Leitl: “Wir haben keinen Bock darauf, dass Kiel hier die Meisterschale bekommt“

Eigentlich ist die Saison für Hannover 96 gelaufen. Trotzdem hat Trainer Stefan Leitl eine besondere Motivation, am Sonntag vor ausverkauftem Haus gegen Aufsteiger Holstein Kiel zu gewinnen.

Stefan Leitl wünscht sich einen Sieg gegen Holstein Kiel zum Saisonabschluss.

Stefan Leitl wünscht sich einen Sieg gegen Holstein Kiel zum Saisonabschluss.

IMAGO/Eibner

Es ist fast ein Jahr her, als sich Hannover 96 am letzten Spieltag der Saison 22/23 eine blamable Heimniederlage leistete. Mit 1:5 unterlagen die Niedersachsen am 28. Mai 2023 in der Heinz von Heiden Arena gegen Holstein Kiel. Die Partie war eigentlich bedeutungslos: Kiel lag am Ende auf Tabellenplatz 8, Hannover zwei Plätze dahinter. Und trotzdem hat die Deutlichkeit dieser Niederlage Spuren hinterlassen bei Hannover 96, das sich nach einer anfangs sehr durchwachsenen Rückrunde zum Ende der vergangenen Spielzeit eigentlich stabilisiert sah – und es offensichtlich doch nicht war. 96-Trainer Stefan Leitl entschuldigte sich nach der deutlichen Niederlage bei den Fans. “Ich werde einige Tage an diesem Ergebnis knabbern müssen”, sagte er damals.

Zuletzt nichts zu holen für 96 gegen Kiel

Am Sonntag treffen beide Mannschaften wieder im letzten Saisonspiel aufeinander. Und auch in diesem Jahr ist für beide Klubs die Saison fast gelaufen – für Holstein Kiel aber positiver als für 96. Die Kieler steigen in die 1. Liga auf und können möglicherweise sogar noch mal die Tabellenführung vom FC St. Pauli zurückerobern. Hannover 96 könnte als Tabellensechster im günstigsten Fall noch auf Platz 4 klettern. “Wir wollen uns von unseren Zuschauern gut verabschieden”, betont Leitl vor dem Saisonfinale. “Die Jungs haben es sich verdient, noch mal ein ausverkauftes Haus zu haben. Deshalb sind wir sehr motiviert.”

Klar ist für den Coach auch, dass er am Sonntag die beste Formation auf den Platz schicken wird. Rotation ist zum Abschluss der Spielzeit nicht vorgesehen. Begründung: “Wir haben noch etwas gut zu machen gegen Kiel. Die letzten zwei Spiele gegen sie liefen nicht so wie wir es erhofft und gewünscht hatten.” Auch im Hinspiel am 16. Dezember war für 96 beim 0:3 in Kiel nichts zu holen.

“Es fallen immer Tore, nur bitte diesmal auf der richtigen Seite”

“Wir wissen, dass es schwer wird. Kiel ist zu Recht aufgestiegen. Es fallen immer viele Tore, wenn beide Mannschaften aufeinandertreffen. Nur bitte diesmal auf der richtigen Seite”, sagt Leitl.

Für Hannover spricht die gute Heimbilanz in dieser Saison: Von den bisherigen 16 Heimspielen hat 96 nur zwei verloren: gegen den Hamburger SV (0:1) und den FC St. Pauli (1:2). Diese gute Bilanz will Leitl am Sonntag noch ausbauen, denn: “Wir haben keinen Bock darauf, dass Kiel hier die Meisterschale bekommt.”

Gunnar Meggers

Teuchert: “Mir war klar, dass ich mich hinten anstellen muss”

Cedric Teuchert wird am Sonntag beim Heimspiel gegen Holstein Kiel letztmals für Hannover 96 auflaufen. Der Stürmer blickt auf eine “positive” Zeit in Hannover zurück, wenngleich seine letzte Saison nicht nach seinem Geschmack verlief.

Cedric Teuchert steht vor seinem letzten Spiel für Hannover 96.

Cedric Teuchert steht vor seinem letzten Spiel für Hannover 96.

IMAGO/Matthias Koch

Sein Weggang aus Hannover ist seit Anfang Mai offiziell. “Ich bin froh, dass es raus ist und habe dem Verein frühzeitig meine Entscheidung mitgeteilt”, erzählt Cedric Teuchert. Seinen neuen Klub will er aber auch vor dem letzten Spieltag der Saison nicht nennen. “Ich will die Saison jetzt beenden, bevor ich etwas anderes anfange”, sagt der Stürmer von Hannover 96. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass der 27-Jährige zukünftig für St. Louis City SC  in der Major Soccer League auflaufen wird, “weil mich das das Ausland eigentlich immer gereizt hat”.

Schon in der Winterpause hatte der amerikanische Klub, aktuell Tabellenneunter der Western Cenference Division, dem Top-Scorer von Hannover 96 ein lukratives Angebot unterbreitet. Teuchert überlegte – und blieb dann doch. “Ich habe mich bewusst dazu entschieden, dass ich hier bleibe”, erzählt Teuchert, der nach seiner wochenlangen Zwangspause wegen einer Oberschenkelverletzung im Herbst noch mal angreifen wollte.

Teuchert hätte sich “eine andere Rolle erhofft”

Gelungen ist ihm das nicht. Der beste Torschütze der Hannoveraner (elf Saisontreffer) wurde vom Stamm- zum Ergänzungsspieler degradiert. Lediglich einmal stand der gebürtige Coburger in der Rückserie noch in der Startelf: beim 0:0 am 14. Oktober in Braunschweig. “Mir war klar, dass ich mich erstmal hinten anstellen muss. Aber trotzdem hätte ich mir natürlich eine andere Rolle erhofft”, gibt Teuchert zu.

Auch am Sonntag im letzten Saisonspiel gegen Aufsteiger Holstein Kiel wird er aller Voraussicht nach nicht von Beginn an auflaufen dürfen. Wieviel Spielzeit er zum Abschied bekommen wird, darüber habe Trainer Stefan Leitl noch nicht mit ihm gesprochen, versichert Teuchert. “Ich hoffe natürlich nochmal auf ein paar Minuten Einsatzzeit.”

Ich glaube, dass die Zeit in Hannover für mich persönlich positiv war.

Cedric Teuchert

Danach wird das Kapitel Hannover nach drei Jahren, 69 Einsätzen und 27 Toren geschlossen sein. Schon in der Saison 2019/20 hatte Teuchert bei 96 gespielt, damals als Leihgabe von Schalke 04. “Ich glaube, dass die Zeit in Hannover für mich persönlich positiv war. Ich habe meine Tore und meine Vorlagen gemacht. Ich blicke positiv zurück.” Auch wenn der Aufstieg mit 96 – aktuell Tabellenfünfter in Liga 2 – in die 1. Bundesliga ein unerfüllter Wunsch blieb. “Ich glaube, wenn die Jungs kontinuierlich ihre Punkte holen, dann kann es was werden”, blickt der Torjäger in die Zukunft des Vereins, für den er zukünftig nicht mehr auflaufen wird.

Vor dem Umzug in die USA mit Ehefrau Lisa und den beiden Kindern will der Torjäger aber noch in den Urlaub fahren. Ibiza ist das alljährliche Sommerziel der Familie. Danach steht der Umzug über den großen Teich auf dem Programm – auch wenn Cedric Teuchert das immer noch nicht bestätigen will.

Gunnar Meggers

Auch Schaub bleibt unter dem Soll

Noch 180 Minuten, dann ist auch für 96 diese Saison Geschichte. Doch während sich Trainer Stefan Leitl schon mit der Planung der nächsten Spielzeit beschäftigt, geht es für einige Akteure darum, die restliche Zeit für Eigenwerbung zu nutzen.

Entwickelte zu wenig Torgefahr: Louis Schaub.

Entwickelte zu wenig Torgefahr: Louis Schaub.

picture alliance/dpa

Bei den Überlegungen, wie ein schlagkräftiger Kader, der in der Saison 2024/25 um den Bundesliga-Aufstieg mitspielt, aussehen muss, stoßen Sportdirektor Marcus Mann sowie Stefan Leitl und seine Kollegen im Trainer- und Scoutingbereich in Hannover immer wieder an einen Punkt. “Wir brauchen natürlich mehr Torgefahr aus dem Mittelfeld heraus”, sagt der Coach. “Entweder verpflichten wir den einen oder anderen Spieler, oder wir bringen unsere Spiele auf das höhere Niveau.”

“Beide spielen auf ihren besten Positionen”

Ob das mit dem vorhandenen Personal funktioniert? Zwei Kandidaten für diesen Mannschaftsteil konnten in dieser Saison nicht nachhaltig überzeugen. “Bei Louis Schaub und Sebastian Ernst sind wir mit der Arbeit fürs Team, wenn sie spielen, sehr zufrieden”, schickt Leitl voraus. “Was sicherlich ein Stück weit gefehlt hat, war noch mehr Torgefahr im letzten Drittel. Es ist ein Thema, über das wir gesprochen haben.”

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In der Tat: Schaub kam in dieser Saison in 28 der bisher 32 Spiele zum Einsatz, sieben Mal nach Einwechslung. Auf seinem Konto stehen lediglich zwei Tore und vier Assists – damit bleibt er unter dem erhofften Soll. Ernst kam bislang 24-mal zum Zuge (14 Einwechslungen) und verbuchte dabei ein Tor und zwei Assists.

“Beide spielen auf ihren besten Positionen, sehr nahe am Tor”, merkt Leitl an und kritisiert: “Natürlich wären wir froh, wenn beide in jedem einzelnen Spiel immer ihre beste Performance gezeigt hätten.” Zum Vergleich: Selbst ein Marcel Halstenberg, stets ganz hinten in der Verteidigung im Einsatz, kommt in 30 Partien auf vier Tore und fünf Vorlagen.

Gindorf macht die Tore

Die nächsten Tage nun werden für Ernst entscheidend für die Eigenwerbung. Während Schaub noch ein Jahr gebunden ist, endet der Kontrakt des in Hannover ausgebildeten 29-Jährigen. Leitl: “Sebastian weiß, sein Vertrag läuft aus. Er braucht Einsatzminuten, das bedeutet: Er wird im Training Vollgas geben und mir zeigen, dass er spielen will.”

Es geht um nicht weniger als um eine Zukunft bei 96. Gelegenheiten, auch in den verbleibenden Partien in Karlsruhe und gegen Kiel noch einmal Akzente zu setzen, dürfte es laut Trainer durchaus geben, wenn dieser über Ernst sagt: “Jetzt geht es darum, dass er aufs Feld kommt und diese Leistung bringt.”

Gewissermaßen “rechts überholt” beim Erfüllen der Traineranforderungen für die Offensivpositionen wurde das Duo zuletzt unterdessen von Shooting-Star Lars Gindorf. Der 22-Jährige aus der eigenen U 23 spielte in seinen acht Einsätzen frei von allen Zwängen auf, erzielte dabei in den jüngsten Heimspielen gegen den FC St. Pauli (1:2) und den SC Paderborn 07 (3:2) seine ersten beiden Zweitligatore. Und erhielt dafür Anerkennung von Leitl: “Lars macht Tore, ist bei vielen Offensivaktionen mit dabei. Das macht er gut.”

Michael Richter

“… dann sind wir oben dabei”: Neumann hadert mit den Unentschieden

An diesem Spieltag gelang Hannover einmal wieder ein Erfolg, sogar ein historischer. Eine andere Statistik aber ärgert den Verteidiger, der am nächsten Wochenende zuschauen muss.

Fehlt nach seiner Gelben Karte am kommenden Spieltag: Phil Neumann (mi.).

Fehlt nach seiner Gelben Karte am kommenden Spieltag: Phil Neumann (mi.).

IMAGO/Noah Wedel

Am Ende wurde es noch einmal eine regelrechte Zitterpartie und manch einer, der es mit Hannover 96 hält, mag sich an die dunkle Sieglos-Serie gegen diesen Gegner erinnert haben: Knapp mit 3:2 behielt das Team diesmal aber die Oberhand – und feierte im zehnten Spiel gegen den SC Paderborn 07 nach zuvor zwei Unentschieden und sieben Niederlagen den ersten Sieg.”Es fühlt sich gut an. Es war ein Thema, dass wir die Serie endlich beenden wollen und auch gegen Paderborn gewinnen können”, berichtete Phil Neumann nach der Partie. “Wir sind gut ins Spiel gekommen, haben auch bedingt durch die Fehler der Paderborner schnell 3:0 geführt.” Doch es wurde noch einmal spannend, nachdem die Ostwestfalen zweifach zurückschlugen. Neumann: “Der Sack ist schon zu, da darfst du dir nicht diese Gegentore fangen und Paderborn zurück ins Spiel holen.”

2. Bundesliga, 32. Spieltag

Remis-Rekordhalter 96

Diesmal fuhren die Niedersachen einmal wieder drei Punkte ein – es war der erste Heimsieg seit dem 16. Februar (2:1 gegen Greuther Fürth). “Wir haben in dieser Zeit aber auch nur gegen St. Pauli zu Hause verloren”, relativierte Neumann. Insgesamt habe die Mannschaft in dieser Saison zu viele Unentschieden produziert.

Mit schon 13 Punkteteilungen ist 96 aktuell in der 2. Liga Remis-Rekordhalter und kann hier theoretisch nur noch vom VfL Osnabrück eingeholt werden.”Ja, das ist es halt. Da hat immer der Tick gefehlt, die Spiele auf unsere Seite zu ziehen”, sinnierte Neumann. “Die 2. Liga ist eben sehr eng, Details entscheiden. Wenn wir von den 13 Unentschieden nur drei, vier der Spiele mit einem Sieg auf unsere Seite gezogen hätten, sind wir oben mit dabei – so sieht es aus. Wir waren relativ zufrieden mit unseren Leistungen, es haben oft einfach Kleinigkeiten gefehlt.”

Sperre vor dem Spiel gegen Kiel

Mit der fünften Gelben Karte, die Neumann gegen Paderborn nach einem Foul und anschließendem Meckern nach 70 Minuten gegen Ilyas Ansah zog, fehlt der Hannoveraner in der kommenden Partie beim Karlsruher SC. Kommentar des 26-Jährigen: “Blöd gelaufen, aber auch nicht provoziert.” Ein Schelm, wer vermutet, der Top-Verteidiger habe es bewusst auf diese Sperre angelegt. Zum großen Finale der Saison geht es für 96 am letzten Spieltag gegen Ex-Klub und Erstliga-Anwärter Holstein Kiel – dann wieder mit Neumann.

Michael Richter

“Wichtig, dass es raus ist”: Leitls Umgang mit Teucherts Abgang

Nachdem sich die Zukunft für den besten 96-Stürmer geklärt hat, hofft der Trainer auf neue Impulse. Die Wertschätzung für Cedric Teuchert ist unverändert hoch …

Verlässt Hannover Richtung MLS: Cedrid Teuchert.

Verlässt Hannover Richtung MLS: Cedrid Teuchert.

picture alliance/dpa

Erleichterung bei Hannover 96 nach Bekanntwerden der Entscheidung von Cedric Teuchert, der im Sommer zu MLS-Klub St. Louis City in die USA wechseln wird. “Wir sind in den Gesprächen sehr vertrauensvoll damit umgegangen”, berichtete Stefan Leitl am Tag nach der Bekanntgabe. “Ich glaube, es war für alle Beteiligten wichtig, dass raus ist, dass er sich noch einmal verändern möchte.” Als Trainer des scheidenden Spielers wünsche er sich einfach, dass er befreit sei. “Ich hoffe, dass er seine Lockerheit, seine Frische zurückbekommt. Dann ist Cedric Teuchert für uns immer ein Faktor im Spiel.” Man habe ja gesehen: “Wann immer es ging, haben wir ihn gebracht. Obwohl er angeschlagen oder krank war. Das spricht auch für seine Qualität. Wir im Trainerteam wünschen uns einfach, dass sein Kopf frei ist und er sich freut, die letzten Spiele für Hannover noch genießen zu können.”

Gindorf bleibt im Team

Die Wertschätzung ist unvermindert hoch. Ob Teuchert am Sonntag freilich im Heimspiel gegen den SC Paderborn 07 in der Startelf stehen wird, ließ Leitl noch offen, aber: “Wir werden ihn natürlich bringen. Wenn er in der Verfassung ist, auch von Anfang an. Aber er ist immer ein Faktor für uns. Es ist immer noch so, dass er die meisten Tore geschossen hat und wirklich auch sehr gute Leistungen gezeigt hat, auch in diesem Jahr.” Elf Saisontore und vier Assists stehen für den gebürtigen Coburger zu Buche, damit ist er nach wie vor Top-Scorer des Teams. Leitl: “Dann guckst du dir natürlich die Trainingseinheiten an, wie er sich bewegt. Ich wünsche mir einfach, dass er seine Coolness wiederbekommt, um für uns noch einmal die bestmögliche Leistung zu bringen, damit wir Punkte holen. Das wünsche ich mir für ihn – und für uns.”

Doch es gilt auch die Frage zu klären, wer aus der Startelf weichen müsste, käme Teuchert dort im Angriff oder auf der Zehnerposition zum Einsatz. Shooting-Star Lars Gindorf soll es nicht treffen. Die Frage, ob der 22-Jährige drin bleibt, beantwortete Leitl mit einem schlichten “Ja”, denn: “Gibt es einen Grund, zu tauschen? Ich denke, nein. Lars hat sowohl von der Bank aus als auch in den letzten beiden Spielen sehr gut gespielt. Gegen St. Pauli hat er sich mit einem Treffer belohnt. Zuletzt in Berlin waren wir in der ersten Hälfte sehr nah dran, ein Tor zu erzielen, da war er ein wichtiger Faktor.”

Blick auf den Transfermarkt

Vor einigen Wochen hatte Leitl keinen Hehl daraus gemacht, am liebsten mit seinen vier bisherigen Stürmern – also neben Teuchert auch mit Andreas Voglsammer, Havard Nielsen und Nicolo Tresoldi – weitermachen zu wollen. Nun gibt es mit Teucherts Abgang eine neue Situation. “Wir sind da natürlich im Austausch, sondieren den Stürmermarkt und gucken: Was steht zur Verfügung?”, schildert Leitl den Umgang mit der Personalie. “Wir müssen die bestmögliche Lösung finden. Das werden wir in den kommenden Tagen intensiver besprechen.”

Michael Richter

Satt sechsstellig: DFB bestraft Hannover 96 für Vorfälle in acht Spielen

Das DFB-Sportgericht hat nun auch Hannover 96 zur Kasse gebeten – wegen insgesamt gleich acht Fällen unsportlichen Verhaltens seiner Fans rund um das Investorenthema.

Protest der Fans in Hannover führten im Januar zu einer Spielunterbrechung in der Partie gegen Nürnberg um Torwart Carl Klaus.

Protest der Fans in Hannover führten im Januar zu einer Spielunterbrechung in der Partie gegen Nürnberg um Torwart Carl Klaus.

IMAGO/Noah Wedel

Wie eine mündliche Verhandlung am DFB-Campus in Frankfurt am Main am Freitag ergab, muss Hannover 96 wegen unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger in acht Spielen eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt 289.500 Euro begleichen. Dem niedersächsischen Zweitligisten wird dabei nachgelassen, “ein Drittel dieses Betrags für präventive, sicherheitstechnische Maßnahmen zu verwenden”, heißt es von Seiten des Verbands. Das muss 96 bis Jahresende nachweisen können, sonst gibt es diesen Nachlass nicht.

Im Detail ging es bei der Verhandlung um Ligaspiele am 16. Dezember 2023 in Kiel, am 9. Februar dieses Jahres beim Hamburger SV, eine Woche später beim Spiel in Hannover gegen Fürth, am 24. Februar in Osnabrück sowie am 16. März in Hannover gegen Kaiserslautern.

Zudem wurden die Vorkommnisse im Rahmen der Protest-Aktionen gegen einen möglichen DFL-Investor in den Rückrundenpartien bei der SV Elversberg am 20. Januar, gegen den 1. FC Nürnberg am 26. Januar und gegen den FC Hansa Rostock am 4. Februar “zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung mit den Verfahren verbunden”, schreibt der DFB.

Allein 150.000 Euro für das FCK-Spiel

Für die Vorkommnisse in Elversberg etwa wurde einer Geldstrafe in Höhe von 2.500 Euro verhängt, die Geldstrafe für die Vorkommnisse im Spiel gegen Nürnberg beträgt 5.000 Euro, die Geldstrafe für das Spiel gegen Rostock 15.000 Euro. Besonders teuer wurde das Fehlverhalten im Spiel gegen den FCK – 150.000 Euro.

Diverse Vergehen wurden geahndet. Das Werfen verschiedener Gegenstände, unter anderem Schokolade, Tennis-, Golfbälle und Flummis. Das Zünden pyrotechnischer Gegenstände sowie massive Sachbeschädigungen in Sanitäranlagen. Darüber hinaus zeigten Hannoveraner Fans in einem Fall “drei Banner mit verunglimpfenden und menschenverachtenden Inhalt, insbesondere ein Banner mit dem Bild von Martin Kind (Präsident der 96er, Anm. d. Red.) in einem Fadenkreuz”.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles und zur ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhaltes hatte das DFB-Sportgericht auf Antrag des DFB-Kontrollausschusses eine mündliche Verhandlung angeordnet, so der Verband. Gegen die Urteile vom Freitag kann Hannover 96 binnen einer Woche Berufung einlegen und vor das DFB-Bundesgericht ziehen.

“Es ist noch nicht vorbei”: Leitls Appell für Hannovers Schlussspurt

Der Gegner scheint nicht gerade wie gemacht, um das Punktekonto weiter aufzufüllen. Doch der 96-Trainer lässt sich davon nicht beeindrucken und rückt andere Aspekte in den Vordergrund. Ein Trio wird ihm am Sonntag aber fehlen.

“Paderborn ist ein Gegner, der uns zuletzt nicht ganz so gut lag”: Stefan Leitl.

IMAGO/Jan Huebner

Der Aufstiegszug ist für diese Saison abgefahren, selbstverständlich weiß das auch in Hannover jeder. “Natürlich könntest du jetzt sagen: Du kannst es laufen lassen”, so Stefan Leitl: “Aber nein, wir ziehen es durch!”

Nach wie vor sollen diejenigen Akteure zum Einsatz kommen, die sich das durch ihre Leistungen zuvor in Training und Spiel auch verdient haben. Und dann gibt es noch eine Geheimrechnung, die Team und Trainer miteinander aufgemacht haben.

“Wir haben das persönliche, interne Ziel noch nicht erreicht”, lässt der Coach nur durchblicken und appelliert: “Wir wollen so viele Punkte wie möglich holen, das haben wir mit den Jungs auch nach dem Berlin-Spiel (1:1 bei Hertha BSC am vergangenen Wochenende, d. Red.) noch einmal besprochen. Es ist noch nicht vorbei. Wir brauchen noch Punkte, um das besagte Ziel zu erreichen.”

Nur zwei Remis gegen den SCP07

Der Gegner SC Paderborn 07 scheint allerdings mit Blick auf die Vergangenheit nicht gerade dafür gemacht, die gewünschten Punkte zu liefern. Bisher gab es noch keinen Sieg gegen die Ostwestfalen. In neun Vergleichen in der 1. und 2. Liga reichte es für 96 nur im Jahr 2021 zweimal zu einem Unentschieden, jeweils 0:0.

“Die Statistik spricht nicht für uns. Wir sind sehr motiviert, dass wir das Ding auf unsere Seite drehen”, sagt Leitl zu dieser dunklen Sieglos-Serie. “Paderborn ist ein Gegner, der uns zuletzt nicht ganz so gut lag. Wir haben die Möglichkeit, es diesmal besser zu machen. Es ist ein Heimspiel, wir wollen es gewinnen. Wir freuen uns darauf. Es ist an der Zeit, drei Punkte einzufahren.”

Nielsen, Ezeh und Scott fehlen

Zum Personal: Neben Havard Nielsen (Achillessehne) werden auch Brooklyn Ezeh, der die Woche über krank war, und Christopher Scott (Rücken) ausfallen. Dem Mittelfeldspieler, Saison-Leihgabe aus Antwerpen, läuft allmählich die Zeit davon, sich noch in Hannover zu empfehlen. “Er hat Teile mittrainiert, wird am Montag komplett einsteigen”, so Leitl. “Wir hoffen, dass er gesund bleibt, um dann in den restlichen zwei Spielen auch noch einmal Minuten zu sammeln.”

Muhammed Damar, Antonio Foti und Julian Börner werden darüber hinaus die U 23 am Samstag in der Regionalliga Nord im Heimspiel gegen den SSV Jeddeloh II unterstützen.

Michael Richter

“Es ist noch nicht vorbei”: Leitls Appell für Hannovers Schlussspurt

Der Gegner scheint nicht gerade wie gemacht, um das Punktekonto weiter aufzufüllen. Doch der 96-Trainer lässt sich davon nicht beeindrucken und rückt andere Aspekte in den Vordergrund. Ein Trio wird ihm am Sonntag aber fehlen.

“Paderborn ist ein Gegner, der uns zuletzt nicht ganz so gut lag”: Stefan Leitl.

IMAGO/Jan Huebner

Der Aufstiegszug ist für diese Saison abgefahren, selbstverständlich weiß das auch in Hannover jeder. “Natürlich könntest du jetzt sagen: Du kannst es laufen lassen”, so Stefan Leitl: “Aber nein, wir ziehen es durch!”

Nach wie vor sollen diejenigen Akteure zum Einsatz kommen, die sich das durch ihre Leistungen zuvor in Training und Spiel auch verdient haben. Und dann gibt es noch eine Geheimrechnung, die Team und Trainer miteinander aufgemacht haben.

“Wir haben das persönliche, interne Ziel noch nicht erreicht”, lässt der Coach nur durchblicken und appelliert: “Wir wollen so viele Punkte wie möglich holen, das haben wir mit den Jungs auch nach dem Berlin-Spiel (1:1 bei Hertha BSC am vergangenen Wochenende, d. Red.) noch einmal besprochen. Es ist noch nicht vorbei. Wir brauchen noch Punkte, um das besagte Ziel zu erreichen.”

Nur zwei Remis gegen den SCP07

Der Gegner SC Paderborn 07 scheint allerdings mit Blick auf die Vergangenheit nicht gerade dafür gemacht, die gewünschten Punkte zu liefern. Bisher gab es noch keinen Sieg gegen die Ostwestfalen. In neun Vergleichen in der 1. und 2. Liga reichte es für 96 nur im Jahr 2021 zweimal zu einem Unentschieden, jeweils 0:0.

“Die Statistik spricht nicht für uns. Wir sind sehr motiviert, dass wir das Ding auf unsere Seite drehen”, sagt Leitl zu dieser dunklen Sieglos-Serie. “Paderborn ist ein Gegner, der uns zuletzt nicht ganz so gut lag. Wir haben die Möglichkeit, es diesmal besser zu machen. Es ist ein Heimspiel, wir wollen es gewinnen. Wir freuen uns darauf. Es ist an der Zeit, drei Punkte einzufahren.”

Nielsen, Ezeh und Scott fehlen

Zum Personal: Neben Havard Nielsen (Achillessehne) werden auch Brooklyn Ezeh, der die Woche über krank war, und Christopher Scott (Rücken) ausfallen. Dem Mittelfeldspieler, Saison-Leihgabe aus Antwerpen, läuft allmählich die Zeit davon, sich noch in Hannover zu empfehlen. “Er hat Teile mittrainiert, wird am Montag komplett einsteigen”, so Leitl. “Wir hoffen, dass er gesund bleibt, um dann in den restlichen zwei Spielen auch noch einmal Minuten zu sammeln.”

Muhammed Damar, Antonio Foti und Julian Börner werden darüber hinaus die U 23 am Samstag in der Regionalliga Nord im Heimspiel gegen den SSV Jeddeloh II unterstützen.

Michael Richter

“Ich war tatsächlich überrascht”: Leopolds später Treffer ins Glück

Als schon keiner mehr damit rechnete, schlug er zu. Mit seinem Lucky Punch sicherte der Mittelfeldspieler den Niedersachsen noch einen Punkt in der Hauptstadt …

Hannovers Enzo Leopold gelang der Lucky Punch.

Hannovers Enzo Leopold gelang der Lucky Punch.

IMAGO/Jan Huebner

Ausgerechnet gegen Hertha BSC, das kürzlich gerüchteweise als möglicher Interessent gehandelt wurde, klappte es wieder. Nachdem es zuvor in seiner Karriere lange an der Torgefährlichkeit haperte, erzielte Enzo Leopold im Olympiastadion das dritte Zweitligator seiner Karriere, zugleich das dritte in der laufenden Saison. So spät noch den Ausgleich zum 1:1 zu machen, war schon etwas Besonders. Dazu auch noch per Kopf aus zehn Metern – als mit 1,74 Metern Länge kleinster Spieler seines Teams. “Natürlich fühlt sich das super an, noch wenigstens mit einem Punkt nach Hause zu fahren”, so der 23-Jährige zu seinem Lucky Punch in der Hauptstadt. “Ein gutes Gefühl. Ich war tatsächlich überrascht, dass mich da gar keiner auf dem Schirm hatte. Und so konnte ich das Ding glücklicherweise reinmachen.”

Leitl lobt und kritisiert

Natürlich zeigte sich auch Stefan Leitl nach dem verdienten, aber im späten Zustandekommen glücklichen Teilerfolg erleichtert. “Die Situation geht von Marcel Halstenberg aus, der eine gute Flanke bringt. Eine Situation, die nicht herausgespielt war, uns aber gutgetan hat, weil wir dadurch den Punkt geholt haben.” Der Trainer verband sein Lob aber auch mit kritischen Anmerkungen. “Es ist auch einmal zwingend, dass ein Sechser mit in die Box geht. Speziell, wenn man mit zwei Sechsern spielt, speziell in unserer Grundordnung.”

Leopold tat es, möglicherweise auch mit dem Mut der Verzweiflung. Seine Nebenleute Fabian Kunze und später Max Christiansen sind verlässliche, bundesligaerfahrene Akteure im Zentrum vor der Abwehr. Den bahnbrechenden Vorwärtsgang Richtung Tor des Gegners aber lassen sie aus Sicht ihres Coaches allzu oft vermissen.

96 braucht mehr solcher Spieler

Leopold dagegen gelang der späte Treffer ins Glück. Dem Nachwuchs des SC Freiburg entsprungen, machte der Rechtsfuß sich seit 2022 in Hannover einen Namen im Profifußball. 50 Spiele hat er inzwischen in der 2. Liga absolviert, seinen Vertrag bei 96 in dieser Saison bis 2026 verlängert. Auf dem erhofften Weg zurück in die Bundesliga täten den Niedersachsen zweifellos mehr solcher Spielertypen gut. Leopold persönlich besitzt unterdessen wohl so oder so ordentliche Perspektiven, den Weg in die höchste Spielklasse in nicht zu ferner Zukunft zu gehen.

Michael Richter

Kind wird 80: “Ich weiß, dass ich aufhören muss und will”

Die einen sehen in Martin Kind einen Heilsbringer, die anderen einen Totengräber. Was treibt den 96-Boss, der an diesem Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert, weiter an?

Großburgwedel, Firmenzentrale von Kind-Hörgeräte. Auf den ersten Blick scheint es, als seien die Uhren stehen geblieben. Wie immer quer auf dem Besucherparkplatz, mit kürzestmöglichem Abstand von der Fahrertür zum Eingang, steht das noble Auto einer gehobenen Marke als untrügliches Zeichen: Er ist da.

Drinnen, im Eckzimmer mit Ausguck auf die übrigen Gebäude, sitzt Martin Kind. Wie seit jeher schon seit dem frühen Morgen. Hinter demselben schlichten Schreibtisch, vor demselben Besprechungsplatz, an denen er sich mit Gästen unterhält. Sekretärin im Büro nebenan.

Kind ist geblieben. Gefühlt immer noch Chef. Aber im Haus ist es ruhiger geworden, es wirkt mehr repräsentativ. Die Geschicke des erfolgreichen Unternehmens lenkt schon lange im Wesentlichen Sohn Alexander. Ein Großteil der einstigen Produktion auf dem Areal wurde inzwischen ins thüringische Apolda verlagert.

Selbst im Hotel vis-à-vis, dem bekannten “Kokenhof”, herrscht kein geschäftiges Treiben mehr. Der Betrieb ruht, seit das Finanzamt ihm als Eigentümer vor gut vier Jahren “Liebhaberei” vorhielt. Aktuell, erzählt Kind fast beiläufig, klage er dagegen.

Kinds Weg säumen juristische Auseinandersetzungen

Juristische Auseinandersetzungen begleiten Kinds Weg seit jeher, er trägt es bemerkenswert gelassen, zumindest äußerlich. Auch im Sport. “Ich laufe nie vor Verantwortung weg, ich nehme sie an”, sagt er. “Insbesondere in Krisen. Da bin ich sehr stabil.”

Demnächst nun steht für den Fußball-Funktionär Kind der Showdown an. Im Juni entscheidet der Bundesgerichtshof in der Revision zur vom Mutterverein angestrebten Abberufung als 96-Geschäftsführer. Ob er dem Landes- und Oberlandesgericht folgt und seinen Verbleib bestätigt? Selbst Kind scheint nicht sicher. “Solange eine Klage zugelassen ist, bleibt es eine 50:50-Aussicht, wie das Urteil ausfällt. Warten wir einfach entspannt ab.”

Ich laufe nie vor Verantwortung weg, ich nehme sie an. Insbesondere in Krisen.

Martin Kind

Entspannt? Beobachter wittern eine gewisse Nervosität. Die ersten Instanzen hatten nach Unternehmensrecht, auf Basis der Vereinsstatuten und Regelungen im ominösen “Hannover-96-Vertrag” entschieden – pro Kind. Sieht der BGH es anders und bewertet das Verbandsrecht höher, müsste die DFL hellhörig werden.

Im besagten, 2019 gemeinsam von Mutterverein und Kapitalseite besiegelten Pakt wird die 50+1-Regel des Ligaverbands de facto ausgehebelt. Kein Wechsel in der Geschäftsführung funktioniert in Hannover ohne Zustimmung der Fußball-KG. Droht dieser dann eine Strafe, womöglich sogar der Lizenzentzug? Kind kann (und mag) sich das nicht vorstellen. “Wir sind auf Basis dieses Vertrages seither in jeder Saison von der DFL lizenziert worden. Da gibt es einen Bestandsschutz.”

“Vielleicht ein Fehler …”: Keine Klage gegen 50+1

Auf eine eigene Klage mit dem Ziel, die 50+1-Regel zu streichen, hatte Kind trotz seines langen Einsatzes dafür stets verzichtet. “Vielleicht war es ein Fehler, es nicht bis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit durchzuziehen”, sagt er heute. “Es wäre der nächste Schritt gewesen, wir haben uns für einen anderen Weg entschieden.”

Statt Konfrontation steuert Hannovers Macher den Blick inzwischen auf Kooperationskurs mit der DFL. Dieser müsse geholfen werden. “Ich persönlich glaube, dass sie zu sehr verwaltet und zu wenig gestaltet.” Entwicklungen und Regelungen hätten im deutschen Profi-Fußball zu einem konfusen, uneinheitlichen Bild, ungleichen Bedingungen und Wettbewerbsverzerrung geführt, so seine Kritik.

Thema
Die Liga und der “strategische Partner”

Die Diskussion um einen DFL-Investor

zum Thema

  • Für Investitionen u.a. in Digitalisierung wollte die DFL-Führung Kapital von einen Investor einholen.
  • Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit wurde bei der geheimen Abstimmung auf die Stimme genau erreicht.
  • Nach einer außerordentlichen Sitzung hat die DFL beschlossen, den Partnerprozess nicht weiterzuführen. 

“In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Ausnahmeregelungen und Umgehungstatbestände entwickelt, die toleriert wurden. Parallel dazu ist 50+1 zum Thema des Kulturkampfes im Fußball geworden.” Jetzt gelte es, einen Weg zu finden.

Stein des Anstoßes sind und bleiben für Kind die Befugnisse in den Profivereinen. Logisch und unabdingbar ist für ihn, dass dort die Geldgeber bestimmen, was mit ihren Zuwendungen passiert, und hierbei nicht dem Diktat der Muttervereine unterliegen. “Man kann 50+1 beibehalten, aber dann kann ich nur empfehlen: Sie müssen den Mut haben, das Weisungsrecht zu regeln. Sie müssten klar definieren: In welchen Fragen darf der e. V. mitreden und in welchen nicht? In welchen Fragen darf das Kapital mitreden und in welchen nicht?”

Martin Kind im Jahr 1998

Der Anfang: Martin Kind 1998, ein Jahr nach seinem Start bei Hannover 96.
IMAGO/Rust

2005 verlässt Kind Hannover – ein Jahr später kehrt er zurück

Wer Kind erlebt, erlebt einen vitalen, ungebrochen für seine Ideale eintretenden, engagierten Menschen. An diesem Sonntag, am 28. April wird er 80. Längst schon hätte er einen Schlussstrich bei 96 ziehen sollen, sagen nicht nur Kritiker bis in die eigenen Reihen, sondern auch Vertraute im Umfeld, die es gut mit ihm meinen.

Im August 2005 war es ja auch schon mal so weit. 1997 als Sanierer des auf die Insolvenz zusteuernden Vereins zum Vorsitzenden gewählt, hatte er den in die Drittklassigkeit abgestürzten Traditionsklub in acht Jahren wirtschaftlich und sportlich wieder nach oben geführt, 1999 die “Hannover 96 GmbH & Co. KGaA” gegründet, mit ihm als einem von mehreren Gesellschaftern aus der Region. Nun verließ der gebürtige Walsroder, der auch Wurzeln in der Schweiz hat, das bestellte Feld. Mitte 2006 folgte die Rückkehr.

Wieder einzusteigen war eine Entscheidung, die ich im Nachhinein vielleicht länger hätte überdenken sollen.

Martin Kind über seine Rückkehr zu Hannover nach seinem Abschied 2005

“Wieder einzusteigen war eine Entscheidung, die ich im Nachhinein vielleicht länger hätte überdenken sollen. Ich hatte ja den Absprung vollzogen”, hadert der “Aussteiger für zehn Monate” heute. “Die anderen Gesellschafter sagten damals, ich hätte sie überzeugt, ihr Geld zur Verfügung zu stellen. Jetzt solle ich auch dafür sorgen, dass es treuhänderisch vernünftig verwaltet wird.”

Es ging damals schon um einen gewaltigen Batzen, und so ist es bis heute. Wobei die wohl bis zu 50 Millionen Euro, die Kind einmal in Hannover 96 gesteckt haben wird, nicht einmal ein Zehntel des Privatvermögens jenes Mannes ausmachen, der zu den 500 reichsten Deutschen gehört.

96 als “Marke”, Fans als “Kundschaft”

Also ist Kind geblieben, jedenfalls als Geschäftsführer. Den Posten als Vorstandsvorsitzender hat er im März 2019 abgegeben. Den Spagat zwischen nahbarem Präsidenten aller Mitglieder und kühlem Boss des Wirtschaftsunternehmens, als das er die Profisparte stets sah, hatte er nie wirklich hinbekommen. 96, den Herzensverein vieler Tausend Menschen, lange Zeit als “Marke” zu bezeichnen, kam nicht gut an – spät erst sah der große Patron das ein.

Fans von Hannover 96 protestieren gegen Martin Kind

Immer wieder Proteste: Selbst für die Fans von Hannover 96 ist Martin Kind eine Reizfigur.
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Aus dem eigenen Herzen machte er nie eine Mördergrube. “Ein Scheißverein, der über 100 Jahre nichts geschaffen hat”, entglitt es ihm einst im Ärger – über den Deutschen Meister von 1938 und 1954 sowie Pokalsieger von 1992. Und auch die permanent gegen ihn pöbelnden, teilweise dabei rote Linien überschreitenden Zuschauer in der Kurve als “Kundschaft” zu bezeichnen, die man eigentlich nicht brauche, wirkte wenig galant, wenngleich fast entwaffnend ehrlich. Ihn auch dafür buchstäblich ins Fadenkreuz zu nehmen, ließ er sich nicht gefallen. Und erstattete Strafanzeige.

Wer Kind bei den Spielen der Mannschaft erlebt, kommt kaum auf den Gedanken, dieser Mann sei nach fast 30 Jahren als enger Begleiter des Profifußballs reifer, zurückhaltender, gelassener geworden. Er zeigt Emotionen, die ihn kaum vom je nach Sachlage feiernden oder trauernden Fan unterscheiden. “Wenn wir gewinnen, will er am liebsten mit allen Spielern verlängern”, heißt es. “Wenn wir verlieren, will er spontan allen die Bezüge kürzen, weil es eh keinen Sinn macht.”

Kind ist ein Mann der klaren Meinung

Ein Prominenter, der einst Kinds Bitte folgte, den Aufsichtsratsvorsitz der Fußball-KG zu übernehmen, legte im Dauerzwist mit der vereinsinternen Opposition sein Amt nieder: Gerhard Schröder, der SPD-Politiker und frühere niedersächsische Ministerpräsident selben “Baujahrs”.

Martin Kind (li.) mit Altkanzler Gerhard Schröder (re.).

Gutes Verhältnis: Martin Kind (li.) und Altkanzler Gerhard Schröder (re.).
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Kind auch hier stabil und unbeeindruckt: “Wir haben immer noch ein gutes Verhältnis.” Trotz Russland, trotz der Nähe des Altkanzlers zu Putin. “Da habe ich eine deutlich andere Einstellung als er. Wenn man diese Standpunkte akzeptiert, ohne darüber zu streiten, dann kann eine gute Bekanntschaft das auch aushalten. Man muss es deshalb nicht zum Bruch kommen lassen.”

Politisch interessiert und mit klarer Meinung gibt sich Kind unabhängig davon dennoch. “Natürlich treibt mich um, was gerade in der Welt passiert. Mich beunruhigt die Entwicklung, immer mehr sogar. Insgesamt weltpolitisch mit dem Versuch der Neuordnung von Dingen, aber eben auch die Wirtschaftsentwicklung, speziell hier in Deutschland.”

Es geht nicht, Dinge zu fordern, die man selbst nicht bereit wäre zu tun.

Martin Kind über seine Überzeugung

Sorge bereitet dem mehrfachen Großvater die Mentalität “der Staat regelt alles, was nicht funktioniert”, verbunden mit der Utopie, es gehe mit weniger Aufwand hier und mit höheren Ansprüchen dort, “und alles wird immer funktionieren. Natürlich ist das wirklich naiv”. Der Mann, für den Urlaub zeit seines Schaffens eher eine Strafe war, der außer dem Tod keinen Gegner wirklich fürchtet, vertraut einer festen Überzeugung: “Es geht nicht, Dinge zu fordern, die man selbst nicht bereit wäre zu tun.”

Bundesliga-Rückkehr würde Lebenswerk vollenden

Statt sich aufs Altenteil zurückzuziehen und ungeachtet der in Hannover fast schon traditionellen “Kind muss weg”-Rufe aus dem eigenen Anhang ist Kind geblieben. Bekniet, als Retter einzugreifen, beschimpft für die Tricks, mit denen er seine Macht ausbaute und sicherte, beneidet sicher auch für sein Stehvermögen in all den Jahren. So ist dieses 96 zwangsläufig zu einem sportlichen Lebenswerk geworden, das er vollenden will, möglichst mit der Rückkehr in die Bundesliga.

Der Fußball hat dem Selfmade-Millionär eine Bühne geboten, auf der er sich gerne zeigt. Er genießt Auftritte in Talks und TV-Sendungen. Einladungen zu Vorträgen allerorts schlägt er nach wie vor ungern aus.

Nach der Abkehr von seinen Übernahmeplänen in Hannover und dem Erstliga-Abstieg sank die öffentliche Relevanz, stieg aber mit dem Wirbel um seine Rolle im gescheiterten Investorendeal der DFL zuletzt wieder und liegt weitaus höher, als er sie als Kopf seines Firmenimperiums jemals erreicht hätte.

Kind: “Ich weiß, dass ich aufhören muss und will”

Die Uhr aber läuft weiter in Großburgwedel. In der nächsten Dekade seines Lebens wird Martin Kind den Fort- und vielleicht Ausgang seiner letzten großen Mission regeln müssen. “Ich weiß, dass ich aufhören muss und will.” Die Zuversicht, dies wie bisher selbstbestimmt tun zu können, strahlt er aus.

Es glaubt mir vielleicht nicht jeder, aber ich habe letztlich immer alles für 96 gemacht.

Martin Kind

Seine Anteile hat er schon vor geraumer Zeit an seinen zweiten Sohn Matthias übertragen. “Die Aktien bleiben in der Familie, das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bei allen drei Gesellschaftern so.” Drogeriemarkt-Multi Dirk Roßmann und auch Immobilien-Unternehmer Gregor Baum, ebenfalls “Hannoversche Bürger” (Kind), mit ihren Söhnen Raoul und David planen ähnlich.

Martin Kind

Suche nach einem Nachfolger: Martin Kind “weiß, dass ich aufhören muss und will”.
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Loslassen muss er unabhängig von allem über kurz oder lang als Fußball-Boss. “Ich hänge der Position des Geschäftsführers nicht nach, aber ich nehme meine Verantwortung wahr”, sagt er und verweist auf die Notwendigkeit, einen Nachfolger zu finden, den beide Lager im Klub, Verein und Profisparte, gleichermaßen akzeptieren. “Das ist bisher nicht gelungen. Wir haben es versucht, der Ansatz war vielleicht auch nicht immer der richtige, das gebe ich zu.” Der neue Mann muss mit dem Geld der Gesellschafter um Kind in deren Sinne umgehen, so lautet die Prämisse.

Gelingt dies irgendwann, bliebe dies das Vermächtnis des Martin Kind, der in Hannover wohl in der Geschichte auf ewig für die einen Heilsbringer, für die anderen Totengräber bleiben wird. Und der sagt: “Es glaubt mir vielleicht nicht jeder, aber ich habe letztlich immer alles für 96 gemacht.”

Dieser Text erschien erstmals in der kicker-Ausgabe vom 15. April.

Michael Richter