Die perfekte Fehlerkette: Wie Schultz in Köln eine unmögliche Mission übernahm

Die perfekte Fehlerkette: Wie Schultz in Köln eine unmögliche Mission übernahm

Der 1. FC Köln stürzt in dieser Saison von einer Krise in die nächste. Für viele Fehler der Vergangenheit kann Trainer Timo Schultz nichts, doch auch der 46-Jährige hat Anteil am Niedergang.

FC-Trainer Timo Schultz und seine Schützlinge stehen vor dem Kellerduell bei Mainz 05 vor dem Abgrund.

FC-Trainer Timo Schultz und seine Schützlinge stehen vor dem Kellerduell bei Mainz 05 vor dem Abgrund.

IMAGO/Eibner

Wer Fußballlehrer werden will, kann sich unzählige Bücher zu Gemüte führen und nahezu unendlich sind die Möglichkeiten, eine Mannschaft zu führen. Wenn es hart auf hart kommt, handeln viele Trainer dann aber doch ziemlich ähnlich. So wie Timo Schultz zu Beginn dieser Woche. Nach der ersten Einheit baute der Coach des 1. FC Köln eine mentale Wagenburg um seine Mannschaft: “Letztendlich können wir jetzt aber eine Scheißegal-Mentalität an den Tag legen. Wir brauchen nicht mehr von Druck sprechen, alle haben ihren Stab über uns gebrochen.” Ein Trick, so alt wie das Trainer-Dasein. Ob er funktioniert?

Der Ton am Geißbockheim hat sich jedenfalls verändert. Auch wenn etwa Routinier Mark Uth von guter Stimmung spricht. Schultz will im Abstiegskampf noch mal alle zusammenschweißen: wir hier im Team gegen die da draußen. Was er sich dadurch erhofft, ist nichts anderes als ein kleines Fußballwunder, denn die Geißböcke haben nicht nur viele Pessimisten schon quasi abgeschrieben. Fünf Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz sind angesichts von vier ausstehenden Partien ein Brett. Der 1. FC Köln steht nach sechs Jahren wieder mit einem Bein in der 2. Liga.

Eine drohende Premiere

Ein Abstieg wäre auch für Schultz ein Malus. Bei St. Pauli und in Basel wurde er zwar entlassen – in der Schweiz sogar nach bereits drei Monaten. Aber eine Klasse tiefer musste Schultz als Proficoach im Herrenbereich noch nie gehen. Nun droht ihm diese Premiere mit den Kölnern. Und das, wo der Norddeutsche doch eigentlich so gern im Rheinland bleiben würde. “Unabhängig von der Liga kann ich mir vorstellen, weit über den Sommer hinaus hier tätig zu sein”, sagte Schultz im kicker-Interview Mitte März. Und nannte dann noch Christian Streich als Vorbild, der mit dem SC Freiburg einst ab- und dann wieder aufstieg.

Der hört im Sommer als Freiburg-Coach auf – und könnte dann gemeinsam mit Schultz ein Sabbatjahr einlegen. Als Abstiegstrainer dürfte der 46-Jährige in Köln nahezu unmöglich zu halten sein – Fußball-Romantik hin oder her. Nur eine bemerkenswerte Leistungsexplosion seines Teams könnte Schultz‘ Karten noch verbessern. Die aber scheint richtig weit entfernt.

Die Übernahme eines Trümmerhaufens

Klar: Die Vorzeichen für die Rettungsmission in Köln standen von Beginn an schlecht. Sport-Geschäftsführer Christian Keller hatte im Sommer keinen adäquaten Ersatz für Jonas Hector (Karriereende) sowie Ellyes Skhiri (Frankfurt) verpflichtet und sich außerdem gegen den Transfer eines Mittelstürmers entschieden. Die Bestätigung der Transfersperre durch den CAS kombiniert mit mangelhaftem Krisenmanagement von Vorgänger Steffen Baumgart ließen den FC bereits zum Jahreswechsel als Trümmerhaufen erscheinen.

Schultz musste das genauso gesehen haben. Trotzdem sagte er bei seiner Vorstellung Anfang Januar, er sei “kein typischer Feuerwehrmann” und wolle “etwas entwickeln”. Ruhig und sachlich begann er dann mit der Aufarbeitung der vergangenen Monate: Faride Alidou und Sargis Adamyan machte er mit Geduld von Problemfällen zu Stammspielern, vertraute links mit Erfolg auf den jungen Max Finkgräfe und erkämpfte mit einer deutlich defensiveren Taktik Punkt um Punkt. Immer wieder sah er das Team “auf einem guten Weg” oder “auf Augenhöhe” mit dem Gegner. Für die Formulierung “verdienter Sieger” allerdings reichte es nur einmal, beim 2:0 gegen Frankfurt.

Das liegt auch an den Fehlern, die er machte. Die Mauertaktik war ein nachvollziehbarer Ansatz, zündete aber nur bedingt, weil individuelle Fehler trotzdem permanent zu Gegentoren führten. Die Offensive blieb ein Trauerspiel, weniger als die 13 Tore des 1. FC Köln schoss seit Schultz Amtsübernahme nur Union Berlin (11), das dafür allerdings nur 18 Gegentreffer statt der 27 Gegentore kassierte, die im FC-Tor einschlugen.

Kölns Sinnbild für die Krise

Und schließlich lag Schultz auch mit einigen Personalentscheidungen daneben. Florian Kainz etwa kommt unter Schultz auf einen kicker-Notenschnitt von 4,2, tritt nur sporadisch als Standardschütze positiv in Erscheinung und steht sinnbildlich für die Krise. Das Vertrauen des Trainers in seinen Kapitän ist ebenso unverständlich wie seine Experimente mit Jan Thielmann: Anfang des Jahres positionierte Schultz den 21-Jährigen erfolglos im Sturmzentrum, nun muss Thielmann Rechtsverteidiger spielen. Der U-21-Nationalspieler wirkt in dieser Rolle alles andere als glücklich und entfaltet nichts von dem Elan, den sich Schultz durch den gelernten Offensivspieler auf dieser Position erhofft hatte.

Fehlgriffe, die in der Summe in die 2. Liga führen könnten. Noch ist allerdings nichts verloren. Beim Auswärtsspiel am Sonntagabend (17.30 Uhr, LIVE! bei kicker) gegen Mainz 05 hat Köln die letzte Chance, die dramatische Fehlerkette zu unterbrechen. Und aus der “Mission Impossible” vielleicht noch eine “Mission possible” zu machen.

Jim Decker