“Offensichtlich gut funktioniert”: Köln hofft auf den Zweiersturm

Beim 1:1 gegen den FC Augsburg stürmten erstmals in dieser Saison Sargis Adamyan und Davie Selke nebeneinander. Welchen Vorteil das haben kann, war beim Tor zu sehen, doch das Duo ist auf seine Mitspieler angewiesen.

Sofort wieder erfolgreich: Davie Selke erzielte gegen Augsburg sein sechstes Saisontor.

Sofort wieder erfolgreich: Davie Selke erzielte gegen Augsburg sein sechstes Saisontor.

picture alliance / BEAUTIFUL SPORTS

Zwei Torschüsse reichten Davie Selke, um sich sofort zurückzumelden. An der Mittellinie hatte er gemeinsam mit Sargis Adamyan gelauert, war nach dem tollen, langen Zuspiel des ansonsten schwachen Kapitäns Florian Kainz in die Tiefe gestartet. Und hatte in der 38. Minute beim 1:1 in Augsburg tatsächlich wieder eingenetzt, nachdem der Armenier ihn vorbildlich bedient hatte. Ein Erfolgserlebnis nach elf Wochen: Zuvor hatte Selke zuletzt beim 1:1 gegen Heidenheim Anfang des Jahres in der Startelf gestanden – und auch in diesem Spiel getroffen.

Selke, das ist jedem in Köln klar, ist unersetzbar für den 1. FC Köln. “Wenn er fit ist, wird er auch spielen”, bestätigte FC-Trainer Timo Schultz am Sonntag nach dem Spiel. Selke hat den Torriecher und die Präsenz im Strafraum, die den Geißböcken so lange so schmerzlich gefehlt hatte. Nun hat der 29-Jährige bereits sechs Saisontore auf dem Konto.

Sinnlose Fragen, die trotzdem quälen

“Davie ist mit seiner Präsenz nicht nur in den 90 Minuten, sondern auch davor und danach in der Kabine, ein Spieler, den wir schwer ersetzen können”, lobt Schultz, und in dem Satz schwingt wohl neben Anerkennung für diese Rolle auch etwas das Gefühl mit, dass es besser wäre, Selke adäquater ersetzen zu können. Das aber gibt der Kader nicht her: Steffen Tigges und Florian Dietz etwa schafften es mal wieder nicht einmal in den Kader.

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“Er gewinnt viele Luftduelle und reibt sich in den Zweikämpfen immer auf. Davie versucht, vorne immer Druck auf den Ball zu bekommen”, zählt der Coach weitere Qualitäten seines Vorzeige-Angreifers auf. Die Frage danach, wie diese Spielzeit mit einem fitteren Selke verlaufen wäre ist, sinnlos, nagt aber wohl doch in so einigen Köpfen rund ums Geißbockheim.

Zu wenig Unterstützung aus dem Mittelfeld

Die Fußverletzung, die Selke zuletzt stoppte, ist jedenfalls auskuriert. “Er wollte viel früher runter”, berichtete Schultz über die Belastung im ersten Bundesliga-Startelfeinsatz seit Januar und betonte: “Ich hätte ihn am liebsten durchspielen lassen.” Denn gemeinsam mit Adamyan machte Selke einen guten Eindruck. Der Zweiersturm Selke/Adamyan macht derzeit die meiste Hoffnung: Weil Adamyan sich ebenso kämpferisch aufopfert, Vorstöße initiiert und auch Torgefahr erzeugt. Und, weil er in Selke nun einen Partner gefunden haben könnte, mit dem er das Ganze im Duett umsetzen kann.

“Das Zusammenspiel hat zumindest in einer Situation offensichtlich sehr gut funktioniert”, lobte auch Schultz in Anspielung auf den Ausgleichstreffer. Der Coach dürfte aber auch gesehen haben, dass die beiden Angreifer viel selbst anschieben mussten. Faride Alidou blieb wirkungslos nach vorn, Kainz trat nur mit dem vorletzten Pass beim Tor in Erscheinung. Und auch die Doppelsechs aus Dejan Ljubicic und Denis Huseinbasic schob viel zu wenige Angriffe an. Dabei sind beide eigentlich eher offensiv veranlagte und denkende Akteure.

Bei Waldschmidt wird Schultz unvernünftig

Drei Chancen kamen so für den 1. FC Köln zustande. Mal wieder zu wenig im Kampf um den Klassenerhalt. Selke und Adamyan werden die Unterstützung ihrer Hinterleute benötigen, wenn sie ihre Rolle als Hoffnungsträger erfüllen sollen. Luca Waldschmidt könnte da helfen: Der 27-Jährige stand sogar erstmals seit dem 0:2 kurz vor Weihnachten bei Union Berlin wieder auf Bundesligarasen. Er kam, als Selke völlig entkräftet seine Auswechslung erbeten hatte.

Die kommenden Kölner Aufgaben

“Manchmal muss man als Trainer Entscheidungen treffen, die unvernünftig sind”, gab Schultz zu. Er hatte wohl auf ein entscheidendes Tor gehofft und Waldschmidt reingeworfen, obwohl der nach seinem Wadenbeinbruch ebenfalls quälend lange gefehlt hatte. “Er war fast zehn Wochen raus und hat nicht eine Trainingswoche voll mitgemacht”, berichtete der Trainer, schilderte aber auch: “In den zehn Minuten auf dem Platz hat man gesehen, wieso ich ihn eingewechselt habe. Er ist ein absoluter Unterschiedsspieler für uns.”

Einer, der vorne für zusätzlichen Druck sorgen kann und soll. Ein Startelfeinsatz am kommenden Samstag gegen Bochum, wenn es für den 1. FC Köln um die letzte Chance auf den direkten Klassenerhalt geht, dürfte aber zu früh kommen. Oder doch nicht? “Luca ist deutlich vor dem Zeitplan”, deutete Schultz an, bekräftigte aber, “kein Risiko eingehen zu wollen”. Es gebe ja noch viele wichtige Spiele. Eines davon ist das gegen den VfL. Und Schultz sagte ja selbst: Manchmal treffen Fußballtrainer unvernünftige Entscheidungen …

Jim Decker

Kölns gefährlicher Tanz am Rande der Katastrophe

Der 1. FC Köln kann auch nach der Länderspielpause nicht gewinnen und verpasst die Trendwende. Nun steuert das Team von Trainer Timo Schultz auf die erste Entscheidung der Saison zu.

Gespaltenes Fazit: Kölns Trainer Timo Schultz wollte in Augsburg gewinnen, musste aber mit einem Remis leben.

Gespaltenes Fazit: Kölns Trainer Timo Schultz wollte in Augsburg gewinnen, musste aber mit einem Remis leben.

IMAGO/MIS

Für den größten Erfolg des 1. FC Köln sorgen am Sonntagabend mal wieder andere. Weil Bochum und Darmstadt am Ende 2:2 spielten, veränderte sich in der Rangordnung der vier Teams am Tabellenende nichts. Sieben Punkte trennen die Geißböcke von Platz 15 und dem VfL, einer vom Relegationsrang 16 und Mainz 05. Alles so wie vor dem Spieltag, alles wie immer. Dabei hatten die Kölner doch endlich zum Befreiungsschlag ansetzen wollen. Es wurde ein 1:1 in Augsburg.

Große Worte, wenige Taten

“Wir wollten nicht mehr unentschieden spielen”, betonte FC-Coach Timo Schultz, gab aber auch zu: “Den Punkt nehme ich gern mit nach Köln.” Damit hatte er das ganze Dilemma seines Vereins schon zusammengefasst: Die Länderspielpause inklusive des Trainingslagers in Spanien hätte der große (positive) Bruch in der Saison sein sollen. Alle in der Domstadt wissen, dass dringend Siege her müssen. Aber am Ende war es das sechste Remis im elften Spiel in diesem Jahr. Mehr scheint einfach nicht drin zu sein. Derzeit jedenfalls.

So läuft den Kölnern die Zeit davon, doch noch irgendwie den Sprung aufs rettende Ufer zu schaffen. Und selbst mit Mainz könnte es nun ein Hauen und Stechen um die Chance in der Relegation geben. Denn so optimistisch die Kölner aus Spanien zurückgekehrt waren und so offensiv sie von Siegen sprechen, so wenig änderte sich auf dem Platz.

Nur gute Ansätze reichen nicht

Mit der Doppelsitze Sargis Adamyan/Davie Selke, der offensiv ausgerichteten Doppelsechs Dejan Ljubicic/Denis Huseinbasic und Jan Thielmann als Rechtsverteidiger hatte sich Schultz auch personell auf dem Papier für maximale Angriffslust entschieden. “Viele vielversprechende Ansätze in der Offensive” lobte Schultz, sah aber auch: “Wir haben es leider nicht geschafft, einige Situationen noch klarer für uns auszuspielen.” Auch da war alles wie immer.

Stattdessen ließ der FC insgesamt 25 Torschüsse der Augsburger zu und gab selbst nur zwölf ab. Zwölf Ecken der Hausherren standen sechs der Gäste gegenüber, 31 Flanken segelten in den Strafraum der Kölner. Nur sechs in den des FCA. Von der groß angekündigten Frühlings-Offensive wurde nur wenig Realität. Auch, weil etwa Faride Alidou und Florian Kainz nur selten am Spiel teilnahmen. Der Kapitän bereitete zwar den Ausgleich wunderbar mit einer direkten Weiterleitung für Adamyan vor, tauchte aber ansonsten ab. Wie zuletzt so oft.

Gewinnen ist alternativlos

Die kommenden Kölner Aufgaben

Dafür konnten sich die Rheinländer mal wieder bei Marvin Schwäbe bedanken, der gegen Kevin Mbabu (36. Minute) und Kristijan Jakic (48.) zweimal in höchster Not eingriff. Thielmann musste auch noch auf der Linie ein Debakel verhindern (70.). Die Verunsicherung, die in Spanien bekämpft werden sollte, war den Profis wieder anzumerken. Mit Folgen: Der 1. FC Köln tanzt Anfang April 2024 nicht nur auf dem Feld, sondern auch in der Tabelle am Rande der Katastrophe.

Und nun? Steht als nächstes das Duell mit Bochum an. Es wird diesmal die letzte Chance sein, noch ein anderes Ziel als den Relegationsplatz im Blick zu halten. “Wir haben intern wie extern gesagt: Wir müssen unser Mindset anpassen und auf Dreier gehen”, bekräftigte Schultz, dem der Ernst der Lage bewusst ist. Er weiß, dass die Begegnung mit dem VfL die erste Weiche stellt. Deshalb ist gewinnen alternativlos, wieder mal: “Wir sollten schleunigst damit anfangen.”

Jim Decker

Kölner Thielmann: “Da müssen wir überzeugen”

Der 1. FC Köln befindet sich in einer prekären Lage, dessen ist man sich im Rheinland durchaus bewusst. Noch vor dem Anpfiff in Augsburg hatte Coach Timo Schultz darauf verwiesen, dass man Siege brauche, “wenn wir nochmal über den Strich kommen wollen”. Doch es kam anders.

Mit seiner Abwehraktion rettete er den Kölnern zumindest das Remis in Augsburg: Jan Thielmann.

Mit seiner Abwehraktion rettete er den Kölnern zumindest das Remis in Augsburg: Jan Thielmann.

IMAGO/MIS

Nach 90 Minuten in der WWK-Arena stand nur ein 1:1 als Ergebnis fest – und damit war es wieder nur ein Punkt für den abstiegsbedrohten 1. FC Köln. “Ein Punkt ist zu wenig”, sagte dann auch Sargis Adamyan nach Abpfiff bei DAZN und ergänzte: “Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Nach dem Spielverlauf nehmen wir den mit.”

In der Tat kann das Remis als durchaus schmeichelhaft betrachtet werden, immerhin war Augsburg in vielen Dingen überlegen – allein schon die Torschussstatistik von 25:12 spricht Bände. Gerade nach dem Seitenwechsel war es eine recht einseitige Nummer, wie auch Adamyan feststellte. “Wir haben probiert, offensiv zu spielen, aber in der zweiten Halbzeit haben wir uns zu doll reindrängen lassen. Das darf nicht sein.”

Thielmanns Forderung – Adamyan beschwört Einigkeit

Ähnlich bewertete auch Jan Thielmann das Match, der mit seiner tollen Abwehraktion in der 70. Minute gegen Dion Drena Beljo gar das 1:1 gerettet hatte. Zwar hätte der Effzeh phasenweise “mit Ball gute Ansätze” gehabt, das sei aber nicht dauerhaft der Fall gewesen. “Wir wussten, wie wir spielen müssen, haben es aber nicht immer hinbekommen – gerade in der zweiten Halbzeit.” Der 21-Jährige verwies darauf, dass man “kühlen Kopf bewahren” sollte, gerade in Phasen, “wenn es ein bisschen fahriger wird. Das haben wir nicht gut hinbekommen.”

Und jetzt? “Unter dem Strich ist es ein Punkt mehr”, übte sich Thielmann in Optimismus, gab aber auch zu: “Wir hätten gerne drei gehabt.” Denn auch er weiß: Köln bleibt mit 19 Punkten auf Tabellenplatz 17 und stellt weiterhin mit nur 21 erzielten Toren die schlechteste Offensive der Liga.

Die Hoffnung bleibt den Kölnern aber dennoch erhalten, zumal ihnen in den kommenden Wochen “spannende Spiele” bevorstehen, wie Thielmann sagte. Nächsten Samstag steht das womöglich wegweisende Heimspiel gegen den Tabellen-15. und bereits sechs Punkte enteilten VfL Bochum an. Anschließend geht es nach München, ehe die nächsten Abstiegskracher gegen Schlusslicht Darmstadt und beim Tabellen-16. Mainz anstehen. “Da müssen wir überzeugen”, forderte Thielmann, während Adamyan die Einigkeit beschwor: “Wir müssen zusammenhalten, das muss unser Trumpf sein.”

Schultz im Interview: “Auch Streich ging den Weg in die 2. Liga mit”

Mit dem 1. FC Köln steht Timo Schultz auf Platz 17 und stark unter Druck. Im Interview spricht er über Vorbilder, seine Zeit auf St. Pauli und in Basel – und erklärt seinen Plan für den Klassenerhalt.

Aus dem Trainingslager des 1. FC Köln in Algorfa (Spanien) berichtet Jim Decker

Gleich eine ganze Reihe von Interviews hat sich Trainer Timo Schultz am Mittwochabend vorgenommen. Gut gelaunt arbeitet der 46-Jährige einen Termin nach dem anderen ab. Danach verliert Schultz dann gemeinsam mit Co-Trainer André Pawlak ein Team-internes Padel-Turnier im Finale. Beim Gespräch an der Bar des La-Finca-Resorts ist auch zu sehen, welches Hintergrundfoto Schultz auf seinem Handy hat: Es ist der Kölner Dom.

Ihr Ex-Verein FC St. Pauli steht mit großem Vorsprung an der Spitze der 2. Liga. Denken Sie manchmal: Das hätte ich sein können, Herr Schultz?

Nein, gar nicht. Die Zeit als Spieler und dann als Trainer will ich nicht missen. Meine Familie wohnt immer noch in Hamburg. Natürlich ist der Verein ein besonderer Teil in meinem Herzen. Wir haben die Entwicklung damals gut angeschoben. Trotzdem haben wir uns irgendwann getrennt, weil wir dachten: Das ist das Beste. Und wenn man die Entwicklung seitdem sieht, war es das auch. Ich freue mich, wenn sie bald in der Bundesliga spielen. Und noch mehr, wenn wir dann aufeinandertreffen.

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War absehbar, dass Ihr damaliger Co-Trainer Fabian Hürzeler eine Mannschaft so formen kann?

Ich glaube, wir waren auch vorher sehr gut dabei, haben schon einmal ans Tor zur Bundesliga geklopft. Schon als ich Fabi dazu geholt habe, war klar, dass er ein sehr großes Trainertalent ist und mal selbst Cheftrainer werden wird. Wenn man die Mannschaft spielen sieht, wundert es mich nicht, dass er auf dem Zettel anderer Vereine steht. Ich freue mich aber, dass er erst mal dableibt und die Entwicklung weitergeht.

Wie war es, nach zweieinhalb Jahren in Hamburg plötzlich ohne Job dazustehen?

Ich habe eine Familie mit drei Kindern. Wenn man dann plötzlich am Wochenende frei hat, gibt es erst mal andere Themen, die vorher lange liegengeblieben sind. Bei mir geht dann aber auch schnell wieder das Kribbeln los: Ich möchte auf dem Trainingsplatz stehen und am Wochenende den Wettkampf haben. Ich habe die Zeit genutzt, um Energie zu tanken, sich andere Spiele anzuschauen und inspirieren zu lassen. Mir haben auch diese Phasen immer Spaß gemacht. Aber bislang hatte ich diese Phase ja erst zweimal und auch relativ kurz. Hoffen wir, dass das so bleibt.

Das muss sich in den Köpfen festsetzen: Wir müssen mehr Risiko eingehen.

Timo Schultz

“Relativ kurz” ist ein gutes Stichwort: Waren die knapp drei Monate beim FC Basel im vergangenen Sommer ein Fehler?

Auf keinen Fall. Ich war am richtigen Ort, aber zur falschen Zeit. Mit der hohen Fluktuation im Kader war es schwer, etwas zu entwickeln. Beide Seiten haben einfach schnell gemerkt, dass es nicht passt. Dass es in zwei Jahren acht Trainer gab, sagt über die Gesamtkonstellation einiges aus. Ich würde mich freuen, wenn sie es wieder in die obere Tabellenhälfte schaffen und international spielen (derzeit ist Basel 10. von 12. Teams, Anm. d. Red.). Das ist eine Episode, die ich nicht missen möchte – auch wenn sie sehr kurz war.

Kurze Episode: Beim FC Basel stand Timo Schultz nur 90 Tage an der Seitenlinie.

Kurze Episode: Beim FC Basel stand Timo Schultz nur 90 Tage an der Seitenlinie.
IMAGO/Pius Koller

Fürchteten Sie einen Knick in der Karriere?

Als Trainer sollte man sich nicht zu sehr damit beschäftigen, was sein könnte. Mir macht das Trainerdasein Spaß. Für mich sind Sachen wie der Etat, der Kader oder der Wettbewerb, in dem wir spielen, gar nicht das Wichtigste. Meine Arbeit kann auch in einer U 19 viel Spaß machen. Entscheidend ist, dass man die Jungs entwickeln kann und man die nächsten Schritte mit dem Verein gehen kann. Und das ist alles beim 1. FC Köln gegeben.

Stichwort Zenit: Was machen Sie denn mit Profis, die es offensichtlich besser können, aber im Formloch stecken?

Nur wenige bei uns können aufgrund ihres Alters oder ihrer Karriere sagen, dass sie den besten Teil schon hinter sich haben. Im Kader steckt noch einiges an Potenzial. Das müssen wir aktivieren.

Was tun Sie konkret?

Training, Gespräche, Analysen. In unserer Situation geht es vor allem darum, Vertrauen auszusprechen und Lösungen für konkrete Probleme auf dem Platz anzubieten. Braucht jemand Zuspruch oder doch vielleicht eine klare Ansage? Für uns geht es darum, wieder mit mehr Selbstbewusstsein auf dem Platz zu stehen. Aber auch das kann man sich erarbeiten. Dann werden wir in der Lage sein, unsere Spiele zu gewinnen. Unentschieden wie zuletzt werden uns nicht mehr vorwärtsbringen. Wir müssen Spiele gewinnen. Das muss sich in den Köpfen festsetzen: Wir müssen mehr Risiko eingehen.

Sie waren selbst Profi. An welchen Trainern orientieren Sie sich?

Meine erfolgreichste Zeit bei St. Pauli hatte ich unter Holger Stanislawski. Der hat es geschafft, jedem Spieler auf einer persönlichen Ebene Wertschätzung entgegenzubringen. Das sollte die Grundlage des Zusammenarbeitens sein. Auf der anderen Seite geht es um das Arbeitsethos: Wie ist zu trainieren, wie zu spielen? Da haben wir in Köln eine sehr dankbare Gruppe. Eine, die in jedem Training Vollgas gibt. Wenn man die Laufdaten sieht, gibt es wenige Teams, die mehr investieren als der 1. FC Köln. Das ist eine sehr gute Grundlage.

Darüber hinaus wissen wir, dass wir in der Offensive durchschlagskräftiger werden müssen. Und nicht nur weil Davie Selke und Luca Waldschmidt zurückkehren, sondern auch Sargis Adamyan im Aufwind ist, haben wir für den Rest der Saison hoffentlich mehr Durchschlagskraft in der letzten Linie. Da sind aber alle in die Pflicht, die Jungs in die entsprechende Position zu bringen. Auch ich verbiete keinen Verteidiger, mal eine Ecke einzuköpfen. Dass wir so wenige Tore haben, ist kein Stürmerproblem, sondern eines der gesamten Mannschaft.

Timo Schultz, Holger Stanislawski und Carsten Rothenbach jubeln Mitte Januar 2007 über den Aufstieg aus der damals drittklassigen Regionalliga Nord in die 2. Liga.

Timo Schultz, Holger Stanislawski und Carsten Rothenbach (von links) jubeln Mitte Januar 2007 über den Aufstieg aus der damals drittklassigen Regionalliga Nord in die 2. Liga.
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Sie sprachen über Adamyan: Was ist passiert, dass er in dieser Saison vom Tribünenspieler zum Hoffnungsträger wurde?

Spieler sind immer selbst für ihr Schicksal verantwortlich. Sie denken zwar oft, dass ein Trainer sie mag oder nicht, aber wir stellen immer die auf, mit denen wir die höchste Wahrscheinlichkeit haben zu gewinnen. Sargis war verletzt, als ich kam, und hat sich nach seiner Rückkehr von Woche zu Woche gesteigert. Er hat im jeder Einheit Torgefahr ausgestrahlt, war spielstark und unangenehm gegen den Ball. Das kann ein gutes Vorbild für andere sein, die gerade hinten dran sind, wie etwa Steffen Tigges und Florian Dietz. Ich wäre ja schön blöd, als Trainer jemanden außen vor zu lassen, der Tore schießt. Sargis hat es vorgemacht und jeder ist eingeladen, es genauso zu machen.

Was fehlt Tigges und Dietz?

Beide sind in den vergangenen Wochen im Training mehr ins Rollen gekommen. Beide haben ihre Qualitäten, Flo Dietz vor allem auch in der gegnerischen Box. Wir wussten aber auch, dass wir in der Phase vor der Länderspielpause gegen sehr viele gute Mannschaften spielen. Da geht es mehr darum, zu verteidigen und gegen den Ball mehr Meter absolvieren zu müssen. Da liegt sicherlich nicht das Kerngebiet der beiden. Aber beide werden noch extrem wichtig werden, und wenn es nur eine entscheidende Aktion ist.

Wer in Müngersdorf auflaufen darf, dem hängen drei, vier andere im Nacken.

Kölns Trainer Timo Schultz über den Konkurrenzkampf in der Offensive

Nach der Pause stehen Ihnen elf Spieler für vier Positionen in der Offensive zur Verfügung. Das klingt nach unpopulären Entscheidungen …

Die Situation habe ich liebend gern. Das bedeutet Konkurrenzkampf und der belebt das Geschäft. Und selbst wer nicht dabei ist, kann dann in der U 21 Tore schießen und so auf sich aufmerksam machen. Wer in Müngersdorf auflaufen darf, dem hängen drei, vier andere im Nacken.

Sport-Geschäftsführer Christian Keller kritisierte zuletzt die vielen individuellen Fehler des Teams, betonte aber, das liege nicht an der Qualität. Ist das aber nicht dasselbe?

Wenn Fehler gemacht werden, ist ein anderer da, das auszubügeln. Das haben wir in entscheidenden Situationen leider nicht immer geschafft. Jetzt müssen wir aber auch mal die Kirche im Dorf lassen: Wir haben gegen eine richtig gute Leipziger Mannschaft gespielt, und das war das einzige Spiel, seitdem ich hier bin, in dem wir verdient verloren haben. Hinter so was muss ich einen Haken machen. In allen anderen Spielen waren wir auf Augenhöhe, aber auch nicht mehr. Das wird uns für den Rest der Saison nicht reichen. Wir müssen besser sein. Dafür werden wir offensiver und vielleicht auch offensiver und früher wechseln.

Die kommenden Kölner Aufgaben

Können Sie gut leiden?

Ich arbeite gern in diesem Job. Aber ich weiß, dass damit auch negative Erlebnisse verbunden sind. Natürlich fällt mir ein Montagmorgen leichter, wenn wir am Samstag gewonnen haben. Das darf meine tägliche Arbeit aber nicht beeinflussen.

Vereine wie Freiburg haben das perfektioniert, deren Zeithorizont ist gefühlt auf Jahre ausgelegt und nicht auf Tage. Ist das ein Vorbild?

Kontinuität ist im Fußball ein Gut, dass sich die Wenigsten leisten können. Alle wollen so sein wie der SC Freiburg, aber fast niemand verhält sich so. Das hat aber gute Gründe. Wir sind als 1. FC Köln gerade nicht in der Lage, die nächsten drei bis fünf Jahre zu planen. Trotzdem sollte man im Hintergrund alle Szenarien durchdenken und das wird auch getan. Für mich als Trainer liegt der Fokus aber auf den nächsten drei bis fünf Wochen. Denn wir brauchen jetzt Leistung und Punkte.

Spieler, die nach Freiburg gingen, wussten: Entweder ich mache es, wie Herr Streich es möchte, oder ich gehe wieder weg.

Timo Schultz

Ihr Vertrag endet im Sommer, sollte Köln absteigen. Können Sie sich vorstellen, trotzdem mit in die 2. Liga zu gehen?

Trainer haben immer das Ziel, etwas aufzubauen. Das würde beim FC total gut passen, weil die Mannschaft auf der einen Seite schon zusammengewachsen ist und auf der anderen Seite Spieler da sind, die sich mit dem Klub identifizieren und entwickeln werden. Unabhängig von der Liga kann ich mir vorstellen, weit über den Sommer hinaus hier tätig zu sein. Ich habe vor, länger hier zu sein.

Die Ära Christian Streich endet dagegen im Sommer definitiv. Was macht das mit Ihnen?

Er ist für mich ein absolutes Vorbild. Spieler, die nach Freiburg gingen, wussten: Entweder ich mache es, wie Herr Streich es möchte, oder ich gehe wieder weg. Da kam niemand auf die Idee, beim Präsidenten anzurufen oder den Berater zum Sportlichen Leiter zu schicken. Das hat er sich durch überragende Arbeit aufgebaut. Eine ähnliche Ära habe ich mit Thomas Schaaf in Bremen erlebt. Das sind besondere Persönlichkeiten. Und auch Streich ging den Weg in die 2. Liga mit. Es zeichnet einen Verein aus, solche Phasen so zu überstehen. Das ist eine Geschichte, die eigentlich im Fußball heute undenkbar geworden ist. Ich bin gespannt, ob das an einem Standort wie Köln auch so möglich wäre wie in Freiburg …

Fehlt dieses Vertrauen den Trainern gegenüber?

Das Geschäft hat sich verändert. Die durchschnittliche Verweildauer bei Klubs liegt inzwischen bei eineinhalb, nicht einmal zwei Jahren. Alles ist schnelllebig geworden, aber das ist nun mal so. Obwohl alle eigentlich wissen, dass es anders erfolgsversprechender wäre. Als Trainer weißt du: Viel Zeit habe ich nicht.

Was unterscheidet den 1. FC Köln nach der Länderspielpause von dem davor?

Wir wissen nicht, ob zwei Siege reichen oder wir es mit fünf Siegen trotzdem nicht schaffen. Wir können nur uns beeinflussen und haben noch acht Möglichkeiten dafür. Die Personallage wird deutlich anders sein, aber auch die Herangehensweise, indem wir versuchen, noch mutiger und offensiver aufzutreten.

Letzte Frage: Wie viel Lust haben Sie darauf, in der Relegation auf Steffen Baumgart und den HSV zu treffen?

Nehme ich!

Mysterium Adamyan: Geht es auch gemeinsam mit Selke?

Stürmer Sargis Adamyan bringt das lange vermisste klassische Mittelstürmer-Spiel zurück zum 1. FC Köln. Doch Platzhirsch Davie Selke drängt zurück in die Startelf. Funktioniert es auch mit beiden?

Ein Torschütze, der sich nicht freuen konnte: Sargis Adamyan traf endlich wieder ins Tor, verlor mit Köln aber 1:5 gegen Leipzig.

Ein Torschütze, der sich nicht freuen konnte: Sargis Adamyan traf endlich wieder ins Tor, verlor mit Köln aber 1:5 gegen Leipzig.

picture alliance / SVEN SIMON

559 Tage musste Sargis Adamyan warten. Anfang September 2022 hatte der Stürmer das letzte Mal für den 1. FC Köln in der Bundesliga getroffen, beim 4:2-Erfolg der Rheinländer in Wolfsburg. Dann folgte eine äußerst schwierige Zeit für den 30-Jährigen, manchmal reichte es nicht einmal für einen Kaderplatz. Doch seit einigen Wochen ist Adamyan wieder zurück auf der Erstligabühne – und belohnte sich am Freitagabend beim 1:5 gegen RB Leipzig auch mit einem Treffer. Großartig freuen konnte sich der Deutsch-Armenier angesichts der Niederlage aber nicht.

Adamyans Aufwand ist enorm

Eine von zwei Kölner Chancen hatte Adamyan zum zwischenzeitlichen Ausgleich eingeköpft. In bester Knipser-Manier, am langen Pfosten, nachdem Eric Martel eine Ecke von Florian Kainz verlängert hatte. Eine Spielweise, die den Geißböcken ohne Stamm-Mittelstürmer Davie Selke oft gefehlt hatte. Nun aber besetzte Adamyan den Strafraum wieder ganz klassisch, ackerte außerdem in vorderster Front als erste Nervensäge im Pressing, Anspielstation und Ballverteiler.

“Er und Florian Kainz mussten teilweise in der ersten Reihe gegen vier verteidigen und dafür sehr viel Energie aufbringen”, lobt FC-Trainer Timo Schultz seinen besten Feldspieler. Trotz des großen Aufwands habe Adamyan immer wieder auch Bälle erobern können. Tatsächlich war der 1,84 Meter große Angreifer zwischenzeitlich gefühlt überall auf dem Platz zu sehen gewesen.

Das Standardtraining zahlt sich aus

“Er hatte schon in den vergangenen Spielen die Möglichkeit, sich für seine Trainingsleistung und seine Leistungssteigerung mit Toren zu belohnen”, sagt Schultz und meint die guten Möglichkeiten beim 0:2 gegen Leverkusen und dem 3:3 gegen Gladbach. Bereits in den beiden Begegnungen waren die Ansätze klar erkennbar gewesen, nun folgte das Tor als logische Konsequenz. Wieso Adamyan so lange sportlich keine Rolle spielte, wird womöglich als eines der großen Mysterien dieser Köln-Saison zurückbleiben.

Die kommenden Kölner Aufgaben

“Es freut mich ungemein, dass er am zweiten Pfosten einen reindrücken konnte”, findet Schultz, der den Routinier wieder ausgegraben und ihm das Vertrauen geschenkt hatte. Das Team habe “sehr viel Zeit” in Standardsituationen investiert, das zahle sich langsam aus.

Zwei Stürmer als neue Option

Um Adamyan dürfte deshalb vorerst kein Weg herumführen, wenn es um die Startelf geht. “Wir werden Sargis brauchen: Er hat einen Torriecher und eine gewisse Qualität”, betont der Coach. Doch in der 73. Minute wechselte er auch Platzhirsch Selke wieder ein, der nach seiner überstandenen Fußverletzung zurück in die Startelf drängt. Bislang gibt es nur eine Spitzen-Position im System des Effzeh vor Zehner Florian Kainz. Schultz müsste sich dann zukünftig womöglich für einen von beiden entscheiden.

Doch vielleicht geht es auch mit beiden. Nach Selkes Hereinnahme probierte Schultz bereits eine Variante mit beiden Angreifern in vorderster Linie aus. Eine Option, der die Zukunft gehören könnte. “Davie hat uns mit seiner Präsenz weiterhelfen können”, bekräftigt Schultz.” Wir haben genug gute Jungs und haben genug Zeit, sie alle in Form zu bringen.” Bei Adamyan funktionierte das ja bereits ganz gut. Vielleicht kann er dann bei seinem nächsten Treffer auch noch über einen Sieg jubeln.

Jim Decker