Streich: “Müssen als Gruppe und individuell besser verteidigen”

Vor dem Freiburger Auswärtsspiel in Darmstadt (Sonntag, 15.30 Uhr) ging SC-Trainer Christian Streich mit seiner Mannschaft noch einmal hart ins Gericht – wegen der Defensivleistung gegen Leipzig. Für die verbleibenden sechs Spiele forderte er eine stetige Verbesserung.

Mit seiner Defensive derzeit unzufrieden: SC-Trainer Christian Streich.

Mit seiner Defensive derzeit unzufrieden: SC-Trainer Christian Streich.

picture alliance / Pressefoto Rudel

Der Abschied von Christian Streich zum Saisonende rückt immer näher. Und der 58-Jährige wird derzeit auch immer wieder damit konfrontiert, zum Beispiel, wenn er jetzt schon Geschenke bekommt, unter anderem zuletzt die Flasche Wein von RB-Coach Marco Rose oder Präsente von SC-Fans am Trainingsplatz. “Es ist sehr kompliziert in meinem Kopf”, gab Streich zu, “dabei sollte ich mich eigentlich darauf konzentrieren, dass wir nicht so einen Scheiß kicken wie gegen Leipzig, und defensiv so einen Scheiß machen.”

Vor diesen emotionalen Worten am Ende der Pressekonferenz vor dem Spiel in Darmstadt hatte der SC-Coach das 1:4 am vergangenen Wochenende sachlicher analysiert. “Mit dem Ball waren wir eigentlich ganz gut”, fand er, “aber wir müssen als Gruppe und individuell besser verteidigen.” Zu oft habe das Team “die innere Linie nicht zugemacht”. Deswegen habe es in dieser Woche einige intensive Videositzungen gegeben, berichtete Streich. Den Ausfall der Stamm-Innenverteidiger Matthias Ginter (fehlt nach Achillessehnen-OP bis Saisonende) und Philipp Lienhart (Knieprobleme, Rückkehr offen) sieht er auch nicht als Entschuldigung: “Wir brauchen nicht damit kommen, dass wir da verletzte Spieler haben. Das ist schon die ganze Zeit so.”

Dennoch zwingt ihn das immer wieder zur Improvisation. Gegen Leipzig setzte er – wie zunächst überraschend im Europa-League-Play-off-Spiel in Lens – auf eine Dreierkette mit Mittelfeldspieler Yannik Keitel im Zentrum. “In Lens haben wir ihn reingeschmissen, obwohl er ja auch immer wieder Verletzungsprobleme hat. Da hat er ein gutes Spiel gemacht”, sagte Streich über Keitel. “Aber ich kann nicht erwarten, dass er keine Fehler macht oder das zweite und dritte Spiel nach dem ersten guten auch perfekt ist.”

Szalai braucht “mehr Schärfe im Zweikampf”

Dass trotz der Ausfälle in der Defensive der im Winter von der TSG Hoffenheim ausgeliehene Attila Szalai kaum Chancen auf Einsätze hat, fällt ihm schwer zu erklären. Der ungarische Nationalspieler sei “ein absoluter Härtefall”, der es “bei der Nationalmannschaft gut macht”, und sich auch beim Sport-Club “reinhängt”, sich vorbildlich verhalte, “wie er die Mannschaft pusht, Läufe nach dem Training macht”. Aber er wünsche sich von ihm “mehr Schärfe im Zweikampf”.

Das fordert er allerdings von allen Spielern, auch am Sonntag bei den Lilien. “Darmstadt macht zwar immer mal wieder Fehler, aber sie haben auch immer Torchancen, und sie können richtig kicken, deswegen schießen sie auch immer wieder schöne Tore”, warnte Streich vor dem Schlusslicht. “Es wird keiner auf die Idee kommen, Darmstadt ist einfach.” Es sei zudem “ein wirklich wichtiges Spiel”, und er hofft darauf, dass die Mannschaft in den verbleibenden sechs Begegnungen “Spiel für Spiel ein paar Dinge besser macht”.

Fragezeichen bei Röhl

Mit welchem Personal er die Aufgabe beim Tabellenletzten angehen kann, ist noch nicht ganz klar. Von den Verletzten wird keiner zurückkehren, Lucas Höler sitzt eine Gelbsperre ab, und bei Merlin Röhl gibt es laut Streich noch “Fragezeichen”, weil er wegen Bauchmuskelproblemen in dieser Woche noch nicht trainiert hat.

Daniela Frahm

Streichs Kniffe und die große Erleichterung

Bei seiner acht Spiele währenden Abschiedstournee will sich Christian Streich so gut es geht aufs Wesentliche konzentrieren und natürlich erfolgreich sein. Das klappte beim 3:0 in Gladbach auf Anhieb – auch wegen seiner Kniffe bei ungünstigen Voraussetzungen.

Freiburg gewann Spiel eins bei Christian Streichs Abschiedstour - zur Freude des Trainers.

Freiburg gewann Spiel eins bei Christian Streichs Abschiedstour – zur Freude des Trainers.

IMAGO/Steinsiek.ch

Von Natur aus sei er dem Pessimismus näher als dem Optimismus. Das hat Christian Streich schon öfter erklärt. So war es auch vor dem Spiel in Gladbach – dem ersten seiner acht Partien währenden Abschiedstournee. Zur Grundhaltung gesellte sich ein aktueller Anlass.

In Person von Matthias Ginter (Achillessehnenbeschwerden), Philipp Lienhart (Knieprobleme), Roland Sallai (Adduktorenblessur) und Noah Weißhaupt (Sprunggelenksprobleme) war Streich in der Länderspielphase die Stamm-Innenverteidigung, eine Offensivsäule sowie eine wichtige Option für die Außenbahn weggebrochen.

Wir haben zu viele Verletzte“, konstatierte Streich auch nach dem Spiel in Gladbach, konnte aber vor allem festhalten: “Es lief alles für uns. Wir hätten in der ersten Hälfte auch ein, zwei Tore nach Standards kriegen können. Insgesamt hat die Mannschaft ein tolles Spiel gemacht, ich bin überglücklich.”

Hinten wie in Lens – taktische und personelle Kniffe gehen auf

Das lag auch an den personellen wie taktischen Kniffen, mit denen Streich und sein Stab auf die Verletztensituation reagiert haben. Hinten nominierten sie erstmals seit sieben Spielen, in denen meist eine Mischform dominierte, wieder eine klare Dreierkette – mit dem gelernten Sechser Yannik Keitel als Mittelmann zwischen Innenverteidiger-Routinier Manuel Gulde und dem etatmäßigen Rechtsverteidiger Lukas Kübler.

Beim Hinspiel der Europa-League-Play-offs in Lens (0:0) hatten sie mit dieser Variante noch komplett überrascht, defensive Stabilität war der Lohn. Beim folgenden 3:3 gegen Frankfurt klappte es hinten mit dem Trio nicht mehr ganz so gut, in Gladbach war diese Dreier-Combo nun wieder ein Garant für die erfreuliche Null.

Sonderlob für ein Trio mit viel Energie

“Wir haben lange überlegt zwischen Vierer- und Dreierkette und haben gedacht, Merlin Röhl mit seiner Power, Yannik Keitel und Lukas Kübler würden uns guttun. Ich hatte das Gefühl, wir müssen Körperlichkeit und Athletik auf den Platz bringen”, erläuterte Streich seine Personalwahl, die sich auszahlte: “Die drei haben ein tolles Spiel gemacht. Wir sind belohnt worden, dass wir die Jungs aufgestellt haben, die so viel Energie reingebracht haben.”

U-21-Nationalspieler Merlin Röhl hatte allerdings schon beim 2:3 gegen Leverkusen in der Startelf gestanden. Neben Maximilian Eggestein, der nach Gelbsperre zurückkehrte, war ansonsten noch Michael Gregoritsch neu dabei. Der österreichische Nationalstürmer war zuletzt oft nur eingewechselt worden – und traf prompt zum wichtigen 1:0. Das gelang Gregoritsch schon zum zehnten Mal bei insgesamt 16 Bundesligatoren für den SC.

Wieder eine bittere Pille für Szalai

Neben den verhinderten Ginter und Sallai mussten Top-Scorer Vincenzo Grifo und Verteidiger Kiliann Sildillia aus der Anfangsformation weichen. Die Dreierketten-Besetzung war zudem erneut eine bittere Pille für den erst im Winter aus Hoffenheim geliehenen Innenverteidiger Attila Szalai. Der ungarische Nationalspieler steht nach unglücklichen Jokerauftritten zum Start in Bremen und Dortmund bei Streich und Co. nicht hoch im Kurs, wurde in Gladbach nach zuvor neun Partien ohne Einsatzminute allerdings bei der 3:0-Führung als erster Profi eingewechselt.

Somit dürfte auch Szalai, der ohnehin von Streich vorige Woche für sein gutes Verhalten trotz persönlich unbefriedigender Situation gelobt wurde, ein positives Grundgefühl aus Gladbach mitgenommen haben. Bei Streich, der bei den Toren kaum gejubelte hatte, kamen nach der Partie mehrere Gefühle zum Ausdruck.

Mehrere Gefühle bei Streich

Zum einen gab es die abermalige Bestätigung für seine Rückzugsentscheidung, die vor allem auch wegen der erstmals mit Nein beantworteten Kraftfrage so ausgefallen war. “Ich merke, die Anspannung und diese Energie bei diesen Spielen ist extrem. Da habe ich die letzten Jahre einiges liegen gelassen”, sagte Streich in Gladbach.

Ansonsten dominierten Freude – und Erleichterung, schließlich möchte sich der ehrgeizige SC-Trainer möglichst erfolgreich verabschieden: “Ich bin wahnsinnig froh, dass die Jungs es schaffen, in Gladbach zu gewinnen. Es wäre schon mein großer Wunsch, wenn wir in den letzten Spielen den einen oder anderen Punkt holen, um es ordentlich zu Ende zu bringen. Wünschen hilft ja nicht immer, die Leistung muss stimmen. Die Mannschaft hat es toll gemacht.”

Den Auftakt der Abschiedstournee hätte er sich kaum schöner wünschen können. Ob jetzt in den kommenden Wochen mehr Optimismus bei ihm einfließt, bleibt allerdings abzuwarten.

Carsten Schröter-Lorenz