Erdogan kritisiert UEFA – Özil gießt Öl ins Feuer

Die Türkei ist aus der EM ausgeschieden – und wusste sportlich durchaus zu überzeugen. Doch nach dem Aus spricht kaum jemand darüber, weil die Leistung von einer politischen Inszenierung und Provokationen in den Schatten gestellt wurde.

Erlebten das Aus der Türkei gemeinsam auf der Tribüne: Mesut Özil und Recep Tayyip Erdogan (re.).

Erlebten das Aus der Türkei gemeinsam auf der Tribüne: Mesut Özil und Recep Tayyip Erdogan (re.).

Getty Images

Es war ein mitreißendes Viertelfinale zwischen den Niederlanden und der Türkei, das Oranje letztlich 2:1 gewann – und das vor den Augen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der zu einem Blitz-Besuch nach Berlin gekommen war, um die Mannschaft zu unterstützen. Ein Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz gab es nicht, dafür spendete der 70-Jährige den türkischen Spielern am späten Samstagabend nach der Niederlage Trost.

Im dunklen Anzug und mit ernster Miene schüttelte Erdogan fleißig Hände, spendete Trost und stellte sich inmitten des Wolfsgruß-Eklats um den mittlerweile von der UEFA gesperrten Merih Demiral demonstrativ hinter die türkische Nationalelf. Der Präsident hatte seine Reisepläne geändert, um das Spiel besuchen zu können. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hatte er deshalb sogar eine geplante Reise nach Aserbaidschan abgesagt.

“Ich gratuliere euch allen. Auch wenn wir heute hier dieses Ergebnis erzielt haben, seid ihr unsere Champions”, tröstete der 70-Jährige die niedergeschlagenen Spieler und meinte: “Was geschehen ist, ist geschehen. Wir waren unter den letzten Acht. Ich hoffe, nun werden wir die Champions. Es gibt auch eine Zukunft. Wir werden auch dies bewältigen.”

Merih Demiral

Verpasste wegen einer provokanten Geste das EM-Viertelfinale: Merih Demiral.
IMAGO/Depo Photos

Erdogan bemüht die Opferrolle

Erdogan klopfte sich auf sein Herz und inszenierte sich einmal mehr als glühender Patriot, demonstrativ schüttelte er auch die Hand von Demirel, der mit seiner umstrittenen Wolfsgruß-Jubelgeste erst die politischen Debatten rund um das Spiel gegen die Niederlande ausgelöst hatte. Unter Applaus des Teams verließ Erdogan die Kabine – und äußerte sich auf dem Heimflug dann auch noch zur Wolfsgruß-Debatte.

“Ehrlich gesagt hat die UEFA-Sperre für zwei Spiele gegen Merih einen schweren Schatten auf die Meisterschaft geworfen”, urteilte der 70-Jährige laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu im Gespräch mit Journalisten und sieht die Türkei dabei in einer Opferrolle: “Das ist unerklärlich, es ist eine rein politische Entscheidung. Tatsächlich handelt es sich um eine Strafe für die Türkei als Nation.” Erdogan steht in der Türkei mit seiner Meinung bei weitem nicht alleine da.

Özil befeuert die aufgeladene Debatte

Die Inszenierung hatte schon einige Stunden vor Anpfiff begonnen, so hatte auch der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil, der ebenfalls unter den prominenten Gästen in Berlin war, die aufgeladene Debatte angeheizt. Der 35-Jährige hatte via Instagram ein Foto des kritisierten Demiral-Jubels geteilt.

Wenige Tage zuvor hatte Özil oberkörperfrei für ein Foto posiert, auf dem seine Brust-Tätowierung mit drei Halbmonden und einem heulenden Wolf zu sehen ist – Symbole, die “Grauen Wölfen” zugeordnet werden. Selbiges trifft auch auf den Wolfsgruß zu, der in der Regel die Zugehörigkeit oder das Sympathisieren mit der türkischen rechtsextremen Ülkücü-Bewegung und ihrer Ideologie ausdrückt.

“Das politische Programm der ‘Grauen Wölfe’ sieht eine Türkei nur für Türken vor. Sie wollen eine homogenisierte Gesellschaft, in der Minderheiten verachtet werden”, erklärte Autor und Pädagoge Burak Yilmaz, der seit Jahren zu den “Grauen Wölfen” recherchiert, in der ARD-Sportschau und warnte vor der gefährlichen Wirkung, wenn bekannte Sportler diesen Gruß offen zeigen. Gerade junge Menschen könnten das dann als etwas Normales wahrnehmen. In der türkischen Politik wird das anders wahrgenommen, so nutzt etwa die ultranationalistische Partei MHP, die Partner der Regierung Erdogan ist, das Zeichen selbst.

Fan-Marsch abgebrochen, Provokationen im Stadion

Doch nicht nur türkische Prominenz wie Özil provozierte, auch Fans fielen negativ auf. So hatten sich am Breitscheidplatz in Berlin rund 8000 türkische Fans versammelt, von denen viele immer wieder das Symbol zeigten. Manche trugen sogar eine Wolfsmaske, andere wiederum hielten Schilder hoch, auf denen sie die die Demiral-Sperre kritisierten. Die Polizei sah sich irgendwann genötigt, den Fanmarsch wegen “fortgesetzter politischer Botschaften” abzubrechen.

Damit nicht genug, denn im Stadion beobachteten nicht nur Erdogan und Özil auf ihren Tribünenplätzen, wie Tausende Fans eingehüllt in rot-weiße Flaggen der Forderung der Ultras nachkamen und während der Nationalhymne den Wolfsgruß zeigten.

Immerhin blieb nach Abpfiff das große Gefühl des Triumphs aus, da man sich sportlich verabschiedete. Das Traurige dabei ist, dass im Nachhinein die türkischen EM-Spiele wohl kaum wegen der leidenschaftlichen Auftritte, den durchaus sehenswerten Fußball, Jungstar Arda Güler oder die ohrenbetäubende Unterstützung der türkischen Fans in den Stadien in Erinnerung bleibe werden, sondern vielmehr wegen des Wolfsgruß-Eklats und des anschließenden politischen Wirbels.

“Dämonen verbannt”: England feiert seine “Könige vom Punkt”

England weiß bei der EM weiterhin nicht zu glänzen, steht aber nach dem Sieg gegen die Schweiz im Halbfinale. Dort sind die Niederlande der Gegner. Das schreiben die internationalen Medien zu den letzten beiden Viertelfinals.

Strahlende Sieger: Bukayo Saka, Jordan Pickford, Jude Bellingham, John Stones und Harry Kane (v.li.).

Strahlende Sieger: Bukayo Saka, Jordan Pickford, Jude Bellingham, John Stones und Harry Kane (v.li.).

IMAGO/Sportimage

England – Schweiz 6:4 (1:1, 0:0) n.E.

England:

The Sun: “Könige vom Punkt. Jordan Pickford war Englands Elfmeter-Held. Saka exorzierte den Geist seines Fehlschusses beim letzten EM-Finale. Und ohne seit der ersten Halbzeit des ersten Spiels wirklich überzeugt zu haben, steht England zum dritten Mal in vier Turnieren im Halbfinale.”

Daily Mirror: “Elfmeter-Superhelden. England erreicht das EM-Halbfinale mit einem Erfolg im Elfmeterschießen gegen die Schweiz, bei dem die eiskalten Stars liefern und einen Platz unter den besten Vier sichern.”

The Guardian: “Die vielen Stunden, die sich dem Studium der Psychologie von Elfmeterschießen gewidmet haben, um herauszufinden, wie man die Dämonen verbannt und den Zufall ausmerzt – alles kam zusammen und machte den Unterschied aus für Gareth Southgate, der einen weiteren Tag überlebt hat nach einem weiteren Entfesselungsakt Englands. Am Ende geht Englands merkwürdiger, unlogischer Lauf bei dieser EM trotz einer weiteren holprigen Leistung weiter.”

Daily Mail: “Jordan Pickford war der Held, als England Elfmeter brauchte, um die Schweiz zu überwinden und das EM-Halbfinale zu erreichen. Sie machen es selten auf dem einfachen Weg, und es brauchte wieder eine späte Show, als sie es ins zweite EM-Halbfinale
nacheinander schafften.”

Schweiz:

Blick: “Brutaler Nati-K.-o. in Düsseldorf! Das erste EM-Halbfinale der Geschichte ist zum Greifen nah und doch endet an diesem Samstag das Turnier für die Schweizer Fußballer.”

Tagesanzeiger: “Den Schweizern fehlen in der Verlängerung des EM-Viertelfinals Zentimeter zum großen Triumph. Im Penaltyschießen schlagen die angezählten Engländer zurück.”

NZZ: “Der Vergleich zwischen der Schweiz und England war gewiss kein Spiel, mit dem sich Fußball- und Sportskeptiker bekehren lassen … Es ist ein bitteres Aus und ein schlechter Lohn für einen tapferen Auftritt.”

Niederlande – Türkei 2:1 (0:1)

Niederlande:

De Telegraaf: “Es war keineswegs einfach gegen die Türkei, aber in dieser niederländischen Mannschaft steckt viel Charakter, und das hat die Mannschaft in Berlin erneut bewiesen.”

De Volkskrant: “Nach dem Sieg bebt das Stadion vor niederländischer Freude über den Einzug ins Halbfinale der Europameisterschaft.”

Türkei:

Fanatik: “Die Türkei ist stolz auf Euch!”

Hürriyet: “Unsere Fußballer konnten ihre Tränen nicht zurückhalten,
als sich die Nationalmannschaft von der EM verabschiedete.”

Habertürk: “Danke Türkei, danke an unsere Jungs. Unendlichen Dank
für die Freude, die Ihr uns bereitet habt und für Euren Kampfgeist.”

Geknickter Calhanoglu: “Eine Ehre, so weit gekommen zu sein”

Lange Zeit sah es für die Türkei gegen die Niederlande gut aus. Trotz Führung gab die Milli Takim das Spiel aber am Ende binnen sechs Minuten aus der Hand. Entsprechend niedergeschlagen zeigten sich die Beteiligten nach Abpfiff.

Nicht nur bei Hakan Calhanoglu flossen nach der Viertelfinal-Niederlage gegen die Niederlande Tränen.

Nicht nur bei Hakan Calhanoglu flossen nach der Viertelfinal-Niederlage gegen die Niederlande Tränen.

IMAGO/Newspix

Aufopferungsvoll gekämpft, am Ende trotzdem als Verlierer vom Platz gegangen und den ersten Halbfinal-Einzug bei einer EM seit 2008 verpasst. Das bislang auf jeglichen Ebenen äußerst emotionale Turnier aus Sicht der Türkei hat nun ein nicht minder emotionales, wenngleich bitteres Ende gefunden, wie auch die Tränen einiger Spieler nach Abpfiff untermauerten.

EM-Viertelfinale

Calhanoglu “möchte allen danken, die dazu beigetragen haben”

“Ich möchte allen danken, die dazu beigetragen haben”, zeigte sich Kapitän Hakan Calhanoglu dennoch stolz auf das Erreichte, auch wenn “wir alle sehr traurig” sind. “Im Fußball kann man auch verlieren”, erkannte er schließlich an, um vor allem noch einen Dank an die Anhänger auszurichten. “Unsere Fans haben uns am Ende des Spiels stehende Ovationen gegeben, das ist ein gutes Zeichen.”

Dabei lief das Spiel vom Verlauf her genauso, wie es sich das Team von Vincenzo Montella sicherlich ausgemalt hat. Kompakt gegen den Ball und immer wieder mit Akzenten in der Offensive. So verdiente sich die Türkei einige Eckbälle, wovon einer durch einen Kopfball von Samet Akaydin den Weg in das Tor fand. Mit Führung im Rücken ließ das Team um Calhanoglu gegen die lange Zeit ideenlosen Niederländer kaum etwas zu.

Die Jugend lässt Vieles versprechen

Auf der anderen Seite hatten die beiden Youngster Arda Güler – mit einem direkten Freistoß an den Außenpfosten – und Kenan Yildiz – per Direktabnahme an Bart Verbruggen gescheitert – sogar die Chancen auf das 2:0. Dies fiel nicht, stattdessen ging der Türkei zunehmend die Kraft aus – was Oranje zwischen der 70. und 76. Minute zweimal eiskalt bestrafte. Die Türkei gab sich aber nicht auf, kämpfte stattdessen, jedoch vergebens. “Nach dem zweiten Tor haben wir auf lange Bälle gesetzt. So etwas passiert. Es ist eine Ehre, so weit gekommen zu sein”, so Calhanoglu abschließend.

“Wir haben mit türkischer Leidenschaft gespielt”, honorierte auch Montella den aufopferungsvollen Kampf seiner Elf. “Meiner Meinung nach wird die Türkei jetzt mit anderen Augen gesehen – mit mehr Respekt”.

Damit zusammenhängend steht sicherlich auch, dass die Türkei trotz des bitteren Aus zumindest positiv in die Zukunft blicken kann, denn mit je vier Startelfeinätzen für Arda Güler und Yildiz haben die Türken den Rekord an Teenager-Startelfeinsätzen von Spanien bei der letzten EM geknackt, als Pedri sechsmal in der ersten Elf auflief. Mit erst 19 Jahren ist Arda Güler zudem erst der vierte Teenager, der bei einer einzigen Europameisterschaft mehrere Torvorlagen gab (2). Dies war zuvor nur Lamine Yamal, der mit Spanien noch im Halbfinale steht, Cristiano Ronaldo (2004) und Vincenzo Scifo (1984) gelungen.

Vorentscheidung verpasst: Arda Güler knallt Freistoß an den Pfosten

Highlights by MagentaTV 06.07.2024

Vorentscheidung verpasst: Arda Güler knallt Freistoß an den Pfosten

0:34Arda Güler hatte beim knappen 1:2 der türkischen Nationalmannschaft im EM-Viertelfinale gegen die Niederlande immer mehr Verantwortung übernommen und anstelle von Kapitän und Experte Hakan Calhanoglu auch einen Freistoß zum möglichen 2:0 geschossen. Das Bittere: Der Ball ging in dieser Szene an den Pfosten.

Doppelschlag binnen sechs Minuten: Niederlande drehen Spiel und folgen England

Lange Zeit liefen die Niederlande gegen die Türkei einem Rückstand hinterher und wirkten ideenlos. Doch durch einen Doppelschlag binnen sechs Minuten zog die Elftal doch noch ins EM-Halbfinale ein und trifft nun auf England.

Feierten den Doppelschlag binnen sechs Minuten: Cody Gakpo (#11) und Wout Weghorst (#9).

Feierten den Doppelschlag binnen sechs Minuten: Cody Gakpo (#11) und Wout Weghorst (#9).

IMAGO/BSR Agency

Im Achtelfinale von München hatten sich die Niederlande souverän mit 3:0 gegen Rumänien durchgesetzt. Oranje-Coach Ronald Koeman sah daher keine Notwendigkeit für Änderungen an seiner Startelf, er vertraute im Viertelfinale von Berlin den gleichen Akteuren im 4-2-3-1-System, angetrieben von Mittelfeldregisseur Reijnders und Flügelstürmer Gakpo. BVB-Stürmer Malen, der gegen Rumänien als Joker mit zwei Toren geglänzt hatte, saß zunächst erneut auf der Bank.

Vincenzo Montella, Trainer der Türkei, war im Vergleich zum hart erkämpften 2:1-Sieg gegen Österreich dagegen zu drei Veränderungen gezwungen. Kökcü und Yüksek hatten gegen die ÖFB-Elf jeweils die zweite Gelbe Karte des Turniers gesehen und fehlten folglich gegen die Elftal gesperrt, für sie rückten der zuletzt gelbgesperrte Kapitän Calhanoglu sowie BVB-Profi Özcan in die Mannschaft.

Und auch auf Demiral, zweifacher Torschütze gegen Österreich, musste die Türkei verzichten. Der Verteidiger hatte nach Abpfiff des Achtelfinales den Wolfsgruß gezeigt und wurde von der UEFA für zwei Spiele gesperrt. Für ihn verteidigte Akaydin, der in Leipzig selbst noch eine Gelbsperre abgesessen hatte.

Erst dominieren die Niederlande, dann übernimmt die Türkei

Schon vor Anpfiff des letzten Viertelfinales dominierten die türkischen Fans das Geschehen auf den Rängen und verwandelten das Berliner Olympiastadion in einen Hexenkessel. Auf dem Rasen gaben dagegen die Niederlande erstmal den Ton an. Nach knapp einer Minute feuerte Depay den ersten Warnschuss in orange ab, setzte den Ball aber deutlich über die Latte.

EM, Viertelfinale

Auch danach musste die Türkei zunächst das eigene Tor verteidigen, bot im kompakten 5-4-1-System gegen den Ball aber kaum Lücken an. Nach einem Konter kam schließlich Özcan zum ersten türkischen Abschluss, doch auch er setzte den Ball über das Tor (11.).

Erst nach gut 20 Minuten fand die Türkei besser ins Spiel und übernahm das Kommando, sorgte wie schon gegen Österreich vor allem nach Standards für Gefahr. Eine erste Freistoß-Flanke konnte Bardakci nicht verwerten (29.), kurz darauf schlenzte Arda Güler einen Nachschuss knapp vorbei (32.). Drei Minuten später lag der Ball dann im Netz: Nach einer Ecke machte Arda Güler den Ball von rechts nochmals scharf, Akaydin köpfte am zweiten Pfosten zum 1:0 ein (35.).

Depay verpasst haarscharf – Arda Güler an den Pfosten

Bis zum Pausenpfiff schafften es die Niederlande nicht mehr, den Schalter umzulegen. In der Offensive spielte die Elftal zu langsam und pomadig, gegen hingebungsvoll verteidigende Türken war so kein Durchkommen. Schlussmann Günok musste nicht eingreifen, hatte allerdings Glück, dass sein Fehlpass in die Füße von Bergwijn ungestraft blieb, da Gakpo in der Folge im Abseits stand (40.).

Nach dem Seitenwechsel agierten die Niederlande zwar wieder offensiver, weiterhin fehlte es aber an Bewegung und Tempo, lange Bälle auf den eingewechselten Weghorst wurden zum gewählten Mittel. Eine erste Weghorst-Ablage aus abseitsverdächtiger Position verpasste Depay frei vor dem Tor um Zentimeter (51.), später schob der Angreifer einen Abschluss zu zentral in die Arme von Günok (57.). Die Türkei setzte dagegen weiter gefährliche Nadelstiche: Arda Güler zirkelte einen Freistoß an den Pfosten (56.), Yildiz’ Schuss von der Strafraumgrenze konnte Verbruggen nur nach vorne abwehren und hatte Glück, dass Weghorst vor Ayhan klären konnte (65.).

Doppelschlag binnen sechs Minuten – Verbruggen mit Riesenreflex

Es war der Weckruf für die Elftal, die nun zielstrebiger spielte. Weghorst scheiterte nach guter Vorarbeit im kurzen Eck noch an Günok, die anschließende Ecke schlug Depay allerdings perfekt auf den Kopf von de Vrij, der vom Elfmeterpunkt wuchtig zum 1:1 traf (70.). Oranje zog das Momentum nun auf seine Seite und arbeitete am Doppelschlag: Depay wurde nach einem Solo gerade noch abgegrätscht (75.), eine Minute später schlug Dumfries einen Ball traumhaft in die Box, aus kurzer Distanz drückte Müldür den Ball im Zweikampf mit Gakpo ins eigene Netz (76.). Binnen sechs Minuten hatten die Niederlande das Spiel gedreht.

Nun lief die Türkei ein ums andere Mal an, die Niederlande verteidigten tief. In der 85. Minute bot sich der Türkei die Doppelchance: Erst rettete van de Ven gegen Celik auf der Linie, Verbruggen hatte sich zuvor verschätzt; dann wurde auch ein Schuss von Aktürkoglu mit vereinten Kräften der Verteidiger in orange geblockt (85.). Der Ausgleich lag nun in der Luft: Tosun setzte einen Kopfball aufs Tordach (88.), Aktürkoglu köpfte eine Calhanoglu-Flanke neben das Tor (90.), schließlich war es Verbruggen, der mit einer Riesenparade gegen Kilicsoy das 2:2 verhinderte (90.+1).

Traum der Elftal vom zweiten EM-Titel in Deutschland lebt

Doch es reichte am Ende nicht, zu allem Überfluss sah Yildirim auf der Bank kurz vor Schluss sogar noch die Rote Karte wegen Meckerns. Nach Schlusspfiff sanken die Türken enttäuscht auf dem Platz zusammen, trotz einer kämpferisch starken Leistung hatte es nicht zum zweiten Halbfinal-Einzug bei einer EM nach 2008 gereicht. Die Elftal feierte dagegen den Sieg und darf weiter vom zweiten EM-Titel nach 1988 träumen. Damals wie heute fand die Endrunde in Deutschland statt.

Die Niederlande treffen nun am kommenden Mittwoch (21 Uhr, LIVE! bei kicker) in Dortmund im Halbfinale auf England, die Three Lions hatten sich zuvor im Elfmeterschießen mit 5:3 gegen die Schweiz durchgesetzt. Für die Türkei geht es dagegen erst am 6. September in der Nations League weiter, zum Auftakt reist das Team von Vincenzo Montella nach Wales.

Özcan: “Das Wort Hexenkessel wird nicht ausreichen”

Die Türkei und die Niederlande stehen sich am Samstagabend im EM-Viertelfinale gegenüber. Salih Öczan erwartet stimmungstechnisch einen Karrierehöhepunkt. Zur Wolfsgruß-Diskussion äußert sich der BVB-Profi in einem Interview nicht wirklich – wohl aber zu Pfiffen gegen die gegnerische Hymne.

“Wir werden uns nicht verstecken”: Salih Özcan und die Türkei hoffen bei der EM auf den nächsten Coup.

IMAGO/Sportsphoto

Türkei gegen die Niederlande. In Berlin. Es dürfte richtig laut werden im Olympiastadion. “Ich denke, das Wort Hexenkessel wird für die Atmosphäre nicht ausreichen”, sagt Özcan in einem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. “Unsere Fans werden Gas geben, aber auch die Holländer sorgen bekanntlich für eine super Stimmung. Für jeden, der auf dem Platz steht, dürfte das wohl stimmungstechnisch der bisherige Karrierehöhepunkt sein.” Generell ist es für den Mittelfeldspieler von Borussia Dortmund “der Wahnsinn, was unsere Fans bisher veranstaltet haben”. Sie “tragen uns durch das Turnier und machen die Spiele zu echten Heimspielen.”

Erdogan auf Kurzbesuch beim Spiel in Berlin

Viertelfinale in Berlin

Zusätzliche Brisanz hat das Viertelfinale durch die Sperre gegen Merih Demiral erhalten. Der Verteidiger, der im Achtelfinale beim 2:1 gegen Österreich mit zwei Treffern zum Matchwinner avancierte, wurde von der UEFA für zwei Spiele aus dem Verkehr gezogen, weil er beim Torjubel den umstrittenen Wolfsgruß gezeigt hatte. Eine Entscheidung, die in der Türkei und beim türkischen Fußballverband für Empörung sorgte. Türkische Fußball-Ultras riefen dazu auf, bei der Hymne im Olympiastadion den Wolfsgruß zu zeigen.

Dort wird am Samstag sogar der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Stadion zugegen sein. Eigens für das Spiel legt er einen Kurzbesuch in Berlin ein, reist noch am Samstagabend wieder ab.

Generell sollte man dem Gegner immer Respekt zollen. Und dazu gehört es auch, bei der Hymne Respekt zu zeigen und nicht zu pfeifen.

Salih Özcan über die Pfiffe türkischer Fans gegen die gegnerische Hymne

Özcan hält sich zur Debatte überaus bedeckt. “Natürlich registriert man die Diskussionen, aber ich kann Ihnen ganz klar sagen, dass wir Spieler das nicht zu sehr an uns ranlassen”, meinte er im Interview nur. “Mehr will und kann ich dazu auch nicht sagen.”

Klarer äußert sich Özcan hingegen hinsichtlich der Pfiffe bei der gegnerischen Hymne, für die türkische Fans während des Turniers kritisiert worden waren. “Generell sollte man dem Gegner immer Respekt zollen. Und dazu gehört es auch, bei der Hymne Respekt zu zeigen und nicht zu pfeifen”, findet der 26-Jährige. “Ich bin aber klar davon überzeugt, dass die ganz große Mehrheit der Fans der gleichen Meinung ist.”

“Wir wissen, dass wir wohl nicht so oft den Ball haben werden”

Über die Schwere der vor der Mannschaft liegenden Aufgabe macht sich Özcan keine Illusionen: “Das Spiel gegen Österreich war schon unser bisher schwierigstes Spiel, die Österreicher haben viel Qualität und uns leiden lassen. Und die Niederländer haben in der Summe noch einmal besser Einzelspieler”, meint der gebürtige Kölner. “Wir wissen, dass wir wohl nicht so oft den Ball haben werden.” Was nicht heißen soll, dass sich die Türken nur hinten reinstellen werden. “Ich kann versprechen: Wir werden uns nicht verstecken. Das können wir vor unseren wahnsinnigen Fans auch gar nicht.”

Wegen Demiral-Sperre: Türkei unterstellt UEFA Voreingenommenheit

Weil er bei der EM den Wolfsgruß zeigte, wurde der türkische Nationalspieler Merih Demiral für zwei Spiele gesperrt. In der Türkei stößt das Urteil sauer auf, der UEFA wird unter anderem Voreingenommenheit unterstellt.

Weil er den Wolfsgruß zeigte, wird Merih Demiral am Samstagabend nicht im Berliner Olympiastadion auflaufen.

Weil er den Wolfsgruß zeigte, wird Merih Demiral am Samstagabend nicht im Berliner Olympiastadion auflaufen.

IMAGO/ZUMA Press Wire

Vor dem Viertelfinale zwischen der Türkei und den Niederlanden droht der Fußball zunehmend zur Nebensache zu werden. Die Debatte um den umstrittenen Wolfsgruß, den der türkische Nationalspieler Merih Demiral beim Bejubeln seines zweiten Tores im Achtelfinale gegen Österreich Anfang der Woche gezeigt hatte, erhielt am Freitag neues Futter, als die UEFA entschied, den Spieler für seine nächsten beiden Spiele zu sperren.

Die Geste ist umstritten, weil sie die Zugehörigkeit oder das Sympathisieren mit der türkischen rechtsextremen Ülkücü-Bewegung und ihrer Ideologie ausdrückt. Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung, die auch als “Graue Wölfe” bekannt ist, und geht von etwa 12.000 Anhängern in Deutschland aus. In der Türkei wird der Wolfsgruß etwa von der ultranationalistischen Partei MHP genutzt, die Partner der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ist. In Deutschland ist sie nicht strafbar, aus der Politik kamen in der Vergangenheit aber schon Forderungen nach einem Verbot, die nun neu aufflammten.

In seinem Statement lieferte der europäische Fußballverband Gründe für die Sperre Demirals. Dieser habe “allgemeine Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht”. Eine Ansicht, die in der Türkei offenbar nicht flächendeckend geteilt wird.

Zahlreiche türkische Politiker melden sich zu Wort

Nur wenige Stunden nach der Urteilsverkündung meldete sich der türkische Sportminister Osman Askin Bak auf der Kurznachrichtenplattform X zu Wort und bezeichnete das Urteil als “unfair” und “voreingenommen”. Die Entscheidung der UEFA besitze keine Rechtsgrundlage und sei “rein politischer Natur”. Das türkische Außenministerium veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der es heißt, die Entscheidung habe bei der türkischen Bevölkerung “die Einschätzung bestärkt, dass die Tendenz zu Vorurteilen gegenüber Ausländern in einigen europäischen Ländern zunimmt”.

Und auch Präsident Erdogan, der dem Spiel am Samstagabend in Berlin (21 Uhr, LIVE! bei kicker) persönlich beiwohnen wird, äußerte sich zu dem Fall. “Sagt jemand etwas darüber, dass die Deutschen den Adler auf ihren Trikots haben? Sagt jemand, die Franzosen haben einen Hahn auf dem Trikot, warum führen sie sich wie Hähne auf?”, sagte er laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Demiral habe lediglich seine “Begeisterung” gezeigt, so Erdogan. “Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen”, schrieb hingegen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch bei X. Die EM “als Plattform für Rassismus” zu nutzen, sei “völlig inakzeptabel”.

Ultra-Gruppierung ruft zu Aktion auf

Die Partie im Olympiastadion hat sich in den vergangenen Stunden somit weiter zur politischen Affäre entwickelt, die Polizei hat sie längst als “Nonplusultra-Hochrisikospiel” eingestuft. Auch eine türkische Ultra-Gruppierung möchte das Spiel als Plattform nutzen. Auf ihrem X-Profil, dem rund 200.000 Nutzer folgen, fordert sie alle Anhänger im Stadion auf, während der Nationalhymne den Wolfsgruß zu zeigen.

Mit ihrem Aufruf wollen die Ultras ein Zeichen setzen und ausdrücken, dass der Wolfsgruß nicht rassistisch zu verstehen sei, sondern “das nationale Symbol des Türkentums” darstellt.

Umfrage: Wie bewertest du die Sperre für Demiral?

Die UEFA hat am Freitag auf die umstrittene Geste des türkischen Nationalspielers Merih Demiral reagiert und ihn für zwei Spiele in UEFA-Wettbewerben gesperrt. Wie findest du das Strafmaß?

Merih Demiral wird der türkischen Nationalelf im Viertel- und einem möglichen Halbfinale fehlen.

Merih Demiral wird der türkischen Nationalelf im Viertel- und einem möglichen Halbfinale fehlen.

IMAGO/Ulmer/Teamfoto

Er war mit seinen beiden Toren beim 2:1-Sieg im Achtelfinale gegen Österreich der Matchwinner für die Türkei und wurde rein sportlich auch völlig zu Recht zum “Man of the Match” ausgezeichnet. Doch anschließend geriet Merih Demiral in das Kreuzfeuer der Kritik.

Denn nach seinem zwischenzeitlichen 2:0 zeigte der 26-Jährige den sogenannten “Wolfsgruß”. Dabei drückte er die Mittel- und Ringfinger auf die Daumen, die Zeigefinger und kleinen Finger waren ausgestreckt. Eine mehr als umstrittene Geste, gilt diese doch als Handzeichen der “Grauen Wölfe”, also der Anhänger der nationalistischen und rechtsextremistischen “Ülkücü”-Bewegung. Demiral wies die Anschuldigungen von sich, es habe “keine versteckte Botschaft” dahintergesteckt.

Die UEFA aber urteilte, dass Demiral “die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht” hat und sperrte ihn für zwei Spiele in UEFA-Wettbewerben.

Was denkst du? Ist das Strafmaß für Demiral angemessen? Stimme hier ab:

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UEFA sperrt Demiral nach Wolfsgruß für zwei Spiele

Vom “Man of the Match” direkt hinein in heftige Kritik: Merih Demiral bestimmte nach dem Achtelfinal-Sieg über Österreich die Schlagzeilen. Nun hat die UEFA den türkischen Verteidiger für seine umstrittene Geste gesperrt.

Das EM-Viertelfinale steigt ohne Merih Demiral.

Das EM-Viertelfinale steigt ohne Merih Demiral.

IMAGO/NurPhoto

Schon am Mittwochvormittag, also nur einen halben Tag nach dem türkischen 2:1-Sieg im Achtelfinale über Österreich, hatte die UEFA ein Untersuchungsverfahren gegen Merih Demiral eröffnet.

Nun, am Freitag, kommunizierte sie das Strafmaß von zwei Spielen in UEFA-Wettbewerben: Der 26 Jahre alte Innenverteidiger muss also im Viertelfinale gegen die Niederlande am Samstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) zuschauen und wäre auch gesperrt, sollte die Türkei im Turnier ins Halbfinale vorrücken.

Demiral habe “die allgemeinen Verhaltensgrundsätze nicht eingehalten, die grundlegenden Regeln des guten Benehmens verletzt, Sportereignisse für Kundgebungen nicht-sportlicher Art genutzt und den Fußballsport in Verruf gebracht”, begründete die UEFA ihre Entscheidung am Freitag.

Demiral beteuerte “keine versteckte Botschaft”

Demiral hatte beim Torjubel mit beiden Händen den Wolfsgruß gezeigt, das Handzeichen der “Grauen Wölfe”, also den Anhängern der nationalistischen und rechtsextremistischen Ülkücü-Bewegung. Dabei drückte er die Mittel- und Ringfinger auf die Daumen, die Zeigefinger und kleinen Finger waren ausgestreckt.

Laut dem Bundesverfassungsschutz wird die Geste unter anderem genutzt, um politische Gegner öffentlich zu provozieren. In Deutschland ist sie nicht strafbar, aus der Politik kamen in der Vergangenheit aber schon Forderungen nach einem Verbot. “Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen”, schrieb etwa Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch bei X. Die EM “als Plattform für Rassismus” zu nutzen, sei “völlig inakzeptabel”.

“Natürlich bin ich sehr glücklich, dass ich zwei Tore geschossen habe”, hatte der Abwehrmann von Al-Ahli hinterher erklärt: “Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die auch diese Geste gemacht haben.”

Allerdings habe “keine versteckte Botschaft” dahintergesteckt. “Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein, und das ist der Sinn dieser Geste”, sagte der 26-Jährige. “Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin. Es wird hoffentlich noch mehr Gelegenheiten geben, die Geste zu zeigen.”

Erst fehlte Bardakci gesperrt, dann Akaydin, jetzt Demiral

Demiral startete als Reservist in die EM, ersetzte dann erst zum Abschluss der Gruppenphase gegen den Tschechien (2:1) den gelbgesperrten Abdülkerim Bardakci, ehe er im Achtelfinale anstelle des dann gelbgesperrten Samet Akaydin auflaufen durfte. Nun könnte Nationaltrainer Vincenzo Montella also wieder auf seine ursprüngliche Innenverteidigung bauen.

In der Vorrunde hatte die UEFA schon den Albaner Mirlind Daku für zwei Spiele gesperrt, nachdem dieser im Anschluss ans Remis gegen Kroatien nationalistische und diffamierende Gesänge angestimmt hatte.