Youngster Chiarodia empfiehlt sich bei Seoane

Wenigstens einen Lichtblick gab es auf Gladbacher Seite beim trostlosen 0:0 der Borussia gegen Union Berlin. Der erst 18 Jahre alte Fabio Chiarodia bestand die Feuertaufe in der Startelf – und könnte am Samstag an alter Wirkungsstätte gleich wieder gefragt sein.

Kommt in seiner Karriere bislang auf neun Bundesliga-Einsätze: Fabio Chiarodia.

Kommt in seiner Karriere bislang auf neun Bundesliga-Einsätze: Fabio Chiarodia.

IMAGO/Uwe Kraft

Die Null steht, wenn Fabio Chiarodia von Beginn an ran darf. Zwar war es am Sonntag erst zum zweiten Mal der Fall, dass der Innenverteidiger in der Gladbacher Startformation auftauchte, aber erneut blieb die sonst so anfällige Fohlenelf mit dem Teenager in der Abwehr ohne Gegentor. Im DFB-Pokal hatte Chiarodia erstmals angefangen, im Dezember gegen den VfL Wolfsburg, als sich die Borussen mit 1:0 nach Verlängerung durchsetzen konnten. Nun feierte er gegen Union in der Liga seine Startelfpremiere für die Borussen – und wusste zu überzeugen.

“Fabio hat ein gutes Spiel gemacht. Natürlich hätte er auch mal offensiver andribbeln oder die Linien überspielen können. Aber es ist für so einen Jungen schwierig in der aktuellen Drucksituation”, sagte Sportdirektor Nils Schmadtke und lobte: “Er hat am Mann sehr gut verteidigt und offensiv raus verteidigt. Er hat die Gegenspieler verfolgt und sich nicht drehen lassen.”

Gladbachs restprogramm

Trainer Gerardo Seoane bescheinigte Chiarodia eine “ziemlich solide Leistung” und zeigte “volles Verständnis”, dass der Innenverteidiger bei seinen Pässen die Sicherheitsvariante wählte, “obwohl er die vertikalen Bälle eigentlich sehr gut spielen kann”. Allerdings verging auch einiges an Zeit zwischen dem fünften und sechsten Saisoneinsatz am Sonntag: In diesem Jahr war Chiarodia bisher nur in der U 23 zum Zug gekommen und hatte in der Regionalliga West Spielpraxis gesammelt. Mit der plötzlichen Berufung ging es gleich von 0 auf 100. “Wenn hinten die Null steht, ist das für einen Verteidiger schon mal ein gutes Zeichen. Klar war da noch Luft nach oben. Egal, wie die Leistung ist – es geht immer noch besser. Für mein Startelf-Debüt für Borussia war es aber ordentlich”, sagte Chiarodia.

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Chiarodia ist die mutige Wahl

Für den Deutsch-Italiener öffnete sich die Tür, weil Maximilian Wöber wegen eines Muskelfaserrisses im Oberschenkel nicht zur Verfügung stand. Statt etwa Ko Itakura wieder zurück in die Abwehrreihe zu ziehen oder Joe Scally in der Dreierkette einzubauen, entschied sich Seoane für die Lösung mit Chiarodia. Sicher eine mutige Wahl in der aktuellen Situation, in der sich die Mannschaft befindet. Aber Chiarodia hielt dem Druck stand.

Möglich daher, dass er am Samstag in Bremen (15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) bei der Rückkehr an die alte Wirkungsstätte – insgesamt trug der Verteidiger neun Jahre lang das Werder-Trikot, ehe es ihn im Sommer nach Gladbach zog – wieder beginnen darf. “Ich werde in der Trainingswoche jedenfalls alles dafür geben”, kündigte Chiarodia schon an.

Jan Lustig

Chiarodia, Scally und die Suche nach “dem dritten Mann”

Abwehrnöte bei Borussia Mönchengladbach vor dem Heimspiel gegen Union Berlin. Die Fahndung nach einem Spieler zum Komplettieren der Dreierkette läuft.

Grübelt, wer das dritte Glied der Dreierkette in der Innenverteidigung wird: Gladbachs Trainer Gerardo Seoane.

Grübelt, wer das dritte Glied der Dreierkette in der Innenverteidigung wird: Gladbachs Trainer Gerardo Seoane.

IMAGO/Kirchner-Media

Max Wöber wird sehr wahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen, wenn die Borussen gegen Union Berlin mit einem Heimsieg einen großen Schritt Richtung Klassenerhalt unternehmen wollen. Der Ausfall des Österreichers, der sich im Spiel gegen Hoffenheim (3:4) einen leichten Muskelfaserriss im Oberschenkel zugezogen hat, zwingt Trainer Gerardo Seoane zum Umbau seiner Dreierkette – und zum Nachdenken, wer am Sonntag das Abwehrzentrum besetzen soll.

Die naheliegende Lösung wäre, Ko Itakura aus dem Mittefeld in die Dreierreihe zurückzuziehen. Allerdings wird der Japaner aufgrund der Gelbsperre von Julian Weigl (10. Gelbe Karte) umso dringender in der Doppelsechs benötigt als Spieler mit vorwiegend defensiver Orientierung. Tony Jantschke kann Wöbers Rolle auch nicht übernehmen: der Routinier befindet sich nach seiner Adduktorenverletzung noch im individuellen Aufbautraining.

Viererkette ist wohl keine Option

Die Rückkehr zur Viererkette – und dann mit der Besetzung Nico Elvedi/Marvin Friedrich im Abwehrzentrum – wäre eine Möglichkeit, doch dagegenspricht, dass sich Seoane eigentlich schon festgelegt hat, dass er am System mit Dreier- bzw. Fünferkette und einer Doppelsechs festhalten will in den verbleibenden Saisonspielen. Also muss der Coach einen Kandidaten finden, den er neben Elvedi und Friedrich in der zentralen Verteidigung einbauen kann.

Der junge Fabio Chiarodia kommt für den Job infrage, allerdings musste der 18-Jährige in dieser Saison schon einiges an Lehrgeld zahlen bei seinen Einsätzen. Beim 3:3 in Freiburg im November verursachte er in der Nachspielzeit den Strafstoß, der zum Ausgleich führte. In Frankfurt bei der 1:2-Niederlage kurz vor Weihnachten machte er beim Siegtor der Eintracht in der Nachspielzeit ebenfalls eine unglückliche Figur. Gleichwohl genießt Chiarodia in Gladbach und bei Seoane eine hohe Wertschätzung. Der Teenager zeigte bei seinen weiteren Einsätzen, wie viel Talent in ihm steckt. Er verkörpert Borussias Zukunft in der Innenverteidigung.

Während Chiarodia als Linksfuß die Wöber-Position einfach übernehmen könnte, würde sich Joe Scally, die andere Option, rechts in die Kette eingliedern. Der US-Amerikaner kam schon einige Mal in der Dreierkette zum Zug. Stefan Lainer hat zwar auch schon mal innen gespielt, dürfte aber eher als Schienenspieler auf der rechten Seite vorgesehen sein.

Jan Lustig

Bonhofs Blick in Borussias Zukunft: “Wir werden aufstehen”

Das sportliche Abschneiden der Gladbacher Mannschaft in dieser Saison nahm Rainer Bonhof, der neue Präsident des Traditionsklubs, zum Anlass für einen humorvollen Einstieg dieser Mitgliederversammlung 2024. In der Folge richteten der Weltmeister von 1974 und auch Sport-Geschäftsführer Roland Virkus den Blick nach vorn – positiv.

Erkennt Besserung und Rosigeres am Horizont: Gladbachs neuer Präsident Rainer Bonhof.

Erkennt Besserung und Rosigeres am Horizont: Gladbachs neuer Präsident Rainer Bonhof.

IMAGO/Revierfoto

Der neue Präsident sorgte für einen launigen Start in die Mitgliederversammlung 2024. “Ich begrüße auch – und da bin ich ein bisschen stolz drauf – die gesamte Mannschaft und den Staff. Dass ihr euch in diesen Zeiten hierher traut, zeugt mir großen Respekt ab”, schickte Rainer Bonhof lächelnd eine kleine Spitze an die sportliche Abteilung.

Es war ein Eisbrecher zu Beginn einer Veranstaltung, die stimmungsmäßig im Schatten der sportlichen Situation (Platz 12 momentan) stand. Als Reaktion auf seinen Einwurf erntete Bonhof, der vor wenigen Wochen auf den am Montagabend zum Ehrenpräsidenten ernannten Rolf Königs gefolgt war, viel Gelächter von den anwesenden 2330 Mitgliedern – sie hatten die Mannschaft zunächst nur mit ganz zaghaftem Applaus empfangen.

“Wir sind nicht zufrieden mit der sportlichen Situation”

In den Reden der Verantwortlichen schwang einige Male auch ihre Enttäuschung und Unzufriedenheit über den Saisonverlauf mit. Zum emotionalen Kipppunkt der gesamten Saison wurde das Aus im DFB-Pokal-Viertelfinale beim 1. FC Saarbrücken (1:2). Auch bei Roland Virkus. “Das Pokal-Aus in Saarbrücken war für uns alle das jähe Ende eines großen Traums. Von diesem Ereignis ist der Verein und das Vereinsumfeld immer noch emotional geprägt”, erklärte Borussias Sport-Geschäftsführer in seinem sportlichen Bericht.

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Was die Liga angeht, seien vor allem die vielen Gegentore und das fehlende Gleichgewicht auf dem Platz der Grund, warum bisher erst 31 Punkte auf dem Konto landeten. “53 Tore sollten reichen, um eine stabile Saison zu spielen. Die fehlende Balance zwischen Offensive und Defensive hat aber dafür gesorgt, dass wir zu oft verloren haben”, sagte Virkus. “Wir sind nicht zufrieden mit der sportlichen Situation”, betonte der Geschäftsführer und nahm die Mannschaft eindringlich in die Pflicht, die Saison bestmöglich abzuschließen. “In den nächsten vier Spielen erwarte ich, dass die Mannschaft alles reinwirft, damit wir unser Minimalziel erreichen und die Saison positiv zu Ende geht.”

Virkus: “Wir wollen die Führungskultur stärken”

Beim Ausblick auf die Zukunft kündigte Virkus an, nach dem Verlust von Spielern wie Lars Stindl (Karlsruher SC), Jonas Hofmann (Meister Bayer 04 Leverkusen) oder zuvor Yann Sommer (erst Bayern München, nun Inter Mailand) das Thema Führungsqualitäten im Kader angehen zu wollen.

“Im Rahmen unserer Möglichkeiten werden wir versuchen, der Mannschaft weitere Qualität und vor allem Leadership hinzuzuführen”, sagte Virkus. “Wir wollen die Führungskultur stärken und damit eine größere Stabilität auf dem Platz erreichen.” Gleichwohl sei der Borussia-Weg, der die Förderung der jungen Spieler beinhaltet, alternativlos. “Es gilt, die Borussia-Identität mit dem Einbau von jungen Spielern weiter zu forcieren. Wir sind dabei, wieder Anlauf zu nehmen und eine neue Borussia zu bauen”, stellte Virkus klar und hob in diesem Zusammenhang auch noch einmal den Anteil von Gerardo Seoane hervor.

Virkus zählt Seoanes Qualitäten auf

“Er ist ein Trainer, der gezeigt hat, dass er mit jungen Spielern arbeiten kann. Bei uns haben vor allem Rocco Reitz, Luca Netz, Robin Hack von ihm profitiert. Auch Spieler wie Shio Fukuda, Lukas Ullrich und Fabio Chiarodia haben ihre nächsten Schritte gemacht.” Und sollen weitere Schritte unter BMG-Coach Seoane gehen.

Unser Weg wird sich auf Strecke auszahlen.

Gladbachs Sport-Geschäftsführer Roland Virkus mit Blick auf die junge Garde

Die Qualitäten des Schweizers und ehemaligen Bayer-Trainers hob Virkus am Montagabend in diesem Zusammenhang hervor. Der Gladbacher Sport-Geschäftsführer bezeichnete Seoane in seinen Ausführungen als “Kommunikator”, “Analyst”, “Talentförderer”, “Entwickler”, “Teamplayer” und “Bekenner zum Borussia-Weg”. Und weiter: “Er war und ist bereit, mit weniger zugekaufter Qualität, aber viel Potenzial zu arbeiten.”

Roland Virkus

Hat bei den vielen jungen Gladbacher Spielern ein gutes Gefühl: Gladbachs Sport-Geschäftsführer Roland Virkus.
IMAGO/Revierfoto

Virkus zeigte sich alles in allem überzeugt und optimistisch, was die Zukunft der Fohlenelf angeht: “Unser Weg wird sich auf Strecke auszahlen.”

Dessen ist sich auch Bonhof sicher. “Wir alle wissen, dass es im Fußball Auf und Abs gibt – und es Zeiten gibt, in denen man wieder Anlauf nehmen muss. So eine Zeit durchlaufen wir gerade”, sagte der Weltmeister von 1974 und betonte weiter: “Wir werden sie nutzen, um eine nächste erfolgreiche Zeit einzuläuten. Ich habe in meinem Leben immer wieder gelernt: Aufstehen. Und wir werden aufstehen – gemeinsam.”

Mitglieder wählen Fanvertreter in den Aufsichtsrat

Bei den Wahlen zum Aufsichtsrat setzte sich gegen Ende der Veranstaltung und nach einer zwischenzeitlichen Unterbrechung der Mitgliederversammlung der Favorit der aktiven Fanszene durch. Philip Hülsen erhielt von den Mitgliedern 96 Prozent der abgegebenen Stimmen und wird künftig dem Gremium angehören. Zunächst war Hülsen, langjähriges Mitglied der aktiven Fanszene, vom Ehrenrat nicht als Kandidat vorgeschlagen worden. Weil aber zunächst vom Ehrenrat vorgeschlagene Kandidaten beim ersten Abstimmmungsdurchgang nicht die erforderlichen 50 Prozent der Stimmen erhalten hatten, schlug der Ehrenrat unter anderem Hülsen für den zweiten Durchgang vor – und der 39-Jährige wurde mit einem überwältigendem Stimmenanteil in den Aufsichtsrat gewählt.

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Jan Lustig