Fallrückzieher, Zirkzee und Lupfer: Bologna lässt Roma abblitzen

Die unter Daniele de Rossi erstarkte Roma erwartete an diesem 33. Serie-A-Spieltag die Überraschungsmannschaft aus Bologna – und erlitt am Ende trotz guter eigener Phasen einen 1:3-Rückschlag im Kampf um die Champions League.

Strahlemänner: Bolognas Dan Assane Ndoye und Torschütze Joshua Zirkzee (re.) feiern in Rom.

Strahlemänner: Bolognas Dan Assane Ndoye und Torschütze Joshua Zirkzee (re.) feiern in Rom.

IMAGO/IPA Sport

Mit der Gewissheit im Rücken, schon zum vierten Mal in Folge in einem europäischen Halbfinale zu stehen (dreimal Europa League, einmal Conference League samt Gewinn 2021/22), erwartete die unter dem jüngst erst vertragsverlängerten Coach Daniele de Rossi trainierte AS Roma das Serie-A-Überraschungsteam aus Bologna im heimischen Olimpico.

Und das Selbstvertrauen nach dem erfolgreichen 2:1 gegen Milan im Rückspiel des Europa-League-Viertelfinals war den Giallorossi, die auf den angeschlagenen Lukaku verzichten mussten und dafür erstmals seit Juni 2023 (!) den lange mit Kreuzbandverletzung ausgefallenen Tammy Abraham in der Startelf hatten, anzumerken. Die Schützlinge von 2006er Weltmeister und Roma-Ikone de Rossi schoben ab und erspielten sich in Minute 9 direkt die Großchance aufs 1:0. Doch El Shaarawy verzog aus der Nahdistanz zu überhastet.

Feiner Fallrückzieher und abziehender Zirkzee

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In der Folge hatten die Hauptstädter, die sich mit härteren Tacklings auch einige Gelbe Karten in Abschnitt eins einhandelten, aber mehr und mehr das Nachsehen. Denn auch ohne den wichtigen Anker Ferguson (Kreuzbandriss und EM-Aus für Schottland) im FCB-Mittelfeld lief der Passexpress rund. Erfolgscoach Thiago Motta sah Kombinationen, Annäherungen, Pressing.

Und vor allem sah er Abschlussaktionen – erfolgreiche zugleich: So vollendete zunächst El Azzouzi eine präzise Calafiori-Flanke via Fallrückzieher mithilfe des rechten Innenpfostens zum 1:0 (14.), ehe nach kurzer Kontrollphase der Römer samt Paredes-Möglichkeit (20.) Saelemaekers einen direkten Freistoß rechts oben an den Querbalken hämmerte. Über das verpasste 2:0 ärgerte sich die Milan-Leihgabe im Anschluss sehr, durfte aber kurz darauf mit Zirkzee feiern. Denn der ehemalige Münchner, für den der FC Bayern eine Rückholoption besitzt, traf kurz vor der Pause aus spitzem Winkel. Der nur knapp hinter der Linie gelandete Ball wurde von der Torlinientechnik und damit von der Uhr von Schiedsrichter Fabio Maresca als Treffer bestätigt (45.).

Saelemaekers kontert Azmoun richtig cool

Mit dem Rücken zur Wand standen die Mannen aus der “Ewigen Stadt” also zu Beginn der zweiten 45 Minuten – und kamen plötzlich richtig auf. Bolognas Spiel wurde ab der 46. im Keim erstickt und selbst Druck entfacht. El Shaarawy scheiterte in dieser Phase mit einem saftigen Distanzknaller an einer Rettung via Gesicht von Ex-Hoffenheimer Posch, der nach kurzer Behandlung weitermachen konnte. Paredes prüfte die Reaktionsschnelligkeit des früheren Roma-Keepers Skorupski ebenfalls mit einem Versuch aus der Entfernung (53.). Und drei Minuten später gelang dem erst kurz vorher für den noch nicht bei 100 Prozent stehenden Abraham gebrachten Joker Azmoun das 1:2.

Die Bolognesen aber wussten sich aus der dauerhaften Umklammerung plötzlich zu befreien – und wie schön. Nach Balleroberung gegen Dybala, Steckpass von Zirkzee und Sprint von Saelemaekers blieb dieser frei vor Torhüter Svilar eiskalt, lupfte und traf cool zum 3:1 (65.). Damit zog der Gast aus der norditalienischen Region Emilia-Romagna den Römern den Stecker, sie konnten sich nicht mehr erholen – und erlitten so im zwölften Serie-A-Spiel unter Coach de Rossi die erst zweite Niederlage. Atalanta Bergamo und Lazio lauern wieder mehr.

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De Rossis besonderer Kniff mit El Shaarawy überrumpelt Milan

Die AS Rom träumt vom erneuten Erreichen des Europa-League-Finals. Das 1:0 in Mailand hat die Giallorossi am Donnerstagabend wieder ein Stück näher gebracht. Ein Puzzleteil beim Triumph in San Siro war die besondere Rolle von Stephan El Shaarawy.

Ein Kniff, den Milan nicht kommen sah: Stephan El Shaarawy (li.) wurde von Roma-Coach Daniele de Rossi auf die rechte Seite beordert.

Ein Kniff, den Milan nicht kommen sah: Stephan El Shaarawy (li.) wurde von Roma-Coach Daniele de Rossi auf die rechte Seite beordert.

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Das Gefühl, ein Europa-League-Finale zu spielen, kennen viele Roma-Profis bereits. Im Mai 2023 unterlagen die Giallorossi erst im Elfmeterschießen den Europa-Experten aus Sevilla. Nach dem 1:0 in San Siro am Donnerstagabend nimmt der Traum von einer erneuten Endspiel-Teilnahme Konturen an. Womöglich müsste die Roma dafür wieder Bayer 04 Leverkusen aus dem Weg räumen, das sein Hinspiel mit 2:0 gegen West Ham United gewann.

Daniele de Rossi genoss nach dem Triumph im rein italienischen Duell zunächst den Moment. “Mir hat alles an der Mannschaft gefallen”, erklärte die Römer Spielerlegende, die mittlerweile auf der Bank sitzt, bei Sky Italia. “Angefangen bei der exzellenten Ballbehandlung über 60 Minuten, vielleicht 70 Minuten.”

In der Schlussviertelstunde warf Milan noch einmal alles nach vorne und scheiterte unter anderem zweimal am Aluminium. “Mir hat der Mut gefallen, den Ball zu halten, und die Stärke, in den letzten Minuten zu verteidigen”, schwärmte der einst beinharte Abräumer de Rossi von seinem Team: “Eine Mannschaft muss zu allem fähig sein. Die Einstellung, die wir im Derby gesehen haben, wünsche ich mir immer, wir können sie aber nicht nur im Derby und in Mailand beibehalten. Es ist die Einstellung, die man im Fußball immer braucht.”

Besonders zufrieden war de Rossi mit Romelu Lukaku, der zwar selbst nicht getroffen hatte, aber unermüdlich fürs Team ackerte. “Es war heute vielleicht seine beste Leistung seit ich hier bin. Er hat so gespielt, wie ich mir das immer von ihm wünsche”, lobte de Rossi. Kurz nach dem goldenen Tor von Gianluca Mancini rettete Lukaku zudem auf der Linie gegen Olivier Giroud.

“Selbst die Stars haben gezeigt, dass sie kämpfen können”

Im Fokus stand in der Nachbesprechung des Spiels aber vor allem ein besonderer Kniff de Rossis, der die linke Angriffsseite um die starken Theo und Rafael Leao unbedingt einschränken wollte. “Cristante kann nicht hinter Theo herlaufen, das wäre zu viel gewesen”, war sich der Römer Cheftrainer bewusst: “Deswegen habe ich El Shaarawy meine Idee mitgeteilt und seine Reaktion, auch was die Körpersprache angeht, war sehr positiv.”

Der 31-malige italienische Nationalspieler (sieben Tore) beackerte die rechte Seite – und half Rechtsverteidiger Mehmet Zeki Celik stets aus. “Wir haben El Shaarawy nicht auf der rechten Seite erwartet, aber für uns hat sich dadurch nichts geändert”, sagte Milan-Coach Stefano Pioli, der sein Team hinterher am “Stolz” packte, nur.

El Shaarawy stand symbolisch für den Auftritt der Gäste. “Selbstbewusste Spieler auf dem Platz sind gut, Geist und Körper sind sehr eng miteinander verbunden”, lobte de Rossi, der nicht an einem Coup in Mailand gezweifelt hatte: “Ich habe der Mannschaft vor dem Spiel gesagt, dass ich ruhig bin und ihnen vertraue, weil ich die Persönlichkeit und den Willen sehen konnte, den sie an den Tag legen. Und selbst die Stars haben gezeigt, dass sie kämpfen können.”

Nicht viel weniger wird es am nächsten Donnerstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) brauchen, wenn Milan im Olimpico ein Comeback anstrebt.