Als der Ball durch Schreibers Beine ging: “Wie ein Messer ins Herz”

Die Saarbrücker Pokal-Saison hat diese Spielzeit einige Helden hervorgebracht. Einer von ihnen leistete sich im Halbfinale diesmal aber einen spielentscheidenden Fehler.

Untröstlich nach der Partie und seinem Fehler: Tim Schreiber.

Untröstlich nach der Partie und seinem Fehler: Tim Schreiber.

AFP via Getty Images

Einen Saarbrücker Pokalabend noch, einmal noch alles im Ludwigsparkstadion raushauen – alles für den großen Traum vom Pokalfinale in Berlin. So dürften die Gedanken bei den meisten Spielern und Fans des Drittligisten vor dem Halbfinale gegen Kaiserslautern gewesen sein. In Minute 53 herrschte dann aber auf einmal Leere.

Keeper Tim Schreiber, der vor allem in der 2. Runde beim Sensations-Erfolg gegen den FC Bayern ein überragendes Spiel (kicker-Note 1,5) gemacht hatte, ließ einen Kopfball-Aufsetzer von Marlon Ritter durch die Beine ins Netz rutschen. In einem extrem chancenarmen Spiel war dieser eine Treffer schon fast die Entscheidung, das zweite Lauterer Tor war dann die endgültige – und bedeutete das Ende des Saarbrücker Märchens.

Untröstlicher Schreiber sucht die Schuld nicht beim Rasen

Unglücksrabe Schreiber war nach der Partie bei Sky mit versteinerter Miene untröstlich ob seines Fehlers, denn normalerweise halte er einen solchen Ball “im Schlaf”. Diesmal aber nicht: “Ich wollte den Ball aufnehmen und habe dann irgendwann keinen Kontakt an meinen Händen gespürt. Dann spüre ich, wie er durch meine Beine geht … Das ist wie ein Messer ins Herz dann leider.” Dass der Platz, der gerade in Saarbrücken im Pokal immer wieder Thema war, eine Rolle gespielt haben könnte, wollte Schreiber nicht gelten lassen: “So einen Ball muss ich halten, Punkt. Aus. Ende. Das hat nichts mit dem Rasen zu tun oder irgendwas, das war einfach mein Fehler.”

Nach diesem sei seine Mannschaft “in ein kleines Loch gefallen” – und kam aus diesem auch nicht mehr heraus, weshalb der Lokalrivale ins Endspiel einzog. “Fußball kann schön sein und Fußball kann scheiße sein – und heute ist er für mich eben scheiße”, murmelte Schreiber

Für die Fans, die wieder für eine besondere Atmosphäre im Ludwigspark gesorgt hatten, tat es Schreiber besonders leid: “Der Traum war zum Greifen nah und ich habe es leider nicht geschafft, die Null zu halten. Das tut mir leid und da schmerzt es, die Fans zu sehen und auch, dass sie enttäuscht sind.”

Saarbrückens Pokal-Saison

Brünker trauert ausgelassenen Chancen hinterher

Auch einem weiteren Saarbrücker Pokalhelden stand die Enttäuschung nach Abpfiff ins Gesicht geschrieben. Kai Brünker hatte im ersten Durchgang eine große Chance und auch in der zweiten Hälfte beim Stand von 0:2, beide Male brachte er den Ball freistehend (einmal per Kopf und einmal mit dem Fuß) nicht aufs Tor.

Gerade diese ausgelassenen Möglichkeiten ärgerten den Siegtorschützen gegen Gladbach extrem, denn der Angreifer könne “niemanden einen Vorwurf machen, alle waren gallig, alle waren gierig, das Spiel zu gewinnen”. Wie er die Niederlage verarbeiten werde, wusste Brünker noch nicht: “Ich war noch nie im Halbfinale. Ich lass es jetzt auf mich zukommen, ich muss es erstmal sacken lassen – am besten mit der Familie.”

Kai Brünker

Kai Brünker köpfte in Hälfte eins neben den Pfosten.
IMAGO/Fussball-News Saarland

Kein Vorwurf vom Trainer

Obwohl sich FCS-Trainer Rüdiger Ziehl schon ärgerte, das Spiel verloren zu haben, weil dieses “komplett auf Augenhöhe” war, wollte der 46-Jährige weder seinem Keeper noch seinem Stürmer einen Vorwurf machen. Zwar sei es unmittelbar nach Abpfiff ein “schwacher Trost”, doch: “Mit ein bisschen Abstand können wir, glaube ich, stolz darauf sein, was wir erreicht haben, dass wir hier im Halbfinale waren und auch welche Gegner wir bezwungen haben.”

Mit Karlsruhe (2:1), Bayern München (2:1), Eintracht Frankfurt (2:0) und Gladbach (2:1) waren das schließlich keine ganz so ungekannten Namen. Letztlich platzte aber wie schon vor vier Jahren (0:3 gegen Leverkusen) der Traum von der Endspiel-Teilnahme erneut im Halbfinale.

Saarbrückens Top-Torjäger Brünker: “Es kann verbal auch mal eklig werden”

Mit Drittligist 1. FC Saarbrücken sorgt Kai Brünker im DFB-Pokal aktuell für Furore. Der 29-Jährige hat mit dem FCS drei Bundesligisten aus dem Wettbewerb geworfen, nun kommt es im Halbfinale zum brisanten Südwestderby gegen Kaiserslautern.

Siegtorschütze in der Nachspielzeit: Kai Brünker (M.) bejubelt sein Tor zum 2:1 im Pokal-Viertelfinale gegen Gladbach.

Siegtorschütze in der Nachspielzeit: Kai Brünker (M.) bejubelt sein Tor zum 2:1 im Pokal-Viertelfinale gegen Gladbach.

IMAGO/Fussball-News Saarland

Im vergangenen Sommer wechselte er aus Magdeburg zum 1. FC Saarbrücken – und Kai Brünker erwies sich gleich als Volltreffer. Auch und gerade im DFB-Pokal. In der 1. Runde erzielte der gebürtige Villingen-Schwenninger gegen den KSC in der Nachspielzeit den 2:1-Siegtreffer, beim 2:0 im Achtelfinale gegen Eintracht Frankfurt traf er zur Führung und im Viertelfinale gegen Borussia Mönchengladbach ließ er den Ludwigspark mit seinem Tor zum 2:1 erneut in der Nachspielzeit beben.

Die spektakuläre Reise geht nun weiter: Im Derby gegen Kaiserslautern (Dienstag, 20.45 Uhr, LIVE! bei kicker) hofft Brünker auf einen typischen Saarbrücker DFB-Pokal-Abend und den nächsten Überraschungscoup, auch wenn FCK-Coach Friedhelm Funkel dem Drittligisten von der Saar gleich mal die Favoritenrolle zugeschoben hat. “Das ist natürlich clever von ihm”, erklärt der bullige Angreifer des FCS im Interview der Dienstagsausgabe des kicker, “man muss sich aber nur den Klassenunterschied anschauen, um zu sehen, dass Kaiserslautern der Favorit ist.”

Klar hat uns der Platz geholfen, weil er für die Bundesligisten nicht einfach zu bespielen war. Aber …

Kai Brünker

Dass die Blau-Schwarzen den FC Bayern, Frankfurt und Gladbach ausgeschaltet haben, hat jedenfalls Eindruck hinterlassen. “Wir hatten da richtige Kracher, die Siege gleichen einem Wunder. Man sieht daran aber auch unsere Qualität und vor allem unseren Teamspirit, bis zum Schluss und darüber hinaus alles zu geben. Mit den Siegen haben wir uns schon Respekt verschafft”, glaubt Brünker, Botschafter des Vereins “Wir helfen Kindern e.V.”.

Ein großes Thema rund um den Pokal war und ist der schlechte Rasen des Ludwigsparkstadions, für den die Stadt als Eigentümer zuständig ist. “Klar hat uns der Platz geholfen, weil er für die Bundesligisten nicht einfach zu bespielen war”, so Brünker. “Wie sich die Spielverläufe entwickelt haben, war aber viel entscheidender: In der 70. Minute stand es immer noch unentschieden – dann entwickelt sich etwas in den Köpfen der Spieler und Fans. Dadurch wird auch der Gegner verunsichert. Also ja: Der Platz hat einen Anteil. Wichtiger aber waren wir als Mannschaft in Verbindung mit den Fans.”

Spitzname Panzer? Das sind die Hintergründe

Sein Spitzname Panzer wurde dem gelernten Elektriker im Jahr bei Bradford City in England verpasst. Der Angreifer wurde 2019 bei einer 2:1-Führung eingewechselt, wollte etwas auf Zeit spielen. “Ich hatte den Ball deshalb unter meinem Arm eingeklemmt, zwei Spieler von Portsmouth kamen auf mich zugelaufen und sind an mir abgeprallt”, so Brünker. “Unsere Heim-Fans haben das aber total abgefeiert, und danach ist Twitter mit dem englischen Begriff ‘tank’ explodiert. Bei meiner nächsten Station bei Sonnenhof Großaspach gab es dann noch einen Kai, zur Unterscheidung wurde bei mir aus ‘tank’ der Panzer.”

Sein aktueller Klub wurde als einziges der vier aktuell verbliebenen Teams nie Pokalsieger, stand im Gegensatz zu Kaiserslautern, Leverkusen und Düsseldorf nie im Endspiel. Immerhin schaffte es der 1. FCS aber bereits fünfmal ins Halbfinale: zweimal als Erstligist, einmal als Zweitligist, aktuell als Drittligist und 2019/20 sogar als – bislang einziger – Viertligist. Damals scheiterten die Saarländer in der Corona-Zeit vor leeren Rängen an Bundesligist Leverkusen, gegen Zweitligist Kaiserslautern wird es vor ausverkauftem Haus nun aber umso heißer hergehen. Brünker ist sich sicher: “Es wird viele Zweikämpfe und von beiden Seiten auch ein paar Wortgefechte geben, da kann es verbal auch mal eklig werden.”

Im Interview der Dienstagsausgabe des kicker (ab Montagabend, 22 Uhr, auch digital abrufbar als eMagazine ) äußert sich Brünker zudem über sein Lieblingswetter und seine Ausbildung als Elektriker, über das Trikot von Harry Kane und natürlich das Pokalfinale in Berlin.

Aaron Wollscheid