Niedergeschlagener Tuchel hakt die Meisterschaft ab: “Glückwunsch an Leverkusen”

Niedergeschlagener Tuchel hakt die Meisterschaft ab: “Glückwunsch an Leverkusen”

Joshua Kimmich und Thomas Tuchel präsentierten sich nach dem deprimierenden 0:2 gegen Borussia Dortmund ratlos. Während der deutsche Nationalspieler vor allem die Einstellung bemängelte, holte der Bayern-Trainer etwas weiter aus – und schickte einen Gruß nach Leverkusen.

Ratlos? Thomas Tuchel wirkte nach dem 0:2 gegen Dortmund bedient, konnte Kritik nicht widersprechen.

Ratlos? Thomas Tuchel wirkte nach dem 0:2 gegen Dortmund bedient, konnte Kritik nicht widersprechen.

IMAGO/RHR-Foto

“Völlig frustrierend, völlig unerklärlich.” Joshua Kimmich sprach kurz nach dem 0:2 im Bundesliga-Topspiel gegen den BVB, das zugleich eine fast zehnjährige Serie reißen hatte lassen, im Sky-Interview das Offensichtliche aus. Zuschauer und besonders Bayern-Fans, die bereits weit vor dem Schlusspfiff die Allianz-Arena in Scharen verlassen hatten, dürften die Einstellung der Münchner Mannschaft an diesem Samstag klar hinterfragt haben.

Und Kimmich tat das ganz offen auch: “Gegen den BVB brauchst du eigentlich keinen, der dich motiviert, da musst du von selbst rennen, schon einen Tag vorher. Das geht normalerweise von allein. Doch das haben wir überhaupt nicht gezeigt.” Für den deutschen Nationalspieler hatte die Leistung und die Einstellung seines Teams eher etwas von Osterurlaub statt echter Wettkampf.

In den zweiten 45 Minuten habe man aus seiner Sicht “quasi das Gefühl gehabt, es geht um nichts, es ist ein Freundschaftsspiel”, so Kimmich weiter. “Unabhängig von der Tabellensituation darf uns das nie und nimmer passieren – und erst recht nicht in einem Heimspiel gegen Dortmund. Wir hatten eine relativ kurze Woche, weil einige von der Nationalmannschaft zurückgekommen sind. Doch für mich ist es selbstverständlich, dass man da ist, wenn der Schiedsrichter anpfeift.” Das aber war dem Team an diesem Karsamstag nicht geglückt.

Es gibt viele Gründe für jeden einzelnen von uns, gute Spiele zu zeigen.

Joshua Kimmich richtet sich ans Team

“Wenn wir solch eine Leistung wie heute bringen, dann wird’s gegen jeden Gegner schwer – auch nächste Woche in Heidenheim (Samstag um 15.30 Uhr, Anm. d. Red.)”, sagte Kimmich obendrein – und hing einen Appell dran: “Es gibt viele Gründe für jeden einzelnen von uns, gute Spiele zu zeigen – wir haben eine Europameisterschaft im Sommer, wir stehen als Mannschaft noch in der Champions League (Viertelfinale gegen Arsenal; Anm. d. Red.). Und ich bin schon der Meinung, dass wir uns über die Leistung in der Liga Selbstvertrauen sammeln müssen. Da muss jetzt jeder heimfahren und dann werden jedem sicherlich Gründe einfallen, warum man eine gute Leistung zeigen sollte.”

Tuchel blickt ins Leere

Sein Trainer Thomas Tuchel konnte dem nicht widersprechen – und tat das auch nicht. Vielmehr holte der im Sommer als Bayern-Coach scheidende 50-Jährige noch weiter aus. “Es ist schwer zu erklären und natürlich absolut zu wenig”, stieg der frühere Dortmunder (2015 bis 2017) ein. “Es ist offensichtlich extrem schwer für uns, mit dem richtigen Biss, mit der richtigen Leidenschaft Spiele anzugehen.”

Klare Worte, die in seinen weiteren Ausführungen nur weiter unterfüttert wurden: Es sei von seinem Team “kein hohes Niveau im Spiel” gewesen, es habe klaren Tempomangel gegeben. Und: “Wir haben die Leidenschaft komplett vermissen lassen. Es ist absolut zu wenig.” Das Bittere dabei, weshalb Tuchel auch etwas ins Leere blickte und sichtlich grübelte: “Wir dachten eigentlich, dass wir nicht mehr an den Punkt kommen, dass ein Spiel so dahingeht. Jetzt ist es offensichtlich wieder passiert.” Kritische Töne müsse er deshalb hinnehmen, da könne er an diesem Tag nicht kontern, nicht das Gegenteil behaupten. Dafür biete der Auftritt keine Grundlage.

Dass das Leverkusener Ergebnis vom Nachmittag, nach langem 0:1-Rückstand gegen Hoffenheim doch noch spät mit 2:1 gewonnen zu haben, ein Grund für die Leistung war, bestritt Tuchel übrigens auch nicht: “Mag sein. Ich kann die einzelnen Gründe nicht benennen.” Doch geholfen habe der Dreier der Werkself “sicherlich nicht. Es stand lange 0:1. Wir dachten, dass wir nochmal rankommen können. Es kann sein, dass es ein Teil war. Es kann sein, dass die Länderspielpause ein Teil war.”

Überhaupt hatte der FC Bayern leistungstechnisch “etwas komplett anderes vor. Doch es ist für uns offensichtlich extrem schwer, mit dem richtigen Biss Spiele anzugehen. Wir haben alle das Gefühl, dass wir in keiner Phase des Spiels den richtigen Spirit und die Leidenschaft auf den Platz gebracht haben, die nötig ist, um Spiele zu gewinnen. Es war in Summe kein gutes Spiel von beiden Teams – doch es war von uns in den elementaren Basics nicht genug.”

Müller ist “kein Mathematikprofessor”

Und so blieb Tuchel, der aufgrund des Bayer-Dreiers schon vorher von einem “Stimmungsdämpfer” gesprochen hatte, mit Blick auf die Tabelle nichts anderes übrig, als einen Glückwünsch gen Leverkusen zu entsenden. Die Meisterschaft sei für ihn nun sieben Spieltage vor Saisonende bei 13 Punkten Rückstand entschieden: “Nach dem Spiel heute brauchen wir nichts erzählen … Glückwunsch nach Leverkusen!”

Thomas Müller, der sich ebenfalls noch den Medien stellte, fiel auch kein hoffnungsvoller Satz in Richtung Meisterschaft mehr ein: “Ich bin kein Mathematikprofessor. Ich weiß zwar, dass es rechnerisch noch möglich ist.” Wirklich wahrscheinlich sei es jedoch nicht mehr.