Die Maurer der Gelben Wand

Borussia Dortmund steht im Champions-League-Finale – und sie haben einen großen Anteil daran: Mats Hummels und Nico Schlotterbeck überragen beim 1:0-Sieg in Paris. Die Innenverteidiger sind die Maurer der Gelben Wand.

Nico Schlotterbeck (li.) und Mats Hummels überragten in Paris.

Nico Schlotterbeck (li.) und Mats Hummels überragten in Paris.

IMAGO/Steinbrenner

Aus Paris berichten Matthias Dersch und Patrick Kleinmann

Es ist äußerst ungewöhnlich, dass die Fans eines Vereins das Markenzeichen des Gegners als Teil ihrer Choreo verwenden. Doch der Respekt der PSG-Fans vor Borussia Dortmund ist groß. Beim Hinspiel gedachten sie durch ein Banner an einen vor einigen Monaten verstorbenen BVB-Fan. Beim Rückspiel nun gehörte ein großes gelbes Tuch zu ihrer Inszenierung vor dem Anpfiff, das die Gelbe Wand symbolisieren sollte.

Diese Wand allerdings, auf der in der Mitte das BVB-Logo abgebildet war, hatte ein paar Löcher, durch die die PSG-Ultras Bengalos in die Luft hielten. Kurz darauf rauschte sogar der PSG-Bus – ebenfalls in Form eines Banners – mitten durch die Mauer. Doch das entpuppte sich an diesem aus Dortmunder Sicht denkwürdigen Dienstagabend in Paris als Wunschdenken. Die Gelbe Wand hielt – und ihre Maurer waren allen voran die erneut überragenden Innenverteidiger Mats Hummels und Nico Schlotterbeck.

Es wird langsam voll im Hause Hummels

Bereits beim ebenfalls mit 1:0 gewonnen Hinspiel hatte das Duo mit einer starken Leistung überzeugt, weil es ihnen im Verbund mit Keeper Gregor Kobel sowie ihren Neben- und Vorderleuten gelang, die so prominent besetzte PSG-Offensive um Superstar Kylian Mbappé und den Ex-Borussen Ousmane Dembelé über weite Strecke kalt zu stellen. Sechs Tage später nun wiederholten sie dieses Kunststück – auch wenn in einigen Szenen etwas Glück im Spiel war, traf Paris doch viermal Aluminium.

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Beide erhielten dafür die kicker-Note 1,0. Hummels verdiente sich außerdem die Auszeichnung des Spieler des Spiels. Weil er nicht nur in Weltklasse-Manier verteidigte, sondern auch noch das Tor des Tages nach einer Ecke von Julian Brandt erzielte und damit die Tür ins Finale in London endgültig ganz weit aufstieß für den BVB.

“Mats stand in allen Spielen in der Champions League auf dem Platz. Das zeigt, wie wichtig er für uns ist. Er hat heute ein tolles Spiel gemacht im gesamten Verbund”, lobte BVB-Trainer Edin Terzic den Innenverteidiger, der auch von der UEFA den kleinen Pokal für den “Man of the match” erhielt – zum bereits vierten Mal in dieser Saison. “Es wird langsam voll zuhause”, kommentierte Hummels diese Pokalschwemme bei Amazon Prime. Für einen aber hätte er sicher noch Platz: den Henkelpott. Den der fehlt dem hochdekorierten Weltmeister von 2014, bei dem noch unklar ist, ob er seine Karriere über den Sommer hinaus weiterführt, noch in der Sammlung.

“Es ist außergewöhnlich, zweimal gegen Paris zu Null zu spielen”

Während der 35-jährige Hummels im Herbst seiner Profi-Laufbahn angekommen ist, steht Schlotterbeck mit seinen 24 Jahren noch vergleichsweise am Anfang. In Paris aber spielte er – wie über weite Strecken der gesamten Champions-League-Saison – ebenfalls wie ein Routinier. “Ich spüre viel Druck”, sagte Schlotterbeck nach der Partie. “Ich weiß, ich muss liefern.”

Und das tut er an der Seite von Hummels seit Monaten in konstant starker Form. Auch in Paris wieder gewann er seine Zweikämpfe, grätschte er Angriffe weg und blockte Schüsse. Dass er dennoch noch Kraft hatte, in der Nachspielzeit zu einem 60 Meter Sprint Richtung gegnerischer Eckfahne anzusetzen, um Zeit von der Uhr zu nehmen, war die eigentliche Überraschung.

“Es ist außergewöhnlich, zweimal zu Null zu spielen gegen Paris. Natürlich brauchst du Glück, natürlich hätten wir auch zwei, drei Dinger kassieren können. Aber ich glaube, dass es im Verbund eine Topleistung in der Defensive war”, bilanzierte der frühere Freiburger, dem sein Nebenmann Hummels bereits vor dem Spiel attestiert hatte, dass er Fußball-Deutschland noch ganz viel Spaß bereiten werde.

Nagelsmann dürfte an Schlotterbeck nur schwer vorbeikommen

Wo man bei der Frage wäre, wieviel Spaß Schlotterbeck – und vielleicht ja auch Hummels – bereits diesen Sommer Deutschland bringen könnten. Beide Dortmunder Innenverteidiger waren ja zuletzt nicht berücksichtigt worden von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Mit Verweis auf das “Momentum” und seine Rollendefinition hatte er dem BVB-Duo im März Stuttgarts Waldemar Anton und Frankfurts Robin Koch vorgezogen.

Mit dem Momentum allerdings dürfte es jetzt, so unmittelbar vor der Heim-EM, schwer sein zu argumentieren, wenn man berücksichtigt, wie stark die Champions-League-Finalisten Schlotterbeck und Hummels als die Maurer der Gelben Wand auf dem allerhöchsten internationalen Level ablieferten.

Zumindest an Schlotterbeck dürfte Nagelsmann nur schwer vorbeikommen. “Wenn Schlotti mitdarf, dann würde es mich sehr für ihn freuen”, sagte Hummels selbstlos vor Paris. “Es wäre eine tolle Bestätigung.” Dass der frühere Freiburger geeignet sei, daran lässt sein elf Jahre älterer Kollegen ohnehin keinen Zweifel aufkommen: “Er ist ein großartiger Verteidiger, ein Anführer. Und er hat die nötige Einstellung.” Nur eins, das müsse er noch verbessern: seinen Offensivkopfball. Wie man das macht, konnte sich Schlotterbeck in Paris bei Hummels aus nächster Nähe abschauen.