Vargas: “Ich bin morgens zum Training und war um 13 Uhr auf der Baustelle”

Im Januar hätte Ruben Vargas (25) nach Florenz wechseln können, blieb aber in Augsburg. Ein Gespräch über Sicherheit, Chancen – und Baseball.

Augsburgs Rubens Vargas ist stolz auf seine Maler-Karriere.

Augsburgs Rubens Vargas ist stolz auf seine Maler-Karriere.

IMAGO/Beautiful Sports

Vielleicht wäre alles ganz anders verlaufen, wenn die Schweiz nicht die Schweiz wäre, sondern mehr wie die USA. Vielleicht hätte Ruben Vargas dann eher das eine verfolgt und nicht das andere. So aber war Papa Victor gar nicht sauer, dass der kleine Ruben den Baseball-Handschuh wieder weglegte und die Fußballschuhe anzog. Und bei seiner Entscheidung blieb.

Ein bisschen anders war es im Vargas-Haushalt immer. Mama Fabienne Della Giacoma, einst eine begnadete Turnerin, war im italienischen Teil der Schweiz aufgewachsen, Papa Victor aus der Dominikanischen Republik rüber gewandert. Und weil in seiner Heimat der Baseball regierte, bekam der kleine Ruben nicht wie andere Kinder als erstes einen Fußball geschenkt, sondern einen Baseballhandschuh und einen Schläger.

Nur in der Schule, da spielten dann doch alle Fußball. Also ging Vargas abwechselnd zum Baseball- und zum Fußballtraining, und blieb irgendwann bei Letzterem. “Fußball hat mir einfach mehr Spaß gemacht”, sagt er im Gespräch mit dem kicker und grinst, als die Frage kommt, ob Papa Victor damals böse war. “Er hat es verstanden”, meint Vargas. “Weil ich in der Schweiz ja auch bessere Möglichkeiten hatte, öfter und besser Fußball als Baseball zu spielen. Hätte ich mit Baseball weitergemacht, hätte ich früher oder später wahrscheinlich in die USA gehen müssen, um es dort zu was zu bringen. Deswegen war mein Vater gar nicht sauer.”

Ausbildung beim FC Luzern

Vargas wechselte stattdessen vom Dorfverein in die U 11 des FC Luzern, durchlief weitere Jugendmannschaften des einmaligen Schweizer Meisters und merkte spätestens in der U 15, dass zu allem Spaß auch sehr viel Ernst gehörte. “Ich musste immer um meinen Platz kämpfen. Nach jeder Saison gab es eine Jahresbesprechung, in der ich gehofft habe, weiter dabei bleiben zu können.” Konnte er. Doch schaute sich auch anderweitig um.

“Ich wollte mal raus und einen Beruf lernen”

Nach neun Jahren Schule hatte Vargas genug vom Rumsitzen, “ich musste mich körperlich bewegen”. Also fing er eine Ausbildung als Maler an, bei einem Freund seines Stiefvaters. “Ich wollte mal raus und einen Beruf lernen”, sagt er. Verbinden mit dem Fußball ließ sich die Berufslaufbahn als Jugendspieler noch etwas leichter. “Mein Chef und die Kollegen waren da sehr verständnisvoll, ich durfte immer eine Stunde früher gehen, um es rechtzeitig zum Fußballplatz zu schaffen.”

Im dritten Jahr der Ausbildung war Vargas plötzlich Profi in Luzern, wollte die Maler-Karriere aber trotzdem noch nicht beenden. “Ich hatte schon auch Druck von meiner Familie, nicht kurz vor dem Ende aufzuhören”, erinnert er sich schmunzelnd, doch stellt auch klar, “dass ich das unbedingt wollte”. Also wurde der Alltag immer absurder: “Ich bin morgens zum Training und war um 13 Uhr auf der Baustelle. Und habe dann so bis halb fünf, fünf gearbeitet. Einmal die Woche hatte ich noch Schule. Als wir alle gemerkt haben, dass es ein bisschen viel wurde mit der Ausbildung, der Profikarriere und der Schule, musste ich letztlich nur noch für die Abschlussprüfung lernen. Und das habe ich dann durchgezogen.”

Erstes Bundesliga-Spiel vor über 80.000 Zuschauern in Dortmund

Der gelernte Maler Vargas startete in Luzern nun auch als Fußballer richtig durch, wechselte 2019 für vier Millionen Euro zum FC Augsburg und absolvierte sein erstes Bundesliga-Spiel vor über 80.000 Zuschauern in Dortmund. “Das wird mir ein Leben lang in Erinnerung bleiben”, sagt er stolz. “Aber ich habe trotzdem total befreit aufgespielt.”

“Vor allem diese erste Saison vor der Pandemie war schon ein ziemlicher Rausch”

So befreit, dass er im zweiten Bundesliga-Spiel zum ersten Mal traf, im dritten gleich doppelt. “Ich hatte wahrscheinlich noch diese gewisse Leichtigkeit”, vermutet er, “das hat sich ja auf dem Platz gezeigt. Vor allem diese erste Saison vor der Pandemie war schon ein ziemlicher Rausch.”

Für den FCA nur bedingt. Er beendete die Saison als Fünfzehnter, im Folgejahr als Dreizehnter, dann als Vierzehnter und wieder als Fünfzehnter. Erst jetzt, unter Trainer Jess Thorup, darf in Augsburg von Europa geträumt statt um den Klassenverbleib gebangt werden. “Das haben wir uns auch verdient, so wie wir jetzt spielen”, findet Vargas. “Das macht einfach Spaß.”

So viel Spaß, dass er im vergangenen Januar nochmal seine Meinung änderte. Eigentlich hatte Vargas die Verantwortlichen um Sportdirektor Marinko Jurendic gebeten, mit der AC Florenz zu verhandeln und sich bestenfalls zu einigen. Was die Augsburger auch taten, rund sieben Millionen Euro hätten die Italiener an den Bundesligisten überwiesen. Doch Vargas machte einen Rückzieher, wollte doch bleiben.

Thorup gab Vargas eine neue Rolle

“Das hatte mehrere Gründe”, sagt er und zählt auf: “Wir sind gut in Fahrt gekommen und ich habe mich auf der neuen Position sehr wohl gefühlt.” Vargas war unter Thorup kein Flügelspieler mehr, sondern der Zehner hinter Ermedin Demirovic und Phillip Tietz, hatte mehr Einfluss aufs Spiel. “Ich habe einfach ein gutes Gefühl in Augsburg, hier habe ich das gewohnte Umfeld. Gerade mit Blick auf die Europameisterschaft wollte ich das nicht aufgeben. Wer weiß, ob ich in Florenz sofort gespielt hätte? Es ist schwierig, im Winter ohne Vorbereitung zu wechseln. Da musst du sofort funktionieren. Es kamen viele Sachen zusammen, und ich habe mir gedacht: ‘Wenn ich so viel überlegen muss, dann ist es nicht das Richtige’.”

“Ich bin langsam ein gestandener Nationalspieler”

Der Verbleib in Augsburg zahlte sich aus. Vargas war weiterhin gesetzt, steuerte Assists und Tore bei und darf sich ziemlich sicher sein, mit der Schweiz zur EM zu fahren. “Ich war jetzt bei zwei Turnieren dabei und weiß schon ein bisschen, wie es abläuft. Ich denke, dass ich mir den Stammplatz durch meine Leistungen verdient habe. Ich bin langsam ein gestandener Nationalspieler.”

Der den FCA im Sommer dann vielleicht trotzdem verlässt. “Es ist ja kein Geheimnis, dass ich mich bereit fühle für den nächsten Schritt, wenn es der richtige für mich und den FCA ist”, sagt er. “Ich kann mir grundsätzlich alles vorstellen, deshalb mache ich mir da noch keinen Druck.” Nicht so wie damals auf der Baustelle, von 13 bis 17 Uhr.

Mario Krischel

Vargas’ Vorahnung – und warum er doch nicht nach Florenz wechselte

Ruben Vargas (25) hat beim 1:3 in Frankfurt sein drittes Saisontor erzielt, sieht aber noch Luft nach oben. Ebenso wie Trainer Jess Thorup.

Fingerzeig: Ruben Vargas traf in Frankfurt.

Fingerzeig: Ruben Vargas traf in Frankfurt.

IMAGO/Kessler-Sportfotografie

Mehr geht immer, hatte Ruben Vargas noch gesagt und dann tatsächlich “mehr” gezeigt. Unmittelbar vor dem 1:3 in Frankfurt war der Schweizer Nationalspieler mit dem kicker zum Interview verabredet, und angesprochen auf die vorher überschaubare Ausbeute von zwei Treffern und vier Vorlagen in dieser Saison meinte er vorausschauend: “Irgendwann gehen die Chancen auch wieder rein.”

Spielbericht

Gesagt, getan. Für die nächsten drei Punkte reichte es zwar nicht, doch Vargas ist zuversichtlich: “Es tut auf jeden Fall mal sehr gut, ein bisschen nach oben zu schauen und ausnahmsweise nicht diesen Druck am Saisonende zu haben. Ich denke, das haben wir uns auch verdient, so wie wir jetzt spielen, das macht einfach Spaß.”

So viel Spaß, dass der 25-Jährige im Januar doch in Augsburg blieb. Der FCA hatte sich auf Vargas‘ Wunsch mit der AC Florenz auf einen Transfer geeinigt, sollte rund sieben Millionen Euro kassieren. Bis Vargas doch einen Rückzieher machte: “Ich habe einfach ein gutes Gefühl in Augsburg, hier habe ich das gewohnte Umfeld. Gerade mit Blick auf die Europameisterschaft wollte ich das nicht aufgeben. Wer weiß, ob ich in Florenz sofort gespielt hätte? Es ist schwierig, im Winter ohne Vorbereitung zu wechseln. Da musst du sofort funktionieren.”

Neue Position unter neuem Trainer

Ein Risiko, das er nicht einging. Was der FCA dankend registrierte. Thorup stellte Vargas von der Außenbahn auf die Zehn, lässt das Offensivtrio um den Schweizer und die zwei Stürmer Ermedin Demirovic und Phillip Tietz seither unangerührt. “Im Moment habe ich das Gefühl, dass er auf der Zehn gemeinsam mit den beiden Stürmern viel Einfluss nimmt, gerade bei zweiten Bällen und mit seinen Läufen in die Tiefe”, lobt der Trainer auf Nachfrage. “Das macht er gut, er ist gefährlich für den Gegner.”

Trotzdem sieht auch Thorup nach Luft nach oben, was die Ausbeute vor dem Tor betrifft: “Natürlich kann man sagen, er muss mehr Tore und Assists machen, wir sprechen mit ihm auch darüber.” Und dennoch: “Letztlich ist es mir egal, wer die Tore schießt. Ich hoffe für ihn, dass er in den letzten Spielen noch ein paar Tore machen kann.”

Warum er als Kind erstmal Baseball spielte, wieso er einst eine Ausbildung zum Maler abschloss und was er der Schweiz bei der Europameisterschaft zutraut: Lesen Sie das große Interview mit Ruben Vargas am Montag im kicker – oder ab Sonntagabend im eMagazine.

Mario Krischel

Spiel gedreht: Frankfurt distanziert Augsburg im Kampf um Europa

Nach nur zwei Punkten aus den vergangenen vier Spielen hat Eintracht Frankfurt endlich wieder einen Sieg gefeiert – und dabei einen Konkurrenten im Kampf um die Europapokal-Plätze auf Abstand gehalten. Ekitikés erstes Tor für die Eintracht ermöglichte den Adlerträgern den 3:1-Sieg gegen Augsburg.

Hugo Ekitiké feierte seinen ersten Treffer für Eintracht Frankfurt.

Hugo Ekitiké feierte seinen ersten Treffer für Eintracht Frankfurt.

Getty Images

Eintracht-Coach Dino Toppmöller durfte sich nach dem 0:3 in Stuttgart über drei Rückkehrer freuen: Skhiri, Götze (beide zuletzt angeschlagen) und Dina Ebimbe (nach Gelbsperre) rückten gleich wieder in die Startelf und ersetzten Hasebe, Larsson sowie Knauff. Außerdem erhielt Max den Vorzug vor Nkounkou, Ekitiké begann für den angeschlagenen Bahoya.

Auch auf der Gegenseite entspannte sich die Personalsituation ein wenig. Jess Thorup konnte nach dem 2:0 gegen Union Berlin wieder auf die zuletzt ausgefallenen Mbabu und die Frankfurt-Leihgabe Jakic setzen. Beide durften sofort wieder von Anfang an ran, Bauer und Breithaupt nahmen auf der Bank Platz.

Die erste Augsburger Chance sitzt

In einer ruhigen Anfangsphase war es Marmoush, der die erste Chance der Partie verzeichnete. Sein Abschluss von der Strafraumkante, den Uduokhai noch entscheidend abfälschte, landete nur knapp neben dem Tor (11.). Auf der Gegenseite zielte Vargas besser: Nachdem Mbabu den Ball auf höhe der Mittellinie gegen Max erobert hatte, boten sich Demirovic auf dem rechten Flügel große Räume. Der FCA-Kapitän steckte für Vargas in den Strafraum, der aus spitzem Winkel zur Führung traf (13.).

Frankfurt suchte die schnelle Antwort, Dina Ebimbe scheiterte aber an Dahmen (15.), Chaibi erwischte den Ball freistehend per Kopf nicht richtig (20.) und auch Butas Distanzschuss fand nicht den Weg in das Tor (24.). Der FCA blieb abwartend, bekam nach Ballgewinnen aber immer wieder viel Platz. Erst köpfte Jakic nach einer Ecke knapp drüber (28.), anschließend rutschte Tietz nach einem Konter nur knapp an der Hereingabe von Engels vorbei (30.).

Bundesliga – 30. Spieltag

Weil Frankfurt im Anschluss immer wieder die Präzision im letzten Drittel fehlte, hatte der FCA keine Probleme, den Ball vom eigenen Tor wegzuhalten. Die Restverteidigung der SGE wirkte immer wieder luftig, zwingend wurden die Fuggerstädter aber nicht mehr. Kurz vor der Pause spielten es die Hausherren dann doch noch einmal schnell, Marmoush verpasste nach Ablage von Max von der Strafraumkante aber denkbar knapp (44.).

Frankfurt kommt gut aus der Pause

Nach dem Seitenwechsel waren die Frankfurter dann endgültig am Drücker. Erst verpasste Buta nach einer Freistoß-Variante knapp, doch wenig später besorgte Chaibi aus kurzer Distanz das 1:1. Zuvor hatte sich der auffällige Dina Ebimbe im Zusammenspiel mit Buta auf rechts gegen Pedersen durchgesetzt und flach in die Mitte gegeben (55.).

Augsburg fand auf den Gegentreffer keine passende Reaktion, stattdessen kam die SGE erneut – und das mit Erfolg. Marmoush setzte sich im Mittelfeld clever durch und bediente Ekitiké, der zuerst hängenblieb, den Ball aber zurückbekam und nach einem Dribbling aus 16 Metern platziert ins untere linke Eck abschloss. Es war das erste Tor im Eintracht-Trikot für den Franzosen (61.).

Demirovics Versuch einer direkten Antwort blockte Koch (62.), der kurz darauf selbst per Kopfball gefährlich wurde (63.). Thorup reagierte mit einer Umstellung auf 3-5-2: Innenverteidiger Pfeiffer ersetzte Stürmer Tietz. Der gewünschte Effekt blieb jedoch aus, stattdessen kam zunächst auch Dina Ebimbe frei zum Kopfball, nickte die Kugel aber wie schon Koch in die Arme von Dahmen (68.).

Marmoush macht alles klar

In der Schlussphase ging Augsburg dann mehr ins Risiko, die beste Chance ließ der eigewechselte Pfeiffer aber liegen, dessen abgefälschter Schuss über das Tor flog (84.). Frankfurt bekam derweil jede Menge Räume, die der schnelle Knauff nach einem Sprint über den halben Platz zunächst nicht zu nutzen wusste. Der Schienenspieler umkurvte Dahmen, konnte aus spitzem Winkel jedoch nur noch ins Zentrum legen, wo Mbabu vor Marmoush rettete (85.).

So blieb den Augsburgern die Chance auf einen Punkt – und am gefährlichsten wurde ein Frankfurter für den FCA. Chaibi lenkte eine Michel-Flanke nur knapp am eigenen Tor vorbei (90.+3). Bei der letzten Aktion rückte dann auch Augsburgs Keeper Dahmen mit auf, Maiers Ecke kam allerdings viel zu kurz. Skhiri köpfte die Kugel raus zu Marmoush, der sich gegen Pedersen durchsetzte, den weiten Weg in Richtung des leeren FCA-Tor machte und sicher zum 3:1 einschob. Ausgerechnet der Mann, der die Nummer 7 der kürzlich verstorbenen SGE-Ikone Bernd Hölzenbein trägt, sorgte für ein großes Aufatmen in Frankfurt.

Damit festigt die Eintracht Platz 6 und hält Augsburg sechs Zähler auf Abstand. Nächste Woche Samstag (15.30 Uhr) reisen die Frankfurter zum FC Bayern. Augsburg bekommt zur gleichen Zeit Besuch aus Bremen.