Bayern gegen Real 2017: Der konstruierte Skandal

Bayern gegen Real 2017: Der konstruierte Skandal

Als Real Madrid als erste Mannschaft den Champions-League-Titel verteidigte, hatten die Königlichen auch den FC Bayern ausgeschaltet. Der fühlte sich dabei betrogen – zu Recht?

Ein Gigantentreffen, das alles bot - leider auch viele Fehlentscheidungen.

Ein Gigantentreffen, das alles bot – leider auch viele Fehlentscheidungen.

imago images (3)

Als Carlo Ancelotti letztmals Teil des europäischen Klassikers Real Madrid gegen den FC Bayern war, saß der Italiener noch auf der Münchner Trainerbank. Und lauschte nach dem Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale 2016/17 einem erbosten Münchner Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge, der polterte, dass die Bayern in Madrid “beschissen worden” waren.

Die meisten Bayern-Fans empfanden nach der dramatischen 2:4-Niederlage ähnlich, die Berichterstattung in Deutschland schlug größtenteils in die gleiche Kerbe, in den sozialen Netzwerken ging ein Videoclip einer Fanseite des FC Barcelona durch die Decke, in der die beklagten Fehlentscheidungen des ungarischen Schiedsrichters Viktor Kassai (kicker-Note 6) zugunsten von Real Madrid griffig zusammengeschnitten waren. Das Problem: Diese Darstellungen waren unvollständig.

Rummenigge und das Video hatten zwar Recht. Dass Casemiro im Rückspiel nicht Gelb-Rot gesehen hatte, war ebenso eine Fehlentscheidung wie Cristiano Ronaldos zwei Tore in der Verlängerung, die jeweils aus einer Abseitsposition heraus gefallen waren. Außerdem war Robert Lewandowski beim Stand von 1:0 für Bayern – das Hinspiel in München hatte Real 2:1 gewonnen – zurückgepfiffen worden, als er womöglich gar nicht im Abseits stand. Den VAR, der zumindest die beiden Treffer einkassiert hätte, gibt es in der Königsklasse erst seit 2018/19.

Es lagen also drei ziemlich klare Fehlentscheidungen vor, von denen Real Madrid in der Saison, in der die Königlichen als erste Mannschaft die Champions League verteidigten, ohne Zweifel profitierte. Doch das war nur ein Teil der Wahrheit eines qualitativ überragenden Fußballspektakels, das von der Leistung der Unparteiischen tragischerweise überschattet wurde.

Mit einem Elfmeter fing es an

Begonnen hatte eine Reihe unglücklicher Schiedsrichter-Entscheidungen bereits in München, wo die Bayern durch Arturo Vidal in Führung gingen. Kurz vor der Pause hatte der Chilene dann die große Chance, vom Punkt auf 2:0 zu erhöhen – was in Zeiten der Auswärtstorregel schon einen großen Schritt in Richtung Halbfinale bedeutet hätte. Der Handelfmeter für den FCB, auch wenn Vidal ihn verschoss, war allerdings eine gravierende Fehlentscheidung gewesen. Dani Carvajal hatte den Ball an Brust und Schulter, nicht an den Arm bekommen, wie der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli (kicker-Note 4) es gesehen haben wollte.

– Anzeige –

Mit einem 1:0 für Bayern nach Fehlentscheidungen ging es also ins Rückspiel nach Madrid, wo Vidal in der 84. Minute – er traf erst Marco Asensio, dann den Ball – die Gelb-Rote Karte sah. Die FCB-Seite beklagte sich auch deshalb, weil im Hinspiel schon Javi Martinez – zu Recht – mit Gelb-Rot vom Platz gestellt worden war. Tatsächlich flog Vidal in Madrid, wo er nach einem rüden Einsteigen gegen Isco schon nach fünf Minuten mit Gelb gut bedient gewesen war, sogar zu spät vom Platz. In der 48. Minute, noch beim Stand von 0:0, wäre der Abräumer nach einem weiteren gelbwürdigen Einsteigen eigentlich fällig gewesen. Ob Bayern auch in Unterzahl kurz darauf einen Elfmeter herausgeholt hätte, um in Führung zu gehen?

Real Madrid gegen FC Bayern 2017

Bayern erzwingt in Madrid die Verlängerung – doch Sergio Ramos’ Eigentor hätte nicht zählen dürfen.
imago/Marca

Casemiro, der kurz zuvor noch den Ausgleich durch Cristiano Ronaldo vorbereitet hatte, wäre im Rückspiel dann nach 80 Minuten fällig gewesen – doch Kassai ließ Gnade vor Recht walten. Dabei war seine bis dato letzte Fehlentscheidung erst wenige Minuten her: Als die Bayern nur eine Zeigerumdrehung nach dem Ausgleich ein Eigentor von Sergio Ramos erzwangen, das sie überhaupt erst in die Verlängerung brachte, in der Madrids Abseitstore fielen, hätte auch dieses wegen einer eindeutigen Abseitsstellung Lewandowskis nicht zählen dürfen.

Cristiano Ronaldo schießt fünf Tore

Doch noch ehe CR7, der in beiden Spielen insgesamt fünfmal einschoss, sogar Anhänger des FC Barcelona zu einem sorgfältig konstruierten Klagelied bewegen konnte, profitierten die Bayern von dieser weiteren klaren Fehlentscheidung, sodass es auf dieser Liste am Ende – Elfmeter, Vidal und Abseits-Tor gegen Casemiro und zwei Abseits-Tore – 3:3 stand.

Nach Toren stand es nach insgesamt 210 packenden Minuten übrigens 6:3 für Real – was am Ende fast so unausgewogen war wie der Umgang mit den ärgerlichen Fehlentscheidungen.