“Nicht normal”: Werner über “Hubschrauber-Video” von Neuzugang Coulibaly

Werder Bremen fiebert dem Saisonfinale gegen den VfL Bochum entgegen. Am Donnerstag sprach Cheftrainer Ole Werner aber auch noch über den Aufstieg von Ex-Klub Holstein Kiel – und ein durchaus spezielles Video von Sommer-Neuzugang Karim Coulibaly.

Gesprächsbedarf: Ole Werner (li.) sprach am Donnerstag auch über Karim Coulibaly.

Gesprächsbedarf: Ole Werner (li.) sprach am Donnerstag auch über Karim Coulibaly.

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Die Pressekonferenz bei Werder Bremen war am Donnerstag vollgepackt mit Themen. Zum Abschluss der knapp 25-minütigen Medienrunde, die auch Bremer Spieler-Verabschiedungen und den Verzicht auf Marvin Ducksch im deutschen EM-Kader beinhaltete, kam die Sprache auf Karim Coulibaly.

Der 16-Jährige wechselt im kommenden Sommer aus dem Nachwuchs des Hamburger SV an die Weser. Cheftrainer Ole Werner machte dem “talentierten” Verteidiger bereits Hoffnungen, “dass er im Profi-Training trotz seines jungen Alters schon reinschnuppern kann”.

Wie ein internationaler Star hatte Coulibaly jedenfalls seinen Wechsel bei Instagram inszeniert. Gemeinsam mit seinem Berater trat das Abwehrtalent den Weg nach Bremen per Hubschrauber an – mit Blick gen Weserstadion. “Normal ist das sicherlich nicht”, sagte Werner angesprochen auf das Video, das auch ihm nicht entgangen war: “Man sieht es ja nicht so oft, muss man sagen.”

Ich weiß nicht, ob man einem Jungen, der 16 ist, so einen wahnsinnig großen Vorwurf machen kann.

Ole Werner über Karim Coulibaly

Wenn Coulibaly ihm im Sommer über den Weg läuft, werde es sicher nicht “nochmal ein großes Thema”, da es laut Werner zwischen Verein und Berater-Seite bereits “einen Austausch zu dem ganzen Thema” gibt.

“Ich weiß nicht, ob man einem Jungen, der 16 ist, so einen wahnsinnig großen Vorwurf machen kann”, sagte Werner, der vielsagend hinterherschob: “Man trifft da nicht jede Entscheidung selbst, deshalb ist das, glaube ich, eher eine Frage des Drumherums, als eine des Jungens selbst.”

Das unnötig geöffnete Fass bezeichnete Werner als “sehr schade für den Jungen, weil er grundsätzlich ein guter Junge ist”. Er wolle ihm dennoch “unvoreingenommen” begegnen und ihn sich beweisen lassen.

“Passiert mir eigentlich nur, wenn wir selber Spiele gewinnen”

Eine Liga tiefer hat sich derweil Holstein Kiel bewiesen, das den erstmaligen Aufstieg in die Bundesliga perfekt machte. Werner trug zwischen 2019 und 2021 maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Auch deswegen freue er sich “wahnsinnig für den Verein” – und darauf, “Erstliga-Stimmung im Holstein-Stadion” zu erleben.

Amos Pieper habe er am trainingsfreien Montag getroffen und diesem Einblick in seine Gefühlswelt gegeben. “Ich habe ihm gesagt, dass ich aktuell schlecht schlafen kann. Das passiert mir eigentlich nur, wenn wir selber Spiele gewinnen”, erklärte Werner mit einem Schmunzeln: “Das ist manchmal aus einer Euphorie heraus, dann schläft man schlecht und ich habe es tatsächlich nach dem Kieler Aufstieg auch gehabt.”

Verdient sei der erstmalige Aufstieg ins Oberhaus allemal. “Da sind viele sehr, sehr gute Leute am Werk und es ist nicht lange her, dass der Verein in der 4. Liga war, dass der Verein mehr oder weniger das Gespött der Stadt war und sehr im Schatten der Handballer stand”, erinnert sich Werner. Seine Vorfreude auf die direkten Duelle in der nächsten Saison ist schon jetzt greifbar.

Vuskovic: Zittern bis August

Nach zwei Verhandlungstagen und insgesamt 13 Stunden war der Prozess vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne beendet. Das Zittern um die Zukunft geht für den wegen Dopings gesperrten HSV-Verteidiger Mario Vuskovic noch weiter. Bis mindestens Anfang August.

Wie geht es für ihn weiter? Mario Vuskovic.

Wie geht es für ihn weiter? Mario Vuskovic.

IMAGO/Zink

Sportvorstand Jonas Boldt war zur moralischen Unterstützung des 22-jährigen Kroaten ebenfalls ins schweizerische Lausanne gereist. Der 42-Jährige sagte am Mittwochnachmittag gegenüber der Bild, dem NDR, dem Hamburger Abendblatt und der MOPO: “Wir können davon ausgehen, dass es eine Entscheidung vor Saisonstart geben wird.” Die 2. Liga beginnt am 2. August.

Wie schon vor dem DFB-Sportgericht, das Vuskovic im Vorjahr für zwei Jahre gesperrt hatte, ging es auch vor dem CAS vor allem um die Grundsatzdebatte in der EPO-Analytik. Die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA und die Welt-Doping-Agentur WADA verteidigen ihr SAR-Page-Verfahren, bei dem Bilder abgeglichen werden. Die Vuskovic-Anwälte und von denen in Auftrag gegebene Gutachter sprechen von einen “falsch-positiven” Test, kritisieren zudem das gesamte Verfahren.

Mit dem kanadischen Protein-Chemiker David Chen hatte die Vuskovic-Seite einen ganz großen Hoffnungsträger für die Verhandlungen in Lausanne eingeflogen. Chen erklärte, weshalb die im September 2022 nach einer hohen Belastung entnommene Probe aus seiner Sicht negativ war, die WADA bleibt bei ihrem Standpunkt, keinen Fehler begangen zu haben.

WADA und NADA fordern eine Sperre von vier Jahren

Befragt wurde auch Keith Ashcroft, der bereits im Vorfeld des Verfahrens vor dem DFB-Sportgericht zwei Lügendetektortests bei Vuskovic durchgeführt hatte. Diese finden vor deutschen Gerichten keine Anerkennung, in der Schweiz aber sehr wohl. Ein weiterer Hoffnungsschimmer? Vuskovic hatte beide bestanden, beteuerte wie schon während der Verhandlungstage in Frankfurt im Vorjahr sehr emotional seine Unschuld. Auch HSV-Teamarzt Wolfgang Schillings sagte in Lausanne aus, berichtete von unauffälligen Blutwerten, nach denen systematisches Doping auszuschließen sei. Hinzu kommt: Auch die Hamburger Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen den Spieler eingestellt, da auf dessen sämtlichen elektronischen Geräten keinerlei Spuren festgestellt worden sind – ein Novum bei EPO-Doping.

Die Standpunkte haben beide Seiten energisch vertreten und liegen dabei so weit auseinander wie bei ihren Forderungen: Vuskovic machte abermals deutlich, dass es ihm nicht um eine Reduzierung der Strafe geht – im November wären zwei Jahre abgelaufen – sondern um eine Rehabilitierung und um Freispruch, WADA und NADA fordern eine Sperre von vier Jahren.

Sebastian Wolff

Tage der Entscheidung für Vuskovic

Tage der Entscheidung stehen beim Hamburger SV dieser Tage nicht nur in der Vorstandsetage des Klubs an – ab dem heutigen Dienstagmorgen geht es im schweizerischen Lausanne vor dem internationalen Sportgerichtshof (CAS) auch um die Karriere des wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic.

Bangen in Lausanne: Mario Vuskovic.

Bangen in Lausanne: Mario Vuskovic.

picture alliance/dpa

Zwei Verhandlungstage sind angesetzt im Verfahren um den 22-jährigen Verteidiger, der seit dem November 2022 wegen Verdacht auf Epo-Doping zunächst aus dem Verkehr gezogen und vor dem DFB-Sportgericht im März 2023 für zwei Jahre gesperrt wurde. Ein Urteil gegen das sowohl der HSV und sein Profi als auch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und die Nationale Anti-Doping-Agentur NADA Einspruch eingelegt haben, denn: Vuskovic versichert seine Unschuld und fordert einen Freispruch, die Gegenseite hingegen die festgelegte Sperre von vier Jahren – sie wäre nahezu gleichbedeutend mit dem Karriereende des talentierten Innenverteidigers.

Die Hanseaten hatten in der Vergangenheit leidenschaftlich für Vuskovic gekämpft, Ex-Trainer Tim Walter hatte die Sperre einst “als eine große Sauerei” bezeichnet, auch in Lausanne wird nun Sportvorstand Jonas Boldt als Unterstützung vor Ort sein. Der erste Verhandlungstag beginnt mit der Anhörung, in der der Kroate abermals seine Unschuld beteuern wird und durch zwei Wissenschaftler unterstützt wird, die die Dopingprobe als negativ bewerten. Seine Hoffnungen ruhen vor allem auf dem US-Anwalt Paul Greene, der vor einem Jahr in einem ähnlichen Fall den Leitathleten Peter Bol vertreten hatte. Auch der Mittelstreckenläufer war nach seiner Verurteilung vor den CAS gezogen, in beiden Fällen sah und sieht die Verteidigung einen “falsch-positiven” Dopingtest.

Hilft Vuskovic der Lügendetektortest?

Bol wurde in Lausanne freigesprochen – und Vuskovic? Der hat als weitere Hoffnung noch einen Lügendetektortest. Den hatte er bereits zu Beginn des ersten Verfahrens in Manchester absolviert und bestanden, und: Anders als vor dem DFB-Sportgericht wird dieses Ergebnis vor dem CAS berücksichtigt und in das Urteil einfließen.

Klar ist, dass das Zittern für und um Vuskovic auch nach dem Ende des zweiten Verhandlungstages am Mittwoch noch weitergehen wird: Das endgültige Urteil und damit die Entscheidung über seine Karriere wird schriftlich und erst in einigen Wochen verkündet.

Sebastian Wolff

“Das schlimmste Szenario”: Schmadtke-Absage wegen HSV-Aufsichtsrat?

kicker-Reporter Sebastian Wolff über den HSV 13.05.2024

“Das schlimmste Szenario”: Schmadtke-Absage wegen HSV-Aufsichtsrat?

2:39Der Hamburger SV wird in der nächsten Saison in sein siebtes Zweitligajahr gehen. Für kicker-Reporter Sebastian Wolff muss sich so einiges ändern, damit der einstige Erstliga-Dino wieder ins Oberhaus zurückkehren kann.

HSV in der Zukunftsfalle: Lähmende Uneinigkeit

Der HSV hat seit dem Wochenende Gewissheit über einige Eckdaten: Er ist nach den Aufstiegen von Kiel und St. Pauli hinter diesen Nachbarn und Werder Bremen nur noch die Nummer 4 im Norden und der neue Zweitliga-Dino.

HSV-Coach Steffen Baumgart hofft auf Einheitlichkeit.

HSV-Coach Steffen Baumgart hofft auf Einheitlichkeit.

IMAGO/Ulrich Hufnagel

Keine Klarheit hingegen herrscht darüber, in welcher personellen Konstellation es in die Zukunft geht.

Steffen Baumgart hat nach dem schlimmen 0:1 in Paderborn, dem Ende aller theoretischen Hoffnungen auf die Relegation, erklärt, der HSV habe nun zumindest den Vorteil einer frühzeitigen Planungssicherheit. “Vielleicht hilft uns das ja. Wir können nun zumindest vernünftig planen.” Nur, wer plant?

Uneinigkeit im Aufsichtsrat

Der zeitliche Vorsprung bei der Zukunftsplanung wird in diesen Tagen verspielt durch Uneinigkeit im Aufsichtsrat. So nachvollziehbar der Ansatz der Räte ist, sich nicht treiben zu lassen in der Frage, ob es mit dem Sportvorstand Jonas Boldt weitergehen soll oder nicht, so deutlich wird bei den verschiedenen geführten Gesprächen auch: Es herrscht Uneinigkeit im Gremium, die lähmt. Zwei Räte, Markus Frömming und Stephan von Bülow, haben eine Lösung mit Felix Magath favorisiert und abgeklopft. Geträumt wurde anfangs auch von Ralf Rangnick, gesprochen wurde außerdem mit Jörg Schmadtke. Der für seine Geradlinigkeit bekannte frühere Torhüter aber steht nach dem ersten Austausch nicht zur Verfügung, weil er die unterschiedlichen Interessen im Gremium spürte.

Ein Verbleib von Boldt ist nicht ausgeschlossen

In dieser Woche will der Aufsichtsrat zusammenkommen, ein Verbleib von Boldt auch nach dessen fünftem gescheiterten Aufstiegs-Versuch ist damit weiterhin keineswegs ausgeschlossen – klar aber ist schon jetzt: Auch das wäre ein Kompromiss im Gremium. Geschlossen hinter einer Idee stehen die Räte aktuell nicht – ein denkbar schlechter Nährboden für eine bessere Zukunft.

Baumgart hofft, zumindest öffentlich, dass es einheitlich vorwärts geht: “Ich glaube, dass wir gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.” Viele Anzeichen indes sprechen nicht dafür. Der Coach hat am Wochenende offen eine Debatte angestoßen, dass es nun darum gehen müsse, welche Dinge der HSV künftig tatsächlich brauche, um aufzusteigen: “Brauchen wir wirklich nur die besten Spieler oder auch Jungs, die andere Qualitäten haben?” Als Trainer führt er die Personaldebatte naturgemäß bezüglich seiner Spieler. Die Frage, was der HSV braucht, bedarf aber einer Antwort, die tiefergehen muss. Denn Probleme hat dieser Verein nicht nur auf dem Platz und auch nicht nur in der sportlichen Führung – sondern, das zeigt der augenblickliche Prozess der Vorstandssuche, auch im Aufsichtsrat.

Sebastian Wolff

Wo HSV drauf stand, steckte nur wenig Baumgart drin

In einer Partie, in der es um alles oder nichts ging, kam vom HSV am Freitagabend – nichts. Das 0:1 in Paderborn besiegelt das sechste Scheitern im Aufstiegskampf, und die Leistung der Hanseaten war eines Aufstiegsanwärters nicht würdig.

Steffen Baumgart trug in Paderborn mehr Leidenschaft nach außen als seine Schützlinge.

Steffen Baumgart trug in Paderborn mehr Leidenschaft nach außen als seine Schützlinge.

IMAGO/Ulrich Hufnagel

Als Steffen Baumgart nach dem vorzeitigen Ende aller Aufstiegsträume vor das Sky-Mikrofon ging, wurde der Hamburger Trainer mit Sprechchören gefeiert – von den Paderborner Fans. Die Ostwestfalen haben die Erfolgsgeschichte des gebürtigen Rostockers an der Pader nicht vergessen, und auffällig beim ersten Wiedersehen war: Während der SCP unter Nachfolger Lukas Kwasniok immer noch Baumgart-Fußball mit Vollgas praktiziert, agierte Baumgarts aktuelle Mannschaft nur mit Standgas.

Unzählige Fehler im Spielaufbau, Nachlässigkeiten in der Defensive, exemplarisch dafür steht Miro Muheims Schläfrigkeit vor dem entscheidenden Gegentor, und kaum Tempo und Klarheit in der Offensive – wo HSV drauf stand, steckte ausgerechnet in Paderborn nur wenig Baumgart drin.

HSV hat “zu viele Aktionen, die man so nicht machen kann”

Der 52-Jährige analysierte das Geschehen im Moment, da das Scheitern besiegelt war, mit bemerkenswertem Tiefgang. Er sprach seinen Profis nicht den nötigen Willen ab, obwohl der Vortrag über weite Strecken insbesondere der ersten Hälfte danach ausgesehen hatte, er sagte: “Die Fehlerquote für so ein Spiel war zu hoch. Wir hatten zu viele Aktionen, die man so nicht machen kann.”

Weil dies nicht zum ersten Mal der Fall war, ist der Nicht-Aufstieg die logische Konsequenz. Auch aus Sicht des Trainers. “Es ist nicht heute passiert, sondern es sind über das ganze Jahr viele Dinge passiert. Es hat vor mir und mit mir nicht vieles dafür gesprochen, dass wir aufsteigen.” Sich selbst nimmt er ausdrücklich nicht aus der Verantwortung. Er verweist auf einen Entwicklungsprozess, der vor Paderborn tatsächlich sichtbar geworden ist („Die Jungs werden immer klarer“), räumt aber ein: “Auch seit ich da bin, haben wir zwei, drei Spiele liegen gelassen, das darf so nicht passieren.”

Mehr als Qualität? Woran es dem HSV laut Baumgart fehlt

Für Baumgart steht vor der siebten Zweitligasaison des HSV fest, dass nun etwas Grundlegendes passieren muss. “Wir müssen gucken, welche Jungs die Richtigen sind, um den Angriff auf die Bundesliga an diesem Standort wirklich anzugehen und nicht nur darüber zu reden.” Aus seiner Sicht geht es um diese Frage: “Brauchen wir wirklich nur die besten Spieler oder auch Jungs, die andere Qualitäten haben?”

Zweifel daran, dass er den nächsten Anlauf nehmen will, lässt Baumgart keine aufkommen. Sein Vertrag wurde im Februar unabhängig von der Ligazugehörigkeit bis 2025 abgeschlossen und er versichert: “Ich möchte gern mit diesem Verein nach oben. Jetzt bin ich sauer und traurig, aber ich möchte im nächsten Jahr angreifen.”

Sebastian Wolff

HSV-Fehler auf allen Ebenen schreien nach einer schonungslosen Analyse

Der HSV hat auch im sechsten Anlauf die Rückkehr in die Bundesliga verpasst, und das Scheitern war lange nicht mehr so verdient wie in dieser Spielzeit. Fehler auf allen Ebenen schreien geradezu nach einer schonungslosen und ergebnisoffenen Analyse. Ein Kommentar von kicker-Reporter Sebastian Wolff.

Steht vor ungemütlichen Wochen: Jonas Boldt.

Steht vor ungemütlichen Wochen: Jonas Boldt.

picture alliance/dpa/kicker

Vor genau fünf Jahren ist der einstige Bundesliga-Dino am 33. Spieltag schon einmal in Paderborn endgültig aus dem Aufstiegsrennen ausgeschieden. Im Mai 2019 war es nach einem 1:4 das erste Mal und es folgte ein personelles Beben mit dem Ende von Trainer Hannes Wolf und der Abberufung von Sportvorstand Ralf Becker. Ihm ist seinerzeit Jonas Boldt gefolgt, unter dessen Führung es seitdem trotz vergleichsweise luxuriösen wirtschaftlichen Voraussetzungen nicht gelungen ist, die Liga nach oben zu verlassen.

Dass der frühere Leverkusener zuletzt fast wöchentlich auf seine Verdienste außerhalb des sportlichen Bereichs verwies, mag aus seiner persönlichen Sicht nachvollziehbar sein, es darf aber bei den Entscheidern nicht den Blick darauf vernebeln, dass der Sport das Kerngeschäft Boldts ist. Und in diesem ist er gescheitert. Fünf Mal.

Ein Verein arrangiert sich mit der Zweitklassigkeit

Dass die leidgeprüften Anhänger nach einer Leistung, die eines Spiels der letzten Chance nicht würdig war, tapfer “Mein Hamburg lieb ich sehr” intonierten, hat etwas Bewegendes, und ist exakt das, was Boldt sich als Verdienst ans Revers heftet. Es drückt gleichzeitig aber auch aus, dass sich Hamburg immer mehr arrangiert mit der 2. Liga. Und genau das wurde letztlich auch am Freitagabend sichtbar. Denn der Auftritt in Paderborn war das Spiegelbild einer gesamten Saison: Immer, wenn es drauf ankam, war der HSV nicht da. Die Mannschaft war in der Lage, sich, wie jüngst im Stadt-Derby, situativ hochzufahren, sie hatte aber nicht die Stabilität, sich konstant am Limit zu bewegen.

Boldts Walter-Bekenntnis und die Außenwirkung

Die Gründe dafür müssen schonungslos und selbstkritisch analysiert werden. Und zwar schonungsloser und selbstkritischer als das im vergangenen Sommer nach der zweiten verlorenen Relegation gegen Stuttgart geschehen ist. Dass von Boldt öffentlich verkündete “Weiter so” mit Tim Walter noch vor der anberaumten Saisonanalyse erwies sich letztlich als verheerendes Signal. Und es geht dabei weniger darum, ob die Entscheidung richtig oder falsch war, sondern vielmehr darum, dass mit dem Zeitpunkt der Verkündung der Eindruck entstehen konnte, die kritische Aufarbeitung und damit letztlich auch der Leistungsgedanke stünden nicht im Vordergrund.

Wenn Steffen Baumgart nach dem erneuten Scheitern nun sagt, es gehe bei der Besetzung der neuen Mannschaft auch darum, ob allein Qualität reiche, um in Hamburg aufzusteigen, oder ob es womöglich anderer Tugenden bedarf, dann ist das angesichts der glaubhaften Loyalität des Trainers mit Sicherheit kein Frontalangriff auf Boldt – die Aussage zeigt aber, dass vor den Fehlern auf dem Platz auch Fehler bei der sportlichen Leitung begangen worden sind. Und diese gehören bei der Analyse auf den Tisch.

Baumgart: Rückkehr auch ohne Hadzikadunic?

Am Freitag kehrt Steffen Baumgart mit dem HSV erstmals als Cheftrainer an seine ehemalige Wirkungsstätte Paderborn zurück. Der 52-Jährige verhehlt nicht, dass die Reise eine ganz besondere für ihn ist.

Ob HSV-Trainer Steffen Baumgart auf Dennis Hadzikadunic setzen kann, ist noch offen.

Ob HSV-Trainer Steffen Baumgart auf Dennis Hadzikadunic setzen kann, ist noch offen.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Dass die nächste letzte Chance im Kampf um Platz 3 gleichzeitig auch bedeutet, dass Baumgart und seine Hamburger die erst Samstag spielenden Düsseldorfer durch die Spieltagkonstellation mit einem Sieg unter Druck setzen können, steht naturgemäß im Vordergrund. Den Versuch, die besondere Bedeutung der Partie für ihn persönlich herunterzuspielen, unternimmt der gebürtige Rostocker im Vorfeld des Wiedersehens dennoch nicht.

“Der SCP ist meine wichtigste Station, weil ich dort als Trainer die erste richtige Chance bekommen habe.” Nach Engagements in Magdeburg, bei Köpenick-Oberspree und dem Berliner AK trat er im April 2017 seinen Dienst in Ostwestfalen an, blieb am grünen Tisch in der 3. Liga und schaffte mit dem Klub dann binnen zwei Jahren den Durchmarsch in die Bundesliga.

Hamburger Restprogramm

Parallelen zum Mai 2019

Entscheidend für den Aufstieg ins Oberhaus war am 33. Spieltag der Spielzeit 2018/19 ein Sieg gegen den HSV. Nun gibt es diese Paarung wieder in der vorletzten Runde einer Saison, Baumgart aber sagt: “Die Vorzeichen sind jetzt andere.” Das indes stimmt nur bedingt.

Zwar kann der SCP nichts mehr außer den drei Punkten gewinnen, der HSV aber wie vor fünf Jahren alles verlieren. Nach dem 1:4 seinerzeit waren Aufstieg und Relegationsrang im ersten Zweitligajahr der Vereinsgeschichte rechnerisch nicht mehr möglich. Auch jetzt wäre alles andere als ein Sieg gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Saisonende.

Hochachtung für Kwasniok

Baumgart versichert dennoch im Brustton der Überzeugung: “Ich freue mich auf das Spiel.” Und auch auf das Wiedersehen. “Der Verein wird immer in meinem Herzen bleiben. Und das liegt nicht nur an der sehr erfolgreichen Zeit, sondern auch daran, wie wir miteinander umgegangen sind.” Sein Nachfolger Lukas Kwasniok ist bereits im dritten Jahr im Amt, und der Vorgänger sagt voller Hochachtung: “Unter Lukas besteht eine gute Struktur, sie spielen sehr offensiv, haben immer viele Großchancen und spielen mit den besten Fußball.”

Umbaumaßnahmen im Zentrum drohen

Beim Versuch, Kwasnioks Offensivfußball zu bremsen, muss Baumgart im Zentrum womöglich noch mehr Umbaumaßnahmen vornehmen, als schon zur Wochenmitte klar war. Nach der Sperre von Jonas Meffert hatte der Coach am Mittwoch zunächst das Aus von Immanuel Pherai (Prellung) verkündet.

Neben den beiden zentralen Mittelfeldspielern droht auch der Ausfall eines Innenverteidigers: Dennis Hadzikadunic, seit dem Trainerwechsel überaus stabil, trainierte am Donnerstag wegen einer Erkältung nur eingeschränkt. Muss der Bosnier passen, würde Stephan Ambrosius ins Abwehrzentrum rücken.

Sebastian Wolff

HSV: Zentrale Fragen für Baumgart

In Paderborn geht es für den HSV und Steffen Baumgart am Freitag um die nächste letzte Chance. Im Kampf um die Relegation muss der Trainer sein Mittelfeld-Zentrum im Vergleich zum jüngsten 1:0-Sieg über St. Pauli gehörig umbauen.

Muss im Mittelfeld umbauen: Steffen Baumgart.

Muss im Mittelfeld umbauen: Steffen Baumgart.

IMAGO/Oliver Ruhnke

Jonas Meffert hatte im Derby die zehnte Gelbe Karte bekommen und fehlt definitiv. Seit Mittwoch besteht auch Gewissheit, dass Immanuel Pherai passen muss. Der Mittelfeldmann hatte am vergangenen Freitag einen Schlag abbekommen und während der gesamten bisherigen Trainingswoche pausiert. Auf der Pressekonferenz am Mittwoch legte sich Baumgart nun fest, dass er ohne den zuletzt stark verbesserten Niederländer zu seinem Ex-Klub reist: “Manu wird nicht dabei sein. Wir hoffen, dass er in der kommenden Woche wieder einsteigen kann.”

Hinzu kommt unverändert das Fragezeichen hinter Laszlo Benes. Drei Partien hatte der Slowake wegen muskulärer Probleme verpasst, am Mittwoch bestritt er, wie Flügelstürmer Bakery Jatta nach auskurierten Knieproblemen, weite Teile des Mannschaftstrainings. Ein, zwei Einheiten reichen Baumgart in der Regel nicht, um einen Spieler, der etwas länger aus dem Trainingsbetrieb war, direkt wieder einzusetzen, im Fall seines effektivsten Mittelfeldspielers (zwölf Tore, dreizehn Vorlagen) aber deutet er an, eine Ausnahme zumindest in Erwägung zu ziehen. “Die Entscheidung über Laci werden wir am Donnerstag treffen. Aber wer seine Qualitäten kennt, der weiß, dass ein Trainer auf diese nicht gern verzichtet.”

Der Gedanke an eine “Ausnahmeregelung” bei Benes liegt auch an den vielen offenen zentralen Fragen: Gegen den Ball hatte der Trainer zuletzt in einem 4-2-3-1-System spielen lassen, Meffert wurde durch Lukasz Poreba unterstützt, Pherai agierte als Zehner. Im Aufbau ist Ludovit Reis aus der Rechtsverteidigerrolle ins Mittelfeld vorgerückt. Dort könnte Reis auch in Paderborn beginnen, da der etatmäßige Rechtsverteidiger Ignace van der Brempt wieder fit ist. Das konnte bedeuten: In einem 4-3-3 wäre Poreba der alleinige Sechser und Reis einer von zwei Achtern. Der zweite wäre entweder Benes oder Anssi Suhonen, der in dieser Spielzeit verletzungsbedingt erst ein Mal zur Startelf gehört hat (beim 2:1 gegen Kaiserslautern).

Die Herangehensweise ist unabhängig von den Personalrochaden. “Es geht darum, unser Spiel zu gewinnen”, sagt Baumgart, “dann können wir schauen, was am Tag danach Düsseldorf macht.” Die Fortuna spielt am Samstag in Kiel, und ausschließlich ein eigener Dreier wäre Anlass, noch gespannt auf das Topspiel zu blicken

Sebastian Wolff

Als der HSV wegen einer Papierkugel aus dem UEFA-Cup flog

Wisst ihr noch…? 07.05.2024

Als der HSV wegen einer Papierkugel aus dem UEFA-Cup flog

1:06Es ist die Geschichte, bei dem die eigenen Fans dem Hamburger SV Schaden zufügten. Eine Papierkugel, die den Ball so unglücklich abfälschte sorgte ausgerechnet für die Ecke, die das Ausscheiden im UEFA-Cup bedeutete. Zu all dem Leid auch noch im eigenen Stadion gegen den Erzrivalen Werder Bremen.