Elfmeter-Zoff bei den Kroaten: Dalic tadelt Petkovic

Nach dem verkorksten EM-Start ist bei den Kroaten Feuer unter dem Dach. Am Tag nach der 0:3-Pleite gegen Spanien tadelte Coach Zlatko Dalic Stürmer Bruno Petkovic gleich in zweifacher Hinsicht.

Gefiel seinem Trainer beim 0:3 gegen Spanien ganz und gar nicht: Bruno Petkovic.

Gefiel seinem Trainer beim 0:3 gegen Spanien ganz und gar nicht: Bruno Petkovic.

IMAGO/Pixsell

Die Situation hätte das Spiel mutmaßlich auch bei positivem Ausgang nicht mehr gedreht, aber ein Thema war sie am Tag danach mehr denn je. Bruno Petkovic, der sich in der Schlussphase des Spanien-Spiels (0:3) als gefoulter Spieler den Ball zur Ausführung des Strafstoßes geschnappt hatte, bekam am Sonntag eine Breitseite vom eigenen Coach ab. “Kramaric und Modric waren nicht mehr im Spiel, aber Petkovic hätte nicht schießen dürfen”, sagte Kroatiens Coach Zlatko Dalic bei der Pressekonferenz am Sonntag im brandenburgischen Neuruppin, dem Basisquartier des WM-Dritten von 2022. “Die Regel besagt, dass der Spieler, der den Elfmeter erzwungen hat, nicht schießt. Wenn wir es nicht schaffen, es von der Bank aus zu lösen, gibt es eine Hierarchie in der Mannschaft. Perisic oder Majer hätten schießen sollen. Er hätte keinen Elfmeter schießen dürfen.”

Offene Kritik an Petkovic

Petkovic schoss, scheiterte an Spaniens Keeper Unai Simon – und sein direkt im Anschluss daran erzieltes Tor fand nach VAR-Intervention zu Recht keine Anerkennung, weil Vorbereiter Ivan Perisic minimal zu früh in den Strafraum gestartet war. Den nächsten Elfmeter, so viel ist seit dem Sonntag sicher, wird nicht Dinamo Zagrebs Angreifer Petkovic ausführen.

Dalic lakonisch: “Es gibt keine Übernahme von Verantwortung, ich werde das lösen.” Auch in der Szene, die zum Elfmeter führte, gefiel Petkovic, der von Rodri touchiert worden war, seinem Coach nicht. Er war ihm offenbar zu zögerlich. Nach Videostudium sagte Dalic am Sonntag: „Er hatte alles offen, ohne Torhüter. Vielleicht hat ihn dieser Kontakt (mit Rodri, d. Red.) aus dem Rhythmus gebracht, aber es war ein leeres Tor. Er hätte alles tun müssen, um das Tor zu erzielen. Das ist mein Eindruck.”

Trotzdem ein Startelf-Kandidat?

Dennoch könnte Petkovic für das zweite Gruppenspiel gegen Albanien am Mittwoch in Hamburg ein Thema für die Startelf werden, um die Strafraumpräsenz zu erhöhen. Gegen Spanien begann Ante Budimir im Sturmzentrum, nach dessen Auswechslung rückte Andrej Kramaric vom linken Flügel in die Mitte. Beide, der frühere St.-Pauli-Stürmer Budimir (jetzt Osasuna) und Hoffenheim-Profi Kramaric, blieben nahezu wirkungslos.

Der nach 56 Minuten für Budimir eingewechselte Ex-Bundesliga-Profi Perisic (Dortmund, Wolfsburg, Bayern), der sich nach einem Kreuzbandriss im Januar von Tottenham zu Hajduk Split hatte ausleihen lassen, um genügend Spielpraxis für die EM zu bekommen, bleibt offenbar Joker. “Es ist phantastisch, wie sehr er sich bemüht hat, um in die Nationalmannschaft zurückzukehren”, sagte Dalic über den Linksaußen. “Aber Tatsache ist, dass er nicht in der Verfassung ist, in der er vor der Verletzung war. Deshalb haben wir ihn 35 Minuten eingesetzt, um ihn für das zurückzubekommen, was wir brauchen.”

Was die Kroaten gegen Albanien in jedem Fall brauchen, ist ein Sieg. “Ich habe mich von den Testspielen gegen Mazedonien und Portugal nicht täuschen lassen, aber sie haben uns Grund zum Optimismus gegeben”, erklärte der Trainer. “Wir waren in diesen Spielen gut, aber gestern war es nicht gut. Der Gegner war zu gut für uns.” Über Konsequenzen, personell wie taktisch, mochte Dalic am Sonntag noch nicht sprechen, aber er kündigte an: „Vor uns liegen noch zwei Spiele, wir haben alles in unseren Händen. Aber wir müssen einige Dinge in der Herangehensweise ändern.” Nicht nur bei der Strafstoß-Ausführung.

Steffen Rohr

Neue Elfmeter-Regel greift: Darum zählte Kroatiens Tor gegen Spanien nicht

Weil der VAR eingriff, war Kroatien zum EM-Auftakt gegen Spanien nicht mal das Ehrentor vergönnt. Dabei spielte auch eine gerade erst eingeführte Regel eine Rolle.

Ivan Perisic beschwert sich bei Schiedsrichter Michael Oliver - vergeblich und zu Unrecht.

Ivan Perisic beschwert sich bei Schiedsrichter Michael Oliver – vergeblich und zu Unrecht.

IMAGO/Newspix

Dass es noch einmal spannend geworden wäre in Berlin, lässt sich kaum behaupten. Trotzdem war es bitter für Kroatien, als Schiedsrichter Michael Oliver beim Spiel gegen Spanien in der 82. Minute plötzlich den Arm hob: Das vermeintliche Tor zum 1:3 zählte nicht. Nur warum?

Es war eine kuriose Sequenz in mehreren Akten: Zunächst ging der eingewechselte Bruno Petkovic, der den Ball im Strafraum eigentlich nur noch ins leere Tor schieben musste, plötzlich zu Boden, weil ihn Rodri offenbar in der Schussbewegung behindert hatte – Oliver entschied auf Gelb für Rodri und Elfmeter für Kroatien. Petkovic scheiterte erst vom Punkt an Keeper Unai Simon, jubelte dann aber zunächst doch, weil Ivan Perisic den Abpraller als Erster erreicht und ihn gedankenschnell Petkovic erneut vorgelegt hatte.

Zu frühes Einlaufen ist nicht mehr automatisch ein Vergehen

Nur war der VAR damit nicht einverstanden – und schließlich hob Oliver den Arm: indirekter Freistoß für Spanien statt Tor für Kroatien. Der Grund: Perisic war ganz knapp zu früh in den Strafraum gelaufen. Und Oliver musste das regeltechnisch ahnden. Im neuen Regelwerk, das zur Saison 2024/25 und damit erstmals bei der EM greift, wurde präzisiert, wann es ein Vergehen ist, wenn ein Spieler bei einem Elfmeter zu früh in den Strafraum startet.

“Das Vergehen eines Mitspielers des Schützen wird nur geahndet, wenn: es den Torhüter eindeutig beeinträchtigt; oder der fehlbare Spieler den Ball spielt oder einen Zweikampf um den Ball führt und dann ein Tor erzielt oder zu erzielen versucht oder eine Torchance kreiert”, heißt es neuerdings zusätzlich in Regel 14, weil sonst “bei strikter Anwendung der Regel die meisten Strafstöße wiederholt werden würden”, so das zuständige International Football Association Board (IFAB).

Der Elfmeter wurde auch zu Recht nicht wiederholt

Perisic irritierte zwar Unai Simon nicht mit seinem Frühstart, kreierte in der Folge aber eine Torchance. Wie weit der Spieler zu früh in den Strafraum eingedrungen ist – ob nur einen halben Schritt oder zwei Meter -, ist dabei unerheblich. “Deshalb kann es nur eins geben: indirekter Freistoß wegen zu frühen Betretens”, erklärte DFB-Regelexperte Lutz Wagner am Samstag in der ARD.

Und ebenso korrekt war, den Elfmeter nicht zu wiederholen. Wenn sich ein Teamkollege des Schützen ein Vergehen leistet, wird der Strafstoß nur wiederholt, wenn er verwandelt wurde und gleichzeitig eine “Beeinträchtigung” vorlag.

Und so passte Luka Modrics Zusammenfassung nach Kroatiens 0:3 auch für diese Szene. “Heute”, sagte der Kapitän nach dem Schlusspfiff, “war einer dieser Tage, an denen nichts zusammengeht.”