gelebt.

Im Spiel selbst ruht die Freundschaft. Dardai, dessen Team nach Düsseldorf (63) die meisten Tore der Liga geschossen hat (60), hofft auch gegen den Ball auf eine ähnliche Entschlossenheit wie gegen Hansa. “Wir haben die letzten drei, vier Wochen die Trainingsmethoden etwas geändert”, sagte der Coach. “Sehr viel Eins-gegen-eins, sehr körperbetont, sehr viel Mann gegen Mann. Man könnte sagen, das ist altmodisch. Aber es wirkt.”

Gegen Rostock stand nach elf Liga-Spielen mit mindestens einem Gegentor erstmals wieder die Null. Jetzt will Herthas Defensive auch die Karlsruher Torfabrik, die in der Rückrunde zu Hause gegen Magdeburg (7:0) und Fürth (4:0) und auswärts beim HSV (4:3) und in Kaiserslautern (4:0) hochtourig produzierte, für 90 Minuten stilllegen. “Es wird ein gutes Spiel und ein guter Gegner”, so Dardai. “Es wird schwierig genug für uns.” Packen wollen sie es trotzdem.

Steffen Rohr

Kempf: “Ich gehe wieder gern zur Arbeit”

Er kam im Januar 2022 vom VfB Stuttgart – und erlebte bei Hertha BSC eine lange Achterbahnfahrt. Im kicker spricht Marc Oliver Kempf (29) jetzt offen wie vielleicht nie zuvor über Tiefs, seinen geplatzten Italien-Transfer und Veränderungen in seinem Leben und seiner Einstellung zum Beruf.

Die Erwartungen bei der Verpflichtung des neuen Abwehrspielers waren klar. “Er wird uns mit seiner Präsenz, seinen Führungsqualitäten und seiner Mentalität in jedem Fall weiterhelfen”, sagte Herthas damaliger Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic im Januar 2022 über Marc Oliver Kempf, den er vom VfB Stuttgart nach Berlin gelotst hatte. Was folgte, bringt Kempf mehr als zwei Jahre später auf den Punkt: “Es war Achterbahn pur.”

Der U-19-Europameister von 2014 und U-21-Europameister von 2017 fand lange Zeit nicht zur erhofften Beständigkeit – in einem turbulenten Umfeld. Nach dem Abstieg 2023 wollte er weg und musste Ende August, als Leicester City und vor allem Udinese Calcio ernst machten, bleiben. Interviews zählen nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Für dieses nimmt er sich nach einer Trainingseinheit mit Überlänge Zeit, antwortet reflektiert und spart kein Thema aus. Kempf spricht vor dem Spiel beim Karlsruher SC am Sonntag mit dem kicker über …

… das 4:0 gegen Hansa Rostock, bei dem Hertha nach elf Liga-Spielen mit Gegentoren erstmals wieder zu Null spielte: “Jeder war gierig gegen den Ball, jeder hat nach hinten mitgearbeitet. Wenn einer nicht den Ball gewonnen hat, kam ihm der zweite Mann zu Hilfe. Das haben wir bis auf die zehn Minuten nach der Pause das ganze Spiel durchgezogen. Dadurch haben wir Hansa nicht ins Spiel kommen lassen.”

… den Punkt, an dem Herthas Mannschaft gerade ist: “Verglichen mit den ersten Rückrunden-Wochen sind wir im Aufwärtstrend. Wir holen jetzt die Punkte, die wir vorher – zum Beispiel zu Hause gegen Kiel (2:2 nach 2:0, d. Red.) – liegen gelassen haben. In Paderborn hatten wir lange Probleme und haben am Ende einen ekligen Sieg geholt, das gehört dazu. Gegen Rostock hat fußballerisch vieles gepasst.”

Meine Herangehensweise an meinen Beruf hat sich geändert. Ich lasse gewisse Dinge nicht mehr so nah an mich heran wie früher.

Marc Oliver Kempf

… den Blick auf Platz 3: “Natürlich hat man die Tabelle im Blick. Es wird sehr, sehr schwierig, es müsste alles für uns laufen, aber rechnerisch ist es immer noch möglich, auf Platz 3 zu rutschen. So lange das so ist, sollte jeder die Hoffnung haben.”

… die bisherige Saison: “Nach den ersten drei Spielen mit null Punkten und null Toren hätte man vermutlich eher gedacht, dass wir nach unten aufpassen müssen. Aber wir haben dann relativ schnell den Turnaround geschafft. Und am Ende muss man sagen, dass wir ein paar Punkte verschenkt und zu wenig haben. Drei, vier Punkte mehr wären auf jeden Fall möglich gewesen. Hätten wir die, würden wir noch ganz anderen Druck auf Platz 3 machen können.”

… zwei Linksfüßer in der Innenverteidigung mit ihm und Marton Dardai: “Es ist für mich nicht völlig ungewohnt, rechts in der Innenverteidigung zu spielen. Letzte Saison gegen Dortmund war das mal der Fall. Es ändert sich für den Spielaufbau nicht so viel. Bei zwei Linksfüßern in der Innenverteidigung wird nachgefragt, bei zwei Rechtsfüßern nicht (schmunzelt). Es funktioniert mit Marton und mir. Wir verstehen uns auf dem Feld und auch privat sehr gut. Ich hoffe, dass wir zusammen weiter so performen können.”

… den Staubsauger und Ballfresser Deyovaisio Zeefuik auf der Sechs: “Er ist ein wichtiges Element. Wenn’s gegen den Ball geht, ist Deyo gut und gierig. Manchmal geht er bis an die Grenze des Erlaubten, aber er macht das gut auf der Position.”

… seine Reservisten-Rolle in den Wochen vor dem Rostock-Spiel: “Von meinem Anspruch will ich jedes Spiel starten. Aber ich konnte es verstehen. Ich war nach dem Fürth-Spiel Mitte Februar (zwei Tore beim 2:1-Sieg, dann Bänderanriss, d. Red.) fünf Wochen raus. Das zog sich länger hin als gedacht. Als ich zurück kam, gewann die Mannschaft gegen Schalke 5:2 und spielte gegen Nürnberg unentschieden. Dass du dann als Trainer nicht viel änderst, ist klar. Manchmal ist es hart, aber ich bin keiner, der dann böses Blut in die Mannschaft bringt. Es war auf meiner Liste, das Gespräch mit dem Trainer zu suchen und ihn zu fragen, wo ich gerade stehe und wie er mich sieht, aber dann drehte es sich für mich Richtung Rostock-Spiel.”

Kempf: “Ich bin jetzt absolut klar im Kopf.”

… Pal Dardais Kritik (“Wir kriegen zu viele Gegentore, und Kempfi ist leider oft dabei gewesen.”) im Januar nach dem 2:2 gegen Düsseldorf: “Früher habe ich mir den Kopf darüber mehr zerbrochen. Wenn man jünger ist, rattert es im Kopf noch etwas mehr. Die zwei Situationen gegen Düsseldorf haben der Trainer und ich in einem Gespräch besprochen. Man hat in den Wochen danach gesehen, dass mich das nicht aus der Bahn geworfen hat. Meine Reaktion kam im Training und in den Spielen.”

… seine über längere Zeit schwankenden Leistungen: “Ich hatte bis in die Vorrunde hinein keine einfache Zeit in Berlin. Wenn’s einem persönlich nicht so gut geht, wirkt sich das auch auf die Arbeit aus. Ich habe im Winter ein paar Entscheidungen getroffen, die richtig waren und die mir geholfen haben. Ich habe den Berater gewechselt, ich hatte das Gefühl, ich brauche jemanden Neues an meiner Seite. Ich habe in Richtung Wintertransferperiode intern frühzeitig gesagt, dass ich bleiben will. Und es gab noch ein, zwei Punkte mehr, wo ich etwas verändert habe. Ich bin jetzt absolut klar im Kopf.”

… seine Zusammenarbeit mit einem Psychologen: “Das hat mir eine Zeit lang sehr geholfen. Im Kern ging es darum, sich nicht zu sehr von seiner Emotionalität leiten zu lassen. Aber in letzter Zeit gab es keine Coachings mehr. Ich kann all das, was mich beschäftigt, wieder mehr im Privaten leben. Ich bin raus aus meinem Loch. Ich schaue nur noch nach vorn und will mehr solche Leistungen zeigen wie gegen Rostock. Meine Herangehensweise an meinen Beruf, an den Sport hat sich geändert. Ich lasse gewisse Dinge nicht mehr so nah an mich heran wie früher.”

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… den Sommer 2023, in dem er weg aus Berlin wollte, und Hertha BSC Ende August sein Veto gegen einen Wechsel zu Udinese Calcio einlegte: “Das war keine leichte Phase für mich. Es hat mich schon ein paar Wochen runtergezogen. Hertha hatte die Befürchtung, auf die Schnelle keinen Ersatz mehr zu bekommen. Es war das gute Recht des Klubs, so zu handeln. Trotzdem war ich ein bisschen enttäuscht über die Gesamtsituation. Und natürlich war den ganzen Sommer über zu spüren, dass der Markt seit Corona schwieriger geworden ist.”

… seine bisherige Zeit bei Hertha: “Es war Achterbahn pur. Der Start war sportlich und menschlich nicht so leicht. Ich kam aus Stuttgart und einer tollen Kabine. Das lief hier schon etwas anders. Ich habe relativ lange gebraucht, um mich hier wohlzufühlen und mich zu Hause zu fühlen. Ich hatte auch mit mir selber ein paar Probleme. Das alles hat nach dem Abstieg dazu geführt, dass ich im vergangenen Sommer gesagt habe, ich möchte Berlin verlassen. Im Winter habe ich Benjamin Weber (Sportdirektor, d. Red.) dann klar gesagt, dass ich bleiben will. Es entsteht gerade etwas, es sind neue Typen in der Mannschaft, eine andere Atmosphäre, ein Umfeld, das wieder Spaß macht. Es ist familiärer geworden. Ich gehe wieder gern zur Arbeit.”

Es gibt keinen Masterplan und keine Exit-Strategie für den Sommer. Ich hätte kein Problem damit, in Berlin zu bleiben.

Marc Oliver Kempf

… seine Strategie für den Sommer: “Ich habe für den Sommer keine Strategie. Meine Strategie ist, den Tag zu leben und nicht zu viel an morgen zu denken. Was der Klub vorhat, muss man sehen. Ich habe keine Fluchtgedanken. Ich fühle mich mittlerweile wohl in Berlin, meine Familie fühlt sich wohl.”

… den Reiz eines Wechsels ins Ausland: “Das Ausland ist seit dem Anfang meiner Karriere für mich ein Thema. Irgendwann dahin zu gehen und etwas Neues zu erleben, ist weiter ein Traum von mir. Aber nochmal: Es gibt aktuell keinen Masterplan und keine Exit-Strategie für den Sommer. Ich hätte kein Problem damit, in Berlin zu bleiben.”

… Herthas Berliner Weg und die Perspektive des Klubs: “Hertha ist ein großer Klub mit einer Riesen-Tradition, einer tolle Fan-Base und einem Super-Stadion. Was gerade passiert, macht Mut und Lust auf mehr. Der Klub wird wieder positiv wahrgenommen, es ist eine Euphorie entstanden, die tragen kann. Selbst wenn es dieses Jahr nicht für den Aufstieg reichen sollte, sehe ich für den Verein eine positive Zukunft. Es muss in dem Stil wie jetzt weitergehen. Es darf kein Harakiri mehr geben. Aber ich glaube, das wissen alle.”

Steffen Rohr

Huschen: Herthas Ablösepoker mit Paderborn läuft

Mit dem Wunschkandidaten ist alles klar, mit dessen aktuellem Arbeitgeber läuft der Poker: Ralf Huschen, als Finanzgeschäftsführer aktuell noch in Diensten des SC Paderborn, steht vor einem Wechsel zum Liga-Konkurrenten Hertha BSC.

Hertha BSC steht vor der Verpflichtung von Ralf Huschen als CFO.

Hertha BSC steht vor der Verpflichtung von Ralf Huschen als CFO.

IMAGO/Picture Point

Drei Kandidaten waren am Ende in Berlin in der engeren Wahl, Ralf Huschen machte das Rennen – und soll zeitnah den anspruchsvollen Job als Chief Financial Officer (CFO) beim Hauptstadtklub antreten. Ein entsprechender Bericht des Westfalen-Blatts deckt sich mit kicker-Informationen. Mit Hertha hat sich Huschen auf eine Zusammenarbeit verständigt, zwischen den Klubs laufen derzeit die Gespräche über die Ablösemodalitäten. Huschen, seit 2019 in Diensten des SC Paderborn, hat bei den Ostwestfalen einen unbefristeten Vertrag.

Bei Hertha war die Stelle des Finanzgeschäftsführers seit dem Abgang von Ingo Schiller im Oktober 2022 unbesetzt. Geschäftsführer Thomas E. Herrich, dessen Vertrag das Präsidium im Januar bis Ende 2026 verlängert hatte, ist Rechtsanwalt und Diplom-Betriebswirt, er kommt nicht aus dem Banken- und Finanzsektor. Huschen soll den unter Herrich eingeschlagenen Sanierungskurs fortsetzen. Am Dienstag hatte der Klub ein positives Betriebsergebnis für das Geschäftsjahr 2023/24 angekündigt.

Der positive Ausblick auf das EBITDA – eine Kennzahl vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – täuscht aber nicht darüber hinweg, dass auch 2023/24 unterm Strich ein Jahresminus stehen wird. Nach dem Rekord-Minus von 99,1 Millionen Euro in 2022/23 wird für das laufende Geschäftsjahr ein Defizit von knapp 25 Millionen Euro erwartet.

Eine der Herausforderungen, die in Berlin auf Huschen warten, wird die Rückzahlung der Nordic-Bond-Anleihe im November 2025 sein. Der Klub hatte vor knapp einem Jahr im Zuge des Kampfs um die Zweitliga-Lizenz die 40-Millionen-Anleihe zu deutlich erhöhten Zinssätzen verlängert. US-Investor 777 Partners hatte die vertraglich erst für Ende Mai fixierte 22-Millionen-Euro-Tranche zuletzt vorzeitig überwiesen. Damit hat das US-Private-Equity-Unternehmen, das 78,8 Prozent der Anteile an der Hertha KG hält, drei Viertel des vereinbarten Investitions-Volumens von 100 Millionen Euro gezahlt. Die restlichen 25 Millionen Euro sollen im Verlauf der Saison 2024/25 fließen.

Steffen Rohr

Bangen um Barkok: Reicht’s bis Sonntag?

Vor dem Auswärtsspiel beim Karlsruher SC am Sonntag bangt Hertha BSC um den Einsatz von Aymen Barkok. Auch am Mittwoch ging das Mannschaftstraining ohne die Mainz-Leihgabe über die Bühne.

Herthas Aymen Barkok plagt sich mit einem Infekt.

Herthas Aymen Barkok plagt sich mit einem Infekt.

IMAGO/Beautiful Sports

Als seine Kollegen am Mittwochmittag nach ihrer nichtöffentlichen Trainingseinheit mit Überlänge zurück zur Kabine liefen, hatte Aymen Barkok bereits Schichtschluss. Ab ins Auto, runter vom Olympiaparkgelände und Hoffen auf Besserung: Den zentralen Mittelfeldspieler, den Hertha BSC im Januar von Bundesligist Mainz 05 ausgeliehen hatte, hat in der ersten Wochenhälfte ein Infekt matt gesetzt.

Immerhin: Anders als am Dienstag konnte Barkok am Mittwoch mit Athletik- und Reha-Trainer Hendrik Vieth bereits wieder individuell auf dem Platz arbeiten. Da der Liga-Sechste erst am Sonntag ran muss, hat Hertha berechtigte Hoffnung, dass Barkok, der in Berlin bislang auf elf Liga-Einsätze (neun davon in der Startelf) kommt, bis zum KSC-Spiel komplett hergestellt ist.

Da Pascal Klemens, der gegen Hansa Rostock (4:0) wegen Schmerzen am Ohr nach einem Schlag auf den Kopf gefehlt hatte, am Dienstag ins Mannschaftstraining zurückkehrte, hat Trainer Pal Dardai am Wochenende im zentralen Mittelfeld aller Voraussicht nach die Qual der Wahl – zumal sich Fleißarbeiter Deyovaisio Zeefuik gegen Hansa für weitere Startelf-Einsätze empfahl. Ausfallen werden beim KSC wie bereits zuletzt Peter Pekarik (muskuläre Probleme), Smail Prevljak und Gustav Christensen (beide Knieprobleme). Fraglich für Sonntag ist aktuell Jeremy Dudziak. Neben Rückenproblemen macht dem Allrounder nach kicker-Informationen inzwischen auch ein Magen-Darm-Infekt zu schaffen.

Steffen Rohr

22-Millionen-Tranche von 777 vorzeitig bei Hertha eingegangen

Zweitligist Hertha BSC steuert erstmals seit Jahren auf ein positives Betriebsergebnis (EBITDA) zu. Ein wichtiges Puzzlestück: die vertraglich erst für den 31. Mai 2024 fixierte 22-Millionen-Euro-Tranche von Investor 777 Partners ging bereits Anfang April ein.

Steuert auf ein positives Betriebsergebnis (EBITDA) zu - und das nach Jahren: Zweitligist Hertha BSC.

Steuert auf ein positives Betriebsergebnis (EBITDA) zu – und das nach Jahren: Zweitligist Hertha BSC.

IMAGO/Jan Huebner

Mit Blick auf das erwartete positive Betriebsergebnis erklärte Hertha-Geschäftsführer Thomas E. Herrich in einer am Dienstagnachmittag publizierten Pressemitteilung des Klubs: “Dem Ziel, unseren Haushalt zu sanieren, ist Hertha BSC damit einen großen Schritt nähergekommen. 777 hat den eingeschlagenen Kurs mit einem Eigenkapitalinvestment von bislang 75 Millionen Euro unterstützt und steht voll hinter unserem Berliner Weg.”

Die Anfang April und damit fast zwei Monate vor dem vertraglichen Zahlungstermin bei Hertha eingegangene Tranche in Höhe von 22 Millionen Euro vergrößert die Planungssicherheit für den Klub, dessen harter Sanierungskurs Früchte trägt – und hilft vor allem bei der Eigenkapitalquote.

Damit hat Hertha-Investor 777 Partners, der seit März 2023 78,8 Prozent der KG-Anteile hält, bisher 75 Millionen Euro investiert. Beim Einstieg des US-Private-Equity-Unternehmens war ein Gesamtinvest-Volumen von 100 Millionen Euro vereinbart worden. Die fehlenden 25 Millionen Euro sollen – nach kicker-Informationen gesplittet – im Laufe der Saison 2024/25 fließen. Hertha BSC hat seit der Rückrunde 2022/23 in mehreren Stufen konsequent die gesamte Kostenstruktur reduziert und nach eigenen Angaben im Bereich der Personal- und Sachkosten Gesamteinsparungen von mehr als 70 Millionen Euro erzielt. Das Jahresergebnis soll sich in der laufenden Spielzeit insgesamt um über 75 Millionen Euro verbessern. Das operative Ergebnis für die Saison 2023/24 wird in einem einstelligen Millionenbereich liegen. Zudem hat der Klub nach eigenen Angaben zinstragende Verbindlichkeiten in Höhe von 25 Millionen Euro zurückgeführt.

Lizenzentzug 2023 verhindert

Nach finanziell irrwitzigen Jahren rückt der wirtschaftliche Turnaround damit allem Anschein nach in Sichtweite. Obwohl 777-Vorgänger-Investor Tennor mit Frontmann Lars Windhorst seit 2019 insgesamt 374 Millionen Euro in Hertha investiert hatte, stand der Klub wirtschaftlich zeitweise sehr nah am Abgrund.

Die Hertha BSC Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) hatte das Geschäftsjahr 2022/23 mit dem Rekordminus von 99,1 Millionen Euro abgeschlossen. Bereits die Bilanzen 2021/22 (Minus von 79,75 Mio. Euro), 2020/21 (Minus von 77,9 Mio. Euro) und 2019/2020 (Minus von 53,5 Mio. Euro) waren desaströs. Die eingeleitete wirtschaftliche Konsolidierung dürfte, wenn die Vorzeichen nicht täuschen, erheblich unproblematischer machen als vor Jahresfrist.

2023 hatte der Bundesliga-Absteiger mutmaßlich nur dank der 777-Gelder einen Lizenzentzug verhindert. Zentraler Baustein für die Erteilung der Zweitliga-Lizenz war seinerzeit eine Verlängerung der 2018 aufgelegten 40-Millionen-Euro-Nordic-Bond-Anleihe um zwei Jahre bis November 2025 – inklusive einer Zinssatzerhöhung von 6,5 auf 10,5 Prozent pro Jahr. Als mögliches Modell gilt in Herthas Chefetage angesichts der erwarteten Zinsentwicklung am Markt eine nochmalige Verlängerung der Anleihe.

Steffen Rohr