Ein Abschiedsgeschenk beim Klassentreffen

Real Madrids Sonntagabend stand ganz im Zeichen der Rückkehr von Sergio Ramos. Am Ende stahl dem Sevilla-Verteidiger ein alter Weggefährte die Show.

Zwei Freunde, die eine Fußballepoche geprägt haben: Sergio Ramos und Luka Modric.

Zwei Freunde, die eine Fußballepoche geprägt haben: Sergio Ramos und Luka Modric.

imago images (2), Getty Images

Es war über eine kleine Zeremonie spekuliert worden für Sergio Ramos, der am Sonntagabend nach seinen 16 unvergesslichen Jahren bei Real Madrid erstmals wieder als Gegner auf den Rasen des Estadio Santiago Bernabeu zurückkehrte. Die Zeremonie blieb aus, abgesehen von tosendem Applaus, als beim Verlesen der Startaufstellungen Ramos’ Name verkündet wurde – und als die Madrider Vereinslegende wenig später den Rasen betrat.

Ramos, sichtlich gerührt, applaudierte zurück und lieferte anschließend selbst eine Art Zeremonie, eine Leistung wie ein Tribut an vergangene Tage. Der Innenverteidiger wird im März 38, befindet sich im Spätherbst seiner Karriere. An alter Wirkungsstätte wollte es der Haudegen aber noch mal richtig wissen.

Den Real-Spielern ging es gegen Ramos so wie jahrelang ihren Gegnern

Als Herzstück der Fünferkette eines sehr destruktiven FC Sevilla, der ein ermauertes Remis schon vor dem Spiel öffentlich als Ziel ausgegeben hatte, dirigierte und führte Ramos eine andalusische Defensive an, die Real das Leben richtig schwer machte. Sein Timing und Zweikampfverhalten erinnerten dabei an beste Zeiten – die Härte seiner Einsteigen inklusive. Immer wieder ließ Ramos ehemalige Mitspieler, noch im Rahmen des einigermaßen Erlaubten, rigoros auflaufen, sodass sie sich manchmal schon frustriert beschweren wollten. Bis ihnen womöglich einfiel, dass sie von genau dieser Herangehensweise jahrelang profitiert hatten.

Das Duell Erster gegen 15. war nur deshalb ein besonderes, weil es die Heimkehr des Sergio Ramos ins Bernabeu war. Aber es blieb besonders, weil diese Heimkehr eine Menge zu bieten hatte. Den Applaus – bei nur vereinzelten Pfiffen -, die altbekannten Tacklings und natürlich auch die herzlichen Umarmungen nach Schlusspfiff, mit all den Weggefährten wie Luka Modric. “Er ist wie ein Bruder für mich”, schwärmte der Kroate hinterher – nicht nur in menschlicher Hinsicht.

“Sergio ist ein Weltklasse-Spieler, das zeigt er immer noch”, sagte Modric. “Er hat ein tolles Spiel geliefert, auch wenn man uns stets das Alter einreden will.” Der Ballon-d’Or-Gewinner von 2018 packte eine ordentliche Portion Genugtuung in den Satz, weil der bereits 38-Jährige seit dieser Spielzeit nur noch königlicher Ergänzungsspieler ist. Obwohl er augenscheinlich noch immer das Zeug zum Matchwinner hat.

Als Real bis zur Schlussphase nicht so wirklich etwas einfallen wollte, weil Ramos und Sevilla so diszipliniert verteidigten; weil in Jude Bellingham und Joselu gerade die einzigen beiden Angreifer fehlen, die zum Zielspieler taugen, wechselte Trainer Carlo Ancelotti eben Modric ein, dessen reduzierte Einsätze inzwischen meistens so aussehen.

Doch dann drehte nicht nur Ramos, sondern auch Modric die Zeit zurück, verschaffte sich in der 81. Minute, wie früher so oft, mit ein paar kleinen Schritten an der Strafraumkante etwas Platz und jagte den Ball wie an der Schnur gezogen genau ins Eck. Daraufhin ließ das Bernabeu eine weitere Legende hochleben, die von ihren Mitspielern beim Jubel triumphierend vor den Rängen aufgebaut wurde. Später wurde Modric auch noch in der Kabine gebührend gefeiert, wie Ancelotti verriet.

Real Madrid beim Torjubel

Lang lebe Luka: Modrics Mitspieler feierten ihren alternden Matchwinner ausgiebig.
IMAGO/Goal Sports Images

Modric wird Real im Sommer wohl verlassen

Beständig ist auch in Madrid nur der Wandel. Ein Real ohne Sergio Ramos und Luka Modric war lange Zeit kaum vorstellbar, inzwischen sind Vinicius Junior oder Jude Bellingham die Gesichter des wohl größten Vereins der Fußballwelt. Der 1:0-Arbeitssieg gegen Sevilla war ein Aufleben lassen der Vergangenheit, ein Klassentreffen früherer Helden, aber mehr irgendwie auch nicht.

Ramos ist durch David Alaba, Eder Militao oder Antonio Rüdiger sportlich längst ersetzt worden, Modric wurde jüngst von Bellingham, Fede Valverde oder Eduardo Camavinga der Rang abgelaufen. Das erscheint endgültig, da hat sich Ancelotti entschieden. Wie Modric im Sommer entscheiden wird, wenn sein Vertrag ausläuft, weiß der Italiener noch nicht. Er will es auch nicht beeinflussen. “Wegen des Respekts, den ich vor ihm habe.”

Wer noch in solcher Manier Spiele entscheiden kann wie Modric es gegen Sevilla tat, der gehört nicht auf die Bank. Sondern auch mit 38 – selbst wenn ihn Ancelotti versehentlich als 39-Jährigen bezeichnete, als der er gar nicht wirke – noch auf den Platz. Deshalb stehen die Zeichen seit geraumer Zeit auf Wechsel, daran wird auch ein Abend unter einem Schleier der Nostalgie nichts ändern. Doch sollte Modric gehen, hat er Real Madrid ein wertvolles Abschiedsgeschenk gemacht. Diese drei Punkte können im Meisterrennen noch wichtig werden.

Rüdiger vor Comeback bei Real – Arda Güler braucht Geduld

Antonio Rüdiger könnte nach seiner Muskelverletzung auf den Platz zurückkehren. Auch Arda Güler steht im Kader – doch der Türke wird sich weiter gedulden müssen, so Carlo Ancelotti.

Wieder in Form: Antonio Rüdiger steht bei Real im Kader.

Wieder in Form: Antonio Rüdiger steht bei Real im Kader.

IMAGO/Pressinphoto

Rüdiger hatte sich am 1. Februar beim 2:0 im Nachholspiel beim FC Getafe eine Verletzung am linken Oberschenkel zugezogen.  zunächst ging man bei Real Madrid von einer kurzen Pause aus, ehe ein Rückschlag verkündet wurde. Der DFB-Nationalspieler musste auch zuletzt beim Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei RB Leipzig (1:0) passen. Nun steht der 30-Jähriger erstmals wieder im Kader, wie die Königlichen bekanntgaben.

La Liga, 26. Spieltag

Während Rüdiger vor seiner Verletzungspause zum Stamm gehörte, ist Arda Güler noch lange nicht so weit. Der in der Hinrunde lange verletzte Türke wartet noch auf seinen ersten Startelfeinsatz in einem Ligaspiel, beim 4:0 gegen den FC Girona sowie beim 1:1 im Derby bei Rayo Vallecano wurde er jeweils in der Schlussphase eingewechselt.

Am Samstag gab Carlo Ancelotti Einblicke über seine Meinung zu Güler. “Die Tatsache, dass er nicht spielt, ist eine Frage des Wettbewerbs mit den anderen. Ich wähle die elf Spieler aus, die spielen, und für einige von ihnen ist es schwierig, ins Spiel zu kommen, weil sie durch Verletzungen viel Zeit verloren haben”, sagte der Italiener. “Er ist noch sehr jung und muss geduldig sein.” Der 18-Jährige habe aber “natürlich das Niveau, um Spiele zu beginnen”.

Ancelotti erwartet königlichen Empfang für Sergio Ramos

Doch weder auf Rüdiger noch auf Arda Güler werden die Scheinwerfer am Sonntag gegen Sevilla gerichtet sein, sondern auf Sergio Ramos. Der ehemalige Kapitän der Königlichen kehrt erstmals an seine alte Wirkungsstätte zurück. Das Bernabeu werde ihn “mit großer Zuneigung empfangen. Er hat es verdient, denn er ist eine Legende”, sagte Ancelotti, der ein enges Verhältnis zum 37-Jährigen pflegte. “Er ist ein fantastischer Kapitän gewesen. Er war ein Vorbild, mit Charakter und Persönlichkeit. Ich hatte auch schon Kapitäne wie Maldini und Terry. Das hilft sehr, um eine gute Atmosphäre in der Mannschaft zu schaffen.”

Auf die von Sevilla eingelegte Beschwerde bei der Wettbewerbskommission wegen eines die Referees betreffenden Videos von Real Madrid TV  ging Ancelotti nicht ein. Wie die Marca berichtet, haben die Madrilenen auch erst einmal nicht vor, sich zu dem Thema zu äußern – und werden auch in Zukunft an ihrer Vorgehensweise nichts ändern. Man sehe den Untersuchungen gelassen entgegen, heißt es aus Madrid.

Zum letzten Mal Bernabeu?

Erstmals seit seinem Abschied kehrt Sergio Ramos zurück zu Real Madrid. Es wird ein emotionaler Tag für den Sevilla-Akteur und sein vielleicht letzter Auftritt im Bernabeu. Aber eben nur vielleicht.

Immer noch wichtig: Bei Sevilla gehört Sergio Ramos zum Stammpersonal.

Immer noch wichtig: Bei Sevilla gehört Sergio Ramos zum Stammpersonal.

IMAGO/Lagencia

Für den Tag des jüngsten Gerichts hat Sergio Ramos längst für ihn wichtige Vorkehrungen getroffen. “Am Tag meiner Beerdigung werde ich mit den Fahnen von Real Madrid und Sevilla begraben”, sagte er schon vor langer Zeit. Man bekommt dadurch zumindest eine ungefähre Vorstellung, welche Bedeutung die Partie im Bernabeu für den ehemaligen Real-Kapitän haben muss.

Seit Sommer spielt Ramos wieder für den FC Sevilla, dort, wo der unweit der andalusischen Metropole geborene Abwehrspieler das Fußballspielen einst gelernt hat. 2005 war er für 27 Millionen Euro Ablöse und unter lautem Getöse zu Real Madrid gewechselt, kündigte an, dort bald Kapitän zu werden – und wurde es auch. 16 lange Jahre blieb er den Königlichen treu und gewann dort fast zwei Dutzend Titel, ehe er über Paris St. Germain den Weg zurück nach Sevilla fand.

Doch es schlagen eben nach wie vor zwei Herzen in Ramos’ Brust. “Ich werde mich wie zu Hause fühlen, denn ich habe so viele Jahre dort verbracht, mit den wichtigsten Momenten meiner Karriere, und ich habe wunderbare Erinnerungen an die Fans und meine Mannschaftskameraden”, sagte der 37-Jährige im DAZN-Interview vor seiner Rückkehr ins Bernabeu. “Es wird ein einzigartiger und emotionaler Moment sein.” Sein Trainer glaubt, dass die Fans ihn gebührend empfangen werden. “Real Madrid weiß, wie man seine Legenden behandelt”, so Quique Sanchez Flores. “Sie werden ihn auf dem Niveau empfangen, das er verdient.”

Der Torjubel würde ausfallen

Ein Höhepunkt wäre natürlich – ein Tor. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Ramos ist vielleicht nicht mehr so schnell und so beweglich wie früher, doch Torgefahr strahlt er immer noch aus. Zudem gilt er als sicherer Elfmeterschütze, in der Champions League traf er beim 1:2 in Lens. In 24 Spielen für Sevilla gelangen ihm insgesamt fünf Treffer, keine schlechte Quote für einen Innenverteidiger. In La Liga war er allerdings bislang nur einmal erfolgreich. “Ich habe großen Respekt vor den Fans und vor Real Madrid, und wenn ich ein Tor schieße, werde ich nicht feiern”, sagte Ramos. “Aber wenn ich Glück habe und dieses Tor zum Sieg reicht, werde ich mich freuen, denn diese drei Punkte werden sehr nützlich sein.” 

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Nützlich: ja. Überlebenswichtig: eher nicht. Sevilla liegt inzwischen im Niemandsland der Tabelle, hat sieben Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsrang und 14 Zähler Rückstand auf die internationalen Plätze. Anders die Lage bei Real, das sich in der Meisterschaft trotz sechs Punkten Vorsprung auf Überraschungsteam Girona keine Patzer erlauben sollte. “Sie erleben einen guten Moment, sie sind Tabellenführer und haben Spieler von außergewöhnlicher Qualität. Wir kennen den Boden, auf dem wir uns bewegen werden, sehr gut und werden versuchen, dort ein gutes Spiel zu machen”, so Ramos weiter.

Ramos’ Zukunft ist offen

Ob es seine erste und letzte Rückkehr ins Bernabeu ist? Ramos’ Vertrag läuft zum Saisonende aus, Ende März wird er 38 Jahre alt. Vom Verletzungspech, das ihn bei PSG häufig matt gesetzt hatte, blieb er in Sevilla verschont.  “Im Moment bin ich hier glücklich und denke nicht daran, was morgen passieren könnte”, erklärt Ramos. “Ich versuche, jeden Tag gut zu trainieren, und solange ich mit der gleichen Freude aufstehe – warum nicht weitermachen? Man weiß ja nie.”