Mikautadze und die Rolltreppe: Jetzt dürfte es nach oben gehen

Er ist der beste Torschütze der Gruppenphase. Nicht Kylian Mbappé. Nicht Harry Kane. Nicht Cristiano Ronaldo. Sondern Georges Mikautadze, Georgier, gescheitert bei Ajax Amsterdam und vor der EM mit dem FC Metz aus der Ligue 1 abgestiegen. Doch jetzt könnte seine Karriere Fahrt aufnehmen.

Der Shootingstar der bisherigen EM: Georges Mikautadze, Torschütze in jedem Gruppenspiel.

Der Shootingstar der bisherigen EM: Georges Mikautadze, Torschütze in jedem Gruppenspiel.

LightRocket via Getty Images

Es gibt da diesen Kurzfilm, den Ajax Amsterdam vor knapp einem Jahr auf seiner Internetseite veröffentlicht hat. Ein Behind-the-scenes-Video eines Kamerateams, das Georges Mikautadze am Tag seiner Vertragsunterschrift begleitet hat. Man sieht den Georgier, wie er mit dem damaligen Sportdirektor Sven Mislintat an einem Tisch Platz nimmt und den Kontrakt unterschreibt. Ein paar Sekunden später sieht man ihn, wie er auf der Geschäftsstelle an Bildern von Marco van Basten und Luis Suarez vorbeiläuft, früheren Stürmern des Vereins, die sich einen Namen im Weltfußball gemacht haben. Und dann, als das Video fast vorbei ist, sieht man Mikautadze schließlich auch, wie er mit einer Rolltreppe eine Etage nach unten fährt.

Die Frage, welche Sequenz am besten passt, wenn man jetzt das Kapitel Mikautadze und Ajax Amsterdam einordnen will, stellt sich im Grunde gar nicht. Mikautadze lächelnd? Mikautadze neben van Basten und Suarez? Nein, das trifft es beim besten Willen nicht. Aber Mikautadze, wie es nach unten geht, das ist dann doch ein adäquates Bild.

23 Tore zum Aufstieg mit Metz – doch dann der Einbruch

Als der Mittelstürmer im August 2023 bei Ajax aufschlug, hatte er den FC Metz gerade in die erste französische Liga geschossen. Mit 23 Toren war er der beste Schütze der Ligue 2 gewesen – nun versuchte er sein Glück in der Eredivisie und fand es nicht. 236 Einsatzminuten, verteilt auf sechs Ligaspiele, dazu ein Pokal-Auftritt und zwei Kurzeinsätze in der Europa League: Mikautadze kam in Amsterdam nicht zurecht und kehrte im vergangenen Januar, nach nur einem halben Jahr bei Ajax, nach Metz zurück.

Und siehe da: In seiner alten Heimat, in Frankreich, wo er als Sohn einer georgischen Familie geboren wurde, wo er bei Olympique Lyon und in Metz seine Ausbildung erhielt, da trumpfte er wieder auf. In 20 Ligue-1-Spielen gelangen Mikautadze nicht weniger als 13 Tore und vier Vorlagen. Eine Bilanz, mit der er den direkten Wiederabstieg von Metz zwar nicht verhindern konnte, mit der er aber das Interesse anderer Vereine weckte.

EM-Achtelfinale

Dass Mikautadze jetzt auch noch drei Tore bei der EM erzielt hat, trägt sein Übriges zu den Begehrlichkeiten bei. Der 23-Jährige ist der Shootingstar des bisherigen Turniers und neben Giorgi Mamardashvili und Khvicha Kvaratskhelia einer der Erfolgsgaranten der Georgier, die nun an diesem Sonntag (21 Uhr, LIVE! bei kicker.de) im Achtelfinale auf Spanien treffen.

Kein Wunder also, dass es zahlreiche Klubs gibt, die Mikautadze gerne verpflichten würden, doch die AS Monaco soll mit ihren Bemühungen bereits recht weit gekommen sein. Wahrscheinlich also, dass Georges Mikautadze dort bleibt, wo er bisher am erfolgreichsten war und die Rolltreppe fast ausschließlich nach oben fuhr: in Frankreich.

Kvaratskhelias besonderer Dank an Cristiano Ronaldo

Wer hätte das gedacht? Georgien schafft bei seiner ersten EM-Teilnahme gleich den Sprung ins Achtelfinale und lässt höher gehandelte Teams wie Kroatien, Serbien, Tschechien oder Ungarn hinter sich.

Dreht nach seinem frühen Tor zum 1:0 jubelnd ab: Georgiens Star Kvisha Kvaratskhelia.

Dreht nach seinem frühen Tor zum 1:0 jubelnd ab: Georgiens Star Kvisha Kvaratskhelia.

IMAGO/SNA

Das Glück eines Gegners zum richtigen Zeitpunkt, vor allem aber aufopferungsvoller Kampf und große Effizienz bei der Verwertung der wenigen Torchancen führte Georgien am Mittwochabend beim 2:0 gegen den klaren Favoriten Portugal ins Achtelfinale. Die Iberer hatten schon vor der Partie als Gruppensieger festgestanden und mit acht Umstellungen auch einige der wichtigsten Akteure geschont, unter anderem die Mittelfeldstrategen Bruno Fernandes und Bernardo Silva oder auch Abwehrspieler Ruben Dias.

Gegen den auf den Papier indes noch immer hochkarätig besetzten Europameister von 2016 kämpften und spielten sich die Georgier beinahe in Trance – symbolisiert bereits durch den unwiderstehlichen Lauf von Kvisha Kvaratskhelia vor dem frühen 1:0 oder dessen Sturmkollegen Georges Mikautadze, der Kvaratskhelias Tor vorbereitet und das vorentscheidende 2:0 eiskalt vom Elfmeterpunkt schließlich selbst erzielt hatte.

Sagnol lobt die “menschliche Qualität” seines Teams

Nach dem Spiel, in denen die georgischen Fans nicht nur die Tore, sondern auch jede Abwehraktion, darunter viele Paraden des exzellent aufgelegten Keepers Giorgi Mamardashvili, frenetisch bejubelten, wirkten viele Spieler regelrecht beseelt: “Wir haben gekämpft wie Löwen”, freute sich etwa Kvaratskhelia bei MagentaSport. “Wir waren sicher, dass wir gewinnen können und wollten alles dafür geben. Ich bin so glücklich”, so der Napoli-Star weiter.

gruppenphase, 3. Spieltag

Ein Extralob seines Coaches erhielt derweil ein anderer: Otar Kiteishvili vom österreichischen Meister Sturm Graz. “Er hat nach zwei Wochen Verletzungspause ein fantastisches Spiel gemacht. Er könnte problemlos für einen der Topklubs in Europa spielen”, befand Willy Sagnol.

Darüber hinaus lobte der ehemalige Spieler des FC Bayern München den Charakter seines Teams über alle Maßen: “Wenn man unsere Bank ansieht, ist das in Sachen fußballerischer Qualität sicherlich nicht das allerbeste. Wohl aber in Sachen menschlicher Qualität. Ich bin sehr, sehr glücklich.”

Podcast

Gruppensieger! Wie hoch sind die Erwartungen in Österreich jetzt?

12:23 Minuten

alle Folgen

Cristiano Ronaldo sorgte für Zusatzmotivation

Die besonderen georgischen Qualitäten soll jetzt auch Achtelfinalgegner Spanien zu spüren bekommen, wenn es nach Kvaratskhelia geht: “Wir haben schon viele Spiele gegen sie gespielt und haben enormen Respekt. Spanien und Portugal gehören zu den besten Teams. Aber wir haben heute bewiesen, dass wir jedes Team schlagen können. Wir werden da sein, um wieder zu kämpfen und zu gewinnen.”

Ein besonderes Lob erhielt auch Cristiano Ronaldo vom georgischen Offensivspieler, wobei der portugiesische Superstar vorab offenbar sogar für zusätzliche Motivation beim späteren Gegner gesorgt hatte: “Wir haben uns vor dem Spiel getroffen und er hat mir Erfolg gewünscht. Das hätte ich mir nie erträumen lassen. Er ist einer der besten Spieler der Welt. Es ist toll, wenn er vor dem Spiel mit einem spricht. Das hat uns dabei geholfen, das wir heute etwas Großes schaffen können.”