Bayers Andrich und die Tore: “Das ließ ihn fast verzweifeln”

Gegen Hoffenheim bringt Robert Andrichs Treffer die späte Wende für Tabellenführer Leverkusen. Ein Tor, das umso interessanter ist, wenn man um die Geschichte des 29-Jährigen weiß. Sein einstiger Trainer Rüdiger Rehm erinnert sich.

Robert Andrich erzielte gegen Hoffenheim das 1:1 - doch leicht tat er sich mit dem Toreschießen nicht immer.

Robert Andrich erzielte gegen Hoffenheim das 1:1 – doch leicht tat er sich mit dem Toreschießen nicht immer.

IMAGO/Revierfoto

Sein Ausgleichstreffer sei “der Dosenöffner” gewesen, erklärte Leverkusens Mittelfeldmann Robert Andrich und lag damit freilich völlig richtig. Auf sein spätes 1:1 am Samstag gegen die TSG Hoffenheim folgte das noch spätere 2:1 von Patrik Schick – insofern kommt man nicht umhin, Sechser Andrich den Schuss zur Bayer-Wende zuzusprechen.

“Die Kombination, den Ball auf den zweiten Pfosten zu bringen, wo er noch mal in die Mitte gelegt wird – die haben wir schon häufiger gespielt”, sagte der Profi anschließend. Gegen die Sinsheimer brachte dieses Zusammenspiel des flankenden Florian Wirtz, des köpfenden Jonathan Tah und des schießenden Andrich das Tor, das den 23. Ligasieg des Tabellenführers erst ermöglichte. Ein Treffer, der umso interessanter ist, wenn man um die Geschichte des Schützen weiß.

Denn Rüdiger Rehm, zu Andrichs Drittliga-Zeiten in Wiesbaden der Coach des SV Wehen, weiß zu berichten, dass gerade jene Situationen im Strafraum einst zu dessen Schwachstellen gehörten. “Er musste lernen, torgefährlicher zu werden, weil er damals einige Chancen hatte liegenlassen.” Chancen, die häufig einem ganz ähnlichen Strickmuster entsprangen.

Bayers Andrich musste früher an seiner Torgefährlichkeit arbeiten

“In Wiesbaden”, sagt Rehm, “hatten wir damals ein sehr gutes Flügelspiel, dadurch kam der Ball oftmals in den Bereich zwischen Elfmeterpunkt und Fünfmeterraum, wo Rob stand.” Nur, sagt der 45-jährige Fußballlehrer, der zuletzt Waldhof Mannheim coachte: “Dass er mehrfach aus dieser Position vergab, ließ ihn fast ein wenig verzweifeln. Es waren immer wieder ähnliche Situationen.” Und immer wieder vergab der Mittelfeldspieler.

Also habe er dem jungen Andrich seinerzeit nahegelegt, “die negativen Gedanken aus seinem Kopf zu streichen und sich auf die nächste Aktion zu fokussieren”. Es sei nur darum gegangen, “noch konzentrierter, noch fokussierter” zu sein – “an der Technik lag es nicht”. Andrich, sagt Rehm, habe den Hinweis angenommen – und sich in den vergangenen Jahren generell großartig entwickelt.

Zur Erinnerung: Erst 2018 wechselte der heutige Nationalspieler in die 2. Liga und schaffte es über den damaligen Zweitligisten 1. FC Heidenheim und die Bundesligisten Union Berlin und Bayer Leverkusen ins DFB-Team. “Rob ist ein Beispiel dafür, was man aus seiner Karriere machen kann, wenn man hart arbeitet”, sagt Rehm dem kicker.

Rehm lobt Andrichs enorme Anpassungsfähigkeit

“Es gab für ihn keine wirkliche Grenze, weil er schon damals viele wichtige Fähigkeiten hatte. Aber er hat natürlich unheimlich viel an sich gearbeitet. Wenn ein Spieler mit 22, 23 noch in der 3. Liga spielt, dann kann man davon ausgehen, dass er nicht unbedingt Nationalspieler wird.” Andrich habe einen “ungewöhnlichen Weg” zurückgelegt, meint Rehm. “Und niemand, der damals in Wiesbaden dabei war, wird gesagt haben, dass Rob bei der EM 2024 gute Chancen haben würde, Stammspieler zu sein.”

Er habe es sich hart erarbeitet. Mit Fleiß und der Fähigkeit, “sich immer wieder anzupassen”. Denn Rehm sagt auch: “Ich sehe ihn eigentlich genauso spielen wie damals, allerdings spielt er sein Spiel jetzt auf einem absoluten Top-Niveau.” Andrich sei “zweikampfstark, immer anspielbar, technisch gut, er coacht auf dem Platz, bleibt positiv.” Und ab und an, da trifft er auch.

Gegen Hoffenheim erzielte er sein 14. Tor in der Bundesliga und sein insgesamt 34. Pflichtspieltreffer im Profifußball, wobei ihm davon nur drei per Kopf gelangen. Daran kann Andrich sicher noch arbeiten. Auch gegen die TSG ergab sich dem Bayer-Profi eine Chance, doch sein Kopfball flog vorbei. Kurz vor Schluss musste es deshalb sein wuchtiger Rechtsschuss richten.

In der Dienstausgabe des kicker (am Montagabend auch digital abrufbar als eMagazine) sprechen verschiedene Wegbegleiter über Andrichs steinigen Aufstieg in die Nationalelf. Sie berichten über den Charakter und den Spieler Andrich, der viele Hürden überwinden musste – auch selbst verschuldete.

Leon Elspaß