Warum Kompany Trainer wurde – und was ihn für Bayern spannend macht

Warum Kompany Trainer wurde – und was ihn für Bayern spannend macht

Mit Vincent Kompany (38) hat der FC Bayern einen aufstrebenden Trainer verpflichtet. Die Münchner hoffen derweil auf ein ähnliches Juwel wie Leverkusen.

Hatte bei Burnley eine klare Spielidee: Vincent Kompany.

Hatte bei Burnley eine klare Spielidee: Vincent Kompany.

picture alliance / empics

Einen “Schock für City” beschrieb der kicker in seinem Live-Ticker vor etwas mehr als acht Jahren, am 4. Mai 2016. Manchester City war fürs Halbfinal-Rückspiel in der Königsklasse zu Gast bei Real Madrid, als Vincent Kompany in der 8. Minute einen Vorstoß ins Mittelfeld wagte, sich an die Adduktoren fasste und liegen blieb. Monatelang fiel der Kapitän anschließend aus, verpasste deshalb die Sommervorbereitung unter dem neuen Trainer Pep Guardiola und konnte nur zuschauen, wie der gerade vom FC Bayern gekommene Katalane selbst einen Vorbereitungskick gegen Thomas Tuchels Dortmunder (6:5 i. E.) so akribisch anging, als wäre es ein Champions League-Spiel. Damals, sagte der Belgier später in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, “stand für mich fest, eines Tages auch Trainer werden zu wollen”.

Gesagt, getan. Nach elf Jahren, vier Meisterschaften und sechs Pokalsiegen bei ManCity ließ Kompany seine Karriere als spielender Trainer bei RSC Anderlecht ausklingen, übernahm das Ruder bei seinem Kindheitsverein anschließend komplett und zog im Juli 2022 weiter zum FC Burnley in die zweite englische Liga. “Ich war früher Verteidiger, aber meine Leidenschaft ist das Toreschießen”, sagte er selbst, als er sich seinen Spielern vorstellte. “Meine Leidenschaft ist es, Mannschaften zu haben, die jede Gelegenheit nutzen, um Tore zu schießen. In jeder Phase des Spiels sollten wir einen Plan und eine Idee haben, um ein Tor zu erzielen.”

Mit den Clarets verzeichnete Kompany in der Championship den höchsten Ballbesitzanteil (64 Prozent, Allzeit-Rekord), die meisten Tore (87), sammelte satte 101 Punkte, kassierte mit 35 die wenigsten Gegentreffer und musste in 46 Spielen nur drei Niederlagen verantworten.

Der dominante Aufsteiger stieg sang- und klanglos

“Ich mag die Reise, ich mag die Arbeit mit den Spielern, und ich mag es, sie zu verbessern”, meinte Kompany, bevor er im vergangenen Sommer als Trainer in die Premier League zurückkehrte. Doch die Reise hielt einige Prüfungen bereit für den immer noch relativ unerfahrenen Trainer, der schnell erkennen musste, dass seine Spielweise im hochklassigen Oberhaus nicht fruchtete. Zu unerfahren war seine für 115 Millionen Euro verstärkte Mannschaft, zu schlecht im Vergleich. Kompany fand keine Anpassungen. Oder wollte nichts anpassen, wie Experten kritisieren.

Der dominante Aufsteiger stieg sang- und klanglos ab: als Vorletzter mit lediglich fünf erreichten Siegen 24 mickrigen Punkten. Kompany war wieder in der zweitklassigen Championship angekommen – bis ihn der FC Bayern am vergangenen Montag kontaktierte und ihn im Handumdrehen von der Aufgabe in München überzeugte.

Inzwischen hat Kompany einen Dreijahresvertrag bis 2027 unterschrieben. Und die Münchner Verantwortlichen, gebrannte Kinder nach der monatelangen Suche für einen Tuchel-Nachfolger, hoffen, dass ihr neuer Trainer ähnlich einschlägt wie Xabi Alonso bei Bayer Leverkusen, der in diesem Sommer für den Rekordmeister nicht zu haben war. Xabi Alonso, Rangnick, dazwischen Ex-Trainer Julian Nagelsmann, Oliver Glasner oder wieder Tuchel: Eine in der Geschichte des FC Bayern beispiellose Suche hat ihr Ende gefunden.

Kompany mag noch keine ausgeprägte Trainererfahrung auf großer Bühne mitbringen: Bei Xabi Alonso, Pep Guardiola einst in Barcelona oder Zinedine Zidane bei Real Madrid war es jedoch nicht anders. Umgekehrt lässt sich daraus keine Erfolgsgarantie ableiten. Der Abstieg mit dem FC Burnley muss kein Makel sein, diese schmerzvolle Erfahrung erlebten auch ein Jürgen Klopp in Mainz oder ein Otto Rehhagel bei Arminia Bielefeld zu Beginn ihrer glorreichen Trainerkarrieren.

Kompany ist Eberls und Freunds Wahl

Kompany ist die Wahl von Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund, die am Ende den Aufsichtsrat um Ehrenpräsident Uli Hoeneß und Ex-CEO Karl-Heinz Rummenigge überzeugen mussten. Vor allem Eberl kämpfte um eine Lösung in seinem Sinne, er möchte für Entscheidungen geradestehen, die er tatsächlich auch verantwortet.

Das Trio Eberl/Freund/Kompany muss sich nun schleunigst um den Kaderumbau kümmern. Spannend, ob der Belgier auch einen Wunschspieler bekommt wie einst Jupp Heynckes mit Javi Martinez oder Pep Guardiola mit Thiago. Gesucht werden in jedem Fall ein Angreifer, mindestens ein Spieler für die offensive Außenbahn und ein Sechser. Sollte Alphonso Davies wechseln, gilt Theo Hernandez (AC Mailand) als Wunschlösung, der Franzose wäre allerdings eine sehr teure Wahl. Jonathan Tah wird als neuer Innenverteidiger gehandelt, dann aber müsste der FCB mindestens einen abgeben: Dayot Upamecano oder Min-Jae Kim.

Weil die Bayern erstmals seit 2011 nicht im Supercup spielen, wird die 1. Runde im DFB-Pokal Mitte August Kompanys erstes Pflichtspiel. Bis dahin muss er seiner neuen Mannschaft eine Spielidee vermitteln, die Mannschaft hinter sich bringen. Das Problem: Aufgrund der EM werden zahlreiche Spieler erst spät zum Team stoßen, mutmaßlich zur Asien-Reise Ende Juli, Anfang August.

Kompanys Vorteile

Kompanys Vorteil: Er mag beim FC Bayern zwar zunächst nicht die erste Wahl gewesen sein, er bringt jedoch die natürliche Aura mit, um trotzdem genug Selbstvertrauen auszustrahlen und den Respekt dieser chronisch kribbeligen Kabine zu gewinnen. Er spricht fließend Deutsch, Französisch und Englisch, kennt Leroy Sané bestens aus gemeinsamen Zeiten bei ManCity zwischen 2016 und 2019. Und er versprüht nach all den Absagen von Xabi Alonso über Rangnick bis Tuchel den Charme, ein neues Projekt auf die Beine stellen zu können.

Der frühere HSV-Verteidiger, der angeblich zwischen zwölf bis vierzehn Stunden pro Tag im Trainerbüro verbringt, bringt seine Assistenten Floribert Ngalula und Bram Geers aus Burnley mit. Das Team vervollständigen wird Bayerns bisheriger U-19-Trainer René Maric. Als Ablöse für Kompany zahlt der FCB kolportierte zehn bis zwölf Millionen Euro. Für Nagelsmann waren es vor drei Jahren rund 20 Millionen Euro, Tuchel bekommt das Gehalt für seinen bis 2025 laufenden Vertrag. Viel Geld, das der FC Bayern in den vergangenen Jahren für seine Trainer rausgepulvert hat.

Kompany dürfte derweil zugutekommen, dass sein auf Ballbesitz ausgelegter Stil durchaus einhergeht mit dem bayerischen Selbstverständnis. “Wenn man gegen einen tiefen Block spielt, wird es schwer zu treffen”, erzählte Kompany seiner Mannschaft in Burnley vor der ersten Saison. “Ich denke, es könnte uns sogar Spaß machen, die richtigen Muster dafür zu finden.” Was sich bewahrheiten sollte, zumindest in der Championship. Gerade mit Ball mangelte es den Münchnern in den vergangenen Jahren oft an Esprit, häuften sich individuelle Fehler, sah es häufiger nach Zufall als nach einstudierten Mustern aus.

Das Spielerpotenzial in München bietet Kompany mehr als beim FC Burnley. Wie es ausgeht? Das kann niemand seriös vorhersagen. Das Lob seines einstigen Trainers Guardiola begleitet ihn aber: “Ich habe eine sehr hohe Meinung von Vinnie, die höchste bezüglich seiner Arbeit, Persönlichkeit, seines Spielverständnisses und des Umgangs mit Medien.” Na dann. Bestätigen muss Kompany es schon bald.

Mario Krischel, Frank Linkesch