Böse Erinnerungen werden wach: Schweiz sorgt sich um Sommer

Der deutsche EM-Gegner aus der Schweiz legte am Samstagabend einen durchwachsenen Auftritt in Kopenhagen hin. Nach der Nullnummer sprechen im deutschen Nachbarland allerdings alle über Stammkeeper Sommer, der früh verletzt ausgewechselt werden musste.

Verfrühter Abgang in Kopenhagen: Nati-Coach Murat Yakin tröstet Yann Sommer.

Verfrühter Abgang in Kopenhagen: Nati-Coach Murat Yakin tröstet Yann Sommer.

imago images

Die Vorfreude auf das erste Länderspiel des Jahres war in Kopenhagen zu spüren, bei der Hymne im Parken sorgten die dänischen Fans für den ersten Gänsehaut-Moment. Zuvor war der in der Heimat zuletzt nicht mehr unumstrittene Stammtorhüter Schmeichel an der Seite seiner Kinder für sein 100.  Länderspiel geehrt worden.

Schnell aber trat unfreiwillig dessen Gegenüber in den Fokus: Es lief die 25. Minute, in der Sommer nach einer Ecke alles riskierte und im Duell mit Ex-Gladbacher Vestergaard böse mit dem rechten Fuß umknickte. Der 35-Jährige zeigte sofort an, was passiert war. Nach längerer Behandlungspause biss der Torhüter von Inter Mailand auf die Zähne, doch in Minute 37 musste er gegen den ehemaligen RB-Keeper Mvogo ausgetauscht werden.

Dabei wurden böse Erinnerungen wach. Im Oktober 2022 war Sommer im Trikot von Borussia Mönchengladbach schon einmal übel umgeknickt. Ein Bänderriss sowie eine Kapselverletzung im linken Sprunggelenk kosteten den Schweizer beinahe die Winter-WM in Katar. Doch obwohl Sommer keine Minute mehr für die Fohlen spielte, legte er eine Punktlandung für das erste Gruppenspiel gegen Kamerun (1:0) hin.

Inter könnte Sommer-Ausfall wohl eher verschmerzen

Die EM allerdings tangiert Sommers Vereinstrainer Simone Inzaghi wenig. Dieser wird sich um seine klare Nummer eins sorgen – auch wenn der Traum von der Champions League und der Coppa Italia bereits geplatzt ist. Der Vorsprung in der Serie A auf “Verfolger” Milan beträgt bereits 14 Punkte.

Wegen der ansprechenden Leistung von Mvogo – sehenswerte Parade nach Eriksen-Freistoß (61.) – und dem vom Nationalteam vorzeitig abgereisten Gregor Kobel (Borussia Dortmund) müssen sich die Schweizer um die Position im Tor aber ohnehin nicht wirklich sorgen.

Deutlich besorgniserregender war schon das, was die Vorderleute im Parken anboten. Biedere Schweizer fanden offensiv kaum statt und mussten früh pressende Dänen immer wieder abhalten. Zumindest die zuletzt anhaltende Systemfrage der Eidgenossen ist geklärt. Bei der EM wird die Schweiz auf eine Dreierkette setzen, wie Yakin bestätigte: “Wir haben uns darauf festgelegt.”

Bei der Wahl seiner Nummer eins wird der 49-Jährige noch etwas warten müssen.

Drei Fehlschüsse bei Inter: Atletico zieht nach langem Kampf ins Viertelfinale ein

Nach einer großen Aufholjagd schaffte Atletico Madrid nach einer Energieleistung noch die Wende gegen Inter Mailand und zog dank eines 3:2 im Elfmeterschießen schließlich ins Viertelfinale der Königsklasse ein.

Nach einer großen Aufholjagd bis hin zum Elfmeterschießen steht Atletico Madrid im Champions-League-Viertelfinale 2024 - Inter Mailand ist raus.

Nach einer großen Aufholjagd bis hin zum Elfmeterschießen steht Atletico Madrid im Champions-League-Viertelfinale 2024 – Inter Mailand ist raus.

AFP via Getty Images

Atletico-Trainer Diego Simeone tauschte im Vergleich zum 0:2 in Cadiz in La Liga dreimal: Statt Gabriel Paulista, Saul Niguez und Depay (alle Bank) begannen Savic, Molina und Griezmann.

Inter-Coach Simone Inzaghi rotierte nach dem 1:0 in Bologna in der Serie A sogar auf fünf Positionen: Für Bisseck, Acerbi, Darmian, Sanchez (alle Bank) sowie Carlos Augusto (nicht im Kader) starteten Pavard, de Vrij, Dumfries, Dimarco und Lautaro Martinez. Es war dieselbe Formation wie beim 1:0 im Hinspiel. Der Torschütze des ersten Aufeinandertreffens, Arnautovic, stand indes verletzungsbedingt nicht im Kader.

Inter kontert, Griezmann egalisiert

Die Colchoneros begannemn mit Elan und hatten durch Samuel Lino, der nach kleinem Solo an Sommer scheiterte, auch die erste gute Chance (5.). Inter kam zunächst kaum aus der eigenen Hälfte, doch beim ersten gelungenen Angriff scheiterte Dumfries gleich zweimal an Oblak (13.). Die Hausherren hatten in der Folge weiter mehr Spielanteile und setzten die Italiener immer wieder unter Druck. Morata zwang Sommer per Kopf erneut zum Eingreifen (28.).

Champions League, Achtelfinal-Rückspiele

Doch wenig später zeigte der FC Internazionale seine eiskalte Effizienz: Nach einem schnörkellosen Angriff über die linke Seite erzielte Dimarco gegen die Laufrichtung von Oblak das 1:0 für die Gäste (33.). Die Führung währte indes nicht lange: Nach einer hohen Flanke von Koke verlängerten Pavard und der überraschte Bastoni unfreiwillig genau zu Griezmann, der zentral im Strafraum aus der Drehung gekonnt den verdienten 1:1-Treffer für Atletico markierte (35.). Es war zugleich der Halbzeitstand.

Thuram verpasst, Joker Depay sticht

Zunächst hatte Atletico auch nach Wiederbeginn leichte Vorteile – Sommer parierte gegen Griezmann (52.). Im weiteren Verlauf boten sich Inter aber ab und an gefährliche Konter. So verpassten erst Thuram mit einem wuchtigen Schuss über das Tor (77.) sowie Barrela freistehend vom Strafraumrand mit einem etwas zu mittigen Schuss auf Sommer das 1:2 (82.), das womöglich die Entscheidung nach Hin- und Rückspiel bedeutet hätte.

Und so drehte Atletico in der Schlussphase noch einmal richtig auf: Joker Depay scheiterte zunächst noch am Innenpfosten (85.), doch kurz darauf erzielte der Niederländer nach maßgenauem Anspiel von Koke akkurat das 2:1 für die Spanier (87.). Das erste Gegentor für die Italiener in dieser bislang erfolgreichen Saison. Beinahe hätte Riquelme nach wunderbarem Pass von Griezmann sogar noch das 3:1 vor der Schlusssirene erzielt, doch sein Schuss rauschte über das Tor (90.+3). So ging es in die Verlängerung.

Glück für Thuram – Oblak hält gegen Sanchez und Klaassen

Beide Teams hatten früh in der Verlängerung gute Chancen: Sommer hielt eine Abnahme von Depay im Nachfassen (97.), auf der Gegenseite strich ein Kopfballaufsetzer von Lautaro Martinez nur hauchdünn am Tor vorbei (99.). Glück hatte kurz darauf Thuram, der Savic an der Seitenlinie klar in den Intimbereich griff (100.), aber auf dem Feld bleiben durfte und daraufhin sofort ausgewechselt wurde.

Lautaro Martinez (hier mit Diego Simeone)

Vergab den dritten Inter-Elfmeter und verhalf so Atletico ins CL-Viertelfinale: Lautaro Martinez (hier mit Diego Simeone).
Getty Images

Schließlich musste das Elfmeterschießen über den Einzug des letzten Viertelfinalisten entscheiden. Dort trafen Calhanoglu und Depay erst mit wuchtigen Schüssen, ehe Sanchez an Oblak und direkt danach Sommer gegen Saul Niguez parierte. Oblak war es anschließend, der gegen Klaassen ganz stark hielt – und am Ende bescherte ein Fehlschuss von Lautaro Martinez mit dem neunten Elfmeter, zugleich der dritte Inter-Fehlschuss dieses Thrillers, Atletico endgültig den Viertelfinaleinzug.

Am Sonntag warten auf beide Mannschaften ebenfalls zwei Achtelfinalisten der Königsklasse. Der FC Barcelona ist bei Atletico zu Gast (21 Uhr) und Inter, das zuvor alle 13 Pflichtspiele 2024 gewonnen hatte, empfängt in der Serie A nun Napoli (20.45 Uhr). Die Auslosung für das Viertel- und Halbfinale in der Champions League findet am Freitag (12 Uhr) in Nyon statt.

München? Mailand! Wie Pavard und Sommer Inter verzücken

Ihnen wurde zunächst mit Skepsis begegnet, doch die Stimmen in San Siro sind längst verstummt. Die Ex-Münchner Yann Sommer und Benjamin Pavard trumpfen bei Inter Mailand groß auf.

Mit Bayern Meister, mit Inter kurz davor: Benjamin Pavard und Yann Sommer.

Mit Bayern Meister, mit Inter kurz davor: Benjamin Pavard und Yann Sommer.

imago images (2)

Ein Abwehrspieler für 30 Millionen Euro? Nicht jeder Fan der Nerazzurri konnte nachvollziehen, warum Giuseppe Marotta trotz fast schon traditionell klammer Kasse so viel Geld in die Hand nahm, um Benjamin Pavard vom FC Bayern München loszueisen. Lieber hätten sie einen zusätzlichen Stürmer in blau-schwarz gesehen. Doch Inters Vorstandvorsitzender Marotta hörte offenbar auch auf die Bitten seines Trainers und landete wieder mal einen Volltreffer. Anfang Februar schrieb die Tuttosport: “Gesegnet sei der Tag, an dem Inzaghi darum bat, alles auf Pavards Verpflichtung zu setzen.”

Dabei musste der 27-Jährige erst einmal Fuß fassen in Mailand. Pavard spielte solide, aber scheute das Risiko. Der Weltmeister von 2018 wirkte darauf bedacht, Fehler zu vermeiden, das hatte Auswirkungen auf seine Offensivqualitäten.

Wegen einer Patellasehnenluxation fehlte er von Anfang November bis Mitte Dezember, kehrte aber umso stärker zurück. Pavard wirkte als rechter Verteidiger einer Dreierkette in Inzaghis 3-5-2-System nun mutiger, nach dem 1:0-Erfolg gegen Juventus Anfang Februar überschlugen sich die italienischen Medien mit Lobeshymnen. “Elegant” und “tadellos” (Corriere dello Sport) habe Pavard gespielt, “als sei er im San Siro geboren worden” (La Repubblica). Pavard agiere gar “mit dem Flair eines Champions“, so die Tuttosport.

Passt dann ja auch zu Pavards Champions-League-Bilanz. Denn zu den ausgezeichneten Leistungen in der Liga gesellen sich starke Auftritte auf internationalem Terrain. In der laufenden Königsklassen-Saison gewann er 75 Prozent seiner Zweikämpfe, einer der besten Werte überhaupt. Seine Bilanz in der Champions League ist ohnehin herausragend: 31 von 38 Spielen hat er gewonnen – kein anderer Spieler hat mit mindestens genauso vielen Partien eine so hohe Siegquote.

Dass Inter Mailand erst kärgliche 13 Gegentore in 28 Ligaspielen hinnehmen musste, ist sicherlich auch Pavards Verdienst. Doch die Nerazzurri haben eben auch einen sicheren Rückhalt dahinter, der ebenfalls vom FC Bayern kam: Yann Sommer.

Von Onana spricht bei Inter keiner mehr

Auch bei der Verpflichtung des 35-Jährigen hatte der eine oder andere die Nase gerümpft, und das nicht nur wegen der sechs Millionen Euro Ablösesumme. Sommer war noch gar nicht auf Herz und Nieren getestet, da trauerten viele schon Vorgänger André Onana hinterher. Der starke Rückhalt hatte sich nach nur einem Jahr in Italien und trotz Vertrags bis 2027 für einen Wechsel zu Manchester United entschieden – für satte 55 Millionen Euro. Dass sich Onana bei den Red Devils immer wieder Patzer erlaubt, während Sommer sich – mit einer Ausnahme bei der einzigen Saisonniederlage gegen Sassuolo (1:2) – als die Konstanz schlechthin präsentiert, wird bei den Tifosi mit einer Mixtur aus Erleichterung, Genugtuung und auch einer kleinen Prise Spott in Richtung Manchester quittiert.

Die Skepsis gegenüber Sommer? Sie verflog von Zu-null-Spiel zu Zu-null-Spiel immer mehr, bis nicht mal mehr ein Hauch davon übrig war. Inzwischen sind es übrigens 17, ein Höchstwert in den fünf Topligen. Wohlwollend zur Kenntnis genommen hat man in Italien auch Sommers fußballerische Fähigkeiten. Ein Abschlag im Derby d’Italia gegen Juventus führte zum 1:1-Ausgleich durch Lautaro Martinez, bei einem 2:0-Erfolg gegen Lazio leitete er ebenfalls den zweiten Treffer ein.

Sommer begeistert von “Freak” Inzaghi

Da passt kein Blatt dazwischen: Simone Inzaghi und Yann Sommer.

Da passt kein Blatt dazwischen: Simone Inzaghi und Yann Sommer.
IMAGO/sportphoto24

Kein Wunder also, dass Inzaghi auch Sommers “gute Technik mit dem Fuß und sein Spielverständnis” lobt. Wertschätzung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Der Trainer sei “ein Freak”, sagte der Keeper im Podcast “Copa TS”, natürlich im positiven Sinne. Inzaghi sei “sehr detailverliebt, in jeder Trainingseinheit geht es um maximalen Erfolg”. Der 47-Jährige hat eine robuste Phalanx erschaffen, die Sommer die schlimmsten Sorgen vom Leib hält. Das beginnt schon in der Offensive, wo das Dreier-Mittelfeld mit Barella/Calhanoglu/Mkhitaryan, Inters Herzstück, die Schotten weitgehend dicht macht.

Wer entwischt, auf den wartet dann noch die blitzgescheite Dreierkette, meist gebildet von Bastoni, Routinier Acerbi und eben Pavard. Inzaghi ist aber generell bemüht, dass alle im Kader Spielzeit bekommen, er alle bei Laune hält. So darf zum Beispiel, wie beim 1:0 am Samstag in Bologna, auch mal Yann-Aurel Bisseck ran. Der Ex-Kölner dankte es Inzaghi mit seinem zweiten Saisontor im zwölften Einsatz. “Als Torwart ist es der Wahnsinn, hinter diesen Linien zu spielen. Und wenn mal einer durchkommt, versuche ich, meinen Job zu machen”, sagt Sommer.

Und den macht er. In der Serie A hält Sommer 81,7 Prozent aller Schüsse, mal wieder ein Topwert in den fünf Topligen (danach folgt PSG-Keeper Gianluigi Donnarumma mit 80,7 Prozent). In der Champions League liegt seine Quote sogar bei 90 Prozent, natürlich auch ein Höchstwert unter allen Stammkeepern.

Eine sensationelle Statistik muss Atletico sorgen

“Wir funktionieren als Mannschaft sehr gut, das ist das Ergebnis. Aber manchmal erschrecke ich selber, wenn ich die Zahlen anschaue”, sagt Sommer, dessen Körpergröße von “nur” 1,83 Metern in Italien übrigens nie ein Thema war. Vielmehr registriert man sein schnelles Abtauchen oder die blitzartigen Reflexe des Schweizers, der sich als Foodblogger im Land von Pizza, Wein und Pasta natürlich pudelwohl fühlt (“Die Italiener kochen unfassbar, die zelebrieren das Essen”).

Ob es Atletico Madrid nach dem 0:1 im Hinspiel im Stadio Giuseppe Meazza am Mittwoch gelingt, Inter zu knacken? Die Colchoneros sollten sich lieber beeilen mit dem Toreschießen, was sämtliche Pflichtspiele in dieser Saison deutlich offenbaren. Anzahl der Gegentore Inters nach der 75. Minute: null.

Christoph Laskowski