Kanga & Co.: So läuft es bei Herthas Leihspieler-Sextett

Sechs Profis hat Hertha BSC aktuell verliehen. Einer, U-21-Nationalspieler Julian Eitschberger, kommt im Sommer zurück nach Berlin. Andere vergrößern gerade ihren Markt.

Herthas Wilfried Kanga trumpft bei Leihklub Standard Lüttich auf.

Herthas Wilfried Kanga trumpft bei Leihklub Standard Lüttich auf.

IMAGO/Photo News

Belgien, Italien, Schottland, die Slowakei, die Türkei und Sachsen-Anhalt: Herthas Leihspieler-Sextett spielt weit verstreut – und liefert unterschiedliche Leistungen ab. Bei einem Trio winken dem Berliner Zweitligisten, der weiter unter großem Kostendruck steht, im Sommer signifikante Transfereinnahmen. Der kicker sagt, wie es für die Leihspieler läuft und welche Perspektive sie haben.

Wilfried Kanga (26, Standard Lüttich): Plötzlich läuft’s wieder. Der Mittelstürmer, 2022 mit der Empfehlung von 15 Toren in 33 Super-League-Spielen für knapp fünf Millionen Euro Ablöse aus der Schweiz (Young Boys Bern) nach Berlin gekommen und dort ein uneingelöstes Versprechen geblieben, trumpft bei Leihklub Standard Lüttich ohne die Sprachbarriere und mit Selbstvertrauen auf. Der Franko-Ivorer ist aktuell Lüttichs Top-Torschütze (neun Treffer, drei Assists in 27 Jupiler-Pro-League-Spielen). Eine Kaufoption besitzt Standard, wie Hertha im Portfolio von US-Investor 777 Partners, nicht. Kanga steht bei Hertha bis 2026 unter Vertrag, der Klub strebt einen Verkauf im Sommer an. Dass sich Lüttich eine Festverpflichtung leisten kann, gilt aktuell als eher unwahrscheinlich. Kanga, für den es im Vorsommer auch Nachfragen aus dem arabischen Raum und seiner Heimat Frankreich gab, hat mit seiner Saison-Performance nach kicker-Informationen Interesse im Benelux-Raum und in der Ligue 1 geweckt.

Suat Serdar (26, Hellas Verona): Stieg mit Schalke 2021 und mit Hertha 2023 aus der Bundesliga ab und wollte danach den Schritt ins Ausland machen. Der Start in Verona verlief für den deutschen Ex-Nationalspieler, für den Hertha 2021 acht Millionen Euro Ablöse gezahlt hatte, schleppend. Seit Mitte Januar ist er Stammspieler auf der Doppel-Sechs neben dem Ex-Herthaner Ondrej Duda. Im kicker-Interview sagte Serdar in der Vorwoche: “Ich habe mich komplett in Italien verliebt.” Hellas hat eine Kaufoption, die nach kicker-Informationen bei über vier Millionen Euro liegt. Wie es für Serdar im Sommer weitergeht, ist offen und hängt nicht zuletzt davon ab, ob Hellas die Klasse hält. Ein mögliches Modell: Bei einem Serie-A-Verbleib kauft Verona den Mittelfeldspieler und verkauft ihn anschließend weiter. Serdars Vertrag in Berlin läuft bis 2026. Ein Comeback bei Hertha ist sportlich und finanziell allenfalls bei einem Bundesliga-Aufstieg denkbar.

Myziane Maolida (25, Hibernian Edinburgh): Der damalige Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic lotste Maolida im August 2021 für vier Millionen Euro Ablöse von OGC Nizza nach Berlin und labelte ihn als “Phantasiespieler”. Nizza hatte das vermeintliche Top-Talent im Sommer 2018 für zehn Millionen Euro aus Lyon geholt. In Berlin kam Maolida, der von der U 16 bis zur U 21 für alle französischen Auswahlteams am Ball war, nie auf Touren. Taktische Defizite, Einstellungsprobleme, dazu die vielen Trainerwechsel und die lange Zeit vorhandene toxische Unruhe im und um den Klub: Maolida kam in der Bundesliga in 17 Einsätzen auf ein Tor (dazu zwei Relegationsspiele im Mai 2022 gegen den HSV). Seine Leihe in der Rückrunde der Saison 2022/23 zu Stade Reims war auch keine Erfolgsgeschichte.

In der Hinrunde dieser Saison wurde er in Herthas U 23 abgeschoben (zehn Regionalligaspiele, drei Tore) und von Hertha-Coach Pal Dardai im November öffentlich abgekanzelt: “Er hat sehr viele Chancen bekommen und war so faul wie ganz wenige Spieler, die ich in meinem Leben gesehen habe.” Im Januar wechselte der Angreifer auf Leihbasis und ohne Kaufoption zum schottischen Erstligisten Hibernian Edinburgh. Dort zündet er. Bilanz: fünf Tore, ein Assist in zehn Premiership-Einsätzen, dazu ein Tor im schottischen FA-Cup gegen Inverness CT. Der Nationalspieler der Komoren, von Haus aus Linksaußen, kommt bei den Hibs öfter als Mittelstürmer zum Zug. Sein starker Einstand in Schottland macht ihn auch für den englischen Markt interessant. Hertha, wo er bis 2025 unter Vertrag steht, trägt aktuell wie auch bei Kanga und Kelian Nsona einen Teil des Gehalts. Klares Ziel für den Sommer: ein Verkauf von Maolida. Die Chancen darauf steigen mit jedem Tor.

Julian Eitschberger (20, Hallescher FC): Herthas Plan, einem jungen Spieler über den Zwischenschritt in die 3. Liga Spielpraxis zu geben und reifen zu lassen, funktioniert bei Eitschberger wie schon im Vorjahr bei Marten Winkler und der Leihe zu Waldhof Mannheim. Eitschberger ist in Halle eine feste Größe, absolvierte bislang 23 Liga-Spiele und ist aktuell mit der deutschen U-21-Nationalmannschaft unterwegs, die in der EM-Qualifikation am Freitagabend in Chemnitz gegen den Kosovo antritt und am Dienstag in Halle gegen Israel. Der Rechtsverteidiger wird nach seinem Lehrjahr in Halle im Sommer nach Berlin zurückkehren und dann eine andere Konkurrenzsituation als vor dieser Saison vorfinden. Die Verträge von Deyovaisio Zeefuik und Peter Pekarik laufen aus und sollen nicht verlängert werden, Stammkraft Jonjoe Kenny – einer der Spieler mit einem vergleichsweise teuren Altvertrag – könnte es wegziehen. Für Eitschberger steht die Tür bei Hertha im Sommer weit offen.

Kelian Nsona (21, MSK Zilina): Der Franzose kam im Januar 2022 nach einem Kreuzbandriss für 500 000 Euro Ablöse vom französischen Zweitligisten SM Caen und in Berlin auch wegen einer weiteren Knie-OP nie wirklich auf die Beine. Hertha verlieh ihn Anfang Februar an Pekariks slowakischen Ex-Klub MSK Zilina. Auch beim Tabellenzweiten der Nike-Liga wartet er noch auf seinen Durchbruch: drei Teileinsätze in der Liga mit 89 Minuten Gesamtspielzeit, dazu ein 90-Minuten-Auftritt im Pokal-Achtelfinale gegen Slovan Bratislava (0:1). Der Flügelstürmer, der mit Frankreichs U-17-Auswahl 2019 EM-Halbfinalist war und bei dem Turnier in Irland damals an der Seite von Enzo Millot (VfB Stuttgart), Georginio Rutter (Leeds United, ehemals Hoffenheim), Tanguy Nianzou (FC Sevilla) und Brandon Soppy (Schalke) spielte, sucht nach langer Leidenszeit weiter seinen Rhythmus. Sein Vertrag in Berlin läuft bis 2026, eine Zukunft bei Hertha hat er eher nicht.

Ensar Aksakal (22, Göztepe Izmir): Der Linksaußen wechselte Mitte September zu Göztepe Izmir, aber die Leihe funktioniert nicht wie erhofft. Aksakal, der 2020 aus der A-Jugend des 1. FC Union zur U 23 von Hertha gewechselt war und im November 2022 einen Profivertrag bis 2025 unterschrieben hatte, kam für den türkischen Zweitliga-Zweiten lediglich zu zwei Teileinsätzen im November – mit 84 Minuten Gesamtspielzeit. Göztepe besitzt eine Kaufoption, wird die aber ziemlich sicher verstreichen lassen. Womöglich liegt die Zukunft von Aksakal, dessen Vater Sezgin einst ebenfalls bei Hertha BSC fußballerisch groß wurde (1981-88, später u.a. Türkiyemspor, Hertha Zehlendorf, elf Süper-Lig-Einsätze für Malatyaspor), dennoch weiter in der Türkei.

Steffen Rohr

Hertha: Phantom Rogel zurück auf der Bildfläche

Seit dem Sommer war er ein Phantom im Kader, jetzt ist er wieder da: Agustin Rogel (26) ist bei Hertha BSC ins Mannschaftstraining zurückgekehrt – nach neunmonatiger Leidenszeit.

Tauscht die Straßenklamotten wieder gegen Fußballkluft: Hertha-Verteidiger Agustin Rogel.

Tauscht die Straßenklamotten wieder gegen Fußballkluft: Hertha-Verteidiger Agustin Rogel.

IMAGO/Matthias Koch

Als Agustin Rogel letztmals für Hertha BSC spielte, stand Oliver Christensen im Tor und Maximilian Mittelstädt spielte hinten links. Lucas Tousart und Kevin-Prince Boateng bildeten die Doppel-Sechs. Dodi Lukebakio und Marco Richter besetzten die Flügel, und vor dem auf der Zehn aufgebotenen Suat Serdar stürmte Stevan Jovetic.

Die sind alle längst weg oder – wie Boateng – im fußballerischen Ruhestand. Rogel ist noch da. Oder besser: wieder da.

In besagter Aufstellung spielte Hertha am 20. Mai 2023 1:1 gegen den VfL Bochum. Ein Kopfballtor von VfL-Verteidiger Keven Schlotterbeck in der vierten Minute der Nachspielzeit stürzte den Hauptstadtklub seinerzeit ins Tal der Tränen, der Abstieg war besiegelt. Eine Woche darauf, als Trainer Pal Dardai in Wolfsburg der Zukunft ein Gesicht gab und den Youngstern um Pascal Klemens, Tjark Ernst und Ibrahim Maza eine Chance, saß Rogel nur noch auf der Bank. Danach verschwand er in den Krankenstand – wegen seiner Knie-Operation, die er zuvor über Monate verschoben hatte, um im Abstiegskampf nicht zu fehlen.

Wird die Karriere neu angeschoben?

Am Dienstag kehrte der uruguayische Innenverteidiger, der Ende August 2022 vom damaligen Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic nach starken Auftritten in der Copa Libertadores aus Argentinien (Estudiantes de La Plata) geholt worden war, ins Mannschaftstraining zurück.

Für den 1,91-Meter-Hünen, der im September 2022 für die Nationalmannschaft Uruguays debütiert, aber die WM in Katar verpasst hatte, steht auch seine dritte Europa-Station unter keinem guten Stern. In Russland (KS Samara, Saison 2018/19) und Frankreich (FC Toulouse, Sommer 2019 bis Februar 2021) hielt es ihn nicht lange. Mit Toulouse stieg er 2020 sang- und klanglos aus der Ligue 1 ab, mit Hertha 2022/23 aus der Bundesliga. Auf 20 Einsätze brachte es Rogel in Herthas Abstiegssaison, die Verkaufspläne des Klubs für den Sommer 2023 zerschlugen sich wegen der Knie-OP.

Klar ist: Rogel (Vertrag bis 2026) bleibt ein Abgangskandidat, Herthas Zukunft in der Innenverteidigung soll vor allem den Eigengewächsen Linus Gechter, Marton Dardai, Pascal Klemens und Tim Hoffmann gehören. Nach seinem Bundesliga-Debüt Anfang Oktober 2022 gegen die TSG Hoffenheim (1:1) hatte Rogel gesagt: “Ich habe versucht, es zu genießen.” Allzu viel Genuss kam seitdem für ihn in Berlin nicht dazu. Jetzt ist der Abwehrspieler, der 2017 mit Uruguays U-20-Auswahl WM-Vierter in Südkorea war, zurück, um seine Karriere neu anzuschieben.

Steffen Rohr