Pokal-Aus mit Folgen: Stuttgarter Kickers droht die Stamm-Innenverteidigung wegzubrechen

Die Überraschung gegen Drittligist SSV Ulm war im Viertelfinale des WFV-Pokals für die Stuttgarter Kickers durchaus im Bereich des Möglichen. Doch am Ende steht nicht nur das Ausscheiden, sondern es drohen auch Personalprobleme in der Defensive.

Paul Polauke sah für eine Tätlichkeit gegen einen Ulmer Ersatzspieler im Pokal die rote Karte und droht nun auch für den Ligabetrieb auszufallen.

Paul Polauke sah für eine Tätlichkeit gegen einen Ulmer Ersatzspieler im Pokal die rote Karte und droht nun auch für den Ligabetrieb auszufallen.

picture alliance / Pressefoto Baumann

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Eigentlich war alles angerichtet für einen großen Pokal-Abend der Stuttgarter Kickers. Württemberg-Derby, der Tabellenführer der Regionalliga Südwest gegen den Drittliga-Spitzenreiter, Flutlichtspiel vor 8.720 Zuschauern mit einer Stimmung wie zu besten Zweitliga-Zeiten und SVK-Trainer Mustafa Ünal standen nahezu alle Spieler wieder zur Verfügung. Doch nach einem großen Pokal-Fight hatten sich die Vorzeichen aus Sicht der Blauen komplett gedreht. Die 0:2-Niederlage gegen den SSV Ulm bedeutete das Aus im Landespokal. Dazu droht der Ausfall der komplette Stamm-Innenverteidigung. “Wir können dieses Spiel gegen einen so starken Gegner verlieren, aber die Ausfälle wiegen schwer”, sagte Ünal.

Die Gastgeber hatten das Spiel vor allem in der ersten Hälfte komplett im Griff, verpassten es aber, gegen die im Vergleich zur 3. Liga komplett durchrotierte Ulmer Startelf, eine ihrer Chancen zu nutzen. Gleiches galt für eine Drangphase der Kickers Mitte der zweiten Hälfte. Anschließend wurde Ulm stärker und ging in der 79. Minute in Führung. Ausgerechnet der kurz zuvor eingewechselte Thomas Kastanaras, der vom Stuttgarter Stadtrivalen VfB an Ulm ausgeliehen ist, fing einen zu kurzen Pass von Torwart Felix Dornebusch ab, traf zum 1:0 und leitete damit die Kickers-Niederlage ein. “Das sieht unglücklich aus, aber wenn wir Felix Dornebusch nicht hätten, würden uns mindestens zehn Punkte fehlen. Ich weiß nicht, ob wir in den letzten Jahren einen besseren Torwart hatten”, nahm Ünal seine Nummer 1 in Schutz.

Personellen Nachwehen

Die Niederlage im “Bonusspiel” (Kickers-Kapitän Kevin Dicklhuber) schmerzt einerseits sportlich, wäre mit Blick auf die verbliebenen Teams im württembergischen Landespokal – Regionalliga-Konkurrent VfR Aalen, Oberligist SG Sonnenhof Großaspach und Landesligist TSV Buch – ein Pokalsieg und die damit verbundene Qualifikation für den DFB-Pokal aus Sicht der Kickers durchaus realistisch gewesen.

Viel schwerer wiegen aber die personellen Nachwehen des Pokalabends. Denn zum Zeitpunkt des 0:1 war Niklas Kolbe bereits nicht mehr auf dem Feld. Der Abwehrchef, der bei einigen höherklassigen Vereinen auf dem Zettel stehen soll, musste in der 50. Minute mit einer Oberschenkelverletzung raus. “Es fühlt sich wie ein Muskelfaserriss an”, sagte der 27-Jährige hinterher. Sein Trainer mahnt zur Geduld. “Kolbe ist ein wichtiger Spieler und würde sehr fehlen, aber wir müssen die genaue Diagnose abwarten.” Am Donnerstag stehen noch weitere Untersuchungen an, Kolbe droht aber mindestens das Auswärtsspiel beim FSV Frankfurt am Sonntag (14 Uhr) zu verpassen.

Gleiches gilt für Paul Polauke. Als der SSV drei Minuten vor dem Ende einen blitzsauberen Konter durch Sascha Risch erfolgreich abschloss, hatte Kolbes Innenverteidiger-Kollege seine Nerven nicht im Griff und beging eine Tätlichkeit an einem der jubelnd auf den Platz laufenden Ulmer Ersatzspieler. “Da verhält sich Paul nicht so, wie man es eigentlich macht und sieht zu Recht die Rote Karte”, ärgerte sich Ünal, vor allem mit Blick auf die drohenden Konsequenzen für die Liga. “Ob der Spieler in der Regionalliga Südwest eingesetzt werden kann, hängt davon ab, ob das Sportgericht die Notwendigkeit sieht, den Spieler für alle Pflichtspiele zu sperren oder nur im Pokal. Die Entscheidung wird spätestens bis Freitag getroffen”, teilte der Württembergische Fußballverband mit.

Im Falle einer Sperre für die Liga müsste Mustafa Ünal mitten im Aufstiegskampf seine Innenverteidigung komplett umbauen. Vermutlich würde der 18-jährige Mario Borac, der für Kolbe eingewechselt wurde, zu seinem Startelf-Debüt im Erwachsenenbereich kommen. Außerdem dürfte Nico Blank in die Innenverteidigung rücken und Melvin Ramusovic dafür dessen Position im defensiven Mittelfeld übernehmen. Immerhin gibt es in der Offensive personelle Lichtblicke für die Kickers: Stürmer David Braig saß nach langwieriger Krankheit zum zweiten Mal auf der Bank und könnte nach einer Woche im Mannschaftstraining am Sonntag wieder eine Option sein. Außerdem ist Sinan Tekerci nach abgesessener Gelbsperre wieder spielberechtigt.

Daniel Haug

Dank Kastanaras’ “Ausnahmequalität”: Ulm rotiert sich ins Halbfinale

Zwischen den Topspielen gegen Münster und Regensburg bewies sich im Landespokal-Viertelfinale die zweite Garde des SSV Ulm 1846 Fußball gegen die Stuttgarter Kickers. Thomas Wörle lobte anschließend besonders einen stechenden Joker.

Nach seiner Einwechslung sofort zur Stelle: Thomas Kastanaras.

Nach seiner Einwechslung sofort zur Stelle: Thomas Kastanaras.

IMAGO/Lucca Fundel

Der Spielplan der Ulmer ist dieser Tage prall mit Highlights gefüllt. Am Wochenende sprangen die Spatzen durch ein 2:0 im Topspiel gegen Preußen Münster an die Tabellenspitze der 3. Liga, die am kommenden Sonntag gegen Verfolger Jahn Regensburg verteidigt werden soll. Dass sich ausgerechnet zwischen diese beiden richtungsweisenden Partien das Viertelfinale des WFV-Pokals geschlichen hatte, war nicht der optimale Ablauf der Ereignisse für die Ulmer, wie Coach Thomas Wörle auf der Pressekonferenz nach der heißen Partie in Stuttgart bestätigte: “Wir sind nicht die größten Fans davon, dass wir ständig wechseln. Eingespieltheit hat auch einen Wert.”

Wörle lobt Rotationsspieler: “War nicht unsere zweite Mannschaft”

Bei den Kickers kamen die Gäste allerdings nicht umhin, einige Umstellungen vorzunehmen – die beim 2:0-Auswärtssieg letztlich ebenso ihren Wert hatten. “Wir haben viel gewechselt und ich freue mich sehr für die Jungs, die heute gespielt haben. Dass sie so auf den Punkt da sind, zeigt, was für ein tolles Team wir haben”, befand Wörle, der betonte: “Das war heute nicht unsere zweite Mannschaft. Das sind alles Spieler, die die Berechtigung haben, bei uns in der 3. Liga zu spielen.” Eine Qualität, die seine Schützlinge auch in ungewohnter Konstellation unterstrichen hätten.

Zunächst hatte es allerdings etwas gedauert, bis die Spatzen richtig ins Spiel gekommen waren. Erst nach dem Seitenwechsel wurde Ulm drückender und trat über weite Strecken dominant auf. “Wir haben uns vorgenommen, mit dem Rückenwind mehr Alarm zu machen”, so Wörle, der es mit dem witterungsbedingten Antrieb durchaus wortwörtlich meinte: “In der ersten Halbzeit war das Chancenverhältnis in etwa pari. Es war viel im Mittelfeld mit den besseren Windverhältnissen für die Kickers.” Dies habe sich laut des 42-Jährigen jedoch “in der zweiten Halbzeit gedreht”.

“Hellwacher” Kastanaras erhält Sonderlob

Entscheidenden Anteil daran hatte auch Joker Thomas Kastanaras. Dieser hatte nur wenige Minuten nach seiner Einwechslung einen großen Schnitzer von Kickers-Keeper Felix Dornebusch zur 1:0-Führung genutzt, dem Sascha Risch nach einem blitzsauberen Konter kurz vor Schluss den zweiten Treffer folgen ließ. “Natürlich profitieren wir von dem Fehler, sind aber trotzdem hellwach und machen das Tor”, lobte Wörle seinen ersten Torschützen, und geriet dabei fast etwas ins Schwärmen: “Er hat die absolute Ausnahmequalität, wie kein anderer in kürzester Zeit Dinge zu entscheiden, wenn er reinkommt. Das hat er schon mehrfach bewiesen.”

Auch dank der besonderen Klasse des 21-Jährigen findet sich der SSV nun also im Halbfinale wieder. Am 1. Mai ist Ulm bei der SG Sonnenhof Großaspach gefordert, während der TSV Buch den VfR Aalen empfängt. Dass Wörle dabei wieder groß rotiert, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Immerhin geht es am anschließenden Wochenende gegen den 1. FC Saarbrücken, der sich ebenfalls noch im Aufstiegsrennen befindet. Gut also, dass bei den Spatzen auch das zweite Federkleid zu sitzen scheint.

Wörle hofft auf Pokal-Revanche: “Haben noch etwas im Hinterkopf”

In der Liga läuft es sowohl für den SSV Ulm 1846 als auch für die Stuttgarter Kickers bestens, sie steht bei beiden Klubs an erster Stelle. Gleichwohl freut man sich auf das “Bonusspiel” im Landespokal.

Im Fokus: Kevin Dicklhuber und Johannes Reichert.

Im Fokus: Kevin Dicklhuber und Johannes Reichert.

IMAGO/Pressefoto Baumann

Im württembergischen Landespokal-Viertelfinale treffen am Dienstagabend um 19 Uhr die Stuttgarter Kickers und der SSV Ulm 1846 Fußball aufeinander. Der Tabellenführer der Regionalliga Südwest empfängt den Tabellenführer der 3. Liga. Beide Klubs können auf Ligaebene den Durchmarsch schaffen: die Mannschaft von Trainer Mustafa Ünal von der Oberliga in die 3. Liga, die Mannschaft von Thomas Wörle von der Regionalliga in 2. Bundesliga.

Mitten in der heißen Phase steht nun eine englische Woche mit dem Landespokal-Viertelfinale auf dem Programm. Am Montag waren für die Partie im Gazi-Stadion auf der Waldau bereits 7800 Tickets verkauft. Sowohl im Umfeld als auch bei den Mannschaften selbst ist die Vorfreude auf das Duell riesig.

Kickers-Sportdirektor Marc Stein etwa sagte nach dem 4:0 gegen den Bahlinger SC in der Regionalliga Südwest: “Wir sind rundum zufrieden und gehen nun mit viel Selbstvertrauen in das Bonusspiel gegen Ulm.” Und Stürmer Felix Higl erklärte nach dem 2:0-Sieg seiner Spatzen gegen Preußen Münster im SWR: “Wir sind wirklich heiß auf das Spiel.” Sein Trainer ergänzte: “Es ist ein Topspiel, ein super wichtiges Spiel für uns.”

Ein folgenschweres Foul

zu den Spielen

Auch mit Blick auf den letzten Vergleich. “Wir haben noch etwas im Hinterkopf aus dem letzten Spiel gegen die Kickers”, erklärte Wörle. Im Mai 2022 hatten die Kickers das hitzige Landespokal-Finale gegen Ulm im Elfmeterschießen mit 5:4 für sich entschieden. Ausgerechnet Adrian Beck, der jetzt für Heidenheim spielt, hatte in seinem letzten Spiel für Ulm den entscheidenden Elfmeter verschossen.

Doch vor allem das harte und nur mit Gelb geahndete Foul von Kevin Dicklhuber an Johannes Reichert, das eine wochenlange Verletzungspause für den SSV-Kapitän nach sich zog, haben die Ulmer nicht vergessen. “Von daher werden wir bereit sein für das Spiel”, betonte Wörle.

Kickers-Sportdirektor Stein ordnete das Wiedersehen nüchterner ein. “Man darf es nicht vergleichen. Beide Mannschaften haben sich toll entwickelt, die Ulmer in der 3. Liga, wir in der Regionalliga.” Als Ansporn sieht er den damaligen Finalerfolg aber freilich: “Man hat gesehen, was möglich ist, wenn man top performt.”