Benes: Nie wieder HSV?

Angedeutet hatte Steffen Baumgart den Ausfall von Laszlo Benes bereits zum Start in die laufende Trainingswoche, seit Donnerstag herrscht Gewissheit: Der Slowake wird am Samstag im Auswärtsspiel bei Eintracht Braunschweig ausfallen. Spielt er gar nie wieder für den HSV?

Fällt in Braunschweig aus: Laszlo Benes.

Fällt in Braunschweig aus: Laszlo Benes.

IMAGO/Eibner

Wegen muskulärer Probleme hatte Laszlo Benes das vergangene Heimspiel gegen Holstein Kiel (0:1) verpasst und ist seitdem nicht auf den Trainingsplatz im Volkspark zurückgekehrt. Auf die Frage nach der Perspektive bezüglich einer Rückkehr des Slowaken ließ sein Trainer auf der Pressekonferenz am Donnerstag ein wenig Spielraum für Spekulationen: “Die Hoffnung ist, dass er überhaupt nochmal spielt.”

Baumgart ließ diesen Satz aber nicht allein für sich stehen, fügte hinzu: “Es wird von Tag zu Tag besser, und wir werden sehen, ob Laci nächste Woche ins Lauftraining einsteigt. Dann müssen wir gucken, wie er die Belastung wegsteckt.”

Der Coach erklärte daher, er könne “keine Prognose abgeben für die nächsten Spiele. Ich hoffe natürlich trotzdem, dass er uns für das nächste Heimspiel zur Verfügung steht. Das wäre sehr wichtig für uns.” Es ist das Derby gegen den Stadtnachbarn FC St. Pauli. “Aber bevor wir irgendwelche Hoffnungen schüren, sollten wir vorsichtig sein.”

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Klar ist, dass es in Hamburg in Bezug auf Benes ohnehin viel weniger um Hoffen als vielmehr um Bangen geht. Der 26-jährige frühere Mönchengladbacher ist mit zwölf Toren und dreizehn Vorlagen der Topscorer des HSV und hat eine Ausstiegsklausel in seinem bis 2026 gültigen Vertrag.

Die festgeschriebene Summe soll zwischen zwei und drei Millionen Euro liegen – und Benes’ Wunsch ist, in der kommenden Spielzeit erstklassig zu spielen. Seit dem vergangenen Wochenende scheint dies mit Hamburg unmöglich und ein Abschied im Sommer damit sehr wahrscheinlich.

Bedeutet Baumgarts Aussage, er hoffe, dass Benes überhaupt noch einmal spiele, also, dass dessen Einsatz beim 2:2 in Magdeburg vor eineinhalb Wochen womöglich sein letzter im HSV-Dress gewesen sein könnte? Klar ist: Das Risiko einer möglicherweise schwerwiegenden Muskelverletzung wird der Mittelfeldmann nicht eingehen wollen. In wenigen Wochen beginnt zudem die EM, wo er sich mit der Slowakei dann auf der ganz großen Bühne präsentieren will.

Sebastian Wolff

Baumgarts Einblicke: “Eine schwierige Situation”

Bohrende Fragen ist Steffen Baumgart in Hamburg bereits gewohnt. Auf der Pressekonferenz am Donnerstag bekam sie der HSV-Trainer von Hamburgs “Nachwuchs-Journalisten” gestellt und erlebte etwas Abwechslung in tristen Tagen.

Schwierige Zeiten: Steffen Baumgart.

Schwierige Zeiten: Steffen Baumgart.

IMAGO/Eibner

Die Zukunftsfragen werden seit dem 0:1 gegen Holstein Kiel und dem fast sicheren Verpassen aller Saisonziele in den Vereinsgremien intensiv diskutiert. Passend dazu fand in der Hansestadt der “Zukunftstag” statt und bescherte Baumgart rund zwei Dutzend Schülerinnen und Schüler, die vor der Partie bei Eintracht Braunschweig ihre Fragen stellen durften und durchaus auch den Finger in die Wunde legten.

Gleich zu Beginn des launigen Frage-Antwort-Spiels analysierte ein Junge, dass des Trainers System nicht so richtig zur Mannschaft passe und wollte wissen, wie lange es wohl noch dauere? Baumgart schmunzelte versöhnlich und fragte zurück: “Können nicht doch lieber die Journalisten fragen? Sonst komme ich ins Schwitzen…”

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In Erklärungsnot sind zum Ende dieser restlos missratenen Saison sämtliche Protagonisten, und der 52-Jährige nutzte die Steilvorlage, um etwas Grundsätzliches loszuwerden. “Ich bin nicht hierhergekommen und habe gesagt, das ist nicht mein Kader. Das ist der Kader des HSV, also unser Kader, und ich finde ihn gut.” Das Problem ist, dass der Kader dies zu selten gezeigt hat. Schon unter Vorgänger Tim Walter. Und auch in den acht Partien unter Baumgart, in denen ein Punkteschnitt von 1,38 zu Buche steht. “Unsere Konkurrenten machen es gut und wir machen es nicht gut genug”, sagt Baumgart, “wir haben viel liegen gelassen.”

Zukunftsdebatten auf allen Ebenen

Die Folge davon sind Zukunftsdebatten auf allen Ebenen. “Das ist normal”, weiß Baumgart, “aber, dass es normal ist, heißt ja nicht, dass es auch gut ist. Am Ende darf es mich nicht stören. Ich sollte bei dem bleiben, was ich beeinflussen kann. Ich weiß schon, wer aus welcher Ecke schießt, was aus welcher Ecke kommt. Und grundsätzlich ist das eine schwierige Situation.”

Weil die Blicke in dieser Woche weniger auf den Platz gehen als vielmehr in die Büroräume im Volkspark. Klar scheint: Entscheidet sich der Aufsichtsrat für einen Austausch von Jonas Boldt, käme ein neuer Sportvorstand auch womöglich mit einer anderen Idee auf dem Trainerposten.

Baumgart versucht, die Mannschaft in dieser Gemengelage in der Spur zu halten. “Ich bin kein Psychologe und kann trotzdem sehen, wie es den Jungs geht. Natürlich habe ich gemerkt, dass Lockerheit und Freude nicht so da sind. Ich muss ja auch mit der Situation umgehen können.” In Braunschweig soll sich die Situation möglichst nicht noch zuspitzen. “Die Jungs versuchen sich da rauszuarbeiten. Ob es gelingt, werden wir sehen.”

Sebastian Wolff

HSV: Baumgart rechnet nicht mit Benes

Laszlo Benes wurde im Heimspiel gegen Holstein Kiel (0:1) wegen muskulärer Probleme schmerzlich vermisst. Und der Topscorer wird dem Hamburger SV sehr wahrscheinlich auch am kommenden Samstag bei Eintracht Braunschweig fehlen.

Erzielte bislang 13 Tore in der laufenden Zweitliga-Saison: Laszlo Benes.

Erzielte bislang 13 Tore in der laufenden Zweitliga-Saison: Laszlo Benes.

IMAGO/Eibner

Als Steffen Baumgart am Dienstagvormittag im Volkspark zur ersten Einheit der neuen Trainingswoche bat, fehlte Benes erneut, arbeitete stattdessen im Kraftraum. “So lange er nicht auf den Platz kann, gibt es auch keine Prognosen”, sagt der Trainer, “wir müssen von Tag zu Tag sehen. Stand heute ist er am Wochenende nicht dabei.” Dabei, betont der 52-Jährige, ginge es weniger um seine Maxime, angeschlagene Profis behutsam aufzubauen, sondern schlichtweg um die Machbarkeit: “Der Junge muss gesund sein, er arbeitet aber im Reha-Bereich.”

Benes’ abermaliger Ausfall wäre fraglos eine Schwächung für den HSV. 13 Tore und zwölf Vorlagen hat der effektivste Offensivmann der Hanseaten in seiner persönlichen Saison-Statistik stehen – seine Präzision fehlt, wenn er nicht auf dem Platz ist. “Wir hatten gegen Kiel 21 Torschüsse”, sagt Baumgart, “aber wir müssen über die Qualität unserer Torschüsse reden und darüber, wie wir Aktionen zu Ende bringen.” Die Analyse der Partie hat aus seiner Sicht ergeben: “Wir hätten sehr, sehr gute Möglichkeiten haben können.” Es wurden aber zu wenig klare, und der Ex-Kölner weiß: “Fußball ist Ergebnissport, wir haben die Ergebnisse nicht. Deshalb sind wir unzufrieden und alle anderen sind auch unzufrieden.”

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Dompé kann “wieder eine ganz andere Rolle spielen”

Angesichts der seit dem vergangenen Wochenende nahezu ausweglosen Situation im Aufstiegskampf geht es in Braunschweig (Samstag, 13 Uhr, LIVE! bei kicker) erstmals vor allem darum, dass sich die Unzufriedenheit nicht noch weiter ausweitet. Und das wohl weiter ohne Benes. Möglicherweise aber wieder mit Jean-Luc Dompé als Teil der Startelf.

Der Linksaußen war beim 2:2 in Magdeburg ein wesentlicher Impulsgeber für die Aufholjagd, gegen Kiel jedoch erneut nur Joker und wirkungslos. Baumgart hatte im Nachgang die weiterhin noch bestehenden körperlichen Rückstände als Begründung angeführt. Nun sagt er: “Jean-Luc trainiert jetzt seit zwei Wochen voll durch. Er ist jetzt so weit, dass er aus meiner Sicht gegen Braunschweig wieder eine ganz andere Rolle spielen kann. Er war in der Vergangenheit immer wieder sehr verletzungsanfällig. Jetzt trainiert er voll und dann kommt er auch wieder in seine Form.”

Sebastian Wolff

HSV: Die wichtigsten Entscheidungen fallen nun nicht mehr auf dem Platz

Der Hamburger SV gibt sich im Endspurt der Saison noch nicht auf, weiß aber auch, dass der Aufstieg mit der Niederlage gegen Kiel in weite Ferne rückte. Neben dem Platz stehen wichtige Entscheidungen an.

Geht der Hamburger SV mit Sportvorstand Jonas Boldt in sein siebtes Zweitligajahr?

Geht der Hamburger SV mit Sportvorstand Jonas Boldt in sein siebtes Zweitligajahr?

IMAGO/Eibner

Abhaken, das betont Kapitän Sebastian Schonlau, werde der HSV diese Spielzeit noch nicht. “Aber natürlich sind sechs Punkte und das schlechtere Torverhältnis ein absolutes Brett.” Die wichtigsten Entscheidungen in Hamburg werden in den kommenden Wochen womöglich nicht auf dem Platz fallen.

Für Schonlau und seine Teamkollegen geht es, angefangen mit der nächsten Partie bei Abstiegskandidat Eintracht Braunschweig, vor allem darum, Signale auszusenden, dass der HSV gewillt ist, vernünftig aus dieser Saison zu gehen, Weichen stellen können die Spieler seit dem 0:1 gegen Holstein Kiel beinahe nicht mehr. Diese Aufgabe kommt den Aufsichtsräten zu.

Boldt ist definitiv nicht der Alleinschuldige

Gewisse Planungssicherheit für ein siebtes (!) Zweitligajahr in Folge besteht seit einem Wochenende, an dem sämtliche Konkurrenten gewannen und der HSV verlor, und die Kontrolleure müssen darüber befinden, wer den siebten Anlauf verantworten soll. Wieder Jonas Boldt? Mit ihm hat zwar Kontinuität auf vielen Ebenen und auch eine gewisse wirtschaftliche Stabilität Einzug gehalten, als Sportvorstand aber hatte er einen klaren Auftrag und wird diesen mutmaßlich auch in seinem fünften Jahr nicht erfüllen: den Aufstieg. Oder wird der frühere Leverkusener abberufen und ersetzt? Nur, durch wen?

Unstrittig ist, dass Boldt den HSV trotz der im Vergleich zur Konkurrenz ausreichenden wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht zurück nach oben geführt hat. Ebenso klar ist auch, dass der 42-Jährige keineswegs der Alleinschuldige am unbefriedigenden Ist-Zustand des einstigen Aushängeschilds des deutschen Fußballs ist. Über mehr als eine Dekade wurden schon vor ihm in den verschiedenen Vereinsgremien, häufig auch im Aufsichtsrat, an entscheidenden Weggabelungen die falschen Entscheidungen getroffen. Mal mangelte es an Mut zu unbequemen Personalien, mal auch an der Kompetenz.

Das Restprogramm des HSV

Dem HSV fehlt es nicht nur auf dem Feld an Überzeugung

Das aktuelle Kontrollgremium spielt in den kommenden Wochen daher eine wohl bedeutendere Rolle für die Zukunft des HSV als die Profis. Anhaltspunkte für Kritik an Boldt gibt es einige: Im Verbund mit Sportdirektor Claus Costa ist es nicht gelungen, die seit eineinhalb Jahren bestehende Lücke durch die Dopingsperre von Mario Vuskovic zu schließen. Zum Vergleich: Stadt-Nachbar St. Pauli hat in diesem Zeitraum mit Karol Mets und Hauke Wahl zwei adäquate Innenverteidiger verpflichtet, die stabilisierend wirken.

Hinzu kommt ein unglückliches Timing in der Trainerfrage, und es geht gar nicht allein darum, ob die Freistellung von Tim Walter und die Inthronisierung von Steffen Baumgart richtig oder falsch war, sondern vielmehr um den Zeitpunkt: Boldt hatte sich im Dezember für den alten und gegen den neuen Coach entschieden, um diese Entschluss dann nach nur vier Spielen zu revidieren. Das wirkte vom ersten Moment an nicht wie eine Entscheidung aus Überzeugung.

Und genau jene fehlende Überzeugung ist inzwischen auch ein Merkmal der Mannschaft geworden. “Irgendwie hat uns der Punch gefehlt”, konstatierte Jonas Meffert nach dem Alles-oder-Nichts-Spiel gegen Kiel. Auch deshalb wurde es – nichts, und daher geht es jetzt um – alles.

Sebastian Wolff

Stegemann ist im Fokus und erklärt sich

Der beste Schiedsrichter, heißt es, ist am Ende der, über den nicht gesprochen wird. Sascha Stegemann indes stand im Mittelpunkt der Diskussionen nach dem Nordderby zwischen dem HSV und Kiel (0:1) – und beide Seiten haderten jeweils einmal mit dem Referee.

Hatte zwei knifflige Szenen zu bewerten: Schiedsrichter Sascha Stegemann.

Hatte zwei knifflige Szenen zu bewerten: Schiedsrichter Sascha Stegemann.

IMAGO/Susanne Hübner

Den ersten Aufreger hatte es in der Nachspielzeit der ersten Hälfte gegeben, als Ludovit Reis einen Schussversuch des Kielers Timo Becker im Strafraum deutlich sichtbar mit dem Arm geblockt hatte. Videoassistent Timo Gerach schickte Stegemann aus objektiv nachvollziehbaren Gründen an den Bildschirm, der Referee blieb nach langer Betrachtung jedoch bei seinem “nein” zu einem Strafstoß.

In der Mixedzone stellte sich Stegemann anschließend und erklärte seine Beweggründe: “Aus meiner Sicht versucht der Spieler, den Arm aus der Flugbahn des Balles wegzunehmen. Deswegen war ich nicht 100 Prozent davon überzeugt, dass es ein strafwürdiges Handspiel war und bin bei meiner Entscheidung geblieben.” Eine strittige Entscheidung, die bei den Kielern Kopfschütteln hinterließ. Steven Skrzybski bekennt: “Wann es Elfmeter gibt und wann nicht, ist inzwischen Lotterie geworden.”

Ebenso strittig war Stegemanns Entschluss nach dem zweiten Gang vor dem Bildschirm. In der Entstehung des Kieler Siegtreffers durch Tom Rothe hatte Marko Ivezic HSV-Keeper Matheo Raab nach einem Eckball klar umklammert und gehalten – wieder wurde der Referee rausgeschickt, wieder blieb er bei seiner ursprünglichen Sichtweise. “Es ist für mich ein handelsübliches Positionsgerangel. Es gibt nicht mehr die Regel, in der der Torhüter im Fünfmeterraum geschützt wird.”

Raab: “Ich werde umklammert und blockiert”

Raab ist diese Regel bewusst, dennoch beklagt er: “Ich werde umklammert und blockiert, sodass ich mit den Händen nicht zum Ball komme. Ich habe die Szene auch nochmal am Bildschirm gesehen und kann nicht verstehen, wie man da keinen Freistoß pfeifen kann.” Auch seinen Trainer bringt die Ausführung des Unparteiischen auf die Palme: “Das ist die Schlüsselszene der Partie, und da braucht mir auch niemand etwas von Positionsgerangel erzählen.”

Für Stegemann war bei der Bewertung der Situation entscheidend, dass das Foul an Raab aus seiner Sicht abseits des Kampfes um den Ball stattgefunden hat. “Für mich ist es kein Zweikampf um den Ball. Er wäre nicht an den Ball gekommen, daher ist es kein klares Foulspiel.”

Sebastian Wolff

HSV: Es ist von allem zu wenig

Das ursprüngliche Saisonziel Direktaufstieg war schon vor dem Wochenende verfehlt, seit dem 0:1 gegen Holstein Kiel ist auch der Relegationsplatz fast verloren. Der Hamburger SV steht vor den Trümmern einer völlig missratenen Saison.

In Sachen Aufstieg wird es für den HSV ganz schwer.

In Sachen Aufstieg wird es für den HSV ganz schwer.

IMAGO/Eibner

Sechs Punkte Rückstand, die angesichts des um 16 Treffer schlechteren Torverhältnisses gegenüber Fortuna Düsseldorf eigentlich wie sieben Zähler zählen, lassen vier Partien vor dem Ende nicht mehr viel Raum für Aufstiegsträume. Die Anhänger reagierten nach Abpfiff mit wütenden Pfiffen, die es in der Heftigkeit lange nicht gegeben hat im Volkspark. Die Stimmung wird rauer rund um einen HSV der geradewegs und selbstverschuldet auf sein siebtes Zweitligajahr zusteuert.

“Realisten sind wir alle”, sagt Steffen Baumgart, “wir geben und hören nicht auf. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Das machen die Mannschaften vor uns und wir machen es nicht.” Ähnlich desillusioniert wie sein Trainer ist der Torjäger. “Jetzt muss ein Wunder her”, weiß Robert Glatzel. Doch der HSV wirkte auch gegen den Nord-Nachbarn nicht ansatzweise so, als könnte er ein solches erzwingen.

Das Bemühen war dem einstigen Aufstiegsanwärter nicht abzusprechen, die nötige Bedingungslosigkeit in einer Partie, in der allein ein Sieg die realistische Chance auf Platz 3 gewahrt hätte, hat indes gefehlt. Von Anfang an, und vor allem auch am Ende, als die Hamburger inklusive der Nachspielzeit rund 20 Minuten in Überzahl waren. “Vom Einsatz her”, sagt Glatzel, “war es nicht zu wenig. Aber spielerisch war es nicht genug. Wir haben nicht das Selbstverständnis, dass wir eine Offensivaktion nach der anderen fahren.”

Dem HSV im Frühjahr 2024 fehlt nicht nur das Selbstverständnis, ihm fehlt inzwischen auch eine echte Perspektive für den Rest der Saison. “Es ist jetzt natürlich extrem schwer, es muss alles zusammenkommen”, sagt Glatzel, “es wird ein, zwei Tage wehtun. Wir müssen das schlucken und dann weitergehen.” Nur, wie soll es weitergehen?

Samstagabend als Spiegelbild der Saison

Der Samstagabend war letztlich ein Spiegelbild der Saison: Es fehlt immer etwas. Präzision im Vorwärtsgang, Aufmerksamkeit im Verteidigen. Und dieses Mal auch die noch in Magdeburg sichtbar gewordene letzte Gier. Gegen Kiel trug auch die Personalauswahl von Baumgart nicht zu mehr Durchschlagskraft bei: Ohne den angeschlagenen Top-Scorer Laszlo Benes hatte er zudem weiterhin auf Jean Luc Dompé (“Er hat noch Nachholbedarf”) und Bakery Jatta (“Er hat gerade nicht das Durchsetzungsvermögen”) verzichtet, die aufgebotene Flügelzange Ransford Königsdörffer und Levin Öztunali blieb völlig wirkungslos, Glatzel erneut weitgehend von der Versorgungskette abgetrennt.

Zu diesem Zeitpunkt einer Saison war der HSV in seinen nun sechs Zweitligajahren noch nie so weit von der Bundesliga entfernt. Das ist mit dem personell im Sommer aufgerüsteten Kader verheerend. “So lange es rechnerisch noch möglich ist, ist es nicht vorbei”, sagt Mateo Raab. Viel mehr als Rechenspiele aber bleiben diesem HSV nicht.

Sebastian Wolff

Baumgart erklärt: Deshalb ist Jatta dennoch wichtig

Die Verpflichtung von Steffen Baumgart schien beim Hamburger SV auf den ersten Blick vor allem für einen Profi perfekt zu passen: Bakery Jatta zeichnen sämtliche Attribute aus, die dem neuen Trainer wichtig sind. Doch der Rechtsaußen ist noch nicht in der Spur.

Trainer Steffen Baumgart baut auch weiter auf Bakery Jatta.

Trainer Steffen Baumgart baut auch weiter auf Bakery Jatta.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Baumgart fordert von seinen Offensivspielern ein intensives Anlaufverhalten und maximale Intensität – Kernmerkmale von Bakery Jatta, der damit wie geschaffen scheint für den Fußball des neuen Chefs. Doch die Bilanz des 25-jährigen Gambiers liest sich ernüchternd, seit der Ex-Kölner den HSV anleitet. In den sieben Partien unter Baumgart ist Jatta noch ohne jede Torbeteiligung, kommt in diesem Zeitraum auf einen kicker-Notenschnitt von 4,28.

Beim zurückliegenden Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (2:1) hatte er sogar seinen Platz in der Startelf an Anssi Suhonen verloren, kam auch deshalb nach nur einer Hälfte auf der Bank wieder ins Team, weil der Finne muskuläre Probleme hatte und darauf dann erkältet war.

Er ist in der Entscheidungsfindung nicht so klar, wie er es schon war.

Baumgart über Jatta

Wenn am Samstagabend im Topspiel gegen Spitzenreiter Holstein Kiel die Jagd auf Platz 3 in die nächste Runde geht, wird Jatta ziemlich sicher dennoch starten – und erhält ausdrücklich Rückendeckung durch Baumgart. “Für mich ist entscheidend”, sagt der 52-Jährige, “dass Baka an der Situation arbeitet, dass er sehr offen ist. Höhen und Tiefen sind normal.” Schon zu Beginn des neuen Kalenderjahres begann das Tief, herausgekommen ist der sprint- und kampfstarke Publikumsliebling noch nicht.

Offensichtlich ist, dass augenblicklich die Klarheit in Jattas Spiel fehlt, erarbeitete Situationen dadurch regelmäßig verpuffen. “Er kämpft und arbeitet für die Mannschaft, schafft es im Moment aber nicht konstant, Situationen zu Ende zu bringen”, benennt der Coach das Problem. “Er ist in der Entscheidungsfindung nicht so klar, wie er es schon war.”

Der gebürtige Rostocker und frühere Angreifer aber ist zuversichtlich, dass der Flügelstürmer die Talsohle erfolgreich durchschreiten wird: “Über mehr Selbstvertrauen wird er da wieder hinkommen.” Für ihn steht ohnehin fest: “Wichtig ist er dennoch für uns.” Weil Jatta unverändert wichtige Wege nach hinten macht. Um wieder zum entscheidenden Faktor zu werden, muss er auch wieder die richtigen Wege in der Vorwärtsbewegung finden.

Sebastian Wolff

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Benes pausiert, ist für Baumgart aber kein Wackelkandidat

Die Personallage beim Hamburger SV hat sich entspannt, die Ausgangslage ist klar: Einzig ein Sieg gegen Spitzenreiter Holstein Kiel hält den einstigen Topfavoriten auf den Aufstieg aussichtsreich im Kampf um Platz 3.

Hamburgs Mittelfeldspieler Laszlo Benes pausierte beim Training.

Hamburgs Mittelfeldspieler Laszlo Benes pausierte beim Training.

IMAGO/Eibner

Steffen Baumgart hat sich in seinen ersten Wochen in der Hansestadt wie auch in seiner vorherigen Trainerkarriere nicht den Ruf erworben, verzierende Schleifchen um seine Aussagen zu machen.

Dementsprechend deutlich skizziert der 52-Jährige die Ausgangslage vor dem Topspiel am Samstagabend. “Wir haben vorher unsere Hausaufgaben nicht gut genug gemacht, und deshalb sind wir hintendran als Vierter mit drei Punkten Rückstand.” Vor Wochen noch wurde der Partie gegen den Nord-Nachbarn entgegenfiebert, weil in dieser die Chance erschien, zum Überholmanöver anzusetzen oder zumindest entscheidend verkürzen zu können, seit dem vergangenen Spieltag aber beträgt der Rückstand auf die Störche neun Zähler. “Wenn wir uns die letzten Ergebnisse von Kiel und Düsseldorf angucken”, sagt Baumgart, “dann müssen wir sagen, dass sie es überragend gemacht haben. Deshalb geht es für uns jetzt erstmal nur darum, unsere Hausaufgaben zu machen.”

Immerhin, diesen Versuch kann Baumgart erstmals mit seiner vermeintlich besten Elf angehen. Dazu wird auch Laszlo Benes zählen, obwohl der Slowake am Donnerstag mit dem Training ausgesetzt hatte. Der Coach spricht von einer “reinen Vorsichtsmaßnahme, es besteht keine Sorge. Etwas zwickt bei den Jungs ja immer.” Zum Abschlusstraining am Freitag erwartet er seinen Topscorer (13 Tore, 12 Vorlagen) zurück im Mannschaftstraining.

Hadzikadunic in der Startelf

Nachdem Baumgart am Mittwoch bereits das Startelf-Comeback von Torjäger Robert Glatzel nach auskurierten muskulären Problemen verkündet hatte, legt er sich nun auch auf Dennis Hadzikadunic nach auskurierter Erkältung in der Innenverteidigung fest. “Dennis hat unter mir zuvor jedes Spiel bestritten und auch gute Spiele gemacht, deshalb ist es die logische Konsequenz, dass er anfängt.” Diese Entscheidung ist ausdrücklich unabhängig von der Roten Karte für Guilherme Ramos:  “Er hätte auch ohne die Rotsperre gespielt.”

Baumgarts Wunschelf für den Samstag zeichnet sich deutlich ab, lediglich zwei Plätze lässt er noch offen: Die Besetzung der Rechtsverteidiger-Position und die auf Linksaußen. Rechts hinten drängt Ignace van der Brempt nach Muskelblessur zurück, und Baumgart lobt: “Er hat Qualitäten, die wir in jedem Spiel brauchen können.” Das Modell mit Ludovit Reis, der sich mit dem Ball als zweiter Sechser und gegen den Ball als Rechtsverteidiger positioniert hatte, bezeichnet der gebürtige Rostocker jedoch ausdrücklich nicht als Notlösung, sondern zieht es offenbar weiterhin in Betracht: “Ich finde, es hat gut funktioniert.”

Ebenso offen ist, ob Jean-Luc Dompé nach seinem starken Jokereinsatz beim 2:2 in Magdeburg startet oder wieder von der Bank kommt. “Ich bin froh, dass er wieder die ganze Zeit im Training ist”, erklärt Baumgart, “er ist immer besser drauf, auch in körperlicher Hinsicht. Er hat es in Magdeburg sehr gut gemacht. Wir überlegen sehr genau, ob es bei ihm jetzt schon für länger reicht, oder ob wir ihn hintenheraus bringen. Klar ist, er kann uns in beiden Rollen helfen.” Und ebenso klar ist: Hamburgs Offensivspiel ist auf Dompés Hilfe und Impulse angewiesen, um im Kampf um Platz 3 dabei zu bleiben.

Sebastian Wolff