HSV: Die wichtigsten Entscheidungen fallen nun nicht mehr auf dem Platz

HSV: Die wichtigsten Entscheidungen fallen nun nicht mehr auf dem Platz

Der Hamburger SV gibt sich im Endspurt der Saison noch nicht auf, weiß aber auch, dass der Aufstieg mit der Niederlage gegen Kiel in weite Ferne rückte. Neben dem Platz stehen wichtige Entscheidungen an.

Geht der Hamburger SV mit Sportvorstand Jonas Boldt in sein siebtes Zweitligajahr?

Geht der Hamburger SV mit Sportvorstand Jonas Boldt in sein siebtes Zweitligajahr?

IMAGO/Eibner

Abhaken, das betont Kapitän Sebastian Schonlau, werde der HSV diese Spielzeit noch nicht. “Aber natürlich sind sechs Punkte und das schlechtere Torverhältnis ein absolutes Brett.” Die wichtigsten Entscheidungen in Hamburg werden in den kommenden Wochen womöglich nicht auf dem Platz fallen.

Für Schonlau und seine Teamkollegen geht es, angefangen mit der nächsten Partie bei Abstiegskandidat Eintracht Braunschweig, vor allem darum, Signale auszusenden, dass der HSV gewillt ist, vernünftig aus dieser Saison zu gehen, Weichen stellen können die Spieler seit dem 0:1 gegen Holstein Kiel beinahe nicht mehr. Diese Aufgabe kommt den Aufsichtsräten zu.

Boldt ist definitiv nicht der Alleinschuldige

Gewisse Planungssicherheit für ein siebtes (!) Zweitligajahr in Folge besteht seit einem Wochenende, an dem sämtliche Konkurrenten gewannen und der HSV verlor, und die Kontrolleure müssen darüber befinden, wer den siebten Anlauf verantworten soll. Wieder Jonas Boldt? Mit ihm hat zwar Kontinuität auf vielen Ebenen und auch eine gewisse wirtschaftliche Stabilität Einzug gehalten, als Sportvorstand aber hatte er einen klaren Auftrag und wird diesen mutmaßlich auch in seinem fünften Jahr nicht erfüllen: den Aufstieg. Oder wird der frühere Leverkusener abberufen und ersetzt? Nur, durch wen?

Unstrittig ist, dass Boldt den HSV trotz der im Vergleich zur Konkurrenz ausreichenden wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht zurück nach oben geführt hat. Ebenso klar ist auch, dass der 42-Jährige keineswegs der Alleinschuldige am unbefriedigenden Ist-Zustand des einstigen Aushängeschilds des deutschen Fußballs ist. Über mehr als eine Dekade wurden schon vor ihm in den verschiedenen Vereinsgremien, häufig auch im Aufsichtsrat, an entscheidenden Weggabelungen die falschen Entscheidungen getroffen. Mal mangelte es an Mut zu unbequemen Personalien, mal auch an der Kompetenz.

Das Restprogramm des HSV

Dem HSV fehlt es nicht nur auf dem Feld an Überzeugung

Das aktuelle Kontrollgremium spielt in den kommenden Wochen daher eine wohl bedeutendere Rolle für die Zukunft des HSV als die Profis. Anhaltspunkte für Kritik an Boldt gibt es einige: Im Verbund mit Sportdirektor Claus Costa ist es nicht gelungen, die seit eineinhalb Jahren bestehende Lücke durch die Dopingsperre von Mario Vuskovic zu schließen. Zum Vergleich: Stadt-Nachbar St. Pauli hat in diesem Zeitraum mit Karol Mets und Hauke Wahl zwei adäquate Innenverteidiger verpflichtet, die stabilisierend wirken.

Hinzu kommt ein unglückliches Timing in der Trainerfrage, und es geht gar nicht allein darum, ob die Freistellung von Tim Walter und die Inthronisierung von Steffen Baumgart richtig oder falsch war, sondern vielmehr um den Zeitpunkt: Boldt hatte sich im Dezember für den alten und gegen den neuen Coach entschieden, um diese Entschluss dann nach nur vier Spielen zu revidieren. Das wirkte vom ersten Moment an nicht wie eine Entscheidung aus Überzeugung.

Und genau jene fehlende Überzeugung ist inzwischen auch ein Merkmal der Mannschaft geworden. “Irgendwie hat uns der Punch gefehlt”, konstatierte Jonas Meffert nach dem Alles-oder-Nichts-Spiel gegen Kiel. Auch deshalb wurde es – nichts, und daher geht es jetzt um – alles.

Sebastian Wolff