“So krass war es selten”: Bayers 2:0 gegen West Ham als Spiel der Extreme

“So krass war es selten”: Bayers 2:0 gegen West Ham als Spiel der Extreme

Das Hinspiel zwischen Bayer 04 und West Ham United im Viertelfinale der Europa League war eine Partie der Extreme. Zum einen, weil sich die Hammers äußerst defensiv präsentierten. Zum anderen, weil die Werkself in Ballbesitz für Superlative sorgte.

Lange dominiert, spät gejubelt: Bayer 04 Leverkusen.

Lange dominiert, spät gejubelt: Bayer 04 Leverkusen.

IMAGO/Mika Volkmann

Es war legitim, aber alles andere als ansehnlich, mit welcher taktischen Marschroute West Ham United in Leverkusen zum Erfolg kommen wollte. Mit einer Fünferkette und extrem tief postiert verstellten die Engländer Bayer 04 die Räume. Teilweise agierte die Elf von David Moyes so defensiv, dass vor der Pause Leverkusens Abwehrchef Jonathan Tah nah am gegnerischen Strafraumkreis (!) als letzte Absicherung der Gastgeber agierte.

Purer Beton, der ein attraktives Spiel nur schwer möglich machte. “In der krassen Form, dass sich Mannschaften hinten reinstellen, haben wir es auch nicht so oft gehabt. Sie haben sehr tief gestanden. Da musst du Geduld haben, immer wieder anlaufen. Das ist manchmal etwas zäh und man verzweifelt manchmal auch ein bisschen”, erklärte Joker und Matchwinner Jonas Hofmann.

Der Spielbericht

Doch Bayer hat solche Situationen schon oft erfolgreich bewältigt. So verweist der Nationalspieler auf das Wissen um die eigene Stärke, “unsere Erfahrung, die wir immer wieder gemacht haben, hinten heraus Tore zu schießen. Diese Momente nutzen wir gerade sehr für uns.”

Mit welcher Ruhe und Konsequenz Bayer 04 dabei den eigenen Ansatz des Kombinationsfußballs durchzieht, ist beeindruckend und spiegelt sich auch in den Daten zu den einseitigen 90 Minuten gegen den Tabellensiebten der Premier League wider. Brachten diese doch wieder einige bemerkenswerte Zahlen und auch neue Bestmarken hervor.

78 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum

So gab Leverkusen gegen West Ham 33 Torschüsse ab – das gelang in dieser Saison zuvor nur einer Mannschaft: Leverkusen selbst beim 3:2 gegen Qarabag Agdam im Achtelfinale. Sonst knackte noch kein anderer Europa-League-Teilnehmer die Marke von 30 Abschlüssen.

Elf Torschüsse kamen auf den Kasten von West-Ham-Keeper Lukasz Fabianski – noch keine andere Mannschaft brachte in dieser Europa-League-Saison so viele Abschlüsse auf das Tor des jeweiligen Gegners.

Leverkusen hatte gegen West Ham 78 Ballkontakte im gegnerischen Strafraum, das gab es seit deren Erfassung zur Europa-League-Saison 2016/17 noch nie.

Leverkusen ließ nur einen gegnerischen Torschuss zu – das gelang zuvor noch keiner Mannschaft in dieser Saison. Zuvor lag die Bestmarke bei nur drei zugelassenen Torschüssen des Gegners. Das gelang unter anderem Leverkusen am 3. Gruppen-Spieltag beim 5:1 gegen Qarabag Agdam.

Bereits zum fünften Mal in dieser Saison hatte Leverkusen in dieser Europa-League-Saison eine Passquote von über 90 Prozent (dieses Mal 90,7%) – sonst hatten nur die AC Mailand (3) und Brighton & Hove Albion (2) öfter als einmal eine Passquote von mindestens 90 Prozent.

Leverkusen hatte 73 Prozent Ballbesitz – das wurde nur von Brighton & Hove Albion am 1. Spieltag (75%) sowie vom FC Liverpool im Achtelfinal-Rückspiel gegen Sparta Prag (77%) übertroffen. Ballmagnet war Granit Xhaka mit 157 Ballkontakten – das wurde nur von Brightons Lewis Dunk am 3. Spieltag getoppt (167).

Das Hinspiel-Ergebnis: Gut, aber gefährlich

Zahlen, die eine eindeutige Sprache sprechen, die Bayers brutale Überlegenheit dokumentieren. Die aber nicht zu dem Fehlschluss führen sollen, dass es beim Rückspiel in London eine ähnlich einseitige Angelegenheit geben werde, wie Mittelfeld-Stratege Xhaka mahnt.

“Wir müssen in London probieren, ein Tor zu erzielen. Mit dann drei Toren insgesamt können wir es schaffen”, erklärt der ehemalige Arsenal-Profi warnend, “ich rede aus Erfahrung. Ich habe sieben Jahre dort gegen West Ham gespielt. Ich weiß, wie schwer es da ist. Sie haben 60.000, 70.000 Zuschauer im Rücken – das wird eine andere Mannschaft sein am Donnerstag. Die werden kommen, die werden gepusht von den eigenen Fans.”

Und so betont Xhaka nochmal, dass der Drops trotz des einseitigen Hinspiels noch nicht gelutscht ist. “2:0 ist ein gutes Ergebnis, aber nicht perfekt. Es ist auch ein ganz gefährliches Ergebnis, deswegen müssen wir konzentriert bleiben.” Wozu das führen kann, haben Xhaka und Co. im Hinspiel demonstriert.

Stephan von Nocks