Kopf-Frage: St. Paulis Angreifer Eggestein sieht Redebedarf

Johannes Eggestein besitzt die Fähigkeit, Spiele schon unmittelbar nach deren Ende beinahe wie ein Trainer analysieren zu können. Dementsprechend tief legte St. Paulis Angreifer nach dem 3:4 gegen Elversberg den Finger in die Wunde. Und sagt, auf was es nun ankommt.

St. Paulis Angreifer Johannes Eggestein beklagt das Zweikampfverhalten.

St. Paulis Angreifer Johannes Eggestein beklagt das Zweikampfverhalten.

IMAGO/Philipp Szyza

Eggesteins Führungstreffer vor der Pause, das achte Saisontor des 25-Jährigen, war eine der wenigen Aktionen, die nach Plan verlaufen waren, obwohl die Ringereinlage von Karol Mets gegen Robin Fellhauer bei der Eckballvariante entscheidend und regelwidrig war. Aber: Das Einlaufen des Mittelstürmers auf den kurzen Pfosten war, wie der Ex-Bremer verrät, “genau so einstudiert”.

Sämtliche anderen Automatismen scheinen Verschütt gegangen zwischen dem Ostersonntag, nach dem St. Paulis Vorsprung auf Rang drei elf Zähler betragen hatte und einem Sonntagnachmittag, der einem harten Aufprall in der Realität gleichkam. Diese besagt: Nur noch fünf Pünktchen liegt der entthronte Spitzenreiter vor Verfolger Fortuna Düsseldorf, und der hinterlassene Eindruck gegen Elversberg ist noch deutlich besorgniserregender als die enger gewordene Tabellenkonstellation.

“Wir hatten ein schlechtes Zweikampfverhalten und viele einfache Ballverluste”, beklagt Eggestein und analysiert: “Drei der vier Gegentore lassen sich durch Zweikampfführung unterbinden. Aber wir haben auch als Mannschaft nicht unsere Kompaktheit erzeugt, dazu haben wir die langen Bälle nicht gut verteidigt. Das geht so nicht.”

Faktor Kopf und Nerven

Aber, wie geht es weiter? “Wir müssen untereinander sprechen”, empfiehlt der Angreifer. Und zwar aus seiner Sicht über verschiedene Themen. Zum einen darüber, wie St. Pauli wieder “ganz dicht” wird, und auch über die Frage, welche Rolle in der Endphase der Spielzeit der Kopf und der Faktor Nerven spielen. Kiel und Düsseldorf hatten am Samstag vorgelegt und die Kiez-Kicker unter Zugzwang gesetzt. Eine Situation, die am kommenden Wochenende erneut droht: Fortuna spielt am Samstagmittag gegen Greuther Fürth, Holstein am Abend beim HSV und St. Pauli selbst erst tags darauf in Hannover. “Bei mir persönlich”, sagt Eggestein, “hat das keine Rolle gespielt, aber wir müssen uns darüber austauschen, wie jeder Einzelne das wahrnimmt. Natürlich merkt man jetzt, dass es in die Endphase geht.”

Eggesteins Credo im Umgang mit der sich zuspitzenden Situation ist es, das eigene Tun in den Mittelpunkt zu rücken. “Es ist irrelevant, was die anderen machen, weil wir es in der Hand haben. Wir müssen uns auf unsere Leistung konzentrieren.” Und er sagt auch konkret, wo er den Hebel anzusetzen sieht: “Es muss vor allem darum gehen, dass wir wieder stabil sind, da müssen wir wieder hinkommen. Denn in der Offensive werden wir immer unsere Momente bekommen, um Tore zu machen.”

Sebastian Wolff

Smith klagt an: “Wir waren nicht bereit”

Die Klarheit, mit der St. Paulis Profis die hochverdiente 3:4-Heimpleite gegen die SV Elversberg im Nachgang analysiert haben, hätte sich Fabian Hürzeler während der Partie erhofft. Der entthronte Spitzenreiter präsentierte sich außer Rand und Band. Und Eric Smith brachte das am deutlichsten auf den Punkt.

Ging mit seiner Mannschaft nach der 3:4-Niederlage gegen Elversberg hart ins Gericht: Eric Smith.

Ging mit seiner Mannschaft nach der 3:4-Niederlage gegen Elversberg hart ins Gericht: Eric Smith.

IMAGO/Susanne Hübner

Smith war als Chef einer Abwehr, die zwölf Großchancen des Aufsteigers zuließ, mitverantwortlich für einen Auftritt, den St. Pauli nicht einmal Pessimisten zugetraut hatten. Nach dem Waterloo war der Schwede im Klartext-Modus. “Wir waren nicht bereit, und das über die gesamte Spielzeit. Wir waren mental nicht da. Wenn wir rausgehen und so eine Leistung abliefern, dann ist es zu wenig.”

Zu wenig auch für das an Ostern schon fast erreichte Ziel Bundesliga-Aufstieg? Elf Punkte hatte der Vorsprung auf den Drittplatzierten Düsseldorf nach dem 2:1 gegen Paderborn betragen, schon da aber hatte die zweite Hälfte erste Tendenzen von Sorglosigkeit erkennen lassen. Sechs Gegentore und zwei Niederlagen später ist die Fortuna nur noch fünf Pünktchen entfernt, und Smith weiß: “Wir haben es uns unnötig schwierig gemacht.”

Ich verlange definitiv eine Reaktion.

Fabian Hürzeler nach der 3:4-Niederlage gegen Elversberg

Auf die Frage, ob St. Pauli ausgerechnet auf der Zielgerade in der schwierigsten Phase der Saison stecke, antwortet der 27-Jährige knapp, aber klar: “Ja.” Er setzt auf die Hoffnung, “dass das unser Weckruf war und dass wir nächste Woche wach sind.”

Hürzeler: “Müssen bei uns anfangen”

In Hannover droht St. Pauli am Sonntag (13.30 Uhr, LIVE! bei kicker) eine besonders brenzlige Situation: Verfolger Düsseldorf kann tags zuvor (13 Uhr) bereits im Heimspiel gegen Greuther Fürth vorlegen, den Druck auf die Kiez-Kicker vor deren hoher Auswärtshürde 96 zusätzlich erhöhen.

Für den Trainer ist entscheidend, dass seine Formation sich dann auf ihre Basis besinnt: defensive Stabilität. “Wir müssen bei uns anfangen”, fordert Hürzeler, “wir brauchen Schärfe gegen den Ball, müssen mit allem was wir haben wieder zu null spielen wollen. Das ist unsere Identität, die haben wir vermissen lassen, und das ist definitiv enttäuschend.”

Dass seine Spieler keine nach dem 3:4 gegen Elversberg Ausflüchte suchen, macht ihm Hoffnung. “Wichtig ist, dass wir ehrlich zu uns selbst sind. Wenn die Jungs auch öffentlich klar die Dinge ansprechen, ist es der erste Schritt in die richtige Richtung.” Der zweite, wichtigere, muss in Hannover auf dem Platz erfolgen und ist für Hürzeler unverhandelbar: “Ich verlange definitiv eine Reaktion.”

Sebastian Wolff

Hürzeler rechnet selbst mit einer weiteren Sperre

Pressekonferenzen mit Fabian Hürzeler sind grundsätzlich von viel Tiefgang geprägt. Am Freitag überraschte St. Paulis Trainer damit, dass er sich eine Frage selbst stellte (und beantwortete). Außerdem verriet er offenherzig, dass er mit einer weiteren Sperre in dieser Spielzeit durchaus rechnet.

Es fehlt nicht viel bis zu Fabian Hürzelers nächster Sperre.

Es fehlt nicht viel bis zu Fabian Hürzelers nächster Sperre.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Sieben Gelbe Karten hat der 31-Jährige bereits kassiert, bei einer weiteren müsste er wie schon Ende Januar beim 2:1-Erfolg in Düsseldorf zusehen und sich durch Assistent Peter Nemeth vertreten lassen. Bei der Frage, was ihm Mut mache, angesichts von noch sechs ausstehenden Partien ohne zweite Sperre durch das Saison-Finale zu kommen, antwortete er: “Wenig, um ehrlich zu sein.” Er garnierte diesen Satz mit einem süßsauren Lächeln, fügte an: “Wenn ich jetzt schon Gelb bekomme, wenn der gegnerische Trainer in meiner Coachingzone auftaucht, dann liegt es nicht allein in meiner Hand.”

Tatsächlich ist auffällig, dass Hürzeler die letzten beiden Gelben Karten gegen Paderborn (2:1) und in Karlsruhe (1:2) nach jeweils eklatanten Fehlentscheidungen gegen St. Pauli erhalten hatte. Dass die Schiedsrichter-Gilde den impulsiven Coach, der schon in seiner Spielerkarriere in drei Jahren beim FC Pipinsried 45 Gelbe und fünf Gelb-Rote Karten und eine Rote kassiert hatte, intensiver beäugt, ist offensichtlich, auch für ihn. “Wahrscheinlich ist das so.”

Podcast

KMD #205 (mit Fabian Hürzeler)


01:54:13 Stunden

alle Folgen

Klar ist indes auch: Hürzeler gehört keinesfalls in eine Opferrolle, und er begibt sich auch nicht in diese. Dass die Unparteiischen bei ihm inzwischen womöglich schneller eine Karte zücken, ist in aller erster Linie selbstverschuldet. “Ich habe meinem Staff im Winter das Buch ‘Jeden Tag ein Prozent besser’ geschenkt. Ich habe mir das auch vorgenommen und mich in der Prozentzahl verschlechtert, und das ist etwas, das ich mir ankreiden muss.” Zur Selbstdisziplinierung, verrät er, habe er zudem nun noch ein Rezept gewählt: “Ich habe eine Wette mit meinem Staff laufen und hoffe, die hält mich im Zaum.” Den Einsatz will er nicht verraten: “Vielleicht tue ich das, wenn ich sie gewonnen habe.”

Image des Wüterichs an der Linie

Die Offenheit, mit der Hürzeler über seine Schwäche spricht, ist bemerkenswert. Die Hoffnung, die er in Bezug auf die Schiedsrichter und deren Umgang mit seinem nach nicht einmal eineinhalb Jahren als Profitrainer angekratzten Ruf hat, ist eindringlich. “Ich hatte nach dem Spiel in Karlsruhe noch eine Diskussion mit dem Vierten Offiziellen. Am Ende sollten die Schiedsrichter neutral sein und sich nicht von externen Dingen beeinflussen lassen.” In seinem Fall von dem Image des Wüterichs an der Linie. Dass er selbst den Anfang machen muss, ist ihm bewusst: “Ich werde weiter versuchen, mich zu verbessern.”

Das Ende der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen die SV Elversberg gestaltete Hürzeler dann in bester Klaus-Augenthaler-Manier, der 2007 als Coach des VfL Wolfsburg aus Verärgerung über die Berichterstattung eine Medienrunde mit sich selbst abgehalten hatte. Weil die obligatorische Frage zum Ablauf der letzten eineinhalb Tage vor der Partie ausgeblieben war, holte er mit einem Lächeln aus: “Wie ist der Ablauf?” Und gab einen Überblick über die letzten Stunden bis Elversberg. Danach soll nach Möglichkeit der nächste Schritt Richtung Bundesliga stehen. Und keine weitere Gelbe Karte.

Sebastian Wolff

Hürzeler rechnet selbst mit einer weiteren Sperre

Pressekonferenzen mit Fabian Hürzeler sind grundsätzlich von viel Tiefgang geprägt. Am Freitag überraschte St. Paulis Trainer damit, dass er sich eine Frage selbst stellte (und beantwortete). Außerdem verriet er offenherzig, dass er mit einer weiteren Sperre in dieser Spielzeit durchaus rechnet.

Es fehlt nicht viel bis zu Fabian Hürzelers nächster Sperre.

Es fehlt nicht viel bis zu Fabian Hürzelers nächster Sperre.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Sieben Gelbe Karten hat der 31-Jährige bereits kassiert, bei einer weiteren müsste er wie schon Ende Januar beim 2:1-Erfolg in Düsseldorf zusehen und sich durch Assistent Peter Nemeth vertreten lassen. Bei der Frage, was ihm Mut mache, angesichts von noch sechs ausstehenden Partien ohne zweite Sperre durch das Saison-Finale zu kommen, antwortete er: “Wenig, um ehrlich zu sein.” Er garnierte diesen Satz mit einem süßsauren Lächeln, fügte an: “Wenn ich jetzt schon Gelb bekomme, wenn der gegnerische Trainer in meiner Coachingzone auftaucht, dann liegt es nicht allein in meiner Hand.”

Tatsächlich ist auffällig, dass Hürzeler die letzten beiden Gelben Karten gegen Paderborn (2:1) und in Karlsruhe (1:2) nach jeweils eklatanten Fehlentscheidungen gegen St. Pauli erhalten hatte. Dass die Schiedsrichter-Gilde den impulsiven Coach, der schon in seiner Spielerkarriere in drei Jahren beim FC Pipinsried 45 Gelbe und fünf Gelb-Rote Karten und eine Rote kassiert hatte, intensiver beäugt, ist offensichtlich, auch für ihn. “Wahrscheinlich ist das so.”

Podcast

KMD #205 (mit Fabian Hürzeler)


01:54:13 Stunden

alle Folgen

Klar ist indes auch: Hürzeler gehört keinesfalls in eine Opferrolle, und er begibt sich auch nicht in diese. Dass die Unparteiischen bei ihm inzwischen womöglich schneller eine Karte zücken, ist in aller erster Linie selbstverschuldet. “Ich habe meinem Staff im Winter das Buch ‘Jeden Tag ein Prozent besser’ geschenkt. Ich habe mir das auch vorgenommen und mich in der Prozentzahl verschlechtert, und das ist etwas, das ich mir ankreiden muss.” Zur Selbstdisziplinierung, verrät er, habe er zudem nun noch ein Rezept gewählt: “Ich habe eine Wette mit meinem Staff laufen und hoffe, die hält mich im Zaum.” Den Einsatz will er nicht verraten: “Vielleicht tue ich das, wenn ich sie gewonnen habe.”

Image des Wüterichs an der Linie

Die Offenheit, mit der Hürzeler über seine Schwäche spricht, ist bemerkenswert. Die Hoffnung, die er in Bezug auf die Schiedsrichter und deren Umgang mit seinem nach nicht einmal eineinhalb Jahren als Profitrainer angekratzten Ruf hat, ist eindringlich. “Ich hatte nach dem Spiel in Karlsruhe noch eine Diskussion mit dem Vierten Offiziellen. Am Ende sollten die Schiedsrichter neutral sein und sich nicht von externen Dingen beeinflussen lassen.” In seinem Fall von dem Image des Wüterichs an der Linie. Dass er selbst den Anfang machen muss, ist ihm bewusst: “Ich werde weiter versuchen, mich zu verbessern.”

Das Ende der Pressekonferenz vor dem Heimspiel gegen die SV Elversberg gestaltete Hürzeler dann in bester Klaus-Augenthaler-Manier, der 2007 als Coach des VfL Wolfsburg aus Verärgerung über die Berichterstattung eine Medienrunde mit sich selbst abgehalten hatte. Weil die obligatorische Frage zum Ablauf der letzten eineinhalb Tage vor der Partie ausgeblieben war, holte er mit einem Lächeln aus: “Wie ist der Ablauf?” Und gab einen Überblick über die letzten Stunden bis Elversberg. Danach soll nach Möglichkeit der nächste Schritt Richtung Bundesliga stehen. Und keine weitere Gelbe Karte.

Sebastian Wolff

Hürzelers Wunsch ist erfüllt: Nemeth bleibt

Mitte März hatte Fabian Hürzeler seinen auslaufenden Vertrag beim FC St. Pauli verlängert und angedeutet, dass er sein Ja-Wort auch eng damit verknüpft hat, dass es mit seinem Trainerteam weitergeht – am Mittwoch verkündete der Spitzenreiter nun die Verlängerung mit Assistent Peter Nemeth.

Co-Trainer Peter Nemeth bleibt am Millerntor.

Co-Trainer Peter Nemeth bleibt am Millerntor.

IMAGO/Eibner

Der 51-jährige Slowake war im Dezember 2022 unmittelbar nach Hürzelers Inthronisierung zum Chefcoach ans Millerntor gekommen, hat sich mit seiner Loyalität, Erfahrung und Kompetenz schnell unverzichtbar gemacht. Die Verlängerung des auslaufenden Vertrages war somit für die Verantwortlichen folgerichtig. “Peter hat sich vom ersten Tag an hervorragend eingefügt, ist mit seiner Erfahrung, dem Fachwissen und seiner akribischen Arbeitsweise ein ganz wichtiger Teil des Trainerteams”, lobt Sportchef Andreas Bornemann, “deswegen war es von allen immer der klare Wunsch, den gemeinsamen Weg fortzuführen.”

Entsprechend froh über diese Vollzugsmeldung ist auch Hürzeler. “Peter und ich pflegen einen sehr vertrauensvollen und konstruktiven Austausch und er übernimmt auf und neben dem Platz viel Verantwortung.” Der erst 31-jährige Chef rühmt den Routinier “aufgrund seiner Erfahrung” als “ganz wichtigen Ansprechpartner, nicht nur für mich, sondern auch für die Spieler.”

Chemie und Arbeitsweise stimmt

Nemeth nennt als Grundlage für seine Unterschrift “sowohl die Chemie in menschlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die gemeinsame Arbeitsweise.” Im Aufstiegs-Endspurt könnte dem Ex-Profi (22 A-Länderspiele für die Slowakei) und langjährigen Assistenten von Uwe Neuhaus (gemeinsam bei Dynamo Dresden und Arminia Bielefeld) zudem noch, wenn auch unfreiwillig, ein weiteres Mal die Rolle als “Aushilfs”-Chef zukommen.

Bereits Ende Januar hatte Nemeth Hürzeler beim Auswärtssieg in Düsseldorf (2:1) vertreten müssen, weil dieser gelbgesperrt war. Seit dem vergangenen Wochenende und dem 1:2 in Karlsruhe steht Hürzeler bei sieben Gelben Karten, wäre bei der nächsten Verwarnung ein zweites Mal in dieser Spielzeit gesperrt. “Ich freue mich auf die kommenden Herausforderungen”, hat Nemeth anlässlich seiner Vertragsverlängerung erklärt. Einen weiteren Einsatz als Hürzeler-Vertreter wird im Sinne aller Beteiligten in diese Aussage nicht mit inbegriffen sein.

Sebastian Wolff