“Da habe ich ‘Boah’ gesagt – ein bisschen laut vielleicht”

Wie ist es, während einer Heim-EM plötzlich abwechselnd mit der DFB-Elf und unter Miroslav Klose zu trainieren? Nürnbergs Torwart Jan Reichert über unvergessliche Tage – und erste Lehren.

Auf Deutschland-Trikots unterschreiben - auch das macht Jan Reichert in diesem Sommer plötzlich.

Auf Deutschland-Trikots unterschreiben – auch das macht Jan Reichert in diesem Sommer plötzlich.

IMAGO/Sven Simon

Früher war er “einer von denen, die mit Gesichtsbemalung vor dem Fernseher herumgehüpft sind”, jetzt ist Jan Reichert etwas näher dran an der deutschen Nationalelf: auf dem Trainingsplatz mittendrin, bei den Spielen zumindest direkt hinter der Bank. Der 22-Jährige vom 1. FC Nürnberg ist seit knapp drei Wochen auf Wunsch von Bundestrainer Julian Nagelsmann als vierter Torhüter im DFB-Training dabei, ohne zum EM-Kader zu gehören.

Und Reichert staunt immer noch, seit er im Europapark und immerhin schon nach seinem Urlaub von dem unverhofften Sommer-Praktikum erfuhr. “Diesen Tag werde ich nie vergessen. So wie alle Tage hier bei der Nationalmannschaft”, sagt der gebürtige Schweinfurter am Donnerstag in einem Interview auf der DFB-Website. “Ich werde noch Tage, eher Wochen brauchen, um das alles zu begreifen.”

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Wie ist das, als Torwart mit der Erfahrung von einem Zweitliga-Spiel und 88 Regionalliga-Einsätzen mit “Spielern der Extraklasse” auf dem Platz zu stehen, die alle ein wenig mehr können? “Man versucht einfach, sich an diesem Leistungsniveau hochzuziehen. Man versucht, das Leistungsniveau zu adaptieren, das, in meinem Fall, die anderen drei in der Torwartgruppe vorgeben”, erklärt Reichert. Letztlich versuche er schlichtweg “mitzuhalten”.

“Gerade erst heute im Training hatten wir eine Übung, in der Toni Kroos zwei Diagonalbälle quer über das Feld geschlagen hat. Da habe ich, ein bisschen laut vielleicht, ‘Boah’ vor mich hingesagt, weil der Ball einfach punktgenau dort angekommen ist, wo er hinkommen sollte”, berichtet er. “Das ist wirklich Wahnsinn. Aber das gilt für jeden Spieler hier, auch für die Torhüter.” Für Manuel Neuer zum Beispiel, sein “riesengroßes Vorbild seit Kindheitstagen”.

“Und auf einmal ist dort Miro Klose Trainer”

Seit beim FCN wieder trainiert wird, führt Reichert ein Doppelleben, ohne die Aufteilung der Trainingseinheiten zu verraten (“Die Absprache und Zusammenarbeit läuft top, wir haben eine super Lösung gefunden, damit es für mich nicht zu belastend wird”). Prominenz gibt es bei seinem Verein neuerdings auch – es macht den Sommer für ihn nur noch denkwürdiger. “Ich komme von der Nationalmannschaft zum Club und auf einmal ist dort Miro Klose Trainer”, kann er er es kaum fassen. “Ich freue mich richtig auf alles, was kommt mit ihm.” Sein großes Ziel sei “natürlich, Nummer eins zu werden”.

Dazu will er auch das nutzen, was er in diesen Tagen im rund 30 Kilometer entfernten Herzogenaurach lernt. “Die Torwarttrainer geben mir wahnsinnig viel mit. Das mögen für Außenstehende Nuancen sein, die machen aber einen Riesenunterscheid, wenn man sie anwendet”, so Reichert. “Ich telefoniere jeden Tag auf der Heimfahrt mit meinem Papa und berichte ihm, dass ich heute wieder etwas gelernt habe.”