Spaniens Siegtorschütze Merino: “Ich habe nichts gehört … völlige Stille”

Die Joker sorgten für die Tore im Viertelfinale zwischen Spanien und Deutschland. Für den Siegtorschütze Mikel Merino stand sein Kopfball zum 2:1 exemplarisch für die gute Team-Chemie – auch wenn er etwas Zeit brauchte, um den Siegtreffer zu realisieren.

Mikel Merino setzte erst zum Kopfball und dann zum Jubelsprung an.

Mikel Merino setzte erst zum Kopfball und dann zum Jubelsprung an.

IMAGO/Jan Huebner

Es lief die 119. Spielminute, als sich Mikel Merino im deutschen Strafraum im Rücken Antonio Rüdigers davonschlich und Dani Olmos Maßflanke ins linke Toreck köpfte. Was folgte, war spanische Ekstase, auf den Rängen und auf dem Feld in Stuttgart. Einer brauchte aber etwas, um das eben Geschehene zu realisieren – der Torschütze selbst.

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“Ich muss ehrlich sein, in den ersten zwei Sekunden war mir nicht bewusst, was passiert ist. Ich habe nichts gehört … völlige Stille”, berichtete der 28-Jährige bei der UEFA. Erst als seine Mitspieler auf ihn zustürmten, wurde Merino klar, “dass es ein Tor war. Es war unglaublich.”

“Nur noch rennen, springen und den Kopfball koordinieren”

Dass der ehemalige Dortmunder, der für den BVB 2016/17 acht Bundesliga-Spiele bestritt, erst mit Verzögerung seinen Treffer registrierte, lag an der Entstehung: “Alles passierte in einer Millisekunde. Sobald ich sah, dass Dani Olmo den Ball hatte, wusste ich, dass er viel Qualität hat und eine tolle Flanke schlagen würde.” So musste Merino “nur noch rennen, springen und den Kopfball koordinieren. Der Rest ist Geschichte.”

Mit seinem zweiten Treffer im 26. Länderspiel sorgte der Mittelfeldspieler von Real Sociedad für die nächste Halbfinal-Teilnahme der Iberer, der Traum des vierten EM-Titels und des ersten seit 2012 lebt damit weiter. Für den Siegtorschützen war der Treffer “ein Beweis für die Familie, die wir sind” und der Lohn “für die Anstrengungen, die wir auf dem Trainingsplatz unternommen haben. Die Momente, die sonst niemand sehen kann.”

Weil auch der erste spanische Treffer von Dani Olmo sowie Deutschlands zwischenzeitlicher Ausgleich in der 89. Minute durch Florian Wirtz von Einwechselspielern erzielt wurden, war die Partie auch aus Statistik-Sicht eine besondere. Das Viertelfinale war nämlich erst das vierte Spiel der EM-Geschichte, in dem drei verschiedene Spieler eingewechselt wurden und auch trafen (ohne Eigentore). Zuvor war Jokern Vergleichbares nur 1996 beim 3:3 zwischen Russland und Tschechien sowie dem wilden 5:3 der Spanier gegen Kroatien und Italiens 2:1 gegen Österreich – beides jeweils nach Verlängerung im Achtelfinale vor drei Jahren – gelungen.

Die Joker-Spiele

Laporte zieht den Hut

Kein Wunder, dass also auch die Einwechselspieler im Mittelpunkt der spanischen Lobeshymnen standen. “Ich ziehe meinen Hut vor diesen Jungs – sie haben alle ein besonderes Spiel abgeliefert”, sagte Aymeric Laporte über die Rolle der Joker. “In den entscheidenden Momenten” verliehen Dani Olmo, Merino und Co. dem gesamten Team “Frische und Stabilität”, lobte Laporte. “Ich möchte den Jungs  wirklich gratulieren und ihnen danken.”

Einen hob Laporte besonders heraus, den in der 80. Minute eingewechselten Matchwinner Merino: “Aber vor allem gratuliere ich Mikel – dieses tolle Tor wird er nie vergessen!”

Dani Olmo: Der Entscheider, der von der Bank kam

Ein Joker, der schon nach Minuten eingewechselt werden muss und entscheidend Einfluss nimmt: Dani Olmo profitierte vom Verletzungspech Pedris und stürzt Spanien mit einem Tor und einem Assist in einen Freudentaumel.

Traf und legte ein Tor: Dani Olmo.

Traf und legte ein Tor: Dani Olmo.

IMAGO/Ulmer/Teamfoto

Thomas Müller sprach gerade über bittere Aus seiner Nationalmannschaft, als Dani Olmo um 22.24 hinter ihm die Stuttgarter Arena fast unbemerkt verließ, in der rechten Hand trug er den Pokal, mit dem er zuvor zurecht zum Spieler des Spiels ausgezeichnet worden war. Im Spiel stand der Leipziger deutlich mehr im Mittelpunkt, dabei saß er bei Anpfiff auf der Bank.

Kaum hatte er dort Platz genommen, wurde es jedoch Ernst, schon nach acht Minuten ersetzte Olmo den verletzten Pedri und drückte der Partie fortan seinen Stempel auf. Als Zehner hinter drei Spitzen verteilte er geschickt Bälle, stieß immer wieder gefährlich in den Raum zwischen der deutschen Viererkette und den beiden Sechsern vor und lieferte am Ende Zählbares: Das 1:0 platzierte Olmo perfekt im Tor von Manuel Neuer. Kein harter, aber ein sehr überlegter und unhaltbarer Schuss.

Und als alle im Stadion mit einem Elfmeterschießen rechneten, bot er sich auf dem linken Flügel für eine Seitenverlagerung an, platzierte die Flanke perfekt auf den Kopf von Mikel Merino und versetzte die deutschen Fans in Stuttgart und vor den Bildschirmen in Schockstarre. “Es war ein schwieriges, kompliziertes Spiel, das in die Verlängerung ging, ebenfalls kompliziert”, sagte der 26-Jährige und fügte voller Überzeugung an: “Am Ende verdienten wir uns den Sieg. Jetzt feiern wir und genießen den Moment.” Im Turnier steht Olmo nun bei zwei Toren und zwei Vorlagen.

Dani Olmo winkt jetzt die Startelf

Aber nur kurz, denn das Turnier geht für den so oft von Verletzungen geplagten Olmo und seine Spanier weiter, am Dienstag im Halbfinale in München. An der Stätte, an der er im vergangenen August einen Glanzmoment erlebte, als er für seine Leipziger alle drei Tore im Supercup beim FC Bayern erzielte. Vermutlich wird er am Dienstag in der Startelf stehen, bereits während der Partie gaben die Spanier eine Knieverletzung bei Pedri als Diagnose an.

Pech für den Jungstar des FC Barcelona, Glück für Olmo und die Spanier, die durch dessen frühe Hereinnahme ganz sicher keinen Nachteil erlitten. Und nicht die schlechteste Visitenkarte für Dani Olmo, der nach dem Turnier Leipzig per Ausstiegsklausel für 60 Millionen Euro verlassen und zu einem europäischen Topklub wechseln könnte. Der Freitagabend diente auf großer Bühne als perfekte Eigenwerbung.

Frank Linkesch

Strittige Handspiel-Szene: Warum Taylors Entscheidung vertretbar war

Hätte Deutschland in der 106. Minute des EM-Viertelfinals gegen Spanien einen Hand-Elfmeter zugesprochen bekommen müssen? Das Regelwerk gibt dem Schiedsrichter Ermessensspielraum in beide Richtungen. Bundestrainer Julian Nagelsmann forderte daher eine Reform der Regel.

Im Mittelpunkt der Diskussionen: Schiedsrichter Anthony Taylor hatte im Viertelfinale Deutschland gegen Spanien viel zu tun.

Im Mittelpunkt der Diskussionen: Schiedsrichter Anthony Taylor hatte im Viertelfinale Deutschland gegen Spanien viel zu tun.

IMAGO/Jan Huebner

Es gibt Situationen im Fußball, in denen unstrittig ist, dass der Ball mit der Hand gespielt wurde. Gleichbedeutend mit einer Strafe allerdings muss dieser Einsatz nicht zwingend sein. Das musste die deutsche Mannschaft im EM-Viertelfinale gegen Spanien auf dramatische Weise lernen. Es lief die 106. Spielminute, noch stand es 1:1, noch war der Halbfinal-Einzug für das Team von Julian Nagelsmann zum Greifen nahe. Der eingewechselte Niclas Füllkrug legte den Ball ab für Jamal Musiala, der aus 20 Metern sofort abzog.

Der stramme Schuss des Offensivspielers landete klar erkennbar an der Hand des Spaniers Marc Cucurella. Der Ball veränderte die Flugbahn und flog nicht – wie zuvor – Richtung Tor. Der Arm des Verteidigers zuckte aufgrund des Treffers nach hinten. Die deutsche Mannschaft und die Fans auf den Rängen forderten Strafstoß – doch Schiedsrichter Anthony Taylor aus England ließ weiterspielen und deutete mit seiner Gestik an, dass ihm dieses Handspiel nicht für eine Bestrafung genüge. Der VAR teilte diese Einschätzung – oder kam zumindest zu dem Schluss, dass keine klare Fehlentscheidung vorlag. Er griff jedenfalls nicht ein. Das Spiel lief ohne Strafstoß für Deutschland weiter.

Ballack: “Ein klareres Handspiel gibt es nicht mehr im Fußball”

Die Entscheidung des Referees bot fraglos Anlass für Diskussionen – zumal die DFB-Elf im Achtelfinale gegen Dänemark für ein deutlich zarteres Handspiel von Joachim Anderson nach VAR-Intervention einen Strafstoß zugesprochen bekam. Der frühere Nationalspieler Michael Ballack, der die EM als TV-Experte für MagentaTV begleitet, sagte: “Ein klareres Handspiel gibt es nicht mehr im Fußball.”

Schiedsrichter Patrick Ittrich sagte – ebenfalls beim Streamingdienst – zum ausgebliebenen Pfiff Taylors, der beste Sicht auf das Geschehen gehabt habe: Der Referee sehe, dass der Spieler den Arm aus der Schussbahn ziehen wolle, sagte Ittrich und bilanzierte: “Diese Szene zeigt das ganze Dilemma der Regel. Ich bin eigentlich auch eher bei Handspiel, aber es nicht das Handspiel, bei dem du ihn rausschickst, weil du keine anderen Bilder hast.”

Die Entscheidung Taylors war aus Regelsicht vertretbar, da erkennbar keine Absicht Cucurellas vorlag und die Abwehrbewegung des Spaniers als natürlich zu werten war. Auch die geringe Distanz zum Schützen, die Intensität des Schusses und die geringe Spannung in Cucurellas Arm sind Argumente gegen ein strafbares Handspiel.

Dass Taylor weiterspielen ließ, war also in Summe in Ordnung – wenngleich der deutsche Protest nachvollziehbar ist, da auch eine Sanktion per Strafstoß im Ermessensspielraum des Schiedsrichters gelegen hätte. Unklar blieb mangels TV-Bildern, ob Füllkrug vor seiner Ablage knapp im Abseits stand, wie es der Eindruck der Live-Bilder nahelegte.

Nagelsmann: Schuss-Richtung solle in die Entscheidung einfließen

Auch Bundestrainer Julian Nagelsmann und seine Spieler ärgerten sich über den ausgebliebenen Pfiff. Von einem Betrug allerdings wollten sie in ihrer Enttäuschung nicht sprechen. Vielmehr wünschte sich Nagelsmann eine Reform der Handspiel-Regeln, “im Sinne des Fußballs”. “Ich will nicht jammern, aber die Bühne nutzen: Vielleicht muss man die Regel anpassen, das wäre – unabhängig von heute – schön”, sagte der 36-Jährige, der sich wünschen würde, dass die Richtung des Schusses in die Bewertung einflösse: “Wenn Jamal den Ball in die Stuttgarter Innenstadt schießt, will ich keinen Elfmeter bekommen. Aber der Schuss von Jamal geht aufs Tor, er geht vermutlich sogar ins Tor. Dass es dann keinen Elfmeter gibt – das kann ich nicht akzeptieren”, sagte Nagelsmann.

Matthias Dersch

Müller vor Abschied: “Könnte schon sein, dass das mein letztes Spiel war”

Der Abschied von Toni Kroos stand schon vor dem Turnierstart fest, nach dem bitteren Aus gegen Spanien stellen sich drei weitere Zukunftsfragen: Thomas Müller deutete mehr als nur an, dass er am Freitag letztmalig für Deutschland gespielt hat, Ilkay Gündogan und Manuel Neuer ließen ihre Zukunft offen.

Deutet seinen Abschied an: Thomas Müller.

Deutet seinen Abschied an: Thomas Müller.

IMAGO/Sportsphoto

Die Bilder von Müller mit den Tränen vor den Tribünen der Stuttgarter Arena gingen nach Abpfiff in Windeseile um die Welt. Rund eine Stunde nach dem Ende stellte sich der 34-jährige Bayern-Profi in der Mixedzone den Fragen – auch der nach seiner persönlichen Zukunft. Er beantwortet sie gefasst: “Realistischerweise kann es schon sein, dass das heute mein letztes Spiel für Deutschland war. Ich werde das jetzt mit dem Bundestrainer besprechen, vielleicht morgen schon oder in den nächsten Tagen. Wir haben einen sehr engen Draht.”

Wie nach dem WM-K.-o. von Katar vor eineinhalb Jahren wiederholt Müller auch jetzt sein Credo: “Ein Rücktritt, oder die Aussage, dass ich es ausschließe, für Deutschland zu spielen, so etwas wird es von mir nicht geben. Aber natürlich kann es sein, dass der Trainer und ich sagen, dass es etwas Sinnvolleres gibt.”

Müller also verabschiedet sich mehr oder weniger deutlich aus der Nationalmannschaft, bei Kapitän Ilkay Gündogan könnte die Tendenz in die gleiche Richtung gehen. Schon nach der WM 2022 hatte er über einen Abschied nachgedacht, wurde letztlich unter anderem vom damaligen Bundestrainer Hansi Flick zum Weitermachen überredet, jetzt erklärt der 33-jährige Barca-Star: “So früh nach dem Spiel kann ich das nicht sagen. Ich brauche ein paar Tage, um darüber nachzudenken. Dann werde ich eine Entscheidung treffen.”

Länger als ein paar Tage will sich offenbar Neuer Zeit nehmen. Der 38-jährige Torwart sagt: “Ich habe vor dem Turnier schon gesagt, dass ich mir danach Gedanken machen werde, das werde ich jetzt tun. Aber das heißt nicht heute oder morgen. Das kann auch ein halbes Jahr dauern.” Damit lässt er sich alle Optionen offen – und klingt mehr noch als Gündogan danach, dass ein Weitermachen denkbar ist.

Mindestens die Ära Müller im DFB-Trikot aber ist an einem denkwürdigen Abend von Stuttgart zu Ende gegangen.

Sebastian Wolff

“Total skurril am Fußball”: Was Nagelsmann am nicht gegebenen Elfer stört

Gastgeber Deutschland ist im EM-Viertelfinale an Spanien gescheitert. Speziell eine Szene in der Verlängerung bot Diskussionsstoff. Zum nicht gegebenen Handelfmeter hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann seine ganz eigene Meinung.

Im Fokus: Referee Anthony Taylor.

Im Fokus: Referee Anthony Taylor.

imago images

Es lief am Freitagabend die 106. Minute, als ein kollektiver Aufschrei im Stuttgarter Stadion zu hören war. Jamal Musiala hatte aus der zweiten Reihe abgezogen, Spaniens Linksverteidiger Marc Cucurella vom FC Chelsea bekam den wuchtigen Versuch an die Hand. Schiedsrichter Anthony Taylor hatte einen guten Blick auf die Szene und zeigte schnell an, dass er weiterspielen lassen wird.

Deutschland drängte in der Folge weiter nach vorne, kassierte in der 119. Minute allerdings unglücklich das entscheidende 1:2 von Ex-Dortmunder Mikel Merino. Klar, dass die Elfmeterszene deswegen noch intensiver diskutiert wurde.

Bundestrainer Julian Nagelsmann hatte seine ganz eigene Meinung zur Situation, die er in der ARD ausführlich kundtat. “Ich versuche schon seit Jahren, in allen möglichen Schiedsrichtersichtungen mit reinzubringen, warum man bei keiner Handspielsituation bewertet, was aus der Aktion wird”, begann der ehemalige Bayern-Coach und fügte an: “Wenn Jamal das Ding in den Mittelrang schießt, dann will ich dafür keinen Elfmeter.”

Cucurellas Handspiel sei auch “keine riesig unnatürliche Bewegung”. Aber: “Wenn der Ball aufs Tor geht, dann stoppt er diesen mit der Hand. Das ist einfach Fakt, das sieht man. Das macht er nicht absichtlich, aber das spielt auch keine Rolle.”

Vergleich zur Szene im Achtelfinale

Nagelsmann findet es “total skurril im Fußball, dass die Intention der Aktion null bewertet wird”. Es gehe stattdessen schlichtweg darum: “Ist der Ball jetzt an der Hand oder nicht?” Der für Deutschland wegweisende Elfmeter im Achtelfinale gegen Dänemark, als Unglücksrabe Joachim Andersen den Ball bei einer Flanke an die abgespreizte Hand bekam, sei für Nagelsmann “deutlich weniger” gewesen.

“Dass wir das nicht reinkriegen in den Fußball, das zu bewerten, wo der Ball hinfliegt, wenn ich 48.000 Wiederholungen habe, das kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen”, schloss der Bundestrainer.

Deutschland scheidet bei der Heim-EM aus

Trauriger Abend für die deutsche Nationalmannschaft: Bei der Europameisterschaft im eigenen Land ist die Mannschaft von Julian Nagelsmann im Viertelfinale an Spanien gescheitert.

Leere Gesichter: Für Jamal Musiala und Antonio Rüdiger ist die EM vorbei.

Leere Gesichter: Für Jamal Musiala und Antonio Rüdiger ist die EM vorbei.

Getty Images

Nach einer ersten Halbzeit ohne Tore waren es nach der Pause die Spanier, die in Führung gingen: Der Leipziger Dani Olmo traf nach Vorlage von Lamine Yamal platziert ins linke Eck.

Deutschland war nun gefordert, Coach Nagelsmann wechselte offensiv und die DFB-Elf warf alles nach vorne – und es gab den späten Lohn: Florian Wirtz traf kurz vor dem Ende zum Ausgleich und erzwang mit seinem Treffer die Verlängerung.

Ex-Dortmunder Merino schockt Deutschland

In der Extrazeit hatten die Spanier Glück, dass Deutschland keinen Elfmeter nach einer Handabwehr von Marc Cucurella zugesprochen bekam. Und für die Iberer kam es sogar noch besser, denn der Ex-Dortmunder Mikel Merino erzielte in der 119. Minute den späten Siegtreffer.

Für Deutschland endete die Partie also mit tiefer Trauer, denn Toni Kroos, der sein letztes Fußballspiel auf Profiebene bestritten hat, und seine Teamkollegen sind ausgeschieden bei der Europameisterschaft im eigenen Land. Spaniern kämpft weiter um den EM-Titel.

Kimmich hadert: “Da ist schon sehr viel gegen uns gelaufen”

Deutschland ist extrem bitter gegen Spanien im EM-Viertelfinale ausgeschieden. Joshua Kimmich fand sehr klare und ehrliche Worte – und sprach von einem unverdienten Ausscheiden.

Ein ganz bitterer Moment: Auch Joshua Kimmich war total enttäuscht nach dem bitteren EM-Aus.

Ein ganz bitterer Moment: Auch Joshua Kimmich war total enttäuscht nach dem bitteren EM-Aus.

Getty Images

“Es fühlt sich sehr ungerecht an”, begann Joshua Kimmich seine Analyse am ARD-Mikrofon und führte weiter aus: “In der ersten Halbzeit waren die Spanier die bessere Mannschaft, aber in der zweiten Hälfte und auch der Verlängerung waren wir deutlich besser, hatten die deutlich besseren Chancen. Spanien wollte sich eigentlich nur noch ins Elfmeterschießen retten.”

Deutschland war gefühlt näher am 2:1 dran, die Iberer taten sich schwer, hatten mit Nico Williams, Lamine Yamal und Alvaro Morata auch ihren gesamten Dreiersturm schon ausgewechselt. Und dann hatte Spanien in der 106. Minuten auch noch Glück, dass es keinen Handelfmeter gab, nachdem Marc Cucurella den Schuss von Jamal Musiala an die Hand geschossen bekam.

Und dann kam zu allem Überfluss aus deutscher Sicht noch die 119. Minute und der späte Siegtreffer durch Mikel Merino. “Das ist bitter, dass wir mit der letzten Aktion das 1:2 kriegen. Wir haben sogar danach noch zwei gute Chancen. Und dann haben wir noch eigentlich einen Handelfmeter vor dem 1:2. Da ist schon sehr viel gegen uns gelaufen, leider”, haderte Kimmich.

Kimmich lobt: “Es war ein unglaublicher Teamspirit”

Die Enttäuschung nach Abpfiff war bei allen groß. Allerdings fühlte es sich anders an als bei den Turnieren zuvor, wo teilweise schon in der Gruppenphase Endstation war (WM 2018 in Russland, WM 2022 in Katar). “Das ist eine andere Enttäuschung als in Katar. Da war es ein Versagen von uns, wir haben nicht an einem Strang gezogen und waren kein Team. Das war in diesem Jahr ganz anders”, so Kimmich. “Wenn ich auf die letzten sechs Wochen zurückblicke, in denen wir zusammen waren, das war sehr besonders. Es war ein unglaublicher Teamspirit, gerade auch von den Jungs, die nicht so viel gespielt haben. Das habe ich so noch nicht so oft erlebt.”

Somit kam der in diesem Turnier als rechter Verteidiger eingesetzte Spieler vom FC Bayern auf den Schluss: “Die Enttäuschung ist anders und vielleicht noch größer, als bei den anderen Turnieren. Bei den anderen Turnieren haben wir es nicht verdient, da waren wir nicht gut genug. Das war heute anders. Wir waren definitiv die bessere Mannschaft gegen sein sehr gutes Spanien.”

Emotionaler Füllkrug: “War wahnsinnig schön, für euch auf dem Platz zu kämpfen”

Nach dem bitteren Viertelfinal-Aus schleppte sich Niclas Füllkrug vor die Kamera, gab Einblicke in sein Seelenleben und richtete sich direkt an die deutschen Fans.

Zusammengekniffene Lippen, leerer Blick, aber Applaus: Niclas Füllkrug nach dem deutschen Turnier-Aus.

Zusammengekniffene Lippen, leerer Blick, aber Applaus: Niclas Füllkrug nach dem deutschen Turnier-Aus.

IMAGO/Sportsphoto

Wie bei der Heim-WM 2006 war die 119. Minute wieder eine Unglücksminute für das DFB-Team. Im Halbfinale vor 18 Jahren war es der Italiener Fabio Grosso, der damals das Sommermärchen beendete. In der Gegenwart im Viertelfinale gegen Spanien sorgte der Ex-Dortmunder Mikel Merino mit seinem entscheidenden Kopfball erneut in der vorletzten Minute der Verlängerung für Schockstarre beim deutschen Team und ließ damit den Traum vom Titel beim Heim-Turnier platzen.

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Entsprechend geknickt war Niclas Füllkrug danach am ARD-Mikrofon: “Es ist einfach gerade traurig, dass es vorbei ist. Man hat eine Euphorie, man hat ein Gemeinschaftsgefühl in Deutschland gehabt, was wir auch gespürt haben. Das war lange nicht mehr so. Es ist ganz, ganz traurig.”

Später Wirtz-Treffer reicht nicht – Nagelsmann baut auf

Auch im Viertelfinale hatte die DFB-Elf mit Herz und Leidenschaft agiert, spät durch Florian Wirtz die Verlängerung erzwungen und so die Fans in Stuttgart sowie im ganzen Land wieder einmal mitgenommen. Dass man den zuvor so starken Spaniern stark die Stirn geboten hatte, war für Füllkrug ein schwacher Trost, denn: “Im Moment ist gerade noch kein Stolz da, es ist vorbei jetzt gerade und wird von Sekunde zu Sekunde härter, das zu realisieren.”

In der Kabine herrschte nach der Partie “Stille”, berichtete der Angreifer, der diesmal als Joker nur den Pfosten traf, aber für viel Betrieb sorgte. “Der Trainer hat dann ein paar gute Worte gefunden. Aber letztendlich hilft gerade gar nichts. Gerade gibt es keinen Ausweg deinen Gefühlen aus dem Weg zu gehen. Das wird ein bisschen Zeit brauchen”, gab Füllkrug Einblick in sein Seelenleben und richtete dann den Blick vom Boden direkt in die Kamera.

Der Dank an die Fans

“Auch an euch, vielen Dank für das tolle Gefühl, das ihr uns gegeben habt. Es war wahnsinnig schön, für euch auf dem Platz zu kämpfen. Schade, dass es nur bis zum Viertelfinale war, aber ihr ward auf jeden Fall überragend”, bedankte sich der 31-Jährige für die Unterstützung der Fans.

Die Feierbilder der deutschen Anhänger waren für Füllkrug “wunderschön”, auch, weil er vor der EM “ehrlich gesagt nicht damit gerechnet” habe, “dass man das nochmal hinbekommt in Deutschland”. Umso schöner fand es Füllkrug, “dass es geklappt hat”, allerdings überwog nach dem bitteren Aus doch die Schwere der Niederlage. Bei den Fans und bei Füllkrug, der mit stockender Stimme das Interview beendete: “Es ist gerade schwer für mich.”

“Herzinfarkte wie diesen nimmt man gerne in Kauf” – “Sensationeller Fehler von Taylor”

Ein spanisches Siegtor in der 119. Minute, umstrittene Schiedsrichter-Entscheidungen, Toni Kroos’ Abschied von der großen Fußball-Bühne. Kurzum: Dramatik pur im Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien. Entsprechend klingen auch die Titelzeilen der internationalen Presse.

Enttäuschung pur bei den deutschen Nationalspielern auf dem Rasen: Niclas Füllkrug (li.) und Antonio Rüdiger müssen das EM-Aus erst noch verarbeiten.

Enttäuschung pur bei den deutschen Nationalspielern auf dem Rasen: Niclas Füllkrug (li.) und Antonio Rüdiger müssen das EM-Aus erst noch verarbeiten.

IMAGO/Jan Huebner

Spanien

Marca: “Unsterbliche Leistung Spaniens! Mikel Merino besiegelt ein unvergessliches Spiel, in dem die spanische Mannschaft der deutschen Belagerung standhielt. Ein Spiel für alle Zeiten, voller Epos und Großartigkeit, Spanien schreibt ein unvergessliches Kapitel.”

AS: “Das ist für Quincoces, Zarra, Camacho, Zubizarreta, Butragueno, Joaquin, Busquets … Für alle, die seinerzeit versuchten, den Gastgeber einer Welt- oder Europameisterschaft zu schlagen – und scheiterten. Spanien besiegt Deutschland in einem äußerst komplizierten Spiel. Herzinfarkte wie diesen nimmt man gerne in Kauf.”

El Mundo Deportivo: “Schluss mit dem Fluch gegen die Gastgeber: Spanien musste gegen ein konkurrenzfähiges Deutschland leiden.”

EM, Viertelfinale

England

Daily Mail: “Merino beendet den deutschen Traum, die Herzen der Gastgeber brechen. Ekstase für die Spanier, Qual für die Deutschen. Was für ein Spiel!”

Sun: “Ein Spiel voller Drama!”

Guardian: “Football, bloody hell! Das war dramatisch.”

Italien

Gazzetta dello Sport: “Spannung und Gleichgewicht. Und Kontroversen. Im ersten Viertelfinale der Europameisterschaft in Stuttgart fehlt es an nichts. Spanien besiegt Deutschland in der Verlängerung mit 2:1. Den Deutschen wurde ein klarer Elfmeter verweigert: Cucurella trifft nach Musialas Schuss den Ball mit dem Arm. Es ist eine echte Parade. Doch Schiedsrichter Taylor greift nicht ein. Und nicht einmal der VAR.”

Corriere dello Sport: “Spanien im Halbfinale: Ein Tor von Merino in der Verlängerung bringt Deutschland zum Weinen.”

Tuttosport: “Merino, Held für Spanien in der Verlängerung: Deutschland k.o.! Der sensationelle Fehler von Taylor belastet den Spielverlauf, da er ein klares Handspiel von Cucurella im spanischen Strafraum nicht sanktionierte.”

Österreich

Kronenzeitung: “Spanien beendet den deutschen EM-Traum in der 119. Minute. Wurde Deutschland ein Elfmeter gestohlen?”

Kurier: “Last-Minute-Schock für Deutschland. Die Träume vom nächsten deutschen Sommermärchen sind geplatzt.”

Schweiz

Blick: “Dramatik pur! Von der Ekstase ins tiefe Loch. Deutschland im Tal der Tränen.”