Milik trifft mit erstem Kontakt: Juve schockt Lazio und steht im Coppa-Finale

Lazio Rom war im Rückspiel des Coppa-Halbfinals gegen Rekordsieger Juventus drauf und dran, das 0:2 aus dem ersten Vergleich wettzumachen und selbst ins Endspiel einzuziehen. Doch dann wechselte Turins Trainer goldrichtig ein.

Der Retter in großer Juve-Not: Arkadiusz Milik (re.) hat Lazio die kalte Dusche verpasst und das Finale gebucht1.

Der Retter in großer Juve-Not: Arkadiusz Milik (re.) hat Lazio die kalte Dusche verpasst und das Finale gebucht1.

IMAGO/Antonio Balasco

Das 2:0 aus dem Hinspiel in diesem Coppa-Italia-Halbfinale hatte komfortabel geklungen – zu komfortabel? Klar war: Schon früh im Rückspiel im römischen Olympiastadion, wo gewohntermaßen auch das Endspiel steigen wird, war die Hälfte des Vorsprung aufgebraucht. Die eigentlich stabile Juventus-Defensive nämlich hatte nach einer scharfen Felipe-Anderson-Ecke von der linken Seite Stürmer Castellanos nicht gut genug stören können. Der für den leicht angeschlagen nur auf der Bank sitzenden Immobile gestartete Angreifer nickte die Kugel in dieser 12. Spielminute stark rechts oben in den Winkel. Turins Keeper Perin konnte nichts dagegen ausrichten.

Und damit war eben direkt Spannung im Kessel – garniert von lautstark das Team pushenden Laziali auf den Rängen, die in Minute 44 den Torschrei für das 2:0 auf den Lippen hatten. Doch ausgerechnet 1:0-Schütze Castellanos versagten hier frei vor Perin die Nerven, seinen etwas zu ungenauen Flachschussversuch partierte der Schlussmann der Alten Dame bärenstark zur Seite.

Vlahovic lässt den Ausgleich liegen

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Insgesamt ging die Pausenführung für die plötzlich doch wieder auf einen Finaleinzug hoffenden Biancocelesti auch in Ordnung, das schon seit Wochen unter dem neuen Trainer Igor Tudor positiv weiterentwickelte Team (in der Serie A wieder mitten im Geschäft um ein internationales Ticket) war spielerisch den Tick aktiver, passsicherer, ideenreicher.

Chancen fürs von Massimiliano Allegri angeleitete Juve-Team, in dem die beiden Hinspieltorschützen Vlahovic und Chiesa wieder gemeinsam vorn starteten, gab es aber auch. So hatte Cambiaso zunächst via Flachschuss das 1:0 für seine Farben liegengelassen (8.), ehe Vlahovic mit einer Direktabnahme aus der Nahdistanz an Roms Torwächter Mandas verzweifelte (23.) und später Bremer drüber köpfte (32.).

Allegri und Milik haben den richtigen Riecher

Am Gesamteindruck, dass die Mannen aus der “Ewigen Stadt” schlicht besser drin waren an diesem Pokalabend, änderte sich auch zu Beginn der zweiten 45 Minuten nichts. Vielmehr machte hier Torjäger Castellanos seinen Fehler kurz vor dem Seitenwechsel wett, indem er nun eiskalt blieb: Nach schnellem Aufbau über Felipe Anderson und Luis Alberto war der Immobile-Vertreter frei durch, kochte robust noch Bremer ab und schloss souverän links unten zum 2:0 ab – damit war in der Gesamtrechnung ausgeglichen worden (48.).

Fortan fand die Turiner Defensivabteilung jedoch ihre Stärke wieder und ließ im Grunde gar nichts mehr anbrennen. Und weil auf der Gegenseite Vlahovic die nächsten großen Chancen auf den aus Juve-Sicht wichtigen Anschluss liegenließ (56. und 57.), tat sich der Eindruck auf, die Verlängerung würde die logische Folge sein zwischen diesen beiden Teams. Zumal sich die Mannschaften mehr und mehr egalisierten und etliche Wechsel den Spielfluss hemmten.

Valentin Castellanos

Zu früh gefreut: Lazio-Doppelpacker Valentin Castellanos war mit seinen Mannen am Ende geschlagen.
IMAGO/ZUMA Press

Allerdings sollte Alte-Dame-Coach Max Allegri mit einem dieser personellen Wechsel goldrichtig liegen – und zwar mit der Hereinnahme von Ex-Bundesliga-Akteur Milik (Augsburg und Leverkusen). Der zuletzt längere Zeit mit Adduktorenbeschwerden fehlende Stürmer nämlich war in der Schlussphase der regulären Spielzeit gekommen (83.) und sollte nur kurz darauf mit seinem ersten Ballkontakt (!) das Finalticket für seine Farben lösen. Nach zu langer Flanke des umtriebigen Kostic passte der ebenfalls gebrachte Weah rechts im Strafraum der Römer auf und die Kugel im Anschluss eher unfreiwillig genau in die Mitte zum einschussbereiten Milik, der humorlos vollstreckte (84.).

Damit war den Biancocelesti vor heimischer Kulisse die eiskalte Dusche verpasst worden, von der sie sich auch mit ihrem Joker Immobile nicht mehr erholten – und Juve konnte wenige Minuten später über das längere Zeit gefährdete und letztlich doch erreichte Coppa-Finale jubeln. Dort kommt es für die Bianconeri zum Duell entweder mit Vorjahresfinalist AC Florenz (1:2 gegen Inter) oder Atalanta Bergamo. Hier hatte es im ersten Vergleich ein 1:0 für die Fiorentina gegeben, das zweite Halbfinale steigt am Mittwoch (21 Uhr, LIVE! bei kicker).

Mancinis Kopfball reicht: Roma schlägt Lazio im Derby della Capitale

Die AS Rom hat das Derby della Capitale gegen Lazio für sich entschieden. Die Gäste kamen trotz zwischenzeitlicher Überlegenheit schlichtweg kaum zu nennenswerten Szenen vor dem Tor. Die Roma hätte mit einer ihrer Möglichkeiten derweil auch noch einen weiteren Treffer erzielen können.

Jubel bei der AS Rom nach dem Treffer zum 1:0 durch Gianluca Mancini (vorne).

Jubel bei der AS Rom nach dem Treffer zum 1:0 durch Gianluca Mancini (vorne).

IMAGO/Italy Photo Press

Roma-Trainer Daniele de Rossi, für den es nach zahlreichen Rom-Derbys als Spieler das erste als Trainer war, veränderte seine Startelf nach dem 0:0 bei US Lecce auf ganzen fünf Positionen. Celik, Llorente, Pellegrini, Dybala und El Shaarawy begannen anstelle von Karsdorp, Ndicka (fehlte wegen einer Gelbsperre ), Bove, Baldzani und Zalewski.

Lazio nahm im Vergleich zum Hinspiel im Coppa-Italia-Halbfinale bei Juventus Turin (0:2) dagegen drei Veränderungen vor. Casale, Kamada und Isaksen ersetzten Patric, Luis Alberto (beide Bank) und Zaccagni (gegen Juve wegen einer Sprunggelenksverletzung früh ausgewechselt).

Serie A, 31. Spieltag

Die Roma mit den besseren Abschlüssen

Die Partie benötigte keinerlei Eingewöhnungszeit, Paredes hatte nach nicht einmal zwei gespielten Minuten den ersten guten Abschluss, setzte den Ball jedoch nur von oben auf das Tornetz. Auf der anderen Seite gab Immobile den ersten Schuss ab, er traf jedoch nur das Außennetz (7.). In der Anfangsphase hatten die Gastgeber die besseren Toraktionen, doch Llorentes abgefälschter Abschluss fand nicht den Weg ins Tor (10.), genauso wie der Distanzschuss von Pellegrini (23.).

In der Folge wurden die Gäste immer besser. Die AS Rom hatte vor allem zunehmend Probleme mit der aggressiven Herangehensweise der Biancocelesti. Gefährliche Abschlüsse ließen sie hingegen nicht zu. Angelinos Block (27.) und Paredes’ Grätsche (38.) vereitelten die besten Ansätze der Gäste bereits im Keim.

Mancini köpft die AS zur Führung – El Shaarawy an den Pfosten

Genau in diese Phase trafen die Gastgeber zur Führung. Eine flache Hereingabe lenkte Gila zunächst beinahe ins eigene Netz (42.). Bei der anschließenden Ecke entwischte Mancini Romagnoli mit einer Körpertäuschung und köpfte aus rund zehn Metern wuchtig ein, sodass es mit einem 1:0 in die Pause ging.

Nach dem Seitenwechsel wurden die Gastgeber wieder stärker – was sich auch in den Chancen widerspiegelte. Zunächst verfehlte Pellegrini das Tor bei einem direkten Freistoß nur hauchzart (49.), ehe El Shaarawy nach einer Umschaltaktion nur den Pfosten traf (55.) und Lukaku eine Hereingabe von Cristante verpasste (58.). Die Gäste hatten weiterhin kaum gefährliche Abschlüsse auf das Tor. Castellanos’ Distanzversuch war kein Problem für Svilar (57.), Kamadas Treffer hatte wegen einer deutlichen Abseitsstellung keinen Bestand (63.).

Lazio bringt vorne nichts zustande

Anschließend wurde das Spiel immer wieder von Nickeligkeiten und vielen Zweikämpfen unterbrochen, derweil verteilte der Unparteiische einige Gelbe Karten auf beiden Seiten. Die Roma ließ sich fallen und überließ Lazio den Ball, die Biancocelesti wussten damit aber kaum etwas anzufangen. Zwei ganz schwach ausgespielte Freistoßvarianten der Gäste tief in der Nachspielzeit waren am Ende symptomatisch für die Offensivbemühungen, sodass es letztlich beim 1:0-Erfolg blieb, durch den die Giallorossi Lazio bis auf neun Punkte distanzierten und Rang fünf weiter sicherten.

Für die Roma geht es bereits am kommenden Donnerstag mit dem Auswärtsspiel bei der AC Mailand in der Europa League weiter (21 Uhr, LIVE! bei kicker), Lazio empfängt am kommende Freitag (20.45 Uhr) US Salernitana.

De Rossi vor Rom-Derby: “Die Jungs haben den Wunsch nach Rache”

Es ist das Spiel des Fünften gegen den Siebten – und doch ist es so viel mehr: Am Samstag steht mal wieder das Römer Derby an. Zuvor plauderte AS-Coach Daniele de Rossi aus dem Nähkästchen.

Will die Derby-Negativserie der Roma beenden: Daniele de Rossi.

Will die Derby-Negativserie der Roma beenden: Daniele de Rossi.

IMAGO/ABACAPRESS

Wenn man eins mit Fug und Recht behaupten kann, dann, dass Daniele de Rossi der Roma neues Leben eingehaucht hat. Waren die Giallorossi unter José Mourinho fußballerisch fast schon zu einer grauen Maus verkommen, schicken sie sich nun an, Europa zu erobern, sogar die Champions League scheint möglich.

Am Samstag tut das aber nicht viel zur Sache, da geht es nur um eins: Stadt- und Erzrivale Lazio in die Knie zwingen. “Das ist kein normales Spiel”, sagt de Rossi dann auch mit Blick auf das brisante Duell und stellt klar: “Der Stress ist nicht der gleiche wie gegen Sassuolo. Es ist etwas anderes.”

Die Formkurve spricht dabei für die Roma, die nur eines ihrer letzten zehn Spiele verloren hat; Lazio wiederum kassierte fünf Niederlagen in den vergangenen sieben Spielen – und dennoch sind die Giallorossi gewarnt, auch weil man zuletzt wettbewerbsübergreifend viermal nacheinander nicht gegen den Stadtrivalen gewinnen konnte (0/1/3) – in allen vier Partien blieb die Roma zudem ohne eigenen Treffer.

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“Die letzten Derbys waren nicht positiv”, weiß auch de Rossi, der betont: “Die Jungs haben den Wunsch nach Rache.” Der 40-Jährige gestand zugleich, dass er sich als Spieler anders gefühlt habe. “Es ist anders. Ich bin relativ ruhig, auch wenn ich mich auf das Spiel freue. Ich denke, das Alter gibt dir einen Vorteil.” Diese Ruhe will er auf seine Spieler ausstrahlen, denn darauf wird es auch ankommen. “Wir arbeiten an der Balance, wir wollen heiß sein, aber nicht überdrehen.”

De Rossi nicht beunruhigt

Gewinnen will die Roma das Spiel auch, dafür muss man aber die eigene Torflaute beenden. Zwar haben sich die Römer seit de Rossis Amtsantritt vorne signifikant verbessert, doch in den letzten drei Pflichtspielen erzielten sie gerade mal ein Tor – der 1:0-Siegtreffer im letzten Heimspiel gegen Sassuolo.

In Brighton hatte es zuvor ein 0:1 gesetzt, während man zuletzt in Lecce nur 0:0 spielte. Das Spiel in Lecce bezeichnete de Rossi “als eines der schlechtesten, das wir gespielt haben”, verwies zugleich aber auch darauf, dass man Chancen hatte. Für ihn also kein Grund zur Sorge.

Delikatessen-Steckpass und Tänzchen: Juve vor Einzug ins Finale

Coppa Italia – Highlights by DAZN 03.04.2024

Delikatessen-Steckpass und Tänzchen: Juve vor Einzug ins Finale

5:12Juvenuts Turin stößt das Tor Richtung Rom gegen Rom weit auf und dreht in der zweiten Halbzeit der Coppa Italia auf. Ein wunderschöner Pass in die Tiefe vollendet mit einem Tor von Federico Chiesa dient als Dosenöffner, den der Ex-Schalker Weston McKennie mit einem Assist auf Dusan Vlahovic zum 2:0 veredelt.

Das Finale ist nah: Chiesa und Vlahovic schießen Juve gegen Rom gen Rom

Am Ende waren die Juve-Fans versöhnt. Denn im Hinspiel des Coppa-Italia-Halbfinals gegen das nur einmal wirklich gefährliche Lazio drehten die Turiner Spieler nach der Pause auf – und zogen Rom so verdient den Zahn.

Der Dosenöffner: Juventus-Stürmer Federico Chiesa trifft im Hinspiel des Coppa-Italia-Halbfinals gegen Lazio.

Der Dosenöffner: Juventus-Stürmer Federico Chiesa trifft im Hinspiel des Coppa-Italia-Halbfinals gegen Lazio.

Getty Images

Erst am Osterwochenende im Zuge des 30. Serie-A-Spieltags hatte es diesen Vergleich gegeben: Lazio vs. Juve, Endstand 1:0 nach einem späten Treffer. Etwas mehr als 70 Stunden später kam es in Turin zur Neuauflage beziehungsweise zum Hinspiel des Coppa-Italia-Halbfinals.

Für beide Teams stand dabei viel auf dem Spiel, schließlich war für eine erfolgreiche Saison lediglich ein Pokalsieg als Rettung noch übriggeblieben – das in der Liga schlecht dastehende Lazio war zuletzt im Champions-League-Achtelfinale an Bayern gescheitert, während das in Europa aufgrund von Verfehlungen gesperrte Juventus zuletzt von neun Serie-A-Spielen nur eines gewonnen hatte.

Luis Alberto scheitert am Aluminium

Immerhin konnte die von Massimiliano Allegri trainierte Alte Dame wieder auf den zuletzt fehlenden Torjäger Vlahovic (Entzündung in der Wirbelsäule) zurückgreifen, als Teil der Offensive um Chiesa konnte der sicherlich bemühte Serbe allerdings keine großen Akzente setzen. Überhaupt kam dieses Hinspiel recht karg daher, Highlights fehlten fast über die gesamten ersten 45 Minuten. Es fehlte auf beiden Seiten gegen gut stehende Abwehrreihen an Schnelligkeit, Genauigkeit und Esprit, um wirklich Lücken zu reißen und Chancen zu generieren.

Erst in der 39. Minuten wurde es erstmals brenzlig – und zwar vor dem Kasten von Perin, der im Pokal wie gehabt für Turins eigentliche Nummer 1 Szczesny im Kasten stand. Eine Kopfballbogenlampe von Luis Alberto landete allerdings auf dem Querbalken, nicht im Netz. Auf der anderen Seite hatte es zwischenzeitlich mal zwar Elfmeter gegeben, doch der von Vecino gefoulte Cambiaso war hier aus dem Abseits gekommen. Der VAR regelte das (14.).

Chiesa ist durch, Vlahovic trickst

Am Ende der ersten Hälfte waren die Juve-Mannen dann mit einigen Pfiffen vom eigenen Anhang bedacht worden – und reagierten darauf ab Wiederbeginn mit einer deutlichen Leistungssteigerung. Plötzlich stimmten Intensität, Wille und Offensivkraft.

Der verdiente Lohn folgte sogleich in Minute 50: Nach einem simplen Flachpass von Cambiaso von weit hinten war Chiesa – auch weil die Abwehrkette der Römer nicht aufgepasst hatte – frei durch und blieb vor Lazio-Torwart Mandas eiskalt, traf ins rechte untere Eck. Und nach einem Distanzhammer von Locatelli, der knapp links vorbeizog (60.), folgte das 2:0 auf dem Fuß. Hier bediente Ex-Schalker McKennie den lauernden Vlahovic fein, woraufhin der Serbe vor dem zu passiven Gegenspieler Casale einige Übersteiger zeigte und eiskalt vollendete (64.).

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Damit war beim Duell mit den Römern das Tor gen Coppa-Finale – stets ausgetragen im Olimpico in der Hauptstadt Rom – weit aufgestoßen worden, zumal von den offensiv doch arg harmlosen Biancocelesti auch keine 1:2-Anschlussgefahr mehr ausging. Vielmehr hätten Gatti (70.) und ein Fast-Eigentor von Einwechselspieler Hysaj (85.) fast noch das 3:0 für die Norditaliener eingebracht. Zu diesem Zeitpunkt war auch das zur Pause sehr kritische Publikum wieder auf die eigene Seite gezogen, aus den Pfiffen waren längst Fangesänge geworden.

Bevor das Rückspiel zwischen den beiden Halbfinalisten ansteht (23. April), ist wieder Serie-A-Alltag angesagt: Juventus empfängt hier am Sonntag (20.45 Uhr) einen weiteren Halbfinalisten der Coppa: Die Fiorentina gastiert im Allianz Stadium. Für Lazio steht tags zuvor (18 Uhr) das Derby della Capitale an – und hier dürfte es arg spannend zugehen, da beide Hauptstadtklubs noch ums internationale Geschäft fechten.

Lazio jubelt gegen Juve in der 93. Minute: Marusic vergoldet Tudor-Debüt

Serie A – Highlights by DAZN 30.03.2024

Lazio jubelt gegen Juve in der 93. Minute: Marusic vergoldet Tudor-Debüt

4:05In seinem ersten Spiel als Lazio-Coach durchlebte Igor Tudor direkt ein Wechselbad der Gefühle. Sein Team agierte gegen Juventus lange zu harmlos in der Offensive, stach dann in der Nachspielzeit aber eiskalt zu.

In der Nachspielzeit: Marusic köpft Lazio zum Sieg gegen Juventus

Lange Zeit hat im Olimpico nahezu alles auf ein torloses Remis hingedeutet, doch in der Nachspielzeit zappelte der Ball dann doch im Netz. Marusic köpfte Lazio Rom zum Heimsieg gegen Juventus Turin.

Rein in die Maschen: Adam Marusic köpfte Lazio Rom in der Nachspielzeit zum Sieg gegen Juventus Turin.

Rein in die Maschen: Adam Marusic köpfte Lazio Rom in der Nachspielzeit zum Sieg gegen Juventus Turin.

Getty Images

Juventus, das im Vergleich zum 0:0 gegen Genua von Trainer Massimiliano Allegri auf vier Positionen verändert wurde (de Sciglio, Rugani, Rabiot und Kean für Gatti, McKennie, Kostic und Vlahovic), begann zurückhaltend, verbuchte in Minute zehn aber dennoch die erste Möglichkeit des Spiels. Nach einer Freistoßflanke von Chiesa fehlte bei Bremers Kopfball nicht viel.

Serie A, 30. Spieltag

Lazio trotz Chancenplus erfolglos

Lazio, das erstmals von Neu-Trainer Igor Tudor in ein Serie-A-Spiel geführt wurde, war besser und hatte noch vor dem Ablauf der ersten halben Stunde zahlreiche Chancen auf die Führung. So schoss Castellanos, der Immobile (Bank) ersetzte, alleine vor Szczesny ans Außennetz (21.), ehe Felipe Anderson rund fünf Minuten später aufs kurze Eck zielte, sich aber genauso wie sein Offensiv-Kollege die Zähne am polnischen Hintermann der Alten Dame ausbiss (26.).

Die Partie flachte ab und bis kurz vor der Pause waren Torgelegenheiten nur noch Mangelware. Erst als Chiesa in Minute 42 das rechte Eck anvisierte, musste sich Lazio-Keeper Mandas erstmals richtig lang machen und wischte den Versuch des italienischen Nationalspielers neben seinen Kasten. Zur Pause mussten sich vor allem die Biancocelesti ärgern, nicht schon in Führung zu liegen.

Marusic sorgt für den Lucky Punch

Um dem eigenen Offensivspiel neuen Wind einzuhauchen, stellte Juve-Coach Allegri im Zuge der Einwechslung von McKennie (für Miretti) zur Pause nicht nur auf eine Dreierkette um, sondern brachte auch Iling Junior für de Sciglio von der Bank. Der Engländer avancierte in der 52. Minute beinahe unmittelbar zum Assistgeber, doch Cambiaso konnte die punktgenaue Hereingabe nicht verwerten.

Auf weitere nennenswerte Torraumszenen warteten die Zuschauer im Olimpico vorerst vergebens, erst in der 73. Minute kam mal wieder größere Gefahr auf. Eine Vorlage des eingewechselten Immobile erreichte im Rückraum der römische Defensivspieler Marusic, doch Bremer blockte beim Rechtsschuss des Außenverteidigers entscheidend.

Da auch Joker Luis Alberto in der 87. Minute ein Verteidiger der Gäste, in diesem Fall Rugani, entscheidend im Weg stand, deutete nahezu alles auf ein torloses Remis hin. Doch die Biancocelesti hatten etwas dagegen, nutzten Juves zu passives Verteidigen eiskalt aus und trafen in Person von Marusic in der dritten Minute der Nachspielzeit zum entscheidenden 1:0.

Die Römer wahren damit den Anschluss ans internationale Geschäft – Juventus verliert Milan derweil aus den Augen. Bereits am Dienstag treffen die beiden Teams in Turin schon wieder im Halbfinal-Hinspiel der Coppa Italia aufeinander (21 Uhr).

Igli Tare im Interview: “Die meisten Probleme von Vereinen sind hausgemacht”

In Deutschland spielte Igli Tare (50) für Karlsruhe, Düsseldorf und Lautern, den Durchbruch schaffte er aber erst in der Serie A – bei Lazio prägte er zudem eine Ära als Sportdirektor. Im Interview spricht er über seine Manager-Prinzipien, den Vergleich zwischen Serie A und Bundesliga – sowie seine Vorfreude auf Albaniens Spiele bei der EM.

Im vergangenen Sommer haben Sie nach 15 Jahren als Sportdirektor bei Lazio Rom aufgehört. Wie haben Sie die Zeit seitdem genutzt, Herr Tare?

Am Anfang ganz einfach, um mich zu erholen, viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Das war enorm wichtig nach der langen kräftezehrenden Zeit bei Lazio. Unser Lebensmittelpunkt bleibt Rom, aber seit einigen Monaten bin ich wieder viel unterwegs und schaue mir in ganz Europa Fußball an. Natürlich in den großen Ligen, aber auch in Griechenland oder der Türkei.

Igli Tare in Zahlen und Fakten


  • Geboren am 25. Juli 1973 in Vlora/Albanien

  • 34 Bundesligaspiele (vier Tore) für den KSC und Kaiserslautern

  • 63 Zweitligaspiele (24 Tore) für Fortuna Düsseldorf

  • 184 Spiele in der Serie A (30 Tore) für Brescia, Bologna und Lazio Rom

  • Von 2009 bis Juni 2023 Sportdirektor bei Lazio Rom

Haben Sie sich mit einzelnen Klubs näher befasst?

Das werde ich noch. Demnächst besuche ich Pep Guardiola bei ManCity und Roberto de Zerbi in Brighton. Auf diese Einblicke bin ich sehr gespannt.

In italienischen Medien wurde kolportiert, Sie hätten wegen Differenzen mit Klubchef Claudio Lotito bei Lazio Schluss gemacht.

Das stimmt nicht. Ich hatte intern schon mit mehr als einer Saison Vorlauf angekündigt, meinen auslaufenden Vertrag nicht mehr zu verlängern, weil ich eine Pause brauchte. Lazio dann auf Top-Niveau zu hinterlassen, als Vizemeister und Champions-League-Teilnehmer, war mir extrem wichtig. Als ich angefangen habe, sah das schließlich ganz anders aus, sportlich und finanziell.

Könnten Sie bei einem anderen Klub je wieder diese Identifikation aufbauen wie bei Lazio, wo Sie als Spieler ja sogar schon 2005 begonnen haben.

Lazio wird natürlich immer etwas Besonderes bleiben in meinem Leben. Aber für meine Identifikation mit der täglichen Arbeit macht das keinen Unterschied. Ich liebe Fußball, das Entwickeln von Spielern, Mannschaften und Vereinen. Wenn das Projekt stimmt, bin ich hochmotiviert, überall zu arbeiten.

Ein Manager sollte seinen Klub immer ganzheitlich im Auge haben.

Wie müsste dieses Projekt aussehen, um Sie zu reizen?

Ein Verein sollte schon hohe Ambitionen haben, möglichst um die internationalen Plätze mitspielen wollen. Aber genauso wichtig ist mir, diese Ziele auf nachhaltige, wirtschaftlich gesunde Art zu erreichen. Spieler relativ günstig zu holen und nach einiger Zeit zu deutlichen höheren Preisen wieder abzugeben, war über Jahre der große Antrieb und die Basis unserer kontinuierlichen Entwicklung bei Lazio. Auch wenn ein Manager in erster Linie für den Erfolg der Profis zuständig ist, sollte er seinen Klub immer ganzheitlich im Auge haben.

Das bedeutet?

Eine gut funktionierende Akademie halte ich für wesentlich. In meiner Zeit haben bei Lazio insgesamt 49 Spieler den Sprung aus der eigenen Jugend in den Profikader geschafft. Die haben sich dort nicht alle dauerhaft durchgesetzt, sind teils auch in der 2. oder 3. Liga gelandet. Aber eine gute Nachwuchsarbeit im eigenen Klub bildet ein unschätzbares Faustpfand: Sportlich, wirtschaftlich und kulturell. Übrigens auch mit Blick auf die Ausbildung von Trainern.

Sie denken an Simone Inzaghi, der von 2016 bis 2021 Cheftrainer war …

Er ist ein Musterbeispiel. Simone war 11 Jahre als Profi bei Lazio, danach sieben Jahre als Coach in der Akademie tätig – und kommt in der Serie A auf die bislang längste Amtszeit aller Lazio-Trainer.

Klose als Cheftrainer? Da bin ich gespannt.

Kürzlich übernahm bei Lazio Igor Tudor als Nachfolger von Maurizio Sarri. Zuvor hatte auch Miro Klose seine Bereitschaft erklärt, den Sie einst als Spieler zu Lazio holten. Trauen Sie ihm als Cheftrainer eine ähnliche Karriere zu?

Miro war einer der intelligentesten Spieler, die ich je auf dem Platz erlebt habe. Mit Sicherheit wird er vieles davon auch heutigen Profis vermitteln können. Ob als Cheftrainer oder in einer anderen Rolle, da bin ich gespannt.

Sie arbeiteten bei Lazio ohne Scoutingabteilung. Sind Sie in dieser Beziehung ein Old-school-Manager?

Nein. Richtig ist, dass wir bei Lazio keine Scoutingabteilung hatten. Aber ich war permanent unterwegs, alles lief über meine vielen weltweiten Kontakte – und wie gesagt die eigene Jugend. Die Ergebnisse dieser Arbeit waren gut, deshalb haben wir nichts geändert. Aber ich weiß sehr wohl, dass die Welt sich weiterdreht, dass gerade Daten-Scouting eine immer größere Bedeutung bekommt. Ich hätte überhaupt nichts dagegen, auch auf diese Weise möglichst viele wertvolle Informationen zu sammeln. Entscheidend bleibt dann, diese Informationen richtig einzuordnen.

Für die Zusammenstellung des Kaders waren bei Lazio sportlich Sie und wirtschaftlich Klubchef Lolito verantwortlich. In Deutschland gibt es allein für den Sport oft drei oder mehr Hauptverantwortliche: Geschäftsführer bzw. Vorstand, Sportdirektor, Kaderplaner. Welches Modell finden Sie besser?

Zunächst mal: Natürlich hat bei uns auch der Trainer bei Transfers mitgeredet, wie es überall der Fall sein sollte. Aber zwangsläufig bestehen Unterschiede, da es private Klubbesitzer wie in Italien nicht gibt in der Bundesliga. Die eigenständige Figur des Kaderplaners existiert in Italien zum Beispiel nicht. Grundsätzlich gilt: Je mehr Leute in einem Verein etwas zu sagen haben, desto komplizierter kann es werden. Kurze Entscheidungswege haben ihre Vorteile. Doch wie es sehr gut funktioniert, zeigen viele Beispiele in der Bundesliga. Letztlich kommt es also nicht auf die Struktur an, sondern wie sie von den Beteiligten ausgefüllt wird.

“Jeder im Verein muss seine Rolle kennen – sonst droht Chaos.”

Felix Magath hat mal gelästert, die Rolle des Kaderplaners sei vor allem deshalb wichtig, damit die Bosse hinterher die Verantwortung für ihre Fehleinkäufe abschieben könnten …

Das kann und will ich gar nicht bewerten. Verantwortung ist aber ein ganz wichtiges Stichwort. Jeder im Verein muss seine Rolle und damit auch seine Verantwortung kennen, diese dann weder überschreiten noch verleugnen. Ansonsten steigt die Gefahr, dass Chaos ausbricht, wenn es sportlich gerade mal nicht so läuft. Generell ist meine Beobachtung: Die meisten Probleme von Fußballvereinen entstehen nicht durch äußere Einflüsse, sondern sind hausgemacht.

2021 wurden Sie bei Eintracht Frankfurt als Nachfolger von Fredi Bobic gehandelt. Warum wurde daraus nichts?

Das waren Spekulationen in den Medien, die ich nie kommentiert habe. Das tue ich auch im Nachhinein grundsätzlich nicht. Allgemein kann ich sagen: Ich hätte zu diesem Zeitpunkt sowieso einen noch zwei Jahre laufenden Vertrag bei Lazio gehabt. Und einen Vertrag würde ich niemals gegen den Willen meines Klubs brechen.

Wäre es für Sie überhaupt attraktiv, in der Bundesliga zu arbeiten? Angesichts der komplizierteren Klubstrukturen, der Dauer-Diskussionen um 50+1 oder dem Einfluss der organisierten Fans, die zuletzt mit provozierten Spielunterbrechungen den Einstieg eines Liga-Investors verhinderten?

Die Bundesliga ist und bleibt extrem reizvoll, mit allem, was dazu gehört. Gerade die Bindung zwischen Fans und Vereinen macht die Kultur in Deutschland so besonders. Die Atmosphäre in den Stadien ist einzigartig und übt auf viele Spieler wie Verantwortliche einen gewaltigen Reiz aus. Auch auf mich. Es mag einzelne Aspekte geben, die einem in anderen Ländern oder Ligen eher zusagen. Aber es gehört überall dazu, die kulturellen Eigenheiten zu respektieren. Und nicht zu vergessen: Organisation und Infrastruktur sind ein weiteres großes Plus der Bundesliga.

Für neun von zehn Spielern ist die Zeit in der Serie A die schönste ihrer Karriere.

Ciro Immobile wechselte 2014 vom FC Turin zum BVB, kam dann in der Bundesliga nicht zurecht. Sie erklärten mal, das sei eine Frage der Anpassung an die deutsche Mentalität gewesen.

Ciro kam als Torschützenkönig der Serie A nach Dortmund. Es war eindeutig kein sportliches Thema, sondern ein mentales. Für einen deutschen Spieler ist es viel leichter, sich in Italien anzupassen, als für einen italienischen in Deutschland.

Warum?

Für Lautern in der Bundesliga gestürmt: Igli Tare mit Harry Koch.

Für Lautern in der Bundesliga gestürmt: Igli Tare mit Harry Koch.
imago sportfotodienst

Neun von zehn ausländischen Spielern, die in der Serie A waren, werden sagen: Das war die schönste Zeit ihrer Karriere. Das ganze Leben in Italien ist lockerer, schon das bessere Wetter macht sehr viel aus. Gleichzeitig hat Fußball einen riesigen Stellenwert. Das gilt zwar auch in anderen Ländern – aber in Italien wird der Fußball verehrt wie eine Religion.

Falls Sie künftig außerhalb der Serie A arbeiten: Werden Sie etwas von der angesprochenen Lockerheit mit einbringen?

Eine harmonische, familiäre Atmosphäre innerhalb eines Vereins ist für mich die Basis. Das habe ich bei Lazio so gehalten, und das halte ich für allgemeingültig. Es geht um eine Mischung aus Lockerheit sowie Disziplin und Verantwortung, die man vorleben und natürlich auch lernen kann. Das beziehe ich auf alle Mitarbeiter eines Vereins, nicht nur diejenigen, die unmittelbar mit dem Sport zu tun haben. Bei Lazio haben wir alle zusammen viel gefeiert und gelacht. Aber wir haben in schwierigen Zeiten auch zusammen geweint.

Stimmt es, dass alle Angestellten des Klubs Sie beim Vornamen nennen sollten, nicht “Herr Tare” oder gar mit Direktorentitel?

Ja, darauf habe ich Wert gelegt. Gut in einem Verein zusammenzuarbeiten, beruht für mich auch auf einer gemeinsamen Augenhöhe – ohne den Respekt vor den jeweiligen Zuständigkeiten zu verlieren.

Die deutsche Mentalität wird sich beim Turnier im eigenen Land wieder durchsetzen.”

Wenn Sie über den deutschen Fußball reden, fallen weiterhin die üblichen Begriffe wie “Disziplin”, “Organisation” oder “Mentalität”. Aber stehen Deutschland und die Nationalmannschaft wirklich noch für diese klassischen Tugenden?

Von außen betrachtet: Ja. Ich bin 100-prozentig überzeugt, dass Deutschland bei der EM zu den vier Teams zählen wird, die um den Titel kämpfen. Neben Spanien, Frankreich und Italien. Die Mentalität steckt einfach tief drinnen und wird sich bei einem Turnier im eigenen Land auch wieder durchsetzen.

Was trauen Sie der Auswahl Ihres Heimatlands Albanien zu in der Gruppe mit Spanien, Italien und Kroatien?

Albanien wird eine Bereicherung für das Turnier sein und vielleicht sogar die meisten Sympathien in Deutschland gewinnen. Auf dem Platz und auf den Tribünen. Die Fans sind wahnsinnig begeisterungsfähig, im positiven Sinne fanatisch. Und dabei absolut friedlich. Das Wort “Hooligan” existiert in Albanien gar nicht.

Sie flüchteten als 18-Jähriger mitten im Winter zu Fuß nächtelang durch den Tiefschnee aus Albanien nach Deutschland, arbeiteten als Gärtner und kämpften sich über Amateurligen nach oben. Wie denken Sie über die Diskussion, dass es Talenten heute viel zu leicht gemacht, gerade in den deutschen Leistungszentren?

Das ist definitiv kein exklusiv deutsches Problem. In Italien und fast auf der ganzen Welt ist es genauso oder ähnlich. Wie heißt es so schön: Früher war es schwer, die Kinder abends ins Haus zu holen. Heute ist es schwer, sie überhaupt mal rauszukriegen. Aber das ist nicht die Schuld der Jugendlichen, die eben unter bestimmten Rahmenbedingungen aufwachsen. Wir sind in der Verantwortung, ihnen zu vermitteln, worauf es trotzdem ankommt. Auf den Fußball bezogen heißt das: Disziplin, Leistungsbereitschaft, Druckresistenz und nicht zuletzt Respekt. Auch anhand von vermeintlichen Kleinigkeiten wie etwa Trainingsmaterial vom Platz zu tragen oder die Kabine ordentlich zu hinterlassen. Wir als Trainer und Klubverantwortliche haben den Auftrag, das im Alltag konsequent zu vermitteln.

Interview: Thiemo Müller

Igli Tare im Interview: “Die meisten Probleme von Vereinen sind hausgemacht”

In Deutschland spielte Igli Tare (50) für Karlsruhe, Düsseldorf und Lautern, den Durchbruch schaffte er aber erst in der Serie A – bei Lazio prägte er zudem eine Ära als Sportdirektor. Im Interview spricht er über seine Manager-Prinzipien, den Vergleich zwischen Serie A und Bundesliga – sowie seine Vorfreude auf Albaniens Spiele bei der EM.

Im vergangenen Sommer haben Sie nach 15 Jahren als Sportdirektor bei Lazio Rom aufgehört. Wie haben Sie die Zeit seitdem genutzt, Herr Tare?

Am Anfang ganz einfach, um mich zu erholen, viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Das war enorm wichtig nach der langen kräftezehrenden Zeit bei Lazio. Unser Lebensmittelpunkt bleibt Rom, aber seit einigen Monaten bin ich wieder viel unterwegs und schaue mir in ganz Europa Fußball an. Natürlich in den großen Ligen, aber auch in Griechenland oder der Türkei.

Igli Tare in Zahlen und Fakten


  • Geboren am 25. Juli 1973 in Vlora/Albanien

  • 34 Bundesligaspiele (vier Tore) für den KSC und Kaiserslautern

  • 63 Zweitligaspiele (24 Tore) für Fortuna Düsseldorf

  • 184 Spiele in der Serie A (30 Tore) für Brescia, Bologna und Lazio Rom

  • Von 2009 bis Juni 2023 Sportdirektor bei Lazio Rom

Haben Sie sich mit einzelnen Klubs näher befasst?

Das werde ich noch. Demnächst besuche ich Pep Guardiola bei ManCity und Roberto de Zerbi in Brighton. Auf diese Einblicke bin ich sehr gespannt.

In italienischen Medien wurde kolportiert, Sie hätten wegen Differenzen mit Klubchef Claudio Lotito bei Lazio Schluss gemacht.

Das stimmt nicht. Ich hatte intern schon mit mehr als einer Saison Vorlauf angekündigt, meinen auslaufenden Vertrag nicht mehr zu verlängern, weil ich eine Pause brauchte. Lazio dann auf Top-Niveau zu hinterlassen, als Vizemeister und Champions-League-Teilnehmer, war mir extrem wichtig. Als ich angefangen habe, sah das schließlich ganz anders aus, sportlich und finanziell.

Könnten Sie bei einem anderen Klub je wieder diese Identifikation aufbauen wie bei Lazio, wo Sie als Spieler ja sogar schon 2005 begonnen haben.

Lazio wird natürlich immer etwas Besonderes bleiben in meinem Leben. Aber für meine Identifikation mit der täglichen Arbeit macht das keinen Unterschied. Ich liebe Fußball, das Entwickeln von Spielern, Mannschaften und Vereinen. Wenn das Projekt stimmt, bin ich hochmotiviert, überall zu arbeiten.

Ein Manager sollte seinen Klub immer ganzheitlich im Auge haben.

Wie müsste dieses Projekt aussehen, um Sie zu reizen?

Ein Verein sollte schon hohe Ambitionen haben, möglichst um die internationalen Plätze mitspielen wollen. Aber genauso wichtig ist mir, diese Ziele auf nachhaltige, wirtschaftlich gesunde Art zu erreichen. Spieler relativ günstig zu holen und nach einiger Zeit zu deutlichen höheren Preisen wieder abzugeben, war über Jahre der große Antrieb und die Basis unserer kontinuierlichen Entwicklung bei Lazio. Auch wenn ein Manager in erster Linie für den Erfolg der Profis zuständig ist, sollte er seinen Klub immer ganzheitlich im Auge haben.

Das bedeutet?

Eine gut funktionierende Akademie halte ich für wesentlich. In meiner Zeit haben bei Lazio insgesamt 49 Spieler den Sprung aus der eigenen Jugend in den Profikader geschafft. Die haben sich dort nicht alle dauerhaft durchgesetzt, sind teils auch in der 2. oder 3. Liga gelandet. Aber eine gute Nachwuchsarbeit im eigenen Klub bildet ein unschätzbares Faustpfand: Sportlich, wirtschaftlich und kulturell. Übrigens auch mit Blick auf die Ausbildung von Trainern.

Sie denken an Simone Inzaghi, der von 2016 bis 2021 Cheftrainer war …

Er ist ein Musterbeispiel. Simone war 11 Jahre als Profi bei Lazio, danach sieben Jahre als Coach in der Akademie tätig – und kommt in der Serie A auf die bislang längste Amtszeit aller Lazio-Trainer.

Klose als Cheftrainer? Da bin ich gespannt.

Kürzlich übernahm bei Lazio Igor Tudor als Nachfolger von Maurizio Sarri. Zuvor hatte auch Miro Klose seine Bereitschaft erklärt, den Sie einst als Spieler zu Lazio holten. Trauen Sie ihm als Cheftrainer eine ähnliche Karriere zu?

Miro war einer der intelligentesten Spieler, die ich je auf dem Platz erlebt habe. Mit Sicherheit wird er vieles davon auch heutigen Profis vermitteln können. Ob als Cheftrainer oder in einer anderen Rolle, da bin ich gespannt.

Sie arbeiteten bei Lazio ohne Scoutingabteilung. Sind Sie in dieser Beziehung ein Old-school-Manager?

Nein. Richtig ist, dass wir bei Lazio keine Scoutingabteilung hatten. Aber ich war permanent unterwegs, alles lief über meine vielen weltweiten Kontakte – und wie gesagt die eigene Jugend. Die Ergebnisse dieser Arbeit waren gut, deshalb haben wir nichts geändert. Aber ich weiß sehr wohl, dass die Welt sich weiterdreht, dass gerade Daten-Scouting eine immer größere Bedeutung bekommt. Ich hätte überhaupt nichts dagegen, auch auf diese Weise möglichst viele wertvolle Informationen zu sammeln. Entscheidend bleibt dann, diese Informationen richtig einzuordnen.

Für die Zusammenstellung des Kaders waren bei Lazio sportlich Sie und wirtschaftlich Klubchef Lolito verantwortlich. In Deutschland gibt es allein für den Sport oft drei oder mehr Hauptverantwortliche: Geschäftsführer bzw. Vorstand, Sportdirektor, Kaderplaner. Welches Modell finden Sie besser?

Zunächst mal: Natürlich hat bei uns auch der Trainer bei Transfers mitgeredet, wie es überall der Fall sein sollte. Aber zwangsläufig bestehen Unterschiede, da es private Klubbesitzer wie in Italien nicht gibt in der Bundesliga. Die eigenständige Figur des Kaderplaners existiert in Italien zum Beispiel nicht. Grundsätzlich gilt: Je mehr Leute in einem Verein etwas zu sagen haben, desto komplizierter kann es werden. Kurze Entscheidungswege haben ihre Vorteile. Doch wie es sehr gut funktioniert, zeigen viele Beispiele in der Bundesliga. Letztlich kommt es also nicht auf die Struktur an, sondern wie sie von den Beteiligten ausgefüllt wird.

“Jeder im Verein muss seine Rolle kennen – sonst droht Chaos.”

Felix Magath hat mal gelästert, die Rolle des Kaderplaners sei vor allem deshalb wichtig, damit die Bosse hinterher die Verantwortung für ihre Fehleinkäufe abschieben könnten …

Das kann und will ich gar nicht bewerten. Verantwortung ist aber ein ganz wichtiges Stichwort. Jeder im Verein muss seine Rolle und damit auch seine Verantwortung kennen, diese dann weder überschreiten noch verleugnen. Ansonsten steigt die Gefahr, dass Chaos ausbricht, wenn es sportlich gerade mal nicht so läuft. Generell ist meine Beobachtung: Die meisten Probleme von Fußballvereinen entstehen nicht durch äußere Einflüsse, sondern sind hausgemacht.

2021 wurden Sie bei Eintracht Frankfurt als Nachfolger von Fredi Bobic gehandelt. Warum wurde daraus nichts?

Das waren Spekulationen in den Medien, die ich nie kommentiert habe. Das tue ich auch im Nachhinein grundsätzlich nicht. Allgemein kann ich sagen: Ich hätte zu diesem Zeitpunkt sowieso einen noch zwei Jahre laufenden Vertrag bei Lazio gehabt. Und einen Vertrag würde ich niemals gegen den Willen meines Klubs brechen.

Wäre es für Sie überhaupt attraktiv, in der Bundesliga zu arbeiten? Angesichts der komplizierteren Klubstrukturen, der Dauer-Diskussionen um 50+1 oder dem Einfluss der organisierten Fans, die zuletzt mit provozierten Spielunterbrechungen den Einstieg eines Liga-Investors verhinderten?

Die Bundesliga ist und bleibt extrem reizvoll, mit allem, was dazu gehört. Gerade die Bindung zwischen Fans und Vereinen macht die Kultur in Deutschland so besonders. Die Atmosphäre in den Stadien ist einzigartig und übt auf viele Spieler wie Verantwortliche einen gewaltigen Reiz aus. Auch auf mich. Es mag einzelne Aspekte geben, die einem in anderen Ländern oder Ligen eher zusagen. Aber es gehört überall dazu, die kulturellen Eigenheiten zu respektieren. Und nicht zu vergessen: Organisation und Infrastruktur sind ein weiteres großes Plus der Bundesliga.

Für neun von zehn Spielern ist die Zeit in der Serie A die schönste ihrer Karriere.

Ciro Immobile wechselte 2014 vom FC Turin zum BVB, kam dann in der Bundesliga nicht zurecht. Sie erklärten mal, das sei eine Frage der Anpassung an die deutsche Mentalität gewesen.

Ciro kam als Torschützenkönig der Serie A nach Dortmund. Es war eindeutig kein sportliches Thema, sondern ein mentales. Für einen deutschen Spieler ist es viel leichter, sich in Italien anzupassen, als für einen italienischen in Deutschland.

Warum?

Für Lautern in der Bundesliga gestürmt: Igli Tare mit Harry Koch.

Für Lautern in der Bundesliga gestürmt: Igli Tare mit Harry Koch.
imago sportfotodienst

Neun von zehn ausländischen Spielern, die in der Serie A waren, werden sagen: Das war die schönste Zeit ihrer Karriere. Das ganze Leben in Italien ist lockerer, schon das bessere Wetter macht sehr viel aus. Gleichzeitig hat Fußball einen riesigen Stellenwert. Das gilt zwar auch in anderen Ländern – aber in Italien wird der Fußball verehrt wie eine Religion.

Falls Sie künftig außerhalb der Serie A arbeiten: Werden Sie etwas von der angesprochenen Lockerheit mit einbringen?

Eine harmonische, familiäre Atmosphäre innerhalb eines Vereins ist für mich die Basis. Das habe ich bei Lazio so gehalten, und das halte ich für allgemeingültig. Es geht um eine Mischung aus Lockerheit sowie Disziplin und Verantwortung, die man vorleben und natürlich auch lernen kann. Das beziehe ich auf alle Mitarbeiter eines Vereins, nicht nur diejenigen, die unmittelbar mit dem Sport zu tun haben. Bei Lazio haben wir alle zusammen viel gefeiert und gelacht. Aber wir haben in schwierigen Zeiten auch zusammen geweint.

Stimmt es, dass alle Angestellten des Klubs Sie beim Vornamen nennen sollten, nicht “Herr Tare” oder gar mit Direktorentitel?

Ja, darauf habe ich Wert gelegt. Gut in einem Verein zusammenzuarbeiten, beruht für mich auch auf einer gemeinsamen Augenhöhe – ohne den Respekt vor den jeweiligen Zuständigkeiten zu verlieren.

Die deutsche Mentalität wird sich beim Turnier im eigenen Land wieder durchsetzen.”

Wenn Sie über den deutschen Fußball reden, fallen weiterhin die üblichen Begriffe wie “Disziplin”, “Organisation” oder “Mentalität”. Aber stehen Deutschland und die Nationalmannschaft wirklich noch für diese klassischen Tugenden?

Von außen betrachtet: Ja. Ich bin 100-prozentig überzeugt, dass Deutschland bei der EM zu den vier Teams zählen wird, die um den Titel kämpfen. Neben Spanien, Frankreich und Italien. Die Mentalität steckt einfach tief drinnen und wird sich bei einem Turnier im eigenen Land auch wieder durchsetzen.

Was trauen Sie der Auswahl Ihres Heimatlands Albanien zu in der Gruppe mit Spanien, Italien und Kroatien?

Albanien wird eine Bereicherung für das Turnier sein und vielleicht sogar die meisten Sympathien in Deutschland gewinnen. Auf dem Platz und auf den Tribünen. Die Fans sind wahnsinnig begeisterungsfähig, im positiven Sinne fanatisch. Und dabei absolut friedlich. Das Wort “Hooligan” existiert in Albanien gar nicht.

Sie flüchteten als 18-Jähriger mitten im Winter zu Fuß nächtelang durch den Tiefschnee aus Albanien nach Deutschland, arbeiteten als Gärtner und kämpften sich über Amateurligen nach oben. Wie denken Sie über die Diskussion, dass es Talenten heute viel zu leicht gemacht, gerade in den deutschen Leistungszentren?

Das ist definitiv kein exklusiv deutsches Problem. In Italien und fast auf der ganzen Welt ist es genauso oder ähnlich. Wie heißt es so schön: Früher war es schwer, die Kinder abends ins Haus zu holen. Heute ist es schwer, sie überhaupt mal rauszukriegen. Aber das ist nicht die Schuld der Jugendlichen, die eben unter bestimmten Rahmenbedingungen aufwachsen. Wir sind in der Verantwortung, ihnen zu vermitteln, worauf es trotzdem ankommt. Auf den Fußball bezogen heißt das: Disziplin, Leistungsbereitschaft, Druckresistenz und nicht zuletzt Respekt. Auch anhand von vermeintlichen Kleinigkeiten wie etwa Trainingsmaterial vom Platz zu tragen oder die Kabine ordentlich zu hinterlassen. Wir als Trainer und Klubverantwortliche haben den Auftrag, das im Alltag konsequent zu vermitteln.

Interview: Thiemo Müller