HSV: Es ist von allem zu wenig

HSV: Es ist von allem zu wenig

Das ursprüngliche Saisonziel Direktaufstieg war schon vor dem Wochenende verfehlt, seit dem 0:1 gegen Holstein Kiel ist auch der Relegationsplatz fast verloren. Der Hamburger SV steht vor den Trümmern einer völlig missratenen Saison.

In Sachen Aufstieg wird es für den HSV ganz schwer.

In Sachen Aufstieg wird es für den HSV ganz schwer.

IMAGO/Eibner

Sechs Punkte Rückstand, die angesichts des um 16 Treffer schlechteren Torverhältnisses gegenüber Fortuna Düsseldorf eigentlich wie sieben Zähler zählen, lassen vier Partien vor dem Ende nicht mehr viel Raum für Aufstiegsträume. Die Anhänger reagierten nach Abpfiff mit wütenden Pfiffen, die es in der Heftigkeit lange nicht gegeben hat im Volkspark. Die Stimmung wird rauer rund um einen HSV der geradewegs und selbstverschuldet auf sein siebtes Zweitligajahr zusteuert.

“Realisten sind wir alle”, sagt Steffen Baumgart, “wir geben und hören nicht auf. Aber wir müssen unsere Hausaufgaben machen. Das machen die Mannschaften vor uns und wir machen es nicht.” Ähnlich desillusioniert wie sein Trainer ist der Torjäger. “Jetzt muss ein Wunder her”, weiß Robert Glatzel. Doch der HSV wirkte auch gegen den Nord-Nachbarn nicht ansatzweise so, als könnte er ein solches erzwingen.

Das Bemühen war dem einstigen Aufstiegsanwärter nicht abzusprechen, die nötige Bedingungslosigkeit in einer Partie, in der allein ein Sieg die realistische Chance auf Platz 3 gewahrt hätte, hat indes gefehlt. Von Anfang an, und vor allem auch am Ende, als die Hamburger inklusive der Nachspielzeit rund 20 Minuten in Überzahl waren. “Vom Einsatz her”, sagt Glatzel, “war es nicht zu wenig. Aber spielerisch war es nicht genug. Wir haben nicht das Selbstverständnis, dass wir eine Offensivaktion nach der anderen fahren.”

Dem HSV im Frühjahr 2024 fehlt nicht nur das Selbstverständnis, ihm fehlt inzwischen auch eine echte Perspektive für den Rest der Saison. “Es ist jetzt natürlich extrem schwer, es muss alles zusammenkommen”, sagt Glatzel, “es wird ein, zwei Tage wehtun. Wir müssen das schlucken und dann weitergehen.” Nur, wie soll es weitergehen?

Samstagabend als Spiegelbild der Saison

Der Samstagabend war letztlich ein Spiegelbild der Saison: Es fehlt immer etwas. Präzision im Vorwärtsgang, Aufmerksamkeit im Verteidigen. Und dieses Mal auch die noch in Magdeburg sichtbar gewordene letzte Gier. Gegen Kiel trug auch die Personalauswahl von Baumgart nicht zu mehr Durchschlagskraft bei: Ohne den angeschlagenen Top-Scorer Laszlo Benes hatte er zudem weiterhin auf Jean Luc Dompé (“Er hat noch Nachholbedarf”) und Bakery Jatta (“Er hat gerade nicht das Durchsetzungsvermögen”) verzichtet, die aufgebotene Flügelzange Ransford Königsdörffer und Levin Öztunali blieb völlig wirkungslos, Glatzel erneut weitgehend von der Versorgungskette abgetrennt.

Zu diesem Zeitpunkt einer Saison war der HSV in seinen nun sechs Zweitligajahren noch nie so weit von der Bundesliga entfernt. Das ist mit dem personell im Sommer aufgerüsteten Kader verheerend. “So lange es rechnerisch noch möglich ist, ist es nicht vorbei”, sagt Mateo Raab. Viel mehr als Rechenspiele aber bleiben diesem HSV nicht.

Sebastian Wolff